Eigenmarke Steinzeit? Wie Planet Organic Paleo-Fans zu treuen Kunden macht (London)

Eigenmarke Steinzeit? Wie Planet Organic Paleo-Fans zu treuen Kunden macht (London)

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Wer sonst bloß zum Discounter kommt, gerät bei Planet Organic schwer ins Grübeln kommen, was ihn da für Seltsamkeiten aus dem Regal anstarren. Weil die Kette neue Ernährungstrends frühzeitig ernst nimmt.

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V, V+, WF, NG, GF, DF, O. Sie wissen schon, was ich meine. Nicht?

Dabei ist das doch ganz einfach. Die Abkürzungen bedeuten: „vegetarian“, „vegan“, „wheat free“, „no gluten containing grains“, „gluten free“, „dairy free“ und „organic“. Was man halt so über seine Lebensmittel wissen will als Kunde der britischen Spezial-Supermarktkette Planet Organic. Praktischerweise stehen die Kürzel in farbigen Kreisen am Regal, damit sich fleischfrei lebende Gluten-Allergiker, die keine Milchprodukte mögen und sich für den Schutz der Umwelt einsetzen, schneller orientieren können, wenn’s beim Einkaufen mal wieder schneller gehen muss.

Fehlt eigentlich bloß noch „I“ – für die hier im Blog bereits vorgestellten Trockeninsekten für den kleinen Snack zwischendurch.

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Wer sonst bloß zum Discounter kommt, dürfte beim Besuch einer Planet-Organc-Filiale vor dem Kühlregal schwer ins Grübeln kommen, was ihn da für Seltsamkeiten aus ihrer Verpackung anstarren.

„Super Power Matcha Tea“, Geschmacksvariante Apfel, im praktischen Trinkpäckchen?“Raw Falafel with Brazil Nut Hummus“, das Sandwich für den anspruchsvollen Rohköstler? Ein Fläschchen „Umcha Kombucha“? Crumble mit Maca und Blaubeere oder den „Chia Pod Banana“ zum Nachtisch (Plastiklöffelchen inklusive)?

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Wer sich nicht so gewöhnlich ernähren will wie die Mehrheit seiner Mitmenschen, es in der Mittagspause aber genauso eilig hat wie die anderen, dem ist Planet Organic ein alternatives Snack-Mekka. Nicht gerade ein günstiges. Aber das scheint der Kundschaft wenig auszumachen, wenn’s um ihre Prinzipien geht.

Womöglich hat die Bio-Kette auch deshalb mit einer Eigenmarke auf den Trend zur Steinzeit-Ernährung reagiert (Foto ganz oben) und die äußerst prominent in der Ladenmitte positioniert.

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Paleo/Paläo ist eine Ernährungsform, die Wikipedia zufolge vor allem aus Nahrungsmitteln besteht, „von denen angenommen wird, dass sie schon in der Altsteinzeit verfügbar waren“. Also: Fisch, Fleisch, Gemüse, Pilze, Nüsse, getreidefreie Müsli-Mixe, vorportionierte Beeren sowie mit Kokosnuss-Öl und Himalya-Salz verfeinertes Popcorn.

„The Crave Man“ hat die Kette ihre Eigenmarke getauft, und so knallbunt designt, dass ihre Käufer froh sein können, nicht tatsächlich in der Altsteinzeit zu leben, weil sie dann nämlich jeder verdammte Säbelzahntiger aus Kilometern Entfernung in der Schlucht als Abendessen leuchten sehen würde.

Auf der Kartonseite ist erklärt, was die Produkte ausmacht:

„Hoher Proteingehalt,
weniger Kohlenhydrate,
einfach und nährstoffreich“

(In Bio-Qualität.)

Die „Crave Man“-Produkte sind ein ideales Beispiel dafür, wie Spezial-Supermärkte treue Kunden gewinnen können: indem sie die den „normalen“ Läden wegnehmen. Das funktioniert, indem eine Kette vielversprechende Nischen frühzeitig erkennt, ernst nimmt und Angebote entwickelt, die es in dieser Form nirgends sonst gibt. Paleo-Fans, die mit den speziell für sie gemachten Lebensmitteln geködert werden, kaufen im Laden bestenfalls auch den Rest ein: Fleisch, Fisch, Gemüse.

Genauso machen es die großen Supermarktketten jetzt schon mit „Frei von“-Produkten (siehe Supermarktblog). Der Regalplatz für Nischenprodukte dürfte bei Edeka, Rewe & Co. allerdings vor allem in den kompakteren Stadtläden begrenzt sein. Das hilft den Spezialisten, die vielleicht sogar das Zeug haben, den großen Ketten in Zukunft das Leben ein bisschen schwerer zu machen. Muss ja nicht immer bloß mit Lebensmitteln sein, unter deren Namen sich kein Mensch was vorstellen kann.

„Bounce-Ball“ gefällig?

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Dieser Text gehört zur Mini-Serie über Spezial-Supermärkte im europäischen Ausland. Hier steht die Einleitung. Zuletzt haben wir bei As Nature Intended in London und Ekoplaza in Amsterdam reingeschaut.

Fotos: Supermarktblog

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8 Kommentare
  • Sehr unterhaltsam aber auch sehr absurd. „Brazil Nut Hummus“ also Hummus aus Paranüssen? Das klingt fast genauso lecker wie das Sandwich aussieht…

    Was man noch erwähnen könnte: „Paleo“ ist viel mehr Religion als Wissenschaft, die positiven Effekte sind nahezu komplett behauptet. Deswegen bin ich auch etwas zwiespältig ob man so etwas „ernst nehmen“ sollte, bei Globulis und Co. gibt es ja wenigstens noch den Placebo Effekt.

    • Hinzufügen sollte man, dass das Paleo zwei Millionen Jahre und die gesamte Erde umfasst. Und die Gläubigen picken sich ein paar Pflanzen raus die ihnen besonders natürlich vorkommen.

  • Schließe mich Aufrechtgehn an: Vielen Dank für die Berichte!
    Da merk ich auch mal, wie selektiv meine Wahrnehmung offenbar funktioniert: Im Mai drei Tage in London verbracht und außer zwischen Covent Garden und Neal’s Yard nichtmal fünf vegane Läden bemerkt, geschweige denn irgendwas mit Paleo. Aber wenn ich mir die Preise hier so angucke (5.99 £ für ein Sandwich? huiuiui…), hat mich da vielleicht auch der Geldbeutel ein paar Läden ausblenden lassen. -Weiß man da was zu, WARUM das so teuer ist? Muss das so wegen äußerst hoher Herstellungskosten/geringer Gesamtherstellungsmenge? Oder nimmt man halt den Preis, den die Kundschaft zu zahlen bereit ist?

  • Ich freu mich sehr über die vielen Freundlichkeiten – und verschwinde jetzt erstmal kurz in den Urlaub. Hier geht’s dann Mitte September weiter. Gibt auch schon wieder jede Menge spannender Themen.

  • Paranussmuss schmeckt besser als es sich vielleicht anhört. Und frisch als Aufstrich verfeinert oder zum Backen, Braten und Kochen – sehr lecker! Ist zuhause aber auch mit einem Stabmixer zu realisieren.

    Paleo bewerte ich – wie jede andere Ernährungsvariation (Diät?) auch – als Richtschnur für eine Ernährungsumstellung als gut.

    LG Kathrin

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