Krumme Dinger im Gemüseregal

Krumme Dinger im Gemüseregal

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Für seinen Film über alltägliche Lebensmittelverschwendung, „Taste the Waste“ (siehe auch Supermarktblog), hat Filmemacher Valentin Thurn unter anderem in einem Brüsseler Hochhaus und auf einem deutschen Kartoffelacker recherchiert.

Auf dem Acker stand er mit Kartoffelbauer Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf, der ihm zeigte, wie Kartoffeln, die „zu groß“ oder „zu klein“ oder nicht sonst wie kartoffelig genug sind, bei der Ernte einfach liegengelassen werden:

„Der Ernährungswert ist derselbe, die würden genauso gut schmecken, aber der Handel nimmt sie uns nicht ab.“

Im Hochhaus ließ Thurn sich vom Pressesprecher des EU-Agrarkommissars erklären, dass die Gurkenregulierungswut der EU nicht so dramatisch ist, wie die meisten Menschen glauben. Sicher, es habe mal eine Richtlinie gegeben, dass Gurken maximal einen Zentimeter Krümmung auf zehn Zentimeter Länge aufweisen dürften. Die sei aber bereits im Juli 2009 abgeschafft worden. In den Läden hat sich trotzdem nichts geändert:

„In der Praxis wollen die Supermärkte keine krummen Gurken, weil sie nicht in die Kisten passen.“

So steht es in Thurns Buch zum Film („Die Essensvernichter“) das er mit Stefan Kreutzberger geschrieben hat.

Jetzt tut sich was in den Supermärkten, zumindest bei unseren Nachbarn in der Schweiz. Seit Ende Juli verkauft die Supermarktkette Coop dort nicht nur krumme Gurken. Sondern auch Pfirsich mit Hagelmacken, unförmige Tomaten, Blumenkohl mit Flecken, verfärbten Broccoli sowie von der Norm abweichende Zucchini und Fenchel. „Ünique“ heißen diese Lebensmittel im Laden.

Krummes Gemüse heißt bei Coop in der Schweiz "Ünique"

Coop glaubt, dass die Kunden „heute vermehrt Verständnis haben für die Launen der Natur und bereit sind, auch außergewöhnliche Naturprodukte zu kaufen“. Das ist ein bisschen irreführend. Eigentlich ist die Sortimentserweiterung vor allem ein Test, ob die Kunden bereit sind, sich endlich den Launen der Supermärkte zu widersetzen, die in einer großen Gleichmachereilaune irgendwann einmal definiert haben, wie ein ordentliches Gemüse auszusehen hat (und vor allem: wie nicht) und seitdem stets behaupten: Die Kunden wollen es so!

Tatsächlich?

„Das Feedback der Kunden ist sehr gut“, sagt Coop-Sprecher Ramòn Gander auf Supermarktblog-Anfrage.

„Die Menge, die gegenwärtig zur Verfügung steht, reicht etwa für jede dritte Verkaufsstelle. Wir könnten gegenwärtig mehr Ünique-Gemüse verkaufen als uns geliefert wird.“

Das mag freilich auch daran liegen, dass der Preisunterschied zur geradegezerrten Ernte nicht ganz unerheblich ist. Das Kilo Karotten kostet bei Coop derzeit durchschnittlich 2,75 Schweizer Franken pro Kilo, die Ünique-Gegenstücke sind für 1,20 Franken pro Kilo zu haben. Ähnliches gilt auch für anderes Gemüse: Auberginen, Blumenkohl, Tomaten etc. Nun ist dieser Krummgemüserabatt aus Sicht der Kunden natürlich hervorragend. Deshalb erklärt Unternehmenssprecher Gander:

„Das Ünique-Gemüse ist optisch nicht einwandfrei. Zudem kann es für den Kunden einen größeren Aufwand erfordern, bspw. eine gegabelte Karotte zu waschen und zu schälen. Der tiefere Preis ist ein Anreiz, damit die Kunden häufiger zu normabweichendem Gemüse greifen.“

