Das Tor zu Lidls neuer Welt (und was alles dahinter steckt)

Das Tor zu Lidls neuer Welt (und was alles dahinter steckt)

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Lidl will seine Kundschaft mit moderneren Läden beeindrucken. Deshalb kriegen auch ältere Filialen das neue Multifunktions-Foyer angebaut, in dem sich beim Pfandflaschenabgeben Kaffee trinken lässt.

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Die Geschichte der Menschheit ist auch eine der, ähm, Türen. Zahlreiche „Einrichtungen zum Schließen einer Öffnung in einer Wand“ (Wikipedia) haben es im Laufe der Jahrhunderte zu Prominenz gebracht: Die imaginäre Tür aus dem Palim-Palim-Sketch von Dieter Hallervorden zum Beispiel, das Stargate, durch das der Ex-Mac Gyver immer durchschlüpft, und die vielen lediglich zur Einwegöffnung geeigneten Adventskalendertürchen, die jährlich zum 24. Dezember aufgebrochen werden.

Sollte in nächster Zeit irgendwo auf der Welt ein Türenmuseum eröffnen, das diese Vielfalt für die Nachwelt ausstellen will, hat sich Lidl darin definitiv ein Plätzchen verdient.

Der Supermarkt-Discounter legt sich derzeit mächtig ins Zeug, seine Kundschaft mit moderneren, helleren Läden zu beeindrucken. Besonders moderne Exemplare stehen beispielsweise in Großbritannien, und seit Dezember auch im deutschen Offenau (in der Nähe der Lidl-Firmenzentrale). Die Läden sind mächtig verglast, haben die vampirhafte Angst ihrer Ladenahnen vor Sonnenlicht abgestreift und empfangen die Kunden in einer Art Foyer, in dem Pfandflaschen zurückgegeben werden können und Kaffeeautomaten zur Frischbebrühung bereit stehen.

Das ist im Discount eine echte Türen-Revolution.

Und sieht, vor allem im Vergleich zur bisherigen Eingangsgestaltung, ziemlich modern, einladend und wuchtig aus.

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Foto: Lidl Deutschland

Sämtliche Läden auf denselben Stand zu bringen, wird jedoch kaum möglich sein – weil die meisten schlicht und einfach nicht dafür geeignet sind, einen Ballsaal vor den Eingang gebaut zu kriegen. Lidl legt Wert darauf, dass die Offenauer Neueröffnung keineswegs der einzige Prototyp ist, der ausprobiert werde. Vielmehr gebe es verschiedene Ladendesigns, mit denen das Unternehmen experimentiere.

Alles so zu lassen, wie’s ist, scheint für Lidl aber auch keine Lösung zu sein. Also baut das Unternehmen bestehende Filialen zumindest so um, dass die Veränderung sofort ins Auge springt: mit einer Mini-Version seines Multifunktions-Foyers.

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Von außen fällt die Änderung auf, weil der Eingang – zumindest bei dieser umgebauten Filiale in Berlin – in die Schräge versetzt wurde und nicht mehr direkt an der Stirnseite des Markts ist.

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Es gibt zwar weiterhin einen separaten Ein- und Ausgang; und nach dem Bezahlen müssen Kunden immer noch an dem Metallgitter vorbei, das den schmalen Ausgang vom Laden abtrennt. Eine der größten Discount-Bausünden bleibt Lidl also auch nach dem Umbau erhalten. (Vermutlich schlicht aus Platzgründen.)

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Wie sehr sich die Eingangssituation tatsächlich verändert hat, lässt sich ganz schön am nächsten Bild erkennen. So wurden Lidl-Kunden im selben Laden noch vor fünf Jahren empfangen (siehe dazu auch das frühe Supermarktblog):

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Ob Lidls neues Discount-Foyer auch praxistauglich ist, wird sich zeigen, sobald die ersten Leute in der Pfandflaschenrückgabeschlange den pfandflaschenfreien Kunden den Weg in den Markt versperrt, weil sie sich während des Wartens einen Kaffee am Automaten ziehen. An Super-Samstagen dürfte die Verstopfungsgefahr drastisch ansteigen.

Anders als bei der Konkurrenz steht der Kaffeeautomat immerhin nicht ungünstig hinter den Kassen rum, sondern überlässt es den Koffeinsüchtigen, ob sie schon während ihres Einkaufs ein Heißgetränk schlürfen wollen.

