Was für den Erfolg von Amazon Fresh spricht – aber auch: was dagegen

Was für den Erfolg von Amazon Fresh spricht – aber auch: was dagegen

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Schon seit Monaten geben sich viele Medien große Mühe, Amazon Fresh zum Supermarktkiller hochzuschreiben, mindestens aber zu einem zwangsläufigen Erfolg. Dabei ist der alles andere als sicher.

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Pünktlich im vereinbarten Zeitfenster klingelt der ziemlich geschaffte Kurier in DHL-Montur, zieht den Papiertüteneinkauf aus den grünen Polstertaschen mit Isoliermanschetten und saust dann in seinem unscheinbaren Transporter davon, um die restlichen grün schimmernden Taschen in der Nachbarschaft zu verteilen. Potzblitz: Amazon Fresh funktioniert!

Alles andere wäre nach dem über Monate hinausgezögerten Start aber auch eine ziemliche Enttäuschung gewesen.

In der vergangenen Woche ist Amazons Lebensmittel-Lieferdienst nun aber doch noch in Berlin und Potsdam gestartet, jedenfalls so halb (siehe Supermarktblog). Schon seit Monaten geben sich viele Medien Mühe, das Angebot zum Supermarktkiller hochzuschreiben, mindestens aber zu einem zwangsläufigen Erfolg. Die „Wirtschaftwoche“ war sich kürzlich nicht zu doof, „exklusiv“ zu melden, dass sich die Insolvenzverwalter-Branche wegen der zu erwartenden Ladenschließungen bereits die Hände reibt.

Und die sonst eigentlich ganz vernünftigen Kollegen von Etailment texteten die Gaga-Clickbait-Überschrift „Dieses Chart zeigt, warum Amazon Fresh schon gewonnen hat“ über die simple Feststellung, dass Amazon in der Umfrage einer Unternehmensberatung häufiger als E-Food-Händler genannt wurde als etablierte Lebensmittelketten.

(Im Zweifel bedeutet das freilich nur, dass Kunden in Umfragen automatisch immer den Händler nennen, von dem sie erwarten, dass er ohnehin alles hat – Amazon halt.)

Vorratskäufer wechseln zu Amazon

Richtig ist: Amazon bietet auch ohne Fresh, das es bislang gerade mal in 13 Metropolregionen weltweit gibt, schon jetzt ein beachtliches Sortiment an Lebensmitteln, die nicht frisch gehalten oder gekühlt werden müssen.

Auswertungen von One Click Retail zufolge sind Amazons Umsätze mit Lebensmitteln in den USA, Großbritannien und Deutschland im 1. Quartal 2017 um 30 Prozent (im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, z.T. mit sehr überschaubarem Gesatumsatz) gestiegen. Die deutschen Kunden bestellten bei Prime Pantry vor allem Produkte die man – nun ja: online gut bestellen kann, weil niemand Lust hat, sie aus dem Supermarkt nachhause zu tragen: Getränke, Nudeln, Konserven. (Hier geht’s zur Übersicht mit den Top 20-Lebensmitteln.)

Vor allem (amerikanische) Männer zwischen 18 und 44 Jahren bestellen laut One Click Retail Lebensmittel im Netz, um sich den Gang in den Laden zu sparen.

Fresh soll Amazon dabei helfen, künftig auch als Anlaufstelle für Obst, Gemüse und Kühlprodukte wichtiger zu werden. One Click Retail geht laut „The Grocer“ aber davon aus, dass der Dienst bislang „unter 5 Prozent“ der Amazon-Lebensmittelumsätze beisteuere. Wenn Händler panisch werden wollten, hätten sie also auch ohne Fresh schon Grund dazu: Weil Amazon im Zweifel dafür sorgt, dass stationäre Supermärkte für Vorratskäufer an Bedeutung verlieren.

„Amazon ist ja kein Newcomer“

Dass macht die Fresh-Hysterie der Medien, befeuert von Einschätzungen zahlreicher „Experten“, noch ein bisschen kurioser.

