Penny verstehen – in nur 3 Minuten

Penny verstehen – in nur 3 Minuten

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„Ab sofort ist Frische rot“? Echt jetzt?

So steht es zumindest auf den Werbeplakaten, mit denen Penny in Berlin und Köln die komplette Stadt tapeziert hat, als dort die ersten Filialen umgebaut waren.

Das ist dieser Umbau, von dem hier schon äußerst erschöpfend berichtet wurde, oder?

Bitte mal kurz nach oben scrollen: Steht da „Supermarktblog“ über dem Text? Ja? Dann spricht diesbezüglich doch wohl nichts gegen eine erschöpfende Begleitberichterstattung.

Ist ja schon gut, bloß nicht aufregen. Ich hab auch gehört, Penny hätte seinen Kunden einen Korb gegeben.

Völlig richtig. Manche haben sogar zwei oder drei Körbe bekommen. Das war symboltechnisch natürlich ein bisschen unglücklich, aber als Gag für den so genannten „City Bang“ gedacht. Entgegen aller Erstassoziationen bezeichnet der bloß das ganz große Werbebohei in einer Stadt, mit dem Penny sein Aufmerksamkeitsdefizit überwinden und die Leute in die Läden locken will. Anfang März bekamen Fußgänger (unter anderem) am Berliner Alexanderplatz und am Kölner Rudolfplatz rote Einkaufskörbe geschenkt. Rote, leere Einkaufskörbe. Unnützer geht’s wirklich nicht.

Ähm, rein hypothetisch gefragt: Wo krieg ich noch so einen Korb her?

Keine Ahnung. Auf jeden Fall nicht in der nächsten Penny-Filiale. Denn da gibt’s, wie in fast jedem Discounter, weiterhin ausschließlich Einkaufswägen.

Eigentlich weiß ich das schon, aber du erklärst es immer so gerne – also: Wozu wird dieser ganze Aufwand nochmal veranstaltet?

Penny ist nur Nummer 4 im Discount-Markt, im Vergleich zur Konkurrenz nicht besonders erfolgreich, aber trotzdem wichtig für Rewe, weil dem Konzern sonst ein paar Milliarden Euro Umsatz flöten gehen. Bisher fehlte Penny vor allem ein Alleinstellungsmerkmal. Marktführer Aldi hat sein Dauerbillig-Image, Lidl seine Aktionstage und Netto (ohne Hund) [Erklärlink] das größte Sortiment. Jetzt will Penny offensichtlich der Discounter mit den schönsten Regalen sein.

Und: hilft’s?

Naja, alleine aufs Umbauen wollte sich die Zentrale wohl doch nicht verlassen und hat gleichzeitig eine „Frische-Offensive“ ausgerufen. Wobei es nicht reichen wird, ein einsames Tiefkühlmöbel mit Smoothies, Fertigsalaten und zuckerigen Kaffeemischgetränken in die Obst- und-Gemüse-Abteilung zu stellen, um die Kundschaft davon zu überzeugen. In Prospekten wirbt Penny auch dafür, „mehrmals täglich ofenfrisch“ zu backen, „täglich frisch beliefert“ zu werden und sowohl Wurst als auch Molkereiprodukte „stets vorrätig“ zu haben. Dabei ist das schon länger eine Selbstverständlichkeit – bei der Konkurrenz. Kann sein, dass Penny sein Angebot im Vergleich zu früher aufgebessert hat. Aber wer zwischendurch auch mal im Supermarkt oder bei Lidl einkauft, der wird das kaum als riesige Verbesserung wahrnehmen. Sondern bloß als: Standard.

Hab ich das richtig verstanden? Penny möchte mit einem Leistungsversprechen, dessen Kern sich auf eine möglichst geringe Zeitspanne zwischen der Erzeugung und der Bereitstellung eines Produkts im Laden bezieht, verstärkt Geschäftsbeziehungen mit Selbstversorgern aufbauen?

Ja. Und mit „10-Prozent-Entdecker-Rabatt“-Gutscheinen.

Lässt sich das für Statistikfans nochmal in Zahlen zusammenfassen?

Sicher: 2014. 40. 120.000. 300.000.000. 70. 70.

Sehr witzig. Jetzt bitte noch die dazu passenden Buchstaben, Graf Zahl.

