Gericht entscheidet: Kaufland wiegt zu wenig

Gericht entscheidet: Kaufland wiegt zu wenig

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Also, liebe Kinder, hört dieses Märchen von der Kaufland-Magd, die sich am Gesetz versündigte und es mit dem gefürchteten Landesamt für Mess- und Eichwesen in Rheinland-Pfalz zu tun bekam.

Es begab sich zu der Zeit im Jahre 2008, dass die Magd ihre aufgebackenen Plunderteilchen in Tüten abpackte und bloß die Stückzahl draufschrieb, nicht das Gewicht! Daraufhin belegte das Amt die Magd mit einem Bußgeld, welches diese nicht kampflos hinnehmen wollte. Deshalb zog sie vor Gericht. Doch, ach weh! Niemand wollte der armen Magd Recht geben. Das Verwaltungsgericht nicht, das Oberverwaltungsgericht nicht, und jetzt auch noch das Bundesverwaltungsgericht nicht. Es sprach (pdf):

„Fertigpackungen mit Feinen Backwaren (hier: Aprikosen-, Apfel-, Kirschtaschen, Butter-, Plunderhörnchen, Schoko-Croissants, Mini-Berliner) in einer Füllmenge von mehr als 100 g dürfen gewerbsmäßig nur in den Verkehr gebracht werden, wenn die Füllmenge nach Gewicht gekennzeichnet ist.“

Jetzt muss die Magd auf alle ihre Plunderpackungen draufschreiben, wieviel sie wiegen. (Fotobeispiel von der Konkurrenz.)

War also doch kein Märchen. Wollen Sie auch die Begründung wissen? Also gut, aber auf eigene Gefahr.

* * *

Auftritt FpackV (Fertigpackungsverordnung)

So, sprach das Gericht: Fertigpackungen, die nicht-flüssige Lebensmittel enthalten, müssen der Fertigpackungsverordnung zufolge mit ihrem Gewicht gekennzeichnet werden (§ 7 Abs. 2 Satz 1). Die Magd, gar nicht unschlau, erwiderte, dass das aber nicht für „Brot in Form von Kleingebäck mit einem Gewicht des Einzelstücks von 250 Gramm oder weniger“ gelte (§ 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6).

So leicht dürfe es sich die Magd nicht machen, fand das Gericht. Und rief das 1981 verblichene Brotgesetz an.

Auftritt Geist des BrotG (Brotgesetzes)

Eine dürre Stimme aus dem Jenseits sprach: Ja, Mensch, les doch mal einer die Ausnahmeregelung, die nach meinem Ableben in der Fertigpackungsverordnung übernommen wurde, bevor ihr mich stört! Aus der sei doch ersichtlich, meinte das Brotgesetz, dass bloß „Fertigpackungen mit nicht mehr als einem Stück Kleingebäck“ gemeint seien, und keine „Fertigpackungen mit einer beliebigen Anzahl Kleingebäck“. Die Auskunft sei zwar hilfreich, fand das Gericht, aber auch egal.

Auftritt Leitsätze für Brot und Kleingebäck

Bei dem Backplunder der Magd handele es sich den Leitsätzen für Brot und Kleingebäck zufolge nämlich gar nicht um Kleingebäck, sondern den Leitsätzen für Feine Backwaren zufolge um – Feine Backwaren. (Wegen der Füllungen.) Deshalb funktioniere § 10 der Fertigverpackungsverordnung in diesem Fall sowieso nicht.

Auftritt EichG (Eichgesetz)

Nur an einem sei nicht zu rütteln, befand das Gericht: Die Backwaren der Magd würden in Fertigverpackungen verkauft, und Fertigverpackungen dürften dem Eichgesetz zufolge (§ 7 Abs. 1) nur verkauft werden, „wenn die Nennfüllmenge angegeben ist und die Füllmenge den festgelegten Anforderungen entspricht“. Also: wenn das Gewicht draufstehe. Wie’s verdammt nochmal in der Fertigpackungsverordnung steht.

Momentchen, schrie da die Magd in ihrer Verzweiflung – was ist eigentlich mit der EU?

Auftritt EU-Verordnung 1169/2011, Art. 23 (Anhang IX)

In ihrer Verordnung 1169 habe die doch festgelegt, dass Lebensmittel nicht mit dem Gewicht gekennzeichnet werden müssen, sondern dass die Angabe der Stückzahl reiche – wenn die „von außen leicht zu sehen und einfach zu zählen ist“.

Tja, erwiderte das herzlose Gericht: Die Verordnung (pdf) gelte aber erst ab 13. Dezember 2014. Und vorher nicht.

* * *

Eigentlich müssten Sie also derzeit, wenn Sie sich in der Nähe einer Kaufland-Aufbackstation ducken und ganz ruhig verhalten, Heinzelmännchen dabei beobachten können, wie sie frisch aufgewärmten Backplunder wiegen, bevor er ins Regal kommt.

In manchen Filialen hat Kaufland sich aber längst anders beholfen, verzichtet einfach ganz auf eigene Fertigpackungen und wirft den Plunder mit in den klassischen Brötchenknast . War ja auch vier Jahre Zeit, um da drauf zu kommen.

Fotos: Supermarktblog

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4 Kommentare
  • Das ist auch wirklich wichtig, ob die Schrippe 69 oder 72 Gramm wiegt. Da kann man die Preise ja viel besser vergleichen. Kennt man ja vom Bäcker: „Könnten Sie die Schrippen für mich wiegen, bevor ich sie kaufe?“

  • Wenn sie “von außen leicht zu sehen und einfach zu zählen ist”, dann darf die Stückzahl angegeben werden. Genau dann braucht man die Zahl nicht (so wie bei den durchsichtigen Brötchentüten). Das ist EU-Logik und Volksnähe ist nicht angesagt.

    • Nun, auch Supermarktmitarbeiter sollen sich bei Füllung der Tüte gelegentlich verzählen. Wenn dann nur 5 Plunderteilchen im Sack sind, mir aber 6 berechnet werden, ist der Vergleich zwischen Inhalt und Etikett ganz praktisch. 😉

  • Man braucht die Zahl ja nicht zum Glauben, sondern zum Ueberpruefen. Ausserdem kann man, wenn das Gut leicht zu sehen und einfach zu zaehlen ist, besser vergleichen, wie viele Minibroetchen vom Aufbaecker denn wie vielen grossen beim Selbstbaecker entsprechen. Ich finde das sehr kundennah gedacht.

    In vielen amerikanischen Laendern werden uebrigens alle Brotwaren (lustigerweise mit Ausnahme der gefuellten) gewogen. Man bestellt trotzdem noch 6 Broetchen und nicht 2 Pfund, aber sechs kleinere Broetchen kosten halt relativ weniger. Ich halte das fuer eine faire Einrichtung.

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