Österreichs Plus-Pendant Zielpunkt gibt auf

Österreichs Plus-Pendant Zielpunkt gibt auf

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Wegen „dramatischer Verschlechterungen der äußeren Rahmenbedingungen“ schickt die Pfeiffer-Gruppe ihre Supermarktkette Zielpunkt in die Insolvenz. Die Konzentration in Österreichs Lebensmittelhandel nimmt weiter zu.

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In ein paar Jahren wird niemand mehr ahnen, dass die Unternehmensgruppe Tengelmann früher mal recht bekannte Supermärkte und Discounter betrieben hat. In Deutschland entscheidet der Wirtschaftsminister in Kürze, ob die vom Kartellamt untersagte und von der Monopolkommission nicht empfohlene Übernahme der Kaisers-Tengelmann-Märkte durch Edeka doch noch genehmigt wird (siehe Supermarktblog) und die Kette vom Markt verschwindet. Und in Österreich hat die frühere Tengelmann-Tochter Zielpunkt, die inzwischen zur Unternehmensgruppe Pfeiffer gehört, am Montagmorgen Insolvenz angemeldet.

Zielpunkt, das sieht man noch am Logo und an den Erkennungsfarben Orange und Blau, war das österreichische Plus-Pendant, 1967 als „Löwa“ gegründet und 1972 von Tengelmann übernommen.

Nach dem Verkauf der deutschen Plus-Discount-Filialen (an Edeka) wollte Tengelmann das Geschäft 2010 auch im Nachbarland loswerden. Damals stieg ein luxemburgischer Investmentfonds ein, später kaufte das Management das eigene Unternehmen, Pfeiffer beteiligte sich 2012 und übernahm die Kette schließlich ganz – erst im März 2014.

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Dass die 229 Läden nur anderthalb Jahre danach bald ganz schließen sollen, begründet Pfeiffer mit „dramatische[n] Verschlechterungen der äußeren Rahmenbedingungen für Zielpunkt“. In einer Mitteilung (PDF) heißt es, man habe Zielpunkt „mit massivem Investitionsstau von den häufig wechselnden Voreigentümern“ übernommen und „nichts unversucht gelassen, die angeschlagene Kette zu retten“. Das ist, angesichts des sehr kurzen Zeitraums zwischen Komplettübernahme und angekündigter Insolvenz, zumindest merkwürdig – wie umfassend der „Investitionsstau“ gewesen ist, muss Pfeiffer als Miteigentümer ja mindestens seit 2012 geahnt haben.

Drei Ketten teilen sich 85 Prozent Marktanteil

Seit einigen Monaten seien die Umsätze jedoch stark zurück gegangen, was nicht mehr durch Kostensenkungen auffangbar gewesen sei. Auch die Suche nach Investoren verlief „nicht erfolgreich“. Noch einmal 60 Millionen Euro hätten investiert werden müssen, um Zielpunkt zu retten, erklärt Pfeiffer. Diese Summe könne man nicht aufbringen.

Die Insolvenz sei nötig, um „Verantwortung gegenüber den restlichen Mitarbeitern der Handelsgruppe“ zu übernehmen. Zu Pfeiffer gehört u.a. die Supermarktkette Unimarkt, die im Online-Handel mit Lebensmitteln experimentiert (siehe Supermarktblog; „Die Zukunft des Lebensmittel-Handels [wird] vermehrt online stattfinden“, heißt es in der Mitteilung).

Dass die Gruppe allerdings kürzlich die Handelsimmobilien, die noch zu Tengelmann gehörten, gekauft hat, erzürnt in Österreich die Gewerkschaften, die spekulieren, Pfeiffer habe sich vor der Zielpunkt-Pleite noch schnell den Zugriff auf attraktive Läden sichern wollen. (Einen guten Überblick dazu haben derstandard.at und format.at.) Eigentümer Georg Pfeiffer hat das im ORF zurückgewiesen.

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An dieser Stelle lohnt sich ein Blick auf die Struktur des österreichischen Lebensmittelhandels. Das „Wirtschaftsblatt“ berichtete im Mai:

„Vor 40 Jahren hielten die Top-drei-Supermarktketten – Konsum, KHG, Spar – einen gemeinsamen Marktanteil von 43 Prozent. 2014 halten die Top drei – Rewe-Gruppe, Spar und Hofer [= Aldi, Anm. Smb.] – 85 Prozent, Tendenz steigend.“

Österreich habe schon vor Jahren zu den EU-Mitgliedsländern mit dem höchsten Konzentrationsgrad im Lebensmitteleinzelhandel gehört.

Pfeiffer ist mit seinen Unimarkt-Filialen vor allem in Oberösterreich vertreten, Zielpunkt (laut Selbstdarstellung bisher „ein wesentlicher Player im heimischen Lebensmitteleinzelhandel“) war vor allem im Osten aktiv und wollte mit einem größeren, aber noch überschaubaren Sortiment, klassischen Markenartikeln, billigen Eigenmarken und Bio-Produkten ein moderner Discount-Supermarkt sein – das, was Plus damals in Deutschland zum Verhängnis wurde. Ironischerweise greifen Lidl (und Aldi), die damals noch aus voller Überzeugung Harddiscounter waren, das Konzept gerade auf und setzen es auf ihre Art um.

Wer kriegt die Filialen?

Das Aus für Zielpunkt lässt sich als weiterer Beleg dafür deuten, wie schwer es für kleinere Handelsketten geworden ist, gegen die größer werdenden Marktführer zu bestehen – entweder, weil es an Geld, Marktmacht oder an den richtigen Strategien fehlt.

Allein an den Schrabbelläden kann die Zielpunkt-Pleite jedenfalls kaum gelegen haben: alle großen österreichischen Handelsketten haben Interesse angemeldet, einzelne Filialen zu übernehmen. Eine Komplettübernahme, schreibt das „Wirtschaftsblatt“ in Bezug auf Billa und Spar, „käme aus wettbewerbsrechtlichen Gründen aber nicht infrage“. Die Großen sind allesamt schon so groß, dass es größer nicht genehmigt würde. (Andererseits: Vielleicht kann Sigmar Gabriel da auch noch was machen, wenn irgendwer laut „Arbeitsplätze!“ ruft.)

Vermutlich wird Zielpunkt nicht die letzte europäische Supermarkt-Pleite der kommenden Jahre sein.

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Fotos: Supermarktblog

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