Im Interview mit Etailment vermutet z.B. der Heilbronner Handelsprofessor Stephan Rüschen, gerade ein beliebter Interviewpartner für Journalisten, in Berlin „jetzt drei große Onlineanbieter: Rewe, Kaufland und Amazon“ – und vergisst mal eben so den von Edeka übernommenen Dienst Bringmeister, dessen Lieferfahrzeuge in der Stadt omnipräsent sind.

Zudem ist Rüschen sich quasi sicher, dass Amazon Fresh ein Erfolg wird:

„Die einzige Gefahr für Amazon ist nur, dass sie die versprochenen Leistungen nicht hinbekommen. Aber das werden sie schaffen, schließlich bringt das Unternehmen genügend Erfahrungen aus den USA und England mit. Amazon ist ja kein Newcomer.“

Außer halt: doch.

Das legt zumindest die Lektüre der Arbeit von Vrajesh Y. Modi nahe, der am Massachusetts Institute of Technology untersuchte, wie sich Amazon beim Aufbau seines Lebensmittel-Lieferdiensts in Seattle schlug. Das Ergebnis ist wenig schmeichelhaft für ein Unternehmen, von dem so viele Journalisten annehmen, es sei nahezu perfekt.

Modi kam in seiner Arbeit (mit dem angemessen wissenschaftlich umständlichen Titel „Application of Flexible Labor and Standard Work in Fulfillment Center Produce Operations“) zu einem anderen Schluss (PDF downloaden, 3,8 MB).

Frische braucht Übung

Über 28 Wochen untersuchte der Autor die Abläufe im Fresh-Logistikzentrum – vornehmlich mit dem Ziel, durch eine effizientere Planung der Arbeitsabläufe Kosten zu senken. Dafür hat Modi sich intensiv mit den Erfordernissen beschäftigt, die für die Lieferung frischer Lebensmittel nötig sind, und stellte fest, dass dafür eine deutlich komplexere Herangehensweise nötig ist als bei den Waren, mit denen Amazon zu hantieren gewohnt ist.

  • Frische Lebensmittel können nicht notwendigerweise in der Reihenfolge angenommen werden, in der sie im Logistikzentrum ankommen. Bei der Anlieferung muss z.B. gemessen werden, ob die Ware die richtige Temperatur hat – und entschieden, was passiert, falls nicht.
  • Nicht alle Lebensmittel können nach dem Chaos-Prinzip eingelagert werden, das Amazon sonst in seinen Lagern praktiziert. Viele Artikel müssen gekühlt werden, oder so verstaut sein, dass sie als letztes komissioniert werden können, um nicht von anderen beschädigt zu werden (z.B. Chips und Eier). Dafür gibt es im Zweifel eine vorgegebene Packreihenfolge.
  • Gewisse Artikel dürfen nicht zusammen in einer Tüte liegen (Zwiebeln und Knoblauch nicht mit Blumen, Bio nicht mit konventioneller loser Ware, frisches Fleisch generell so, dass es nicht zu Verunreinigungen kommt usw.).
  • Dazu sind viele Produkte zerbrechlich, können schlecht werden, müssen auf ihre Haltbarkeit kontrolliert werden.
  • Andere müssen evtl. gesäubert werden, um sie in den Verkauf geben zu können, oder in Schaumhüllen eingepackt, damit sie die Lieferung unbeschadet überstehen.


Foto: Amazon Fresh truck on Capitol Hill (USA): SounderBruce, CC BY-SA 2.0 via Flickr

All das ist zweifelsfrei machbar, wie zahlreiche Lebensmittel-Lieferdienste jeden Tag beweisen. Aber es sorgt für eine zusätzliche Komplexität, an die Amazon (bislang) nicht gewöhnt war. Zumal die Abläufe vermutlich ganz wesentlich von der Art und Größe des Lagerraums abhängen, die sich an den einzelnen Fresh-Standorten massiv unterscheiden können.

