Kundemagazin statt Einkaufs-Innovationen: „Aldi inspiriert“ nicht

Kundemagazin statt Einkaufs-Innovationen: „Aldi inspiriert“ nicht

Inhalt:

Seit dieser Woche liegt in den Aldi-Süd-Filialen die erste Ausgabe des neuen Kundenmagazins, eine Reaktion auf die Konkurrenz. Mit eigenen Ideen tut sich der Discounter gerade sehr schwer.

Partner:

Die To-Do-Liste der Aldi-Süd-Manager in der Zentrale in Mülheim an der Ruhr sieht derzeit ungefähr so aus:

Freundlichere Läden ✔
Aufbackbrötchen ✔
Premium-Eigenmarken ✔
Klebebilder-Treueaktionen ✔
Kundenmagazin ✔

In den vergangenen Monaten lässt sich der deutsche Discount-Marktführer dabei zusehen, wie er sein Geschäftsmodell mühevoll dem der weniger modernitätsallergischen Konkurrenz annähert. Und jetzt? Alles abgehakt?

Neues Kundenmagazin "Aldi inspiriert"

Seit Anfang der Woche liegt in den Süd-Filialen die erste Ausgabe des neuen Kundenmagazins, produziert vom Berliner Servicejournalismus-Resteverwerter Raufeld Medien. Für alle, die schon immer mal wissen wollten, wie man Spaghetti Bolognese zubereitet (mit Hackfleisch), wie man beim Wandstreichen Quadratmeter berechnet („Wandlänge x Raumhöhe“) und was man am Valentinstag macht („Schenken mit Herz“), ist das eine tolle Lektüre. Für alle anderen bloß eine gedruckte Kapitulation des Harddiscount-Prinzips (bzw. eine Reaktion auf Penny und Netto [ohne Hund], die ebenfalls eigene Magazine veröffentlichen).

Das „Handelsblatt“ hat vor lauter Aufregung einen Marketingprofessor befragt und zitiert ihn mit den Worten, das werde „dem Image des Discounters deutlich helfen“. Was nicht nur angesichts des dürftigen Informationsgehalts eine steile These ist, sondern auch wegen der Austauschbarkeit des Hefts, in das sich problemlos jedes andere Discounter- oder Supermarktlogo drucken ließe, ohne dass es auffiele.

Mag sein, dass Aldi sich bloß auf den neusten Stand bringt. In Großbritannien hat der Discounter damit ja auch Erfolg: Aldi ist dort seinem Niedrigpreis-Prinzip treu geblieben, hat sich aber nach und nach konsequent an den Gewohnheiten britischer Kunden orientiert. Andererseits funktioniert diese Strategie vor allem bei einer Aufholjagd, wie sie in Großbritannien notwendig ist. Denn die tollen Wachstumsraten von über 20 Prozent kommen auch daher, dass der Marktanteil von Aldi UK bei eher überschaubaren 4,8 Prozent liegt.

In Deutschland ist Aldi hingegen eine Macht im Markt, die selbst Maßstäbe setzen könnte, diesen Vorteil aber – außer beim Preis – kaum zu nutzen vermag, weil es an Kreativität fehlt.

Ich war diese Woche zum Wiederbesuch im einzigen City-Aldi in London (siehe Supermarktblog), wo sich besichtigen lässt, was alles an Veränderungen möglich ist, ohne das grundlegende Aldi-Prinzip aufzuweichen. In der Innenstadt macht niemand große Vorratskäufe, also braucht der Discounter dort auch keine Riesenkassen. Stattdessen reichen viele kleine Tresen, zu denen die Kunden, die in einer gemeinsamen Schlange anstehen, gerufen werden.

Innenstadt-Aldi in London

Aufbackbrötchen purzeln nicht aus klobigen Automaten, sondern werden in Körben angeboten. In Deutschland wäre das der Hygienevorschriften wegen heikel (siehe Supermarktblog). Aber der Londoner City-Aldi kriegt auf der gleichen Verkaufsfläche viel mehr Auswahl unter als seine größeren deutschen Verwandten.

