Ich glaub, ich kauf im Wald: As Nature Intended, der Laden für Nischen-Kombinierer (London)

Ich glaub, ich kauf im Wald: As Nature Intended, der Laden für Nischen-Kombinierer (London)

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In London versucht die kleine Supermarktkette As Nature Intended, die zersplitterten Spezial-Interessen ihrer Kunden in ein und demselben Laden zu kombinieren. Und sieht dabei so aus wie die hippen Modeshops nebenan.

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83 Meter trennen die alte Supermarkt-Welt in der Londoner Commercial Street von der neuen. So weit ist es die Tesco-Filiale mit stapelweise Knabberkram in den engen Regalen und Mayonnaise-getunkten „Meal Deal“-Sandwiches vom Herausforderer As Nature Intended entfernt. Schräg gegenüber vom tollen, aber Touristen-überlaufenen Old Spitalfields Market und mitten im ein bisschen anstrengend hipsterisierten Stadtteil Shoreditch hat die kleine Kette im vergangenen Jahr ihren fünften Laden aufgemacht.

Im Vorbeigehen könnte man ihn glatt für einen der Szene-Klamottenshops halten, die nebenan wohnen. Anders gesagt: Vom zweckmäßigen Tesco-Design mit Lebensmittel-Symbolfotos in den Scheiben ist der Supermarkt weit entfernt.

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Die Basis für das Konzept ist ein klassischer Bioladen: 80 Prozent der verkauften Produkte sind nach eigener Auskunft „organic“, anders als die deutschen Ketten Alnatura und Denn’s macht As Nature Intended Bio aber nicht zur Bedingung.

Im großen Schaufenster hängt stattdessen eine breiter gefächerte Ansage, was die Kunden erwarten dürfen: „Organic“ ist genauso wichtig wie „Free-From“ (Produkte für Allergie-Geplagte), „Locally Sourced“ (regionale Herkunft) und „Fair Trade“.

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Wer sich im Laden selbst umsieht, kann die Liste schnell erweitern: Superfoods wie Goji-Beeren und Manuka-Honig gehören ebenso zum Sortiment wie spezielle Naturheilmittel gegen Akne, Bluthochdruck und Reizdarmsyndrom. (Was man sich halt so einfängt, wenn man sich zu lange mit Industriefutter von der Mainstream-Konkurrenz vollstopft.)

Frühstücks-Müsli oder Haferflocken rieseln aus Rüsselautomaten; Oliven werden an einer kleinen Selbstbedienungs-Bar in Töpfchen aus biologisch abbaubarem Material gefüllt.

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Damit unterscheidet sich As Nature Intended im Prinzip gar nicht so sehr von den deutschen Supermarkt-Spezialisten, zum Beispiel den großen Bio-Ketten oder Läden wie dem Berliner Minimarkt Original Unverpackt. Die Briten unternehmen allerdings den Versuch, die zersplitterten Spezial-Interessen in ein und demselben Ladenkonzept zu kombinieren. Damit erreicht As Nature Intended im besten Fall die Schnittemenge der Leute, die nicht mehr im Mainstream einkaufen, sich aber auch nicht dogmatisch dafür entschieden haben, all ihre Lebensmittel verpackungsfrei, in Bio-Qualität oder regional zu erwerben. Aber die halt Wert darauf legen, verantwortungsbewusst und ein bisschen öko einzukaufen.

Nicht ein spezieller Nutzen oder ein klar definierter Vorteil steht im Vordergrund. (Und gewiss nicht der Preis.) Das Versprechen der Betreiber lautet:

„We passionately care about what we put into and onto our bodies so we only sell products with the highest quality ingredients.“

Vermutlich hat Karl August Heynen ziemlich genau dasselbe gesagt, als er vor 115 Jahren in Barmen (Wuppertal) das erste „Reformhaus“ eröffnete. Es folgte eine ganze Reihe von Reformhäusern, die sich als Fachgeschäfte für umweltschonend und natürlich hergestellte Produkte verstanden, und die im Prinzip vieles mit Läden wie As Nature gemein hatten (und haben). Nur die Übersetzung ins 21. Jahrhundert ist gründlich daneben gegangen.

As Nature Intended positioniert sich hingegen schon mit seinem Ladendesign als moderne Alternative zum Supermarkt. In Shoreditch fühlt man sich beim Einkaufen ein bisschen, als seien Regale und Kühltheke in einen Wald hineingeschlagen worden, soviel Baum wie für die Einrichtung verwendet wurde; die linke Ladenseite mit der Theke schmückt außerdem ein beeindruckendes Holzgerippe, das aber endgültig dafür sorgt, den Laden eher nach Modebutze aussehen zu lassen. Öko ist modern geworden, also müssen’s die Läden, in denen die Kunden ihre Produkte kaufen, auch sein.

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As Nature Intended gibt es erst seit dem Jahr 2000. Erfunden hat den Laden ausgerechnet Malcolm Walker, der – sagen wir: sehr offenherzige Chef der britischen Frozen-Food-Kette Iceland, einer Art Tiefkühl-Aldi (und in vielerlei Hinsicht das exakte Gegenteil eines Trend-Supermarkts). Aber erst jetzt scheint die Expansion richtig loszugehen: Der dritte Laden eröffnete 2011, der in Shoreditch 2014, für diesen Herbst ist der sechste angekündigt: in der Nähe der Oxford Street.

Dieser Text gehört zur Mini-Serie über Spezial-Supermärkte im europäischen Ausland. Hier steht die Einleitung. Im zweiten Teil geht’s nach Amsterdam.

Fotos: Supermarktblog

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