Das Bananen-Missverständnis

Anders gesagt: Was die Lagerung und Lieferung von frischen Lebensmitteln angeht, ist Amazon ein totaler Newcomer. Offensichtlich auch noch nach den zehn Jahren, die es Fresh jetzt schon gibt. Sonst müsste Amazon den Start in neuen Städten ja nicht immer wieder so umfangreich vorbereiten.

Wer Modis Arbeit komplett liest, versteht auch, wie schwierig es ist, den nötigen Lernprozess möglichst effektiv zu gestalten.

Ursprünglich verkaufte Amazon Fresh in Seattle Bananen in Fünfer-Packs. „Büschel“ mit lediglich vier Früchten wurden aussortiert; bei anderen wurden überschüssige Früchte abgetrennt – und ebenfalls aussortiert. Das war aufwändig, teuer und verschwenderisch. (Mori rechnet vor, dass anfangs ein Drittel der angelieferten Früchte aussortiert wurde.) Nach einer Weile hat Amazon auf den Verkauf in gewichtsbasierten Einheiten umgestellt. Die Kunden haben deswegen etwas mehr Ware für ihr Geld bekommen. Dafür mussten weniger Früchte aussortiert werden und die Lieferanten waren bereit, direkt in Zwei-Pfund-Packs anzuliefern.

Der gesunde Menschenverstand sagt Ihnen und mir (und dem geübten Lebensmitteleinkäufer großer Handelsketten erst recht), dass das von vornherein so hätte laufen können.

Amazon hat es trotzdem erst lernen müssen. Das ist gar nicht als Vorwurf gemeint. Es spricht aber dafür, dass der Umgang mit frischen Lebensmitteln auch für einen Riesenkonzern wie Amazon eine enorme Herausforderung darstellen kann.

Fehler passieren auch zweimal

Nun lässt sich zurecht einwenden, dass Fresh ja bereits 2007 in Seattle an den Start ging – und Amazon inzwischen „genügend Erfahrungen aus den USA und England mit(bringt)“, wie Handelsprofessor Rüschen glaubt.

Was die Bananen angeht, stimmt das vermutlich auch (in Deutschland sind es für Bio-Bananen offensichtlich 600-Gramm-Einheiten; natürlich in Plastik verpackt – weil das für die Kommissionierung praktisch ist).

Ganz so einfach ist das womöglich nicht immer. Beim Start in London im Juni 2016 hatte Amazon immerhin schon neun Jahre Erfahrung mit Fresh in den USA. Was den Konzern nicht davon abhielt, eine ganze Reihe von Fehlern noch einmal neu zu machen. Die „Daily Mail“ berichtete damals u.a. dass

  • Amazon Fresh bei Kunden, die ihren Liefertermin aus Zeitgründen absagen mussten, trotzdem mit dem kompletten Einkauf vor der (verschlossenen) Tür stand,
  • dass bei einer nachträglichen Änderung der Lieferzeit die komplette Bestellliste noch einmal von vorne eingegeben werden musste,
  • und dass einige der Produkte anderswo auf der Amazon-Website günstiger bestellbar waren als über Fresh.

Kinderkrankheiten, ja. Aber solche, von denen Experten annehmen, dass Amazon sie längst im Griff haben müsste.

Pluspunkt Kundenorientierung

In Berlin kommt die Besonderheit dazu, dass Amazon die Einkäufe erstmals von einem externen Dienstleister ohne Kühlfahrzeuge zustellen lässt (DHL) – und nicht, wie überall sonst, selbst.

(Und nur mal zur Erinnerung: Wir reden über ein Unternehmen, das bei der Eröffnung seines neuen Logistikzentrums in Berlin-Tegel im vergangenen Jahr erstmal vergessen hat, Parkplätze für die Transportfahrzeuge zu schaffen, die gerade nicht im Einsatz sind.)