Ebenso wie die Hervorhebung unter dem Namen Ünique hilft das allerdings nicht dabei, uns daran zu gewöhnen, dass Gemüse nun mal von Natur aus nicht nach dem Lineal wächst. Coop vermarktet Ünique als Sonderfall, und der Preisabschlag legt Kunden die Vermutung nahe, es könne sich um minderwertige Lebensmittel handeln. Dabei ist genau das nicht der Fall, schreibt Thurn in seinem Buch:

„Die meisten Verformungen haben harmlose Ursachen. Rüben krümmen sich, weil sich die Wurzeln beim Wachsen an Steinchen im Boden vorbeischieben. Kirschen verwachsen, wenn sie mal dicht beisammen hängen. Zucchini laufen oft birnenförmig aus, wenn sie auf unebenem Erdreich liegen.“

Coop glaubt aber, „dass sich Gemüse, das von der Norm abweicht, besser verkaufen lässt, wenn es speziell gekennzeichnet ist. Zudem wollen wir den Kunden nicht erziehen.“ Und als erste Desensibilisierungsmaßnahme gegen überzogene Normvorstellungen für Obst und Gemüse ist der „Ünique“-Test ja auch ein begrüßenswerter Schritt, zumal ein Teil davon das normierte Obst und Gemüse ersetzen soll. (Wie groß dieser Teil sein könnte, sagt Coop derzeit nicht.)

Wer sein Gemüse selten in der Schweiz einkauft, kann z.B. in Berlin einen türkischen Super- oder Wochenmarkt seiner Wahl besuchen, da gibt’s auch jede Menge krummer Gurken.

Oder Sie hoffen darauf, dass die beiden „Culinary Misfits“-Gründerinnen ebenda bald einen bezahlbaren Mietvertrag für ihren crowdgefundeten Laden kriegen, um dort dann zweibeinige Rübchen zu verkaufen. Vorerst landen die vom Acker geretteten „Schrägen Schätze“ immerhin in den Eintöpfen und Suppen , die es in den Ladenbistros der Berliner Bio Company gibt.

Ist halt ein bisschen schade, dass man dann gar nicht mehr sehen kann, wie kreativ die Ernte vor ihrer Mittagessenswerdung gewachsen ist.

Foto [M]: Coop/Supermarktblog

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28 Kommentare
  • „Das Kilo Karotten kostet bei Coop derzeit durchschnittlich 2,75 Schweizer Franken pro Kilo, die Ünique-Gegenstücke sind für 1,20 Franken pro Kilo zu haben.“
    Na bravo, die behinderten Karotten gibt es also für den halben Preis…

    Beim Thema Lebensmittelverschwendung will ich regelmäßig schier verzweifeln. Der Film von Valentin Thurn ist nun über zwei Jahre alt und was hat sich seitdem getan? Bestenfalls Trippelschritte in die richtige Richtung, „die Verbraucher wollen das so“ hört man doch seit Jahren. So wie im Nachmittagsprogramm nur Trash TV läuft, gibt es im Supermarkt nur uniforme Äpfel zu kaufen, was soll der Verbraucher denn da wählen?

    Stattdessen haben wir inzwischen gefriergetrocknetes Hackfleisch und Leberkäse mit Fischölen in den Supermärkten, damit entfernt man sich immer weiter von sämtlichen Ausgangsprodukten.

  • Kann man das ganze unförmige Gemüse, wenn die Kunden es partout nicht kaufen (oder schälen) wollen, nicht an die Industrie verkaufen? Für Pfanni-Produkte oder Fertiggerichte ist es doch egal, wie das Ausgangsprodukt einmal ausgesehen hat.

  • @Joe
    Leider nicht so einfach. Auch hier wird der Aufwand (Schälen etc.) deutlich größer als bei „Normgemüse“.

    Soweit ich dies noch zusammenbekomme wurden die Handelsklassen nach äußerlichen Merkmalen eingeführt (Aussehen, Krümmung, etc.). Weil man diese leicht nicht-deskrutiv messen kann.

    Ansonsten spricht nichts gegen „krummes“ Gemüse.