Bis Ende 2014 sollen alle Penny-Filialen umgebaut sein. Derzeit werden 40 Läden in der Woche renoviert. Das kostet pro Laden durchschnittlich 120.000 Euro. 300 Millionen soll Rewe insgesamt investieren. 70 unrentable Filialen werden nicht umgebaut, sondern noch in diesem Jahr dicht gemacht. Nochmal 70 werden in Rewe-Märkte umgewandelt oder an Konkurrenten abgegeben. (Schreibt alles die „Lebensmittelzeitung“.)

Es soll doch auch neue Eigenmarken geben. Sind die gut?

Zumindest sind die alten jetzt schicker verpackt. Das Besondere daran ist, dass künftig überall „Penny“ als Absender draufsteht. Das macht im Discount sonst niemand. Weil bald Ostern ist, wurden die neu designten Produkte praktischerweise in ein Suchspiel integriert. Bisher sind sie im Laden nämlich nur mit viel Geduld zu finden. Stattdessen steht weiter der alte Kram in den Regalen, erst nach und nach tauchen die hübscheren Verpackungen auf – weil die Produkte unterschiedliche Produktionsvorläufe haben.

Mal angenommen, ich wollte mich jetzt nur von den neuen Penny-Eigenmarken ernähren, dann…

…dann würde ich zunächst einen Termin beim Psychiater empfehlen, und gleich anschließend einen beim Ernährungsberater. Weil allein mit Milch, Paprikachips, Tiefkühllasagne, saurer Sahne und pampigem Kartoffelsalat vermutlich keine adäquate Nährstoffversorgung möglich ist.

Darauf wollte ich ja hinaus. Andere Frage: Penny ist jetzt sozusagen Handelszwitter? Halb Supermarkt und halb Discounter?

Genau darin besteht das Risiko. Weil der Strategiewechsel einerseits helfen wird, sich von den übrigen Discountern zu differenzieren, aber gleichzeitig die Gefahr besteht, dass Penny nicht mehr als gleichwertig günstig wahrgenommen wird und zu dicht an die Rewe-Märkte heranrückt. Ich sag bloß: Milch.

Mensch, die Milch! Wie einkartonige Zwillinge. Und was sagt die Konkurrenz?

Aldi juckt das vermutlich nicht weiter. Und Netto (ohne Hund) hat in Berlin unter Einsatz sämtlicher Kreativitätsressourcen ein Prospekt mit Niedrigpreisen verteilt, das total doppeldeutig herausposaunt: „Die Pennys können Sie sich sparen!“ Immerhin: Wieder eine Woche Arbeit für einen armen Agenturfuzzi bezahlt.

Die Frage aller Fragen ist ja wohl, ob es sich lohnt, zum neuen Superfrische-Penny zu gehen. Na?

Wer beim Einkaufen gerne allein ist und viel Platz hat, kommt dort sicher auf seine Kosten. Das Problem in Berlin und Köln ist allerdings, dass die Läden jetzt zwar schicker aussehen, alle möglichen Treue-, Frische- und Liebhabversprechen auf die potenzielle Kundschaft abgefeuert wurden – aber zunächst einmal weiter das im Einkaufswagen landet, was Penny schon immer hatte. Das ist ziemlich enttäuschend nach dem ganzen Getöse. Am Bio-Sortiment hat sich auf den ersten Blick überhaupt nichts getan. Der Fertigsalat aus der Tüte sieht ehrlich gesagt auch schon am Morgen so traurig aus, dass man ihn allenfalls aus Mitleid kaufen mag, um ihn der fachgerechten Entsorgung zuzuführen. Und sowohl die teure Fruchtzuckerpampe als auch die lieblos zusammengepanschten Obstsalate passen nicht zum Discount-Konzept. Selbst wenn da im Laufe der nächsten Monate noch was passiert: Die Leute, die jetzt testgekauft haben, sind dann längst wieder weg.

Und wenn das alles schiefgeht?

Dann dürften, erstens, die Tage von Penny als Teil des Rewe-Konzerns gezählt sein. Und zweitens wird in diesem Fall die erschöpfende Begleitberichterstattung an dieser Stelle ganz neu definiert.

Ohoh, dann drücken wir denen mal fest die Daumen. Anders als versprochen sind die 3 Minuten ja auch längst vorüber.

Diesmal hätten Sie’s aber wirklich ahnen können.

Danke an den Köln-Korrespondenten!

Fotos: Supermarktblog, J. Voß

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