All das spricht überhaupt nicht dagegen, dass Amazon Fresh in Deutschland (oder anderswo) ein Erfolg werden könnte. Zumal das Unternehmen wie kein anderes verstanden hat, Angebote so zu konstruieren, dass es Kunden Spaß macht, sie zu benutzen. (Meistens, jedenfalls.)

Wie fantastisch ist das zum Beispiel, Fresh-Bestellungen bis kurz vor der Auslieferung vergessene Waren hinzu fügen zu können, indem man sie einfach in den Warenkorb legt. Das System merkt von selbst, dass sie zur nächsten Lieferung dazu sollen (siehe Screenshot)!

Aber es spricht dagegen, anzunehmen, dass der Erfolg unausweichlich ist und die etablierten Handelsketten deswegen direkt einpacken können. Weil genauso gut die Möglichkeit besteht, dass Amazon das Ding grandios in den Sand setzt, wenn es zu lange dauert, die ungewohnten Prozesse in den Griff zu kriegen.

Fotos: Supermarktblog"


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10 Kommentare
  • Es ist meiner Beobachtung nach zunehmend so, dass Leute genervt von eCommerce sind. Und davon, „schon wieder“ auf einen Bildschirm zu starren, mit einer Maschine zu kommunizieren und nicht mal auch im Alltag etwas anderes als Arbeitspatz und Wohnung zu sehen.

    Der Erfolg des eCommerce liegt bisher v. a. auch in Schwächen des Handels. So haben die Händler, übrigens auch viele Versandhändler, bis heute nicht kapiert, dass das bedingungslose Widerrufsrecht eines der größten Pfunde des eCommerce überhaupt ist. An eine Entscheidung nicht gebunden zu sein und das _RECHT_ zu haben, einen Kauf oder Vertragsschluss nach eigenem Gutdünken binnen 14 Tagen rückgängig machen zu können, kommt unserem Zeitgeist eben extrem entgegen. Zalando hat das erkannt und ist quasi nur mit einer riesigen Werbekampagne, die de facto das Widerrufsrecht im Zentrum zu (jeder kennt den Claim bis heute!), zum big player geworden.

    Der Einzelhandel hat dem bis heute nur die üblichen „Kulanzrücknahmen“ oder „Kulanzgutscheine“ entgegen zu setzen, wo man als Kunde immer das Gefühl hat, der Verkäufer tut einem gerade einen riesigen Gefallen (er „muss“ ja nicht). Wenn das so einfach wäre, „Ware auf den Tresen, Geld zurück, keine Fragen“, dann wäre das ein enormes Pfund für den stationären Handel.

    Nur: im Lebensmittelbereich spielt das keine Rolle. Da gibt es kein Widerrufsrecht. Okay, was bleibt? Günstigere Preise? Nun ja, nicht bei den bisherigen Lieferdiensten inkl. Fresh. Kostet alles mehr, als der Supermarkt. Bequemer? Nun ja. Nicht wirklich. Schon das Problem, sich Frischewaren nicht selbst aussuchen zu können, ist ein Ärgernis. In der Realität wird nie so „handverlesen“ kommissioniert, als würde man für sich selbst einkaufen. Und sich durch Shopsysteme, gleich welcher Art, zu klicken/wischen/tappen… ist schnell nervtötend und dann muss man auf die Lieferung warten (und auch anwesend sein, bis sie eintrifft).

    Das klingt alles für mich danach, dass es für Nischen ein Angebot ist. So wie der Pizzadienst nicht dazu geführt hat, dass Pizzerien aussterben, so sehe ich in Lebensmittellieferdiensten keine Bedrohung, nicht einmal eine direkte Konkurrenz zum Supermarkt. Aber ähnlich wie beim Widerrufsrecht für Nonfood wird es natürlich auch entscheidend darauf ankommen, wie die Supermärkte reagieren. So kann man den digital citizen, der in der Arbeit und noch große Teile seiner Freizeit ständig auf Bildschirme starrt und mich Computern zu tun hat, damit nerven, dass man nun SB Kassen einsetzt oder man kann aus dem vermeintlichen Kostenblock „Kassiererinnen“ ein Pfund machen.

