Eine Frage der E-Tikette

Eine Frage der E-Tikette

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Die österreichische Supermarktkette Billa hat Preisschilder am Regal hängen, für deren Lektüre man sich eine Lesebrille, ein bisschen Zeit und eventuell einen Klappstuhl zum Einkaufen mitnehmen sollte. Immerhin steht auf den knallroten Superschildern nicht bloß der Rufname des dahinter einsortierten Produkts („Ölz Butterbrioche“) und dessen Preis (2,89 Euro), sondern auch:

  • Was der Artikel für Normalsterbliche kostet, die nicht Mitglied im Billa-Vorteils-Club sind (3,29 Euro)
  • Dass es sich bei dem herabgesetzten Preis um eine zahlreiche Regeln der Orthografie außer Kraft setzende Leistung handelt, auf die es sich mit einem goldenen Finger hinzuweisen lohnt („B€st Preis Garantie“)
  • Und wann der Billa-Vorteils-Club-Preis „aufgrund einer Mitbewerber-Aktion“ aktualisiert wurde (irgendein Datum)

Billa-Markt in Wien

Die zuletzt genannte Information ist die relevante. Weil die eigentliche Besonderheit des Preisschilds darin besteht, dass es sich dabei sozusagen um einen kleinen Kindle handelt. Einen, der im abgebildeten Fall bloß die Eckdaten des literarischen Werks „Butterbrioche“ zu speichern vermag. Aber das reicht ja auch für die im Laden zur Verfügung stehende Lektürezeit eines elektronischen Preisschilds, das mit derselben Technologie funktioniert wie Ihr Ebook-Reader.

Superpreisschild bei Billa mit "B€st Preis Garantie"

In der Supermarktbranche sind elektronische Preisschilder seit Jahren sowas wie der heilige Gral: Sie versprechen vielleicht keine ewige Jugend, dafür aber andauernde Glückseligkeit, weil die Mitarbeiter im Laden nicht mehr tausende Papieretiketten ausdrucken und in die Regalschienen fitzeln müssen, wenn sich gerade wieder der Preis eines Produkts geändert hat oder irgendwas im Sonderangebot (oder nicht im Sonderangebot) ist.

Bisher hatten die Schildchen bloß einen großen Nachteil: Sie waren für die Kunden bei herkömmlichem Supermarktflutlicht verdammt schlecht zu lesen (siehe Beispielbild).

Bisher waren viele Digitaletiketten am Regal nur mittelgut lesbar

Inzwischen ist die Technik ein paar Schritte weiter, und Billa hat gleich einen ganzen Schwung der neuen E-Tiketten in seinen Filialen anmontiert – bisher vor allem, um damit das Marketingkunststück „B€st Preis Garantie“ aufzuführen. Diese Garantie gilt für etwa 300 Artikel im Laden und funktioniert so: Wenn ein Konkurrent in seinem Wochenangebot einen bestimmten Artikel verbilligt anbietet, dann verspricht Billa seinen Club-Mitgliedern, denselben Preis zu verlangen – und schreibt es ans Regal: „aktualisiert aufgrund einer Mitbewerber-Aktion am: 10.11.2013“.

Die Preisänderungen kommen direkt aus der Zentrale und werden auf die E-Tiketten draufgefunkt, die mit kleinen Batterien ausgestattet und über eine Box im Laden ans Netz angeschlossen sind.

Weil ein „zeitintensiver Etikettenaustausch“ wegfalle, könnten sich die Mitarbeiter im Laden „wieder voll und ganz auf ihren Job, kompetentes Beraten und erfolgreiches Verkaufen, konzentrieren“, freut sich der Hersteller.

In Deutschland testet Edeka die digitalen Preisschilder in ein paar Märkten, bei Edeka Niemerszein in der Hamburger Langen Reihe ist schon der komplette Laden damit ausgestattet.