  • Faktisch spricht so einiges gegen „krummes“ Gemüse. Immerhin ist die Lebensmittelherstellung von A-Z ein grossindustrieller Prozess. Das beginnt eben schon beim Gemüseanbau. Die Sorten, Anbaubedingungen etc. werden alle so gewählt, dass man möglichst effizient produzieren kann. Naturgemäß versucht man dabei eben auch eher grades Gemüse zu produzieren als krummes. Denn aller Romantik zum Trotz: Wenn im Supermarkt zum gleichen Preis eine krumme und eine grade Gurke liegen, dann würden 110% aller Kunden die grade Gurke kaufen.

    Und davon abgesehen, liegt die Quote von krummer B-Ware eigentlich überall im einstelligen Prozentbereich. Wirtschaftlich betrachtet, gibt es schlicht keinen Grund diese Menge großflächig in den Handel zu bringen. Es ist ja nicht so, dass wir zu wenig Gemüse produzieren würden oder sonstwie mengenmäßig zu wenig Nahrungsmittel hätten.

    • Verraten Sie mir die Quelle für den „einstelligen Prozentbereich“? Kartoffelbauer Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf sagt in Thurns Buch, 40 bis 50 Prozent der Kartoffelernte bliebe auf dem Feld zurück, weil sie nicht der Handelsnorm entspräche.

      Und dass niemand krumme Gurken kauft, wissen wir doch nicht. Es gibt in den meisten Läden keine. (Zudem scheint Coop dieses Vorurteil ja nun gerade zu widerlegen.) Oder gibt es Modellversuche mit gegenteiligem Ergebnis?

    • „Und dass niemand krumme Gurken kauft, wissen wir doch nicht“

      Wenn es mal eine in den Handel packt, was gelegentlich wie bei anderem Gemüse auch vorkommt, bleibt die/das immer liegen. So zumindest meine überwiegende Erfahrung.

      „(Zudem scheint Coop dieses Vorurteil ja nun gerade zu widerlegen.)“

      Widerlegt wäre es wenn Coop die zwei Varianten zum gleichen Preis verkaufen und es keine signifikanten Unterschiede zum Abverkauf geben würde. Coop verkauft die Ware aber zum halben Preis ! Betriebswirtschaftlich frage ich mich da ob das nicht nur eine Imagekampagne ist. Weil 25% Marge von 1,20 ist halt weniger als die Hälfte von 2,75.

    • Kommt auf den Einkaufspreis an.

      Und natürlich: EINE krumme Gurke bleibt unter lauter geraden vielleicht eher liegen. Ist trotzdem kein Beleg dafür, dass die Leute keine krummen Gurken kaufen. In den Berliner Euro Gidas funktioniert das schon mal hervorragend. Scheint womöglich eine Sache der Gewohnheit zu sein.

    • „Kommt auf den Einkaufspreis an.“

      Sicher! Mal rein betriebswirtschaftlich überlegt – „Welchen Einkaufspreis müßten die Karotten haben damit der Rohertrag derselbe oder annähernd derselbe ist wie bei einem Verkaufspreis von 2,75 Franken/kg ? Grob überschlagen bei 0,60 Franken – halten Sie das für realistisch ? Und welches Interesse sollte denn bitte der Bauer haben seine Karotten für 0,60 Franken/kg anstelle von 1,80 Franken/kg zu verkaufen (und welches der Händler außer Imagepflege?) Und das sich die „Krummen“ und die „Geraden“ bei so einem Preisunterschied kannibalisieren ist imho so gut wie sicher. Das Einbringen dieser Ware wird mMn den Bauern mehr Schaden als Nützen, außer er kann die Ware zusätzlich verkaufen – die Frage ist halt kann er das ?

      „Und natürlich: EINE krumme Gurke bleibt unter lauter geraden vielleicht eher liegen. Ist trotzdem kein Beleg dafür, dass die Leute keine krummen Gurken kaufen. In den Berliner Euro Gidas funktioniert das schon mal hervorragend. Scheint womöglich eine Sache der Gewohnheit zu sein.“

      Okay, anderes Szenario. Gurken ! Eine Kiste mit krummen (und krumm ist hier mind. 90Grad, noch nichtmal die 180 Grad wie auf dem Ünique-Foto) und eine Kiste mit geraden Gurken – gleicher Preis. Ich weiß wie das ausgeht, nämlich genauso wie wenn es einen Wechsel der Herkunftsländer bei Äpfeln gibt und anstelle der 55mm Durchmesser, 85mm Durchmesser ausgeliefert werden – die Kleinen bleiben liegen. Und die sind genauso rund wie die Großen !