    Leider haben die Supermärkte das nicht gelernt, siehe die Analogie zum Widerrufsrecht. So hat Kaufland erst kürzlich die Frage abgeschafft, ob beim Einkauf alles in Ordnung gewesen sei, auch die Wagennummer wird nicht mehr abgefragt. Das heißt, nun kann man an der Kasse stehen ohne ein Wort zu tauschen, die Kassiererin wird zum Kassierroboter, der Kunde zum Kaufroboter. Dabei müsste gerade jetzt das Trumpf ausgespielt werden, dass man es da noch mit echten Menschen zu tun hat. Mehr Kommunikation. KUNDENBINDUNG an Menschen, an freundliche Supermarktmitarbeiter, das wird über jedes noch so hübsch designte Frontend erhaben sein und in Zukunft immer größeres Potential haben, die Kunden positiv an sich zu binden, je größer der Grad der Technisierung um uns herum im Alltag ist. Nur, das muss der Handel auch endlich erkennen. Dabei geht es nicht um die hohle Floskel „Beratung“, dabei geht es einfach darum, dass Menschen üblicherweise lieber mit Menschen kommunizieren, als mit Computern. Und sei es nur für den Kassiervorgang. Ich würde auch die Obst- und Gemüse Waagen abschaffen, wo es sie noch gibt. Geworden wird an der Kasse und schon wieder ein möglicher Anlass für Kommunikation darüber, was sich im Beutel befindet, man erkennt das ja nicht immer zweifelsfrei. Und das selbe über das, was man aus dem „Brötchenknast“ geholt hat. Plus die Abschlussfrage ob alles in Ordnung war und die Frage nach der Wagennummer, wäre schon 4x menschliche Kommunikation. 4x ein menschliches Gesicht, „das ist ‚mein‘ Supermarkt“.

    • Das finde ich einen interessanten Gedanken, gerade weil es mir persönlich völlig gegenteilig geht. Ich sitze zwar auch auf der Arbeit und Zuhause den ganzen Tag vor dem Bildschirm, aber ich bin auch (zunehmender) Einkaufsautist und schätze am Online-Shopping gerade auch, dass ich dabei nicht mit Verkäufern kommunizieren und interagieren muss und mir für das Stöbern so viel oder so wenig Zeit lassen kann, wie ich will. Mir gibt es in den Supermärkten noch viel zu wenig SB-Kassen – ich liebe an meinem neuen Stamm-REWE gerade dieses Feature, und wenn es mir nach ginge, würde ich mich nie mehr an einer personalbesetzten Kasse anstellen müssen. Ich finde das toll, wenn ich beim Einkauf nicht angesprochen werde, auch wenn ich mal wieder eine halbe Stunde lang vor dem Konfitürenregal stehe und mich meditativ ins Angebot versenke. Was nicht heißt, dass es kein Personal geben soll – wenn ich mal kommunikativ aufgelegt bin, finde ich das toll, jemanden ansprechen zu können und dann auf freundliches Personal zu treffen. Meines Erachtens sollte der stationäre Lebensmittel-Einzelhandel beides anbieten und ermöglichen: Brötchenknäste und SB-Kassen für Einkaufsautisten *UND* ansprechbares, freundliches Personal für die Plaudertaschen.

    • Das mit der Kommunikation sehe ich anders. Ich wäre schwer genervt von diesen 4 Kommunikationsversuchen und würde den Laden meiden. Ich möchte meine Einkäufe nicht mit dem Kassierer diskutieren und sinnlose Fragen (wie die nach der Wagennummer) schätze ich auch nicht. Gut dass Kaufland das abgeschafft hat. Die Frage ob alles in Ordnung war, war genauso sinnlos. Wenn man schon an der Kasse ist, dann will man zahlen und heim statt eine Beschwerde vorbringen bei der der Kassierer meist eh nichts machen kann.