Elektronisches Preisschild bei Edeka Niemerszein in der Hamburger Langen Reihe

Auch Rewe hat die Pixelpreise für sich entdeckt. Vielleicht ja, weil die Kollegen aus Österreich rübergefunkt haben, dass sie ganz zufrieden damit sind: Billa gehört nämlich zu Rewe. Jedenfalls meldete die „Lebensmittelzeitung“ kürzlich, dass die Supermarktkette in allen deutschen Märkten, die neu eröffnet werden, entsprechende Schilder einführen will – überall im Laden. (Mit Ausnahme der Tiefkühltruhen, weil da wohl die E-Tinte einfriert.) Die „LZ“ zitiert den Rewe-Cheftechniker Jens Siebenhaar:

„Wir wollen damit sicherstellen, dass die Preise am Regal immer mit denen an der Kasse übereinstimmen.“

Es ist also eine wunderbare neue Welt, die uns die E-Tiketten beim Einkaufen erschließen: Mitarbeiter müssen weniger fitzeln, und Kunden kriegen nicht nur reduzierte Preise angezeigt, sondern brauchen sich auch nicht mehr darüber zu ärgern, dass der papierne Regalpreis nur ein entfernter Verwandter dessen ist, der an der Kasse bezahlt werden muss. Sogar der Lebensmittelverschwendung könnten die kleinen Wunderkindles vorbeugen: zum Beispiel, indem ein Markt vor Ladenschluss einfach die Preise für Obst und Gemüse reduziert, damit die Kunden eher zugreifen und weniger weggeschmissen werden muss.

Toll! Oder?

Natürlich funktioniert die Technik auch in die andere Richtung. Zum Beispiel, wenn im Innenstadtladen der fertig geschnittene Salat, das Sushi und das Sandwich in der Mittagspause plötzlich 10 Cent teurer wären als sonst. Oder in den Abendstunden, wenn die gute Flasche Wein ein bisschen näher an den Kioskpreis herangefunkt wird. Genau wie zu Zeiten, von denen die Supermärkte wissen, dass dann besonders viele Kunden ihren Wocheneinkauf erledigen, und die wenigsten Lust haben, noch mal den Laden zu wechseln, bloß um ein paar Cent beim Waschmittel zu sparen.

Auf den elektronischen Preisschildern steht dann aber bestimmt nicht:

„Aktualisiert aufgrund Ihrer Mittagspause“,
„Aktualisiert, weil sonst eh nix mehr auf hat“
oder
„Aktualisiert, weil Sie im Wochenendstress schnell nachhause wollen“

Fotos: Supermarktblog

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13 Kommentare
  • Jawohl! Endlich Zustände wie an deutschen Tankstellen, wo man inzwischen vor dem Einstöpseln des Tankstutzens überprüfen sollte, ob der Preis sich in den letzten zwei Minuten seit dem Einfahren in die Tankstelle nicht erhöht hat (was mir in den letzten sechs Monaten schon zweimal passiert ist), und der deshalb an der Anzeigetafel beworbene gerade seine Gültigkeit verloren hat.

    Aber vielleicht kündigt das Verbraucherschutzministerium dann wieder zwei Monate vor der nächsten Bundestagswahl an, die Ladenketten zu verpflichten, ihre Preise transparent im Internet minutenaktuell bekanntzugeben, so dass der Kunde dann in den Einkaufsstraßen schön Shoppingrally fahren kann, gesteuert vom Preisalarm auf dem Smartphone („Gurken bei Penny soeben um 15 Cent günstiger geworden!“).

    • Das gibts für Tankstellen schon. Würd ich für den Lebensmitteleinzelhandel (ab einer gewissen Verkaufsfläche) durchaus begrüßen. Technisch wär das sicher kein größeres Problem.

      Preiserhöhungen lassen sich im Lebensmitteleinzelhandel sicher nicht legal sofort nach Umzeichnung am Regal an der Kasse verlangen. Wobei die Preisangabenverordnung bisher nichts Konkretes dazu sagt (demnach wären Preissenkungen während der Geschäftszeit auch problematisch, aber da hat wohl praktisch niemand was dagegen).

  • „… könnten sich die Mitarbeiter im Laden „wieder voll und ganz auf ihren Job, kompetentes Beraten und erfolgreiches Verkaufen, konzentrieren““

    Ja, sischer dat. Wäre es nicht ehrlicher zu sagen: „… können wir mindestens einen der minderbezahlten Regaleinräumer pro Geschäft einsparen und das Management kann sich auf das erfolgreiche Einstreichen seiner üppig erhöhten Gehälter konzentrieren.“

  • Fehlt bei dem Edeka-E-tikett für das Ragout fin nicht die Grundpreisangabe?
    (Und ja, ich hasse mich selbst dafür, dass mir solche Sachen sofort auffallen).

