Migros kauft Fuldaer Bio-Pionier: Wie geht’s weiter mit Tegut?

Migros kauft Fuldaer Bio-Pionier: Wie geht’s weiter mit Tegut?

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Bis Weihnachten ist es zwar noch ein bisschen hin, aber der Schweizer Handelskonzern Migros hat sich schon ein paar Wochen vorher einen großen Wunsch erfüllt – und die hessische Supermarktkette Tegut gekauft. Die ist künftig nicht mehr eigenständig, sondern gehört ab Januar komplett den Schweizern. Thomas Gutberlet, Sohn des Tegut-Gründers, soll als Chef mit an Bord bleiben.

Einerseits ist der Verkauf eine traurige Nachricht: Weil ein familiengeführtes Unternehmen mit überschaubarer Größe sich im deutschen Markt offensichtlich selbst dann nicht dauerhaft gegen die starke Konkurrenz behaupten kann, wenn es ein klar umrissenes Konzept hat. Und mit seiner Mischform aus Supermarkt und Bioladen trifft Tegut derzeit ziemlich gut den Nerv der Zeit.

Andererseits lässt sich durch die Migros-Übernahme womöglich Schlimmeres verhindern. Der „Lebensmittelzeitung“ zufolge hatte auch Rewe Interesse an einem Einstieg. Da Rewe aber im Rhein-Main-Gebiet schon geradezu übermächtig ist, hätte das für viele Tegut-Filialen womöglich drastische Konsequenzen bedeutet.

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Jetzt kommen also die Schweizer. Und bringen haufenweise Eigenmarken mit. Für die ist Migros in der Heimat nämlich bekannt, und der Konzern hat auf der Pressekonferenz am Donnerstagmorgen bereits angekündigt, einen ganzen Schwung davon in die Tegut-Filialen holen zu wollen. Obwohl die Läden weiter Tegut heißen sollen.

Spurlos wird der Eigentümerwechsel an Tegut aber kaum vorübergehen. Migros hat zwar bereits versprochen, ebenfalls „einen verantwortungsvollen Umgang gegenüber Kunden, Lieferanten, Mitarbeitenden und Umwelt“ zu pflegen, und kooperiert ja auch schon mit dem hessischen Biomarktbetreiber Alnatura, mit dem gerade in Zürich eine gemeinsame Filiale eröffnet wurde. Allen Bekenntnissen zum Trotz ist es aber eben doch ein Großkonzern, der die künftige Entwicklung von Tegut lenkt. Und das bedeutet vor allem: Die Rendite muss rauf! Zwei Prozent lautet die Vorgabe in der Migros-Genossenschaft, hat Jörg Blunschi, Geschäftsleiter der Migros Zürich, bestätigt. Und Tegut liegt da derzeit drunter.

Um das zu ändern, gibt es mehrere Wege. Der erste lautet: wachsen!

Die Schweizer werden sich mit dem jetzigen Verbreitungsgebiet, das auf drei Bundesländer begrenzt ist, kaum zufrieden geben, und weitere Filialen aufmachen. Das ist für die Kunden zunächst einmal nichts Schlechtes. Es ist aber eine Abkehr von der bisherigen Expansionsphilopsohie, die Thomas Gutberlet im Frühjahr im Supermarktblog erläuterte:

„Tegut steht für eine regionale Lieferantenstruktur bis in die Landwirtschaft hinein. Das kann ich nicht so einfach woanders herbeizaubern, das müsste wachsen. Unser Unternehmen zeichnet sich auch dadurch aus, dass alle Mitarbeiter schnell in die Zentrale kommen können, und alle aus der Zentrale schnell mal in einem der Märkte sind. Man kennt sich gegenseitig. Und das würde verloren gehen, wenn wir jetzt plötzlich Läden in Berlin aufmachen.“

Wahrscheinlich wird es nicht gleich Berlin werden, sondern eher der Süden Deutschlands, in den Migros seine neue Errungenschaft jetzt hinzaubert. Das Konzept vom Familienunternehmen, bei dem jeder (fast) jeden kennt, ist damit aber vom Aussterben bedroht.

Die zweite Möglichkeit, die Rendite raufzukriegen, ist natürlich: sparen. Und das dürfte das eigentliche Problem sein. Migros wird es kaum riskieren, Abstriche bei der Qualität oder der Auswahl der Lebensmittel zu machen. Das wäre ein fataler Fehler und ein katastrophales Signal an die Kunden. Aber bei allem, was nicht unmittelbar zum Tagesgeschäft gehört, könnte das Budget künftig deutlich kleiner ausfallen – oder sogar ganz gestrichen werden. Womöglich gehört es nicht zu den Prioritäten eines Schweizer Großkonzerns, die Lebensmittelversorgung in kleinen hessischen Gemeinden ohne Nahversorger zu fördern, so wie Tegut das mit seinen „Lädchen für alles“ macht. Genauso wenig wie die „Saisongärten“, bei denen Tegut Parzellen an Kunden vermietet, die selbst bestimmen (und ernten) können, was dort angebaut wird – eine hervorragende Idee, aber immer noch ein Zuschussgeschäft. Oder, anders gefragt: Wie kreativ darf Tegut künftig noch sein, wenn Kreativsein Geld kostet?

Weniger ausprobieren, schneller wachsen – so könnte die Zukunft für das hessische Unternehmen aussehen. Das ist schade, aber – angesichts der Alternativen – wohl immer noch eine der besten Lösungen. Ein massiver Eingriff in die bisherige Unternehmenskultur von Tegut ist der Migros-Einstieg auf jeden Fall.

Fotos: Supermarktblog

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