Fühl dich wohl und komm wieder: Ladendesigner Wolfgang Gruschwitz über Supermarkt-Styling

Fühl dich wohl und komm wieder: Ladendesigner Wolfgang Gruschwitz über Supermarkt-Styling

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Wolfgang Gruschwitz ist einer der bekanntesten deutschen Ladendesigner. Zu seinen Kunden zählen Red Bull, Mango und Zara, außerdem hat er die „Markenwelt“ in der Münchner Allianz Arena entworfen und arbeitet derzeit für Edeka. Im Supermarktblog-Gespräch erklärt Gruschwitz, wie eine gute Ladeneinrichtung uns beim Einkaufen hilft, ob Regale besser längs oder quer stehen und wie man Butter spontan zum Verkaufsschlager macht.

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Supermarktblog: Herr Gruschwitz, in meinem Rewe ist vor ein paar Wochen eine grasgrüne Zwischendecke mit Licht-Spots in der Obst- und Gemüseabteilung aufgehängt worden. Am Angebot hat sich nichts verändert – aber ich bin fest davon überzeugt, dass jetzt alles frischer aussieht. Ist das normal?

Wolfgang Gruschwitz: Auf jeden Fall. Je beschäftigter Sie sind und je intensiver Sie sich – zum Beispiel im Job – mit anderen Dingen auseinandersetzen, desto leichter lässt sich Ihr Gehirn von solchen Veränderungen beeinflussen, weil es gar nicht darauf trainiert ist, das bewusst wahrzunehmen.

Die Supermärkte machen sich mein Beschäftigtsein zunutze!

Es ist typisch deutsch, den Unternehmen – oder auch uns Ladengestaltern – zu unterstellen, wir wollten die Kunden betrügen. Darum geht es gar nicht. Den Händlern ist es wichtig, sich im Verdrängungswettbewerb von Konkurrenten abzuheben. Die Kunden sollen sich in ihrem Laden wohlfühlen, das abspeichern und wiederkommen.

Sie sagen, beim Ladendesign folgt die Funktion der Emotion. Was ist denn bitteschön an ein paar Regelreihen und einer Kühltheke emotional?

In jeder Branche wird über Emotion verkauft. Alleine der Preis ist ja eine hochemotionale Angelegenheit. Bei Starbucks kostet der Kaffee 3 Euro, anderswo nur ein paar Cent. Irgendwie muss dieser Unterschied gerechtfertigt werden. Das geht zum Beispiel über eine entsprechende Inszenierung: Geruch, Farbe, Licht. Im Lebensmittelhandel ist das so genannte „Uptrading“ seit ein paar Jahren ein großes Thema: Märkte, die großen Wert aufs Ambiente legen und Vertrauen anbieten. Wegen der vielen Probleme, die aus den Nachrichten auf uns niederprasseln, ist Sicherheit für viele wieder ganz wichtig. Die Leute wollen gesund bleiben. Und sie wollen nach all den Lebensmittelskandalen Transparenz. Das kostet aber Geld. Und je weiter es im Einzelhandel nach unten geht, desto geringer werden die Margen, um das zu finanzieren.

Ist es dann aber nicht egal, in welchem Regal die Bio-Produkte stehen, denen ich vertraue?

Wenn die Marke Glaubwürdigkeit ausstrahlt: ja. Bei Eigenmarken, von denen es immer mehr gibt, sieht das schon wieder anders aus. Da spielt der Ladenbau eine große Rolle, denn wie ein Markt aussieht beeinflusst unsere Erwartungshaltung. Wenn ich bei Aldi zu lange an der Kasse warte oder wenn’s im Laden dreckig ist, können Sie’s gleich vergessen mit der Kundenzufriedenheit. Zur Ladengestaltung gehört auch Sauberkeit, Harmonie und ein ästhetisches Prinzip.