      Echte menschliche Kommunikation im Laden mag ich durchaus, aber das entsteht spontan und freiwillig. Von der Geschäftsleitung vorgegebene und mit Testkäufern kontrollierte Sätze sind das Gegenteil von echter Kommunikation, das sind Menschen zum Serviceroboter gedrillt.

      Die Bildschirmmüdigkeit ist aber ein guter Einwand. Viele Leute gehen tatsächlich gern einkaufen, ich z.B. Im Supermarkt ein bißchen stöbern und in Bewegung sein und Produkte in 3D zu sehen ist doch nett. Wäre noch netter in schönerer Atmosphäre und attraktiveren Frische-Angeboten.

      Amazon Fresh kommt für mich wegen der teuren Abo-Struktur nicht in Frage, flexiblere Lieferdienste eventuell schon in bestimmten Situationen. Allerdings hab ich hier zig Supermärkte innerhalb weniger Minuten erreichbar, ich glaube kaum dass Zusammenklicken und aufs Liefern warten groß Zeit spart. Bei Produkten wie Tomaten, Salat oder Erdbeeren möchte ich lieber selbst aussuchen bzw. spontan entscheiden ob die Sachen gut aussehen oder nicht.

      Sehr interesssant an Fresh ist die Kooperation mit Berliner Feinkostläden, das ist ein attraktives Angebot. Etwas ähnliches können Supermärkte aber auch bieten, z.B. gibts Kaffee einer lokalen Rösterei in einem badischen Edeka. Wäre noch ausbaufähig.

    • für mich war der Punkt an der Kaufland Frage eher die Sinnlosigkeit. Wenn ich was nicht fand oder etwas aus war, sagte ich das auch als Antwort. Stets erfolgte der Verweis an die Info. Da könne man ja nachfragen. Warum also das Problem überhaupt an der Kasse vortragen?

  • Ich muss Ihnen erst mal ein Lob dafür aussprechen, wie herrlich unaufgeregt Sie über den Handel und auch jetzt über Amazon schreiben. Gerade in Zeiten der übertriebenen Schnappatmung mancher Postillen bezüglich Fresh eine wohltuende Abwechslung.

    Ich bin gespannt, wie es um Fresh in einem Jahr bestellt ist. Einiges wird sich bis dahin eingespielt haben, anderes womöglich nicht.

    Stichpunkt Leergut. Da wird es Probleme geben. Allein schon wenn der DHL-Fahrer neben den Amazon-Material, manche Retoure, auch noch einen Müllsack voll PET-Einwegflaschen mitnehmen muss. Das vielleicht bei zwei, drei vier Kunden und sein Transporter ist dicht. Und die Laune im Keller.

    Amazon dürfte in dieser Zeit auch einiges an Geld verbrennen (neben den Summen, die eh schon über den Jordan gehen dürften. Allein schon durch den viel beschriebenen Service, der in den meisten Fällen nix weiter als „Egal was ist, schicken Sie es zurück und erhalten dafür das Geld wieder.“ bedeutet).

    Die Masse an Produkten, die stets vorrätig gehalten werden müssen. 85.000 Artikel sind eine riesige Hausmarke. Es würde mich nicht wudern, wenn Amazon dort als erstes feilt und die Anzahl deutlich reduziert.

    MHD-Daten. König Kunde ist so konditioniert, das sein Pudding, den er am selben Abend verzehren möchte, trotzdem noch mindestens zwei Wochen haltbar sein muss. Die Banane darf keinen Fleck haben, der Apfel bloß keine Delle. Und sei sie noch so klein.

    Und so weiter. Den Untergang des (Lebensmittel-)Abendlands sehe ich nicht. Auch nicht in ein oder zwei Jahren. Aber, wie gesagt, ich bin neugierig, wie es dann wohl aussieht.

    • sehe ich nicht so. Die Option werden keine 50% der Leute nutzen (vielleicht 10-25). Ergo wird das Auto beim Ausliefern immer leerer.
      Der Post gebe ich auch sehr oft Sendungen mit (können auch mal mehr als 10 sein). Ablehnung gab es nur einmal: bei einer, die zu Fuß mit Handwagen unterwegs war (und offenbar am Beginn ihrer Tour).