    Anders gefragt: wie sollen die ganzen Informationen eines Billa-Best-Preis-Garantie-Etikettes inklusive beider Preise für A- und B-Kunden, Artikelbezeichnung und Änderungsdatum auf so ein elektronisches Preisschild passen? Das müsste dann ja schon die Größe eines kleines Flachbildfernsehers haben, oder?

    Und könnte Rewe, wenn sie die Preise schon nach Uhrzeit diversifizieren, die nicht auch zur besseren Steuerung der Kundenströme nach Personengruppe anpassen? Also, beispielsweise, für Rentner Zuschläge von 100% auf den regulären Preis ab 17:30 Uhr und am Wochenende erheben, wo sie den Werktätigen im Weg stehen? Und dafür zum Ausgleich, sagen wir, Dienstags vormittags 20% Rabatt auf den Preis für Gebissreiniger? Oder während der Schulpausenzeiten von allen nicht volljährigen Kunden ein Eintrittsgeld von 10 € verlangen, um die von dieser Personengruppe durchschnittlich verübten Ladendiebstähle auszugleichen?

    • Gut beobachtet, aber: auf das Billa-Schild passt ja auch ein halber Datenkatalog drauf. (Ob man das übersichtlich nennen mag, ist freilich eine andere Sache.)
      Und nur zur Klarstellung: Rewe hat nicht behauptet, die Preise schon entsprechend zeitabhängig zu ändern, es geht erstmal nur um die Möglichkeit.

  • Gab vor kurzem im TV einen Beitrag in dem die Eröffnung einer neuen EDEKA Filiale gezeigt wurde,dort ging es unter anderem auch um diese E-Tiketten,bei der Endkontrolle fiel halt auf das einige nicht funktionierten und der Bereichsleiter blieb ganz Cool weil so etwas öfter vorkäme.Als Kunde muss man also weiterhin damit rechnen nicht zu wissen was die Ware kostet,schöne neue Welt

  • Den Ansatz mit diesen E-Tiketten finde ich interessant. In Frankreich sieht man die mittlerweile sehr häufig. Da sind es aber meistens die kleinen unübersichtlichen, wie sie an Metroregalen kleben.

    Mich stört bei dieser Sache immer dass man bei einem Angebot nicht mehr den regulären Preis nachschauen kann. Meistens wird das Etikett für das Angebot nur über das reguläre Etikett gelegt. Dann sieht man, ob der Joghurt jetzt nur um fünf Cent reduziert ist, oder es sich lohnt, weil er ganze 20 Cent billiger ist.

  • Kann die Entwicklung nur begrüssen. Bisher gabs immer das Problem, das wenn ein Preisschild verdreckt, kaputt, verschwunden, etc.. etc. war, musste es über die Zentrale bestellt werden, weil die Geschäftsführung nicht wollte das sie in der Filiale ausgedruckt werden. Die Logik dahinter war das die Druckkosten mit den Filialdruckern höher wären. Die Preisschilder (PS)handschriftlich zu ersetzen war zwar möglich, aber wenn in einer Filiale mehr als 10 selbstgeschriebene PS gleichzeitig gefunden wurden war der Verantwortliche am Ar###.

    Natürlich besteht die Gefahr des Missbrauchs, aber m. M. ist die Wahrscheinlichkeit sehr gering. Stellen sie sich den medialen Aufschrei und die negative Publicity vor. Das wäre ein PR Alptraum den kein Einzelhändler riskieren will.

  • Die Etiketten grundsätzlich zu begrüßen, wobei bisher anscheinend noch nicht das optimale Produkt auf dem Markt ist.
    Ebenfalls anfreunden könnte ich mich mit Preisanpassung, denn in anderen Bereichen/Branchen ist dies durchaus üblich und es könnte so die Einkaufsströme/Aktionen individuell gesteuert werden.

