Das Tüten-Dilemma der Mehrwegbeutelvergesser

Das Tüten-Dilemma der Mehrwegbeutelvergesser

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Mit ihrer gerade gestarteten Aktion „Mehrweg statt Einweg“ setzt sich die Deutsche Umwelthilfe dafür ein, dass wir in Zukunft weniger Plastiktüten benutzen. Was den Tütenverbrauch pro Kopf angeht, steht Deutschland im Ländervergleich eigentlich gar nicht so schlecht da (65 im Jahr). Einer EU-Studie zufolge (pdf) führt aber allein die schiere Masse dazu, dass wir in Europa die meisten Einwegtüten brauchen und ungefähr für 7,5 Prozent der Weltproduktion verantwortlich sind. (Zum Vergleich: Der Mittlere Osten und Afrika kommen zusammen auf 8 Prozent.)

Thomas Fischer, Tütenexperte der Umwelthilfe, sagt: „Selbst eine geringe Reduzierung der verbrauchten Tüten pro Kopf in Deutschland würde einen sehr hohe absolute Reduktion bedeuten.“

Damit das klappt, schlägt der Verband eine staatlich vorgeschriebene Tütenabgabe vor: Einwegplastiktüten sollten generell 22 Cent pro Stück kosten, die Erlöse in Umweltinitiativen fließen. Dann gäbe es nicht mehr nur im Supermarkt, sondern auch in Warenhäusern, beim Fleischer und im Modegeschäft keine Kostenlostüten mehr. In Irland hat das ganz gut geklappt: Als die Abgabe dort eingeführt wurde, sank der Verbrauch massiv. Im Vergleich zu 1999 brauchten die Iren 2010 über eine Milliarde Plastiktüten weniger. (Ja, da steht wirklich: Milliarde.) Allerdings beläuft sich die Abgabe dort auf 44 Cent pro Stück. Ein solcher Aufschlag wäre auch in Deutschland denkbar, heißt es bei der Umwelthilfe.

Und wie kriegen wir dann unsere Einkäufe nachhause?

Na, genauso wie’s heute schon viele Leute machen. Sie bringen sich eigene Taschen oder Körbe in den Supermarkt mit.

Leider verträgt sich der Mehrweggedanke in vielen Fällen nur nicht so gut mit unserem Einkaufsverhalten. Wer in der Mittagspause oder abends nach der Arbeit noch schnell ein paar Besorgungen im Supermarkt macht, fährt natürlich vorher nicht extra heim, um dort den Jutebeutel abzuholen.

Die Frage ist also: Was macht der klassische Mehrwegbeutelzuhausevergesser, wenn er an der Supermarktkasse steht, sein Joghurt, den Käse und das Gemüse nicht einzeln nachhause balancieren will und eine einmalige Transportgelegenheit benötigt, die nicht aus fossilem Rohöl hergestellt sein soll?

Ist doch leicht, sagen Sie jetzt: zum Beispiel eine dieser hippen Plastiktüten aus biologisch abbaubarem Kunststoff kaufen.

Nee, besser nicht, sagt Fischer: „Die ‚ökologisch abbaubaren‘ Plastiktüten sind der ökologische Supergau.“ Erstens bestünden viele nur zu 30 Prozent aus nachwachsenden Rohstoffen, die ja auch angebaut werden müssen, was der Umwelt nicht besonders gut tut; und zweitens haben die abbaubaren Tüten den Nachteil, dass sie, wenn sie in später in der Gelben Tonne landen, das Recycling herkömmlicher Kunststoffe erschweren.

Ok, dann wird’s halt eine Papiertüte.

Schwierig, sagt die Umwelthilfe: Papiertüten seien nicht unbedingt umweltschonender, weil dafür mehr Material gebraucht werde, um sie genauso reißfest zu machen, und für die Herstellung besonders lange Zellstofffasern notwendig seien, die wiederum mit Chemikalien behandelt würden. Die Papiertüte lohnt sich im Vergleich zur normalen Plastiktüte erst dann, wenn sie drei- bis viermal wiederbenutzt wird. (Es sei denn, sie besteht vor allem aus Recycling-Materialien.)

Puh, das ist ja komplizierter als gedacht. Wie sieht’s denn mit Tragetaschen aus Baumwolle und Jute aus? Die kosten halt ein bisschen mehr, sind doch aber allemal besser als Plastik.

Kommt drauf an, sagt die Umwelthilfe: Für deren Produktion werden ja auch Materialien, Ressourcen und Energie benötigt, und zwar nicht zu knapp. Damit sie besser abschneiden als herkömmliche Plastiktüten, müssten sie „zwischen 25 und 32 Mal wieder verwendet werden“. Das geht zwar in Ordnung – heißt aber auch: Wenn Sie die Baumwolltasche beim nächsten Mal sowieso wieder zuhause vergessen, ist es umweltschonender, für den Einmaltransport eine Polyethylen-Tüte zu kaufen.

Verdammt. Und was ist dann die ökologisch korrekteste Tütenlösung für Mehrwegbeutelzuhausevergesser?

Klingt doof, ist aber so: Plastik. Nämlich Recyclingplastik.

„Wenn es eine Einwegtragetasche sein muss, dann am besten eine Plastiktüte mit hohem Recyclinganteil. Die hat die geringsten ökologischen Auswirkungen und ist am ‚Blauen Engel‘ zu erkennen, der draufgedruckt ist“, sagt Fischer.

Vielleicht schreiben Sie sich das für den nächsten Spontaneinkauf besser auf einen Merkzettel. Oder Sie lassen sich eine Baumwolltasche an die Seite operieren, dann ist’s ein für alle Mal vorbei mit der Zuhausevergesserei.

Foto: Supermarktblog

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7 Kommentare
  • Also, ich hab‘ immer mindestens einen Baumwollbeutel dabei: Einer zusammengefaltet in meiner Aktentasche, der andere im Auto. So kann ich in ca. 85 % der Fälle auf Plastiktüten verzichten.

  • Der Verbrauch an Energie welche für die Produktion einer Papiertüte eingesetzt werden muss ist tatsächlich höher als für eine Plastiktüte.
    Das Problem ist nicht die Plastiktüte sondern der Umgang damit.
    Wenn alle die Plastiktùten in den gelben Sack werfen, wird alles recycelt

  • Wie sieht es mit dem Aldikonzept aus, dass die Kund_innen einfach die Supermarktkartons aus den Regalen verwenden? Ist das nicht recht umweltfreundlich?
    Die sind sowieso da und Karton recyclen zuhause alle, weil er so schlecht in Mülleimer passt und so leicht aufzuheben ist.
    Nicht jede_r mag die Kiste-im-Regal-Optik, aber die Karton lassen sich ja auch an der Kasse anbieten. Für all die, die es toll finden, dass Menschen extra für sie Packungen aus einer Kiste in ein Regal räumen, damit sie es dort hinausnehmen können. Und vielleicht könnte man am Kartondesign feilen, damit sie leichter zu tragen sind.
    Spricht da irgendwas gegen?

  • Mal ganz kurz noch am Thema vorbei (zudem ist der Artikel von 2012) – den Mittleren Osten gibt es nicht im Deutschen. Der „middle east“ ist der Nahe Osten. Kommt im Jahr 2015 aber immer häufiger. Um in jenem Sprachduktus zu bleiben: diese Schreiber machen keinen guten Job. 😉

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