  • Ich sehe keine Gründe, zu Amazon Fresh zu wechseln. Allein schon die Gebühr von 9,99 EUR / Monat, die auch für Prime-Mitglieder zusätzlich anfällt, frisst den Vorteil der „kostenlosen“ Belieferung mehr als auf. Denn mehr als (maximal) zweimal im Monat lasse ich mich nicht beliefern, also bin ich mit z.B. REWE immer noch günstiger dran. Wobei REWE die Prozesse gut im Griff hat und eben auch über Eigenprodukte verfügt, die preislich gleichauf mit Discountern liegen.
    Letztes Jahr hab ich auch schon mal probeweise bei „Amazon Prime Now“ bestellt, wobei mir unangenehm aufgefallen ist, dass jedes Produkt in einer extra Tüte ankam und ich auf den Getränkekästen einfach sitzen blieb. Auch auf Nachfrage wurde nicht zugesichert, dass die bei einem nächsten Kauf wieder mitgenommen werden. (REWE nimmt sogar mehr Kästen mit als gleichzeitig geliefert werden). Woran ich auch zweifle, ist die Kommunikationsbereitschaft von Amazon bei „Fresh“, ein Zweifel, der zugegeben auf Erfahrungen mit anderen Geschäftsbereichen von Amazon beruht. Bei REWE bekomme ich jederzeit telefonisch und per Email Kontakt – und zwar zu Leuten, die SOFORT mein konkretes Problem lösen können. Ich vermute mal, das muss Amazon erst lernen, falls sie überhaupt Bock drauf haben.

    • Den ersten Teile sehe ich genauso wie Sie, liebe Claudia. Amazon Fresh ist für mich als Prime-Kunde derzeit auch keine Option, da es einfach keinen Vorteil gegenüber Kaufland oder Rewe gibt – und ich mich nicht für 10€ pro Monat binden werde. Prime Now hingegen war eine Option trotz der fehlenden Pfandrückgabe – wegen der extrem kurzfristigen Verfügbarkeit (Lieferung zwei bis drei Stunden nach Bestellung) und des niedrigen Mindestbestellwerts (20€). Leider wurden mit dem Start von Fresh einige Dinge (Coca-Cola-Kästen und Vio-6x1Liter-Träger) aus dem Angebot genommen.
      Was aber tatsächlich nicht der Fall ist, ist eine schlechte Erreichbarkeit von Amazon. Ich hatte einmal ein Problem mit einer Prime-Now-Lieferung (eine Tüte mit falschem Inhalt geliefert) und mit dem Kontakt war ich sehr zufrieden. Ich musste nur in der App auf einen Button klicken und sofort rief mich jemand an (keine Kosten), der sofort alle Daten zu meiner Bestellung parat hatte. Mir wurde alles erstattet und die falsch gelieferten Produkte durfte ich behalten. Also bei Prime Now hat man auch sofort Kontakt zu Leuten, die die konkreten Probleme lösen. In Sachen Kundenservice ist Amazon schon ganz vorne mit dabei.

  • Ich denke, für viele Käufer hat ein Hofladen im Vergleich zu dem Online Shop immer noch Vorteile. Was kann besser sein, als sich mit einem leidenschaftlichen Winzer über seine Weine zu unterhalten und im Anschluss ein Gläschen Wein zu trinken? Das wird Amazon nie anbieten können! Viele Betreiber von Online Shops haben es bereits erkannt und expandieren in den Einzelhandel, indem sie kleine Läden eröffnen oder sich einmieten. Aber ich denke nicht, dass der Online Handel das einzige Handelsformat werden kann. Wie in meinem Beispiel mit dem Winzer, bei Online Bestellungen fehlt der menschliche Aspekt. Außerdem ist Amazon nicht gerade dafür bekannt frische Produkte anzubieten.

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