      Wie genau und zu welchem Preis wird das O+G im Berliner Euro Gidas (ich gestehe noch nie davon was gehört zu haben) verkauft ?

    • Deshalb wäre mein Plädoyer ja auch, das O&G eben nicht nach geradem und krummem sortiert zu verkaufen. Der Coop-Test wäre dann am spannendsten, wenn alles dasselbe kosten und beieinander liegen würde. So ist der mögliche Erfolg, wie im Text angedeutet, nur beding aussagekräftig.

      Am meisten erstaunt mich, wieviele Leute hier immer wissen, „wie das ausgeht“, wenn man den Kunden eine Wahl lässt. Ich wüsste das nicht. Natürlich gibt es pingelige Kunden, bei denen immer alles makellos aussehen muss. Aber mein Tipp wäre, dass sich die Leute umgewöhnen lassen. Deshalb wird ja derzeit auch überall das Mindesthaltbarkeit erklärt, und dass man nicht automatisch immer alles wegschmeißen soll. Bei mir hat’s gewirkt.

      Euro Gidas sind Supermärkte mit türkischem Produktschwerpunkt und sehr, sehr toller Gemüseauswahl. Vielleicht schreib ich hier bald mal ausführlicher dazu.

    • „Deshalb wäre mein Plädoyer ja auch, das O&G eben nicht nach geradem und krummem sortiert zu verkaufen. Der Coop-Test wäre dann am spannendsten, wenn alles dasselbe kosten und beieinander liegen würde. So ist der mögliche Erfolg, wie im Text angedeutet, nur beding aussagekräftig.“

      Aber wenn eine krumme Gurke unter vielen Geraden liegenbleibt, warum sollte bei einem Verhältnis von 50/50 plötzlich die Krummen gleich gut verkauft werden ? Ich bin fast kurz davor meinen lokalen Obst- und Gemüsebauern um krumme Gurken anzuhauen um den Test bei mir im Markt zu machen.

      „Am meisten erstaunt mich, wieviele Leute hier immer wissen, “wie das ausgeht”, wenn man den Kunden eine Wahl lässt“

      Ich WEIß aus mittlerweile jahrzenhntelange Erfahrung wie es bei Äpfeln ist, oder bei Orangen, oder bei Tomaten und wir reden hier ja noch von Wiegeware! Bei Stückware ist das ja nochmal viel extremer.

      „Ich wüsste das nicht.“
      Weil Sie Journalist sind und nicht am POS arbeiten. Und die Aussage ist nicht böse gemeint.

      „Aber mein Tipp wäre, dass sich die Leute umgewöhnen lassen. Deshalb wird ja derzeit auch überall das Mindesthaltbarkeit erklärt, und dass man nicht automatisch immer alles wegschmeißen soll. Bei mir hat’s gewirkt.“

      Dieses Umgewöhnen kann evtl. teilweise funktionieren wird aber imho sehr sehr lange dauern und nur durch massive mediale Präsenz über einen langen Zeitraum zu verwirklichen sein (Ähnlich der MHD-Sache, wobei hier zu hinterfragen wäre wie weit das wirklich bei der Mehrheit angekommen ist).

      Sie wissen doch auch wie stark das Unterbewußtsein Kaufentscheidungen fällt und beeinflusst. Krummes Gemüse wird auf der Vernunftseite als gleichwertig eingestuft, klar – auf der emotionalen unterbewußten Seite wird der Kunde oft das Gefühl haben minderwertiges O+G zum gleichen Preis gekauft zu haben wie der Kunden vor ihm der „besseres“ nämlich gerades O+G gekauft hat.