Im Discounter steht die Milch immer noch auf der Palette und die Supermärkte haben einfach ein paar schönere Lampen eingeschraubt – grundlegend haben sich die Märkte aber nicht verändert, oder?

Vielleicht merken Sie das nicht beim täglichen Einkauf. Aber ein Supermarkt sah vor 20 Jahren völlig anders aus, zum Beispiel was die Farbgestaltung angeht. Es gibt heute viel mehr Kontraste, um Ihnen die Orientierung zu erleichtern. Die Frischeabteilungen sind komplett verändert worden, vor allem die Fleischtheken. Stationen mit Probe-Verköstigungen haben sich durchgesetzt. Und es wird sehr viel mehr Wert auf eine klarere Beschilderung gelegt. Die Märkte sind auch viel stärker darauf angelegt, ihre Kunden zu inspirieren: Wenn Sie nach der Arbeit noch schnell eine Milch einkaufen und sich danach eine Pizza holen wollen, das Gemüse im Supermarkt aber so knackig aussieht, dass sie Lust aufs Kochen kriegen und der Salat schon vorgewaschen ist, fördert das die Impulskäufe. Im Discount ist das schwieriger: Wenn Aldi plötzlich auf die Idee käme, eine ästhetische Warenpräsentation mit Spot-Beleuchtung einzuführen, würde das die Kunden irritieren – weil die Emotion nicht mehr zur Erwartung passt.

In den Berliner Kaiser’s-Märkten stehen im Eingangsbereich lauter Inseln rum. Das wirkt zwar nicht so gleichförmig, nervt aber total, weil man ewig herumlaufen muss.

Sie sagen’s ja selbst: Das ist ein neuer Versuch – aber es ist Ihnen lästig. Männer sind da noch schwieriger zu überzeugen. Die schauen oft nicht so auf den Preis, aber wenn sie beim Einkauf etwas nicht finden, sind sie sehr schnell genervt und erkundigen sich auch viel seltener beim Personal als Frauen. Vor allem in Stadtmärkten ist so ein Insel-Konzept risikoreich, weil das Suchen besonders lästig ist, wenn man es eigentlich eilig hat. Tengelmann arbeitet meiner Ansicht nach da nicht strukturiert genug.

Sie sind also für eine klare Wegeführung. Aber sollen die Kunden nicht möglichst lange im Markt bleiben, um mehr zu kaufen?

Beim „Uptrading“ ja. Wenn sich Kunden mit den Produkten beschäftigen, sind sie sofort involviert und kaufen auch gerne, weil sie es bewusst tun. Bei den Discountern kommt es ja auf die Masse an. Deshalb ist dort auch die klare Wegeführung so wichtig. Die Läden sind schachbrettartig angelegt, die Gänge müssen breit sein.

Wenn wir schon bei den Gängen sind: Längsreihen oder Querreihen? Wie stehen die Regale am besten?

Wichtig ist vor allem, am Anfang keine Barrieren aufzubauen – sonst hindert mich das daran, bis nach hinten in den Markt durchzugehen. Am besten finde ich leicht schräg gestellte Regale, weil in denen die Ware besser gesehen wird. Längsreihen sind oft problematisch. Sie wissen ja, wie das mit Tunneln ist: Man will möglichst schnell durch. Und dann kommen die Waren links und rechts kaum zur Geltung. Die meisten Leute sind sowieso schon gestresst, wenn sie in den Supermarkt gehen. Deshalb ist es wichtig, erstmal das Tempo rauszunehmen und die Wege offen zu halten.

Das beste Ladendesign hilft aber nichts, wenn nachher alles mit Sonderangebotsflächen vollgestellt wird.

Das stimmt. Aber Händler, die verstanden haben, dass eine gewisse Offenheit wichtig ist, achten meinen Erfahrungen zufolge darauf, dass nichts vollgestellt wird.

Sie sagen, Waren müssen im Laden inszeniert werden. Beim Wein erschließ sich mir das sofort, den kann man in ein schönes Holzregal stellen. Aber geht das auch mit Toastbrot und Butter?