Aufbackkörbe bei Aldi in Kilburn

Die (britische) Herkunft von Milch, Fleisch, Obst und Gemüse stellt Aldi konsequent heraus. In Deutschland geschieht das bislang, wenn überhaupt, sehr zurückhaltend.

"British skimmed Milk" bei Aldi in Großbritannien

Wer gar nicht groß einkaufen, sondern bloß was für die Mittagspause mitnehmen will, braucht nicht zu suchen: Das erste Regal am Eingang („Lunch to Go“) bietet Säfte, Salate und Sandwiches. Warum sollte man Kunden lange suchen lassen, wenn man sie auch sofort zufrieden stellen kann?

"Lunch to Go"-Regal bei Aldi in London

Natürlich sind nicht alle Maßnahmen, die Aldi auf der Insel umsetzt, zwangsläufig auch für Deutschland geeignet. Aber es sind allesamt Ideen, die das Einkaufen erleichtern oder verbessern. Mit Nordic-Walking-Erklärstücken in einem Kundenmagazin, das „Aldi inspiriert“ heißt, aber das exakte Gegenteil beweist, wird das hierzulande auf Dauer eher schwierig werden.

Fotos: Supermarktblog

Kommentieren

Datenschutzhinweis: Mit der Nutzung dieses Formulars erklären Sie sich mit der Speicherung und Verarbeitung Ihrer Daten durch diese Website einverstanden. Eine Freischaltung erfolgt nur unter Angabe einer validen E-Mail-Adresse (die nicht veröffentlicht wird). Mehr Informationen.

19 Kommentare
  • „Warum sollte man Kunden lange suchen lassen, wenn man sie auch sofort zufrieden stellen kann?“

    Gute Frage, es gibt da ja immer so „Experten“ nach denen man die Kunden immer durch den halben Laden schicken muss. Weil man dann zur Brotzeit noch spontan eine Tonne Waschmittel kauft (oder so).

  • Man kann aber auch nicht sagen, dass das, was man im Londoner City-Aldi sieht, auf eigene Kreativität zurückzuführen ist. Diese Art von Kassen, die Snacks im ersten Kühlregal, das hat sich Aldi auch nur von den City Tescos, Sainsbury’s usw. abgeguckt.

    • Deshalb steht oben ja auch: „an den Gewohnheiten britischer Kunden orientiert“. Die Gewohnheiten, klar, haben die anderen geformt. In Deutschland könnte Aldi genau diese Rolle übernehmen – passiert aber nicht.

  • Es gibt in dem Kundenmagazin doch ein kleines spannendes Detail: Es gibt in der Aldi-Welt nur Frauen, keine Männer…

    Viele Grüße
    Christoph

    • (Sie meinen, es sind fast nur Frauen abgebildet im Heft.)

      Lustigerweise steht im Impressum: „Um Ihnen den Lesefluss zu erleichtern, verwenden wir im Textlauf ausschließlich männliche Bezeichnungen.“

  • ob mir das wer glaubt: ich habe diese Woche in meinem Aldi Einkaufskörbe gesehen. In blau. Dachte erst, ich wäre im falschen Laden. Es wird doch!

    • Ich hab die inzwischen auch schon in mehreren Filialen gesehn (erstmals in einer am 9. Oktober neu eröffneten Filiale), auch in einer, die zuvor keine Metallkörbe gehabt hat (die es schon länger in einigen wenigen Filialen gibt). Netto (ohne Hund) und Penny haben auch zunehmend welche. Lidl hat zunehmend stark geschrumpfte Einkaufswägen (in einer neuen Innenstadtfiliale ausschließlich solche).

    • Blaue Einkaufskörbe, schwarze Henkel gibt es auch hier in Aachen, aber nicht in allen Filialen.

    • Einkaufskörbe aus Metall hat mein Stamm-Aldi (Süd) schon seit vielen Jahren (gefühlsmäßig mindestens seit fünf, eher mehr), inklusive so einer piepsenden Warensicherungsanlage am Ausgang extra dafür, dass niemand die Dinger aus dem Laden trägt.

