Freiheit für die Nudel! Macht die EU das MHD ein Köpfchen kürzer?

Freiheit für die Nudel! Macht die EU das MHD ein Köpfchen kürzer?

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Das kommt jetzt vielleicht ein bisschen überraschend, aber es gibt in der EU tatsächlich Leute, die mitdenken und die ein paar gute Vorschläge haben, wie wir künftig weniger Lebensmittel verschwenden könnten.

Lange haltbare Lebensmittel wie Nudeln könnten bald ohne Mindesthaltbarkeitsdatum verkauft werden

Bei einem Treffen der EU-Agrarminister in Brüssel haben die Niederlande und Schweden in diesem Monat den Vorschlag gemacht, die Sache mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum noch mal anzugehen. Sie erinnern sich vielleicht: Das Datum, das eigentlich bloß angibt, wie lange Lebensmittel mindestens verwendbar sind, wird von vielen Verbrauchern als Wegwerfdatum missverstanden. Das hat dazu geführt, dass jedes Jahr massig Nahrungsmittel entsorgt werden, die eigentlich noch völlig in Ordnung sind.

Nun hat achten viele Leuten scheinbar schon darauf, bewusster einzukaufen. Und die EU sorgt jetzt womöglich dafür, dass wir noch wegwerfempfindlicher werden.

In ihrem Vorschlag an die Kommission schreiben die Niederlande und Schweden (stoppelige Übersetzung von mir; das englische Original steht hier als pdf):

„Obwohl Lebensmittelverschwendung nicht komplett vermieden werden kann, gibt es noch einiges zu verbessern. (…) Um die Bemühungen der privaten Haushalte zu stärken, weniger Lebensmittel wegzuwerfen, sollten die Regierungen Hindernisse abbauen (…). Manche dieser Hindernisse könnten auf die jetzige europäische Gesetzgebung zurückzuführen sein.“

Ja, das klingt – wie Selbstkritik. Und der Vorschlag, was zu ändern wäre, folgt auf den Punkt:

„In vielen europäischen Ländern führt die Haltbarkeitskennzeichnung dazu, dass unnötig Lebensmittel weggeworfen werden. (…) Die Niederlande und Schweden sind der Meinung, dass vielleicht mehr Produkte, die sehr lange haltbar sind und ihre Qualität über die angegebenen Daten hinaus behalten, von der Pflicht ausgenommen werden sollten, mit einem Mindesthaltbarkeitsdatum gekennzeichnet zu werden.“

Bisher müssen laut EU (Verordnung 1169/2011, Anghang X) frisches Obst und Gemüse, Wein, alkoholische Getränke über 10 Prozent Vol., frische Backwaren, Essig, Salz, Zucker und Kaugummi kein MHD tragen. (Das gilt eigentlich auch für 288 Millionen Jahre alte Social-Media-Stars.)

Der jetzige Vorschlag zielt darauf, diese Liste noch einmal deutlich um solche Produkte zu erweitern, die man der niederländischen Agrarministerin Sharon Dijksma zufolge „wirklich lange zu Hause haben kann“, also: trockene Nudeln, Reis, Hartkäse, Tee und Kaffee.

Die Initiative wird unterstützt von Dänemark, Deutschland, Luxemburg und Österreich. Ob die Änderung möglich gemacht wird, muss jetzt die EU-Kommission entscheiden.

(Anders als manche Medien suggerieren, wäre das übrigens nicht das endgültige „Aus“ fürs MHD, das als solches beibehalten werden soll, um weniger lange haltbare Lebensmittel zu kennzeichnen; „remove barriers, while still ensuring food safety“ (…) „without overturning the system as such“ steht im Vorschlag der Niederländer und Schweden.)

Mehr über Lebensmittelverschwednung (und die Vermeidung derselben) steht im Supermarktblog.

Fotos: Supermarktblog

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8 Kommentare
  • Naja mein Problem sind eher Lebensmittel die ein MHD haben „bei geschlossener Verpackung“.
    Am liebsten ist mir da Käse.
    Laut MHD noch sehr lange haltbar aber wehe man isst eine Scheibe eine Woche später kann man das Zeug dann wegwerfen. Zumal es Scheibenkäse im Discounter auch nur in „Riesenpackungen“ gibt. Das ist bei mir eher Verschwendung als „Nudeln“, schmeißt die wirklich jemand weg weil die über dem MHD sind? Wenn ich Nudeln kaufe und die sind noch 3 Jahre haltbar kann man sich doch denken, dass die nicht genau an dem Tag „schlecht“ werden der aufgedruckt ist.
    Je länger etwas ingesamt haltbar ist desto mehr Zeit geb ich dem Produkt über dem MHD.
    Trotzdem finde ich den Vorschlag gut, denn das MHD bei einigen Produkten ist wirklich unnötig

  • Ich finde das sehr begrüßenswert, auch wenn viele wieder sagen werden, dass bringe ja eh nichts. Irgendwo muss aber mal anfangen, es gibt nicht die eine Maßnahme gegen Lebensmittelverschwendung. Genauso wie beim Thema