Man kann sich schon Gedanken über die Inszenierung machen – zum Beispiel, indem man eine Verköstigung anbietet: Butter auf frischem Brot, ein bisschen Salz darauf, dazu erklärt den Kunden jemand, worin die Besonderheit dieser oder jener Butter besteht. Ich versichere Ihnen, dass Sie damit 30 Prozent mehr verkaufen als vorher. Ob sich das auch rentiert, ist eine andere Frage. Und natürlich darf dann nicht dasselbe auch noch für die Milch, den Käse und den Joghurt gemacht werden. Das Wichtigste ist: Fokussierung

Braucht es Gerüche, um uns im Supermarkt zum Kaufen anzuregen?

Gerüche können einen visuellen Eindruck immer nur unterstützen, deshalb müssen sie stets mit der Optik verbunden sein. Es bringt nichts, wenn Sie in der Obstabteilung einen Zitronenduft haben, aber keinen Stapel mit frischen Zitronen. Dann assoziieren die Leute schlimmstenfalls, dass es nach Toilette riecht. Die Frischeabteilung nach Fleisch riechen zu lassen, wäre ein großer Fehler – weil es Kunden gibt, denen das widerstrebt. Fischgeruch ist tabu, dafür kann es in der Fischabteilung großer Märkte ruhig nach Küste riechen: Fichte oder Salzwasser – aber nur, wenn die Theken nicht zu nah beieinander stehen. Im Durchschnitt können wir sowieso nur vier oder fünf Gerüche nacheinander aufnehmen, dann ist unsere Nase überfordert.

Zu Ihrer Arbeit gehört es, übers Ladendesign „Geschichten“ zu erzählen. Wer macht das im deutschen Lebensmittelhandel am besten?

Im Discount ist Aldi da schon sehr konsequent. Bei den Supermärkten spielt sich das Rennen im Augenblick zwischen Rewe und Edeka ab. Ich finde, bei Tengelmann merkt man ein bisschen, dass dort der Kampf um die Marktführerschaft aufgegeben wurde. Meiner Meinung nach hat Edeka derzeit die Nase vorn, allein schon durch die Werbung „Wir lieben Lebensmittel“. Edeka-Läden sind individueller gestaltet. Rewe ist mir zu technisch, zu geradlinig und kastig. Da menschelt es mir zu wenig. Und das gehört für einen guten Gesamteindruck auch dazu.

Fotos: Gruschwitz GmbH, Supermarktblog

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1 Kommentar
  • Hallo Herr Gruschwitz,
    seit Wochen vermeide ich den Einkauf bei unserem EDEKA. Ich habe eine relativ empfindliche Nase. Gleich beim Eingang in den Gemüsebereich riecht es übel! Anfangs suchte ich nach evtl faulen Kartoffeln, Zwiebeln o.ä.. Dann fiel mir auf, dass der Fisch in der Fleischtheke und die Wurst in der Fischtheke ausgelegt wird! Laut Marketing sollte angeblich der Fisch von den Kunden dort besser angenommen werden…. Ich bin nicht die einzige, die an der Kasse wartend, die Nase wegen dem Fischgeruch rümpft. Es spricht halt bloß keiner laut aus, wenn´s stinkt.
    Da ich beruflich von Technikern umgeben bin, ließ ich mich belehren, dass Fleisch und Fisch eine unterschiedliche Be- und Entlüftung bekommen und wie sie ja auch im Artikel vorher schon beschreiben: eine unterschiedliche Beleuchtung genießen diese Nahrungsmittel ja auch.
    Also, wenn schon die Thekenbestückung anders sein soll, dann aber bitte mit der entsprechenden Lüftungstechnik! Nicht nur ich würde gern wieder ausgiebig im EDEKA bummeln und nicht nur mit angehaltener Luft das Nötigste besorgen.
    Mit freundlichen Grüßen
    C. Gäbelein

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