    • Bei meinem Aldi wurden Körbe vor einiger Zeit eingeführt. Die Höhe des Turms hat sich dann langsam verringert. Dann wurden wohl nochmal welche nachgekauft. Nachdem auch die weg waren, wurde mir gesagt, dass es keine mehr gibt, weil sie zu oft geklaut werden… Funktioniert anscheinend nicht.

  • So ein kleines extra Kühlregal mit Snacks und Getränken habe ich in einem deutschen Aldi aber auch schon gesehen (wobei ich das jetzt nicht sonderlich innovativ fand, aber bei den Discountern ist man ja froh, wenn sich überhaupt was tut).

    Großer Vorteil des Magazins gegenüber der vorherigen Sammelbildchenaktion: Es lässt sich einfacher ignorieren, da man an der Kasse nicht damit genervt wird…
    Da kann man ja gespannt sein, welches abgedroschene Kundenbindungsprinzip Aldi als nächstes rauskramt. Ich tippe ja auf Sammelpunkte, die sich gegen Zuzahlung in ein Geschirrset oder etwas ähnlich nützliches eintauschen lassen…

  • In Frankfurt gibt es in den Filialen, die ich kenne zwar keine so breite Regelfläche, aber immerhin Kühlschränke mit einer Lunch Auswahl (die typischen Sandwiches, Salate und seit Kurzem auch „Saft im Becher“ (die gleichen Becher, in denen auch schmackhafte Kaffee Kreationen angepreist werden)

  • Oho… bei Aldi UK gibt’s auch was anderes zu trinken als die Eigenmarke-Cola-Plörre 😉

    Hm …. solche „to go“ Bereiche wären natürlich in DE nur sinnvoll bei Aldis im City-Bereich….wo es auch entsprechende Laufkundschaft gibt. Oder in Gebieten mit hohem Behörden/Unternehmens-Anteilen, wo Kantinen fehlen oder schlecht oder teuer sind.

    Aber sind nicht die meisten Aldi (süds) in außerstädtischen Bezirken – eher so Industriegebiete, Ortsrandlagen, Shopping-Gebieten, …?

    • @Michael: So weit, Produkte von Coca Cola im Angebot zu haben, ist Aldi Nord inzwischen aber auch. Ist das bei Aldi Süd nicht so? Würde eher denken, dass die das vor Aldi Nord hatten (ist aber eine reine Vermutung; ich kenne nur Aldi Nord).

  • Apropos inspirieren: Ist es eigentlich normal, dass Aldi Süd den Markenschnaps, der neuerdings im Sortiment ist, nicht offen verkauft? Hier scheint er überall als Einzelstücke im Glaskasten neben Notebooks und dergleichen zu stehn. Bei Jack Daniel’s steht am Schnapsregal ein Plakat, dass er an der Kasse zu haben ist. Der Rest ist normal ausgepreist, aber im Regal nicht vorhanden.

    Ich hab keinen Bedarf danach, aber ist es wirklich so attraktiv (sowohl für die Kunden als auch für Aldi), wenn man das nur auf gezielte Nachfrage zu marktüblichen Preisen bekommt? Wobei vorallem Rewe hochpreisigen Alkohol auch öfters in verschlossenen Regalen hat. Mir scheint, dass Aldi Süd das Ende des Discounts schneller erreicht als Lidl.

  • Zu dem Kundenmagazin: Ja, diese Gratis-Postillen sind echt eine furchtbare Unsitte, die aus irgendwelchen Gründen aber fast jeder macht – mir reicht es schon, wenn ich sowas von ADAC und Krankenkasse regelmäßig zugeschickt bekomme, da werde ich den Teufel tun, das auch noch freiwillig mitzunehmen. Auch dem unbedarftesten Kunden sollte doch auffallen, dass das reine Werbe- und Selbstbeweihräucherungs-Käseblätter sind, die nach einmal lesen im Altpapier landen.

    Zu dem UK-Aldi: Also diese „Lunch to go“-Snackbar gibt es zumindest bei Penny doch schon, nennt sich dort „penny 2 go“. Dümmlicher Name natürlich, aber das Angebot ist gut und schmeckt und die Preise sind ok.

Blog-Unterstützer:innen können sich über Steady einloggen, um Support-Hinweise und Werbung im Text auszublenden:

Archiv