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Womöglich ist das Tor zu Lidls neuer Welt also bloß Discountkosmetik. Wie ernst es Lidl mit dieser Kosmetik ist, lässt sich jedoch an der Tatsache ablesen, dass besagter Markt für den Umbau einen ganzen Monat geschlossen wurde und Lidl dementsprechend mehrere Wochen auf Umsätze verzichtet hat.

Die Zuversicht in Neckarsulm muss also groß sein, dass den Kunden die Modernisierung so sehr zusagt, dass sich der kurzfristige Verzicht langfristig durch höhere Kundentreue auszahlt.

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Dafür hat sich auch im Laden einiges verändert:

Platz 5: Helleres Holzimitat für den Brötchenknast

Durch die dunkelbraune, fast schwarze Verkleidung wirkte der Brötchenknast in vielen Filialen arg wuchtig. Mit einem helleren Holzton lässt sich das zumindest ein bisschen kaschieren.

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Platz 4: Eigenmarken-Wegweiser

Zur aktuellen Lidl-Strategie gehört auch eine Konzentration auf besonders starke bzw. bekannte Eigenmarken. Deren Logos (u.a. Crownfield, Milbona) zieren in modernisierten Läden die schwarz verkleideten Wände, um auf einen Blick ihren Platz im Markt zu verraten. Die übrigen Sortimente hat ein sehr großer Lidl-Manager zur besseren Orientierung handschriftlich dazwischen notiert. (und für das „Aktion!“-Regal den Rotstift ausgepackt).

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Platz 3: Niederflur-Nonfood

„Nonfood“ bezeichnen Supermarkt-Manager alles, was sich nicht aufessen lässt. (Nennen wir’s der Einfachheit halber also: „Nichtessen“.) Nichtessen ist das Zeug, das Discounter aufwändig in ihren Wochenprospekten bewerben, um Sie in den Laden zu kriegen. Und damit nie wieder jemand einen Rasenmäher über die Begrenzung eines metallenen Grabbeltischs wuchten muss, hat Lidl das Niederflur-Nichtessen erfunden: tiefergelegte Tische mit offener Front, aus der sich die Ware einfach rausschieben lässt.

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Platz 2: Dieser Boden!

Die Discount-Fliese ist tot. Es lebe die Große Toskana-Discount-Fliese!

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Platz 1: Frische-Abteilung

Lidls gepimpte Frische-Abteilung mit dem zusätzlichen Kühlregal für frische gekühlte Nudeln, Fertiggerichte, Salate und vegetarische Produkte kennen regelmäßig Leser dieses Blogs schon. (Noch ein bisschen schicker sieht das Ensemble aus, wenn Tageslicht durch die neu eingebauten Notausgangstüren fällt; auf dem Foto ist’s dummerweise gerade dunkel draußen.)

Die Kombination aus vergrößerter Obst- und Gemüse-Abteilung und Selbstbedien-Frischetheke ist derzeit definitiv Lidls größter Vorteil im Wettbewerb mit der Konkurrenz. Weil die Abteilung ziemlich nah an das rankommt, was sonst nur die Supermärkte bieten.

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Mit den Raumschiff-Läden werden die aufgemöbelten Filialen kaum mithalten können. Aber an Selbstbewusstsein, die Umbauaktion als großen Schritt zu verkaufen, mangelt es der Nummer 2 im deutschen Discount derzeit gewiss nicht. Das Versprechen, mit dem Lidl in Berlin seinen Kunden die Neueröffnung ankündigte, lautet ganz unbescheiden:

„Qualität bekommt ein neues Zuhause.“

Fotos (wenn nicht anders gekennzeichnet): Supermarktblog

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10 Kommentare
  • Lidl scheint es in der Tat ernst zu sein. In Düren wurde eine Filiale auch vorübergehend geschlossen und einer umfangreichen Umbaumaßnahme unterzogen. Es handelt sich um eine typische Lidl-Filiale in einem typischen Gebäude auf der grünen Wiese.

    Als ich nach der Wiedereröffnung den Markt betrat, dachte ich zuerst, ich wäre in den falschen Laden gegangen. Der Eingangsbereich war ungewöhnlich großzügig. Auch die Eigenmarken-Hinweise sind mir sofort aufgefallen. Insgesamt macht die Filiale nun einen deutlich moderneren und freundlicheren Eindruck.