  • Als Rewe-Kundin, die sich immer wieder darüber ärgert, daß mindestens alle zwei Wochen ein Preis auf dem Kassenzettel nicht mit dem am Regal übereinstimmt, kann ich das erstmal nur begrüßen. Ich habe ein verdammt gutes Kurzzeit-Zahlen-Gedächtnis, sehr zum Leidwesen der Verkäufer dort – und ich muß auf den Cent achten, weil ich Hartz-IV-zwangsverarmt bin.

    Daß die Preise dann mehrfach täglich geändert werden, kann ich mir nun nicht vorstellen. Früher oder später würde es auffallen, und den Aufwand, den das Personal dann mit verärgerten Kunden hat, möchte man sicher nicht haben. Diesbezüglich stimme ich Kommentator Gribofsky zu.

    McDuck:

    … können wir mindestens einen der minderbezahlten Regaleinräumer pro Geschäft einsparen und das Management kann sich auf das erfolgreiche Einstreichen seiner üppig erhöhten Gehälter konzentrieren.”

    Damit kann man keinen Regaleinräumer sparen. Die Waren müssen ja immer noch ins Regal, solange das keine Roboter machen, und der Aufwand ist wesentlich höher, als die Preisschilder auszutauschen. Das läuft nur so ganz nebenbei mit (und wird dann auch gern mal vergessen, was ja das Grundproblem ist).

    Gruß, Frosch

  • Hieber, ein Edeka-Händler an der dt.-schw. Grenze hat bei seiner Umflackung – weg vom Edeka-Image (max. noch 1 E-Logo ist in nennenswerter Größe am Laden zu finden) auch nur noch E-Ticketten.
    Aber ein paar Kilometer weiter, in Frankreich ist das ja schon lange Standard. Mir fällt da immer wieder auf, wenn es sich nicht gerade um Prospektware handelt, dass da ganz und gar nicht mit Schwellenpreisen gehandelt wird und vor allem bei Sorten ein und des selben Produkts völlig unterschiedliche Preise im Lecerc abgebildet sind. Also für die gut ein Dutzend verschiedenen Bonne Mamman Marmeladen gibt es trotz identischer Füllmenge für jede Sorte ein individuellen Preis und die Spannbreite ist nicht gering.
    Diese Preisbildung verwirrt mich. Offensichtlich wird bei den meisten Produkten ein Preis automatisch aus Angebot und Nachfrage generiert? Selbst wenn das nur monatsweise geschehen würde und nicht gar täglich oder mehrmals täglich – hier in Deutschland gibt es doch max. 2 Preise für eine Produktkategorie eines Herstellers (für ‚premium‘ entweder ein anderer Preis, der sich klar mit einem Schwellenpreis vom niedrigeren abgrenzt oder eben über die Füllmenge (900ml statt 1000ml beim Eis )).
    Wie funktioniert der Mechanismus in Frankreich? Wie häufig werden die Preise angepasst und was ist das primäre Ziel der so untypischen krummen Preise? Bei 10 Marken Haarwaschmitteln mit jeweils 10 verschiedenen Geschmäckern kann man ja wirklich nur noch nach Verpackungslayout und persönlicher Produktpräferenz gehen, ein Preisvergleich wäre nahezu undurchführbar, selbst wenn die jeweiligen Produktpreise ewig unverändert blieben.

  • mein Bedenken wäre auch, für ein Produkt an der Kasse mehr zu zahlen, als es zuvor am Regal stand. Eben, weil der Preis zwischenzeitlich erhöht wurde (obiges Beispiel kann ich bestätigen: Punkt 22 Uhr erhöht Aral um 20 Cent. Mehrfach erlebt und knapp noch zu niedrigeren Preis getankt).

    Was mir in letzter Zeit bei jedem Obi-Einkauf auffällt: angezeigter Preis online für genau diese Filiale ist *immer* günstiger als im Regal. Im Laden kein Netz- Empfang > daher jetzt immer mit Ausdruck einkaufen gegangen und auf dem niedrigeren Preis bestanden. Etwa 10% Differenz. Und das, wo die 10%-Gutscheine (Umzugsservice) und auch die Joker-Wochen (Klebepunkte) dieses Jahr abgeschafft wurden.

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