      Zu den Sache mit den Margen der Bauern sowie näher zu Gidas und deren krummen O+G haben Sie sich noch nicht geäußert. Da würde mich Ihre Meinung/Wissen schon noch interessieren.

    • Auch Ihre Erfahrung beruht auf einer jahrelangen Kundenkonditionierung, dass gerade Gurken gut sind und ungerade nicht. Sie fragen: Wieso soll das klappen? Und ich frage: Wieso nicht? Jetzt sagen Sie wieder: Weil bei mir im Laden… Genau. Und ich sage: Auch Ihre Erfahrung beruht auf einer jahrelangen Kundenkonditionierung usw.

      Die kriegen wir nicht so leicht weg. Außer es fängt jemand an, es zu versuchen.

    • Okay, Kundenkonditionierung (ein übles Wort ;)). Durch welchen Reiz soll denn die gewünschte Reaktion ausgelöst werden ? Bei den jetzigen „Versuchen“ ist es der Preis. Ob so ein starker Faktor wie der Preis durch Vernunft, und die Einsicht das auch eine krumme Gurke eine gute Gurke ist, zu erstzen ist bezweifle ich nunmal.

      Das der Kunde sich da umgewöhnen läßt will ich ja nicht grundsätzlich ausschließen. Nur ob das Umdenken vom Handel ausgelöst werden kann ohne die Ware zum halben Preis zu verkaufen, was wie bereits erwähnt ja betriebswirtschaftlich vermutlich für die gesamte Lieferkette ungut ist, kann ich mir nur schwer vorstellen.

      Für mich sind diese Projekte reine Imagepflege im Zuge der Nachhaltigkeit. Das macht die Projekte per se nicht schlecht, für mich aber unglaubwürdig.

      Wird zumindest interessant zu sehen wie und ob sich das entwickelt.

  • Zu den Kartoffeln:

    http://www.kennzeichnungsrecht.de/QualNormSpKart.pdf (altes Recht?)
    http://www.code-knacker.de/hkl_speisekartoffeln.htm (Neues Recht?)
    Siehe beim pdf:
    § 3 Ausnahmeregelung (besonders ab Hof Verkauf) und § 5 Größensortierung (Drilling)

    Hat Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf für die 40 bis 50 % Kartoffeln die auf dem Feld bleiben einen Beleg, oder sind dies eigene Erfahrungen?

    Bei einem durchschnittlichen Ertrag von ca. 400 dt (also 40 t/ha), auf die schnelle leider nur eine PM aus 2011 mit 460 dt/ha http://www.bmelv.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/2011/198-Kartoffelernte.html (dieses Jahr wird es weniger werden).
    Würden also rund 200 dt auf dem Feld verbleiben, dies würde zu massiven Problemen in den folgenden Kulturen führen (Durchwuchskartoffeln!).
    Außerdem ist dies auch wirtschaftlich ein großer Verlust.

    • Lesen Sie den Text ruhig nochmal. Es geht eben nicht um gesetzliche Vorgaben, sondern um die vom Handel verlangten Normen.
      Und lesen Sie ruhig auch das Buch, dort ist weiter ausgeführt, dass die übrig bleibenden Kartoffeln verfüttert bzw. kompostiert werden.
      Und ja, richtig erkannt: Das ist ein großer finanzieller Verlust.

  • @Peer Schader

    Vielen Dank. Dann habe ich die Passage „bleiben auf dem Feld“ zu wörtlich genommen.

    Mit den Normen des Handels vs. Handelsnormen bin ich ganz bei Ihnen.

  • Eine Quelle für den „einstelligen Prozentbereich“ habe ich leider nicht. Ich halte das bei Gurken, Möhren etc. für durchaus plausibel, denn die wachsen in meinem eigenen Garten auch fast alle „supermarkt-grade“. Wobei zugegebenermassen bei Kartoffeln die Quote natürlich völlig anders ausfällt.
    Und apropos Kartoffelausschuss:
    1. Wenn die Kartoffeln also doch nicht „auf dem Feld“ bleiben sondern verfüttert werden, wieso ist das dann Verschwendung? Wie definiert sich überhaupt Verschwendung?
    2. Auch der „finanzielle Verlust“ ist relativ. Wenn der Bauer nur 5% der Kartoffeln aussortieren müsste, würde er dann noch den gleichen Kilopreis dafür bekommen? Weiss man nicht, erscheint marktwirtschaftlich betrachtet aber eher unwahrscheinlich.