  • In Jülich wurde vor einiger Zeit ebenfalls der LIDL umgebaut. Erst gab es zwei Monate Baustellenromantik beim Einkaufen (dort wurde der Markt um ca. 1/3 der bestehenden Fläche nach vorne verlängert), dann wurde ebenfalls einen Monat geschlossen und komplett entkernt und neu gestaltet. Es sieht zwar nicht so aus, wie die Version oben, aber einen Ballsaal als Foyer haben wir nun auch.

  • Ab April bekommen die Mitarbeiter auch neue Shirts, Polos, Filialleiterkluft und neuerdings sogar (endlich!) Hosen gestellt! Letztere sind glücklicherweise 0815-Stretchjeans. Für Die Chefs gibts dann Chino-Hosen ^^. Die Farben der Oberteile wird geändert von dunkelblau auf dunkelgrau mit feinen Mustern und der Grünling wird noch heller.

  • In der Filiale München Kistlerhofstraße wird nicht umgebaut, dort wird neben die bestehende Filiale ein neuer Markt gestellt dessen Eingang mit dem oben gezeigten Ähnlichkeit hat. In den alten Markt soll nach Umzug laut der Plakate ein Drogeriemarkt und Getränkemarkt einziehen.

  • Bin mir nicht sicher ob die neue Tünche wirklich hilft verlorene Supermarktkunden zurückzuholen oder eher traditionelle Discounterkunden (wie mich) abschreckt.

  • na wenn schon solche Ballsääle bei Lidl errichtet werden.. hofft man dann auch das die Mitarbeiter als Fachpersonal entlohnt werden.

  • Habe heute zufällig in Dreieich-Sprendlingen einen offensichtlich teilerneuerten Lidl endeckt. In großer Schnörkelschrift gab es rundum an den Außenwänden erklärt was es dort zu finden gibt, vielleicht waren es auch die Logos der Eigenmarken. Habe Brauntöne in Erinnerung. Boden und Eingagsbereich ist aber ‚Standard‘ (inkl. Kaffeeautomat). Offensichtlich will Lidl sich von Aldi absetzen und hat dort Obst und Gemüse an den Eingang nach vorne verlegt, jetzt wo Aldi Süd hier das (bis auf Sonderformen in Frankfurts Innenstadt) komplett an Lidls-Stelle nach hinten gepackt hat. Großzügiger fand ich es nicht, irgendwo waren die Paletten recht hoch gestapelt – nicht mehr so sehr an den Außenwänden sondern mehr in den Außengängen gegenüber. Das mag daran liegen, dass links hinten eine ganze Reihe TK-Schränke die auf Hüfthöhe mit den üblichen TK-Wannen kombiniert sind und Wandplatz wegnehmen. So bleibt wenig Platz für einen weitschweifenden Blick im hinteren Bereich, weil hier dann recht hohe Regale plaziert sind. U. a. auch dieses bislang mittig hinten zwischen Gemüse und den flachen Aktionsgrabbeltischen plazierte ‚trennende‘ Regal mit Aktionsakloholika und Resten der Vorwochen hat links hinten seinen Platz gefunden.
    In Frankfurt Gallus hat ein Markt seine Öffnung bis 24h offensichtlich nicht lange durchgehalten. Seit September – gefühlt nicht länger als ein halbes Jahr – wird wieder um 22h geschlossen. Das wenig professionell angepasste Banner hängt noch mit der Uhrzeit, ein schlecht gedrucktes kleines Pappschild informiert über die Änderung. Außerhalb von Verkehrsknoten war das sicher im Discount eher selten oder?

  • Heute in Remchingen (Enzkreis, Nähe Pforzheim) habe ich erstmals so einen Neu-Lidl betreten. Es müsste sich um einen Neubau handeln (ich komme selten dort hin). Was mir auffiel: das Sortiment ist etwas größer als bei den mir bekannten „Standard-Lidls“, aber längst nicht so breit, wie man es bei der Marktgröße erwarten würde – es ist primär mehr Angebots- und Saisonware aufgebaut. Gegen hell und freundlich habe ich nichts einzuwenden, recht geräumig ist es auch- Missfallen hat mir der vordere Bereich um Eingang und Kassen – die Höhe des Innenraums verursacht eine dröge Fabrikhallenatmosphäre, es hallt und schallt und alle Geräusche werden verstärkt. Eine verkaufsfördernde Musikdudelei gibt es ja nicht, diese würde hier möglicherweise die Atmosphäre verbessern. Positiv: es gibt jetzt 2 Größen an Einkaufswagen. Der großzügige Eingangsbereich mit dem Kaffeeautomaten hingegen ist irgendwie… sinnlos.

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