Die Pop-up-Pest: Vergessen Sie sofort diesen Fake Store!

Die Pop-up-Pest: Vergessen Sie sofort diesen Fake Store!

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Kreisch! Aldi eröffnet einen Pop-up-Store für Wein! Das gab’s noch nie? Oh doch, und es wird nie wieder aufhören, wenn Sie nicht den Anweisungen in diesem Blogeintrag folgen.

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Es war ein aufregender Moment für Journalisten, die gerne Pressemitteilungen abschreiben und Klicküberschriften drübergeigen, als Aldi Süd Ende Februar ankündigte, zur Fachmesse Pro Wein in diesem Jahr einen „Pop-up-Store“ in die Düsseldorfer Innenstadt zu stellen. Um dort Weine probieren zu lassen, die der Discounter im Sortiment hat.

„Aldi startet mit einem völlig neuen Laden in Deutschland“, titelte die „Mitteldeutsche Zeitung“ aufregt. „Focus Online“ fand’s „Unglaublich!“ Und das Fachportal für Scheinjournalismus, Brigitte.de, behauptete beschwipst vor Begeisterung:

„Das gab es noch nie: (…) Aldi geht neue Wege: Der Kult-Discounter plant aktuell eine spektakuläre Neueröffnung. Und zwar wird der neue Aldi nur vier Tage öffnen – und es gibt nur ein einziges Produkt zu kaufen!“

Fünf Tage. Es sind fünf Tage (steht in der Pressemitteilung und weiter unten im Brigitte.de-Text). Kaufen lässt sich in der „spektakulären Neueröffnung“ gar nix, bestätigt Aldi nochmal auf Nachfrage: „Wir bieten (…) die Weine ausschließlich zur Verkostung an.“ Und dass es das „noch nie“ gab, ist erst recht Humbug.

Das gab’s schon mal im vergangenen Jahr, als sich Aldi in Großbritannien für ein paar Tage im Boxpark im Londoner Hipster-Bezirk Shoreditch einmietete, um dort anlässlich der London Wine Week ein bisschen Rummel für sein Weinsortiment zu machen. Der „Aldi Wine Store“ war nicht als dauerhafte Einrichtung geplant, auch kein Test für ein neues Filialkonzept, sondern schlicht und einfach: eine Werbemaßnahme für Aldis neuen Online-Wein-Shop.

Umsatzfördernder Werbe-Gag

Damit sich die Presse dafür interessiert, hat sich die Agentur Clarion besagte Ladenattrappe ausgedacht („not what you’d expect from a discount supermarket!“). Und goldrichtig gelegen, wie eine Auswertung der Aktion ergab. Die Fotos von der Eröffnung wurden von zahlreichen, auch großen Medien publiziert.

„Online coverage was crucial to creating links direct to aldi.co.uk“, bilanziert die Agentur. In den Londoner Kostenlosmagazinen „Time Out“ und „Metro“ schaltete Aldi vorsichtshalber zusätzlich „Advertorials“ (Werbung, die wie redaktionelle Texte aussieht). Der Umsatz des Shops stieg um 35 Prozent.

Kein Wunder, dass der Discounter dasselbe jetzt noch einmal in Düsseldorf probiert.

Neu ist die Strategie nicht: Im vergangenen Jahr veranstaltete Aldi Süd in einer Düsseldorfer Filiale eine Modenschau in Anwesenheit der Designerin Jette Joop und bekam dafür massig kostenlose Werbung für den Verkaufsstart seiner Billig-Designermode (auch in diesem Blog, wenn auch nicht so ausführlich wie z.B. in der 25-teiligen Bildergalerie von „RP Online“). Wettbewerber Lidl ist ebenfalls auf den Geschmack gekommen und eröffnete im vergangenen Herbst in der Hamburger Innenstadt einen „Pop-up-Store“ für seine Modemarke Esmara.

Und die Medien spielen jedes Mal brav mit, verkaufen die Fake Stores als vermeintliches Sensatiönchen und ihre Leser mit den Schlagzeilen dazu für dumm. Garantiert auch morgen wieder, nach der Eröffnung in Düsseldorf.

Können wir uns deshalb bitte auf zwei Dinge einigen? Erstens nämlich, „Pop-up-Stores“ von Discountern künftig als das zu behandeln, was sie sind: eine Pest, deren Eindämmung durch konsequentes Verschweigen gefördert werden sollte. Und zweitens, augenblicklich zu vergessen, dass Sie gerade diesen Text gelesen haben.

Oder, anders gesagt: Welchen Text?

Fake-Store-Foto [M]: Aldi Süd/Smb

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2 Kommentare
  • Hmm, natürlich muss nicht jeder begeistert über „Pop-up Stores“ sein (mich stört der denglische Name allerdings mehr als deren Existenz), aber wenn man das Ganze als das nimmt, was es ist, nämlich Werbung, kann ich die Aufregung über den „Laden“ an sich nicht ganz nachvollziehen. Da sind mir z.B. die „Gratis“-Sekt-Angebote in Möbelhäusern, die unweigerlich in eine Kaffeefahrt-ähnlichen Verkaufsveranstaltung münden, wesentlich unsympathischer…
    Während der ProWein-Messe finden in der Stadt zahlreiche Wein-Aktionen statt (will sagen, Aldi ist da nur einer von vielen), und die Möglichkeiten eines Discounters, Weinfreunde zu überzeugen sind nun mal begrenzt: nach einigen Reinfällen kaufen die da halt nichts mehr, da können Aldi&Co wirklich nur durch solche Aktionen versuchen, Boden gut zu machen (ich bin auch skeptisch, ob da für Weinfreunde was Gescheites dabei ist; nach meinen subjektiven Erfahrungen ist selbst mancher Getränkemarkt um Längen leckerer sortiert).
    Die reißerischen Berichte darüber lassen mich aber auch fassungslos mit offenem Mund vor dem Bildschirm sitzen! Die sind sicher eher das Problem, aber wohl einfach ein Zeichen der Zeit: Heutzutage muß halt alles, wirklich alles, ein „Event“ sein, und in der großen Masse gewinnt halt der, der am lautesten hysterisch kreischen kann. In der prekären Lage der Printmedien erhofft man sich als Nebeneffekt sicher auch das Wohlwollen der „besprochenen“ Firmen, vielleicht doch noch einmal eine Anzeige oder so abzubekommen (s.o. bei „Time Out“ und „Metro“), aber als Leser hilft da einfach nur: Ohren zu und ignorieren!
    (Trotzdem ein schöner Text 🙂

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