  • Bei Kartoffeln hängt es halt wesentlich davon ab, was der Bauer anbaut. Wenn er sich für den aufwändigeren Anbau hochwertiger Sorten entscheidet, die im Handel praktisch ausschließlich in Portionspackungen zu Apothekerpreisen verkauft werden, kriegt er halt bloß die Hälfte vom Ertrag los, die aber zu entsprechend hohen Preisen. Bei der Massenware sind auch größere Knollen oder welche mit leichteren Fehlern verkäuflich. Bei Industriekartoffeln (die auch spezialisierte Sorten sind), müssen halt die jeweiligen Anforderungen erfüllt sein.

    Vermutlich haben auch die Erzeuger garkein Interesse dran, hochwertige Sorten zu verramschen und sich damit die Preise kaputtzumachen. Wenn die zum Preis der Standardware verkauft würden, wären sie im Vergleich zum Normalpreis auch fast verschenkt. Jedenfalls ist es seit der Aufhebung der Kartoffelverordnungen (erst EU und dann Bund) eigentlich noch schlimmer geworden. Inzwischen kriegt man selbst bei den Standardsorten fast nur noch ziemlich makellose Ware zu relativ hohen Preisen. Selbst 10kg-Säcke, wo schon früher auch übergroße Knollen drin sein haben dürfen, sind heute oft strikt größensortiert. Wobei es bei Kartoffeln nicht nur um optische Mängel geht; insbesondere neigen sehr große Knollen dazu, innen krankheitsanfällige Hohlräume zu bilden.

  • […] Nobody’s per­fect: Krumme Gur­ken, gespal­tene Karot­ten, ver­färb­ter Brok­koli: Das sucht man in deut­schen Super­märk­ten ver­ge­bens. Dort kom­men nur „per­fekte“ Exem­plare ins Regal; der Rest wird weg­ge­schmis­sen. Nicht so bei Coop in der Schweiz: Die Super­markt­kette ver­kauft von der Norm abwei­chen­des Gemüse unter dem Schlag­wort „Ünique“. Super­markt­blog […]

  • Also ich war 3 Jahre Verkäufer bei Lidl und live im Laden sieht man eher wie die Kunden entscheiden.
    Und selbst wenn man 30 krumme Gurken hat (übrig geblieben aus 20 Kartons) die kleben im Regal als wenn „Herkunftsland Japan, Provinz Fukushima“ draufstehen würde.
    Aber davon abgesehen das Kunden m. M. nach kein Interesse an „unästhetischen“ Produkten haben, glaube ich liegt der Hauptgrund bei der Logistik. Wenn ich Gurken, Tomaten oder was weiß ich in verschiedenen Größen habe ist es ziemlich schwer in jeder Box dieselbe Anzahl unterzubringen.

    Zu dem Laden in der Schweiz:
    Wenn der Preis nur halb so hoch ist kann ich fast alles verkaufen.

    • Wenn ich in einem Laden, der ansonsten mehrheitlich gerade Gurken anbietet, auf einen Karton krummer treffe, dann gehe ich davon aus, hier vor den gesammelten Resten aus diversen Kartons, ergo alter Ware zu stehen – da kaufe ich tatsächlich nix. Aber unter diesen Bedingungen ist Krummheit kein Mangel, sondern ein Indikator. Wäre der Anteil krummer Gurken dauerhaft grösser, sähe die Sache anders aus.

  • Ich kaufe das Misfit Gemüse bei Coop, nicht weil es billiger ist sondern ich es sympathisch finde, dass es auf dem Kompost landet. Allerdings weiss ich auch, dass die dreibeinigen, verdrehten Karotten nicht razfaz mit dem Schäler geschält sind, sondern dass das Extraarbeit bedeutet und ich auch mehr wegwerfen muss. Das spielt bei dem Thema auch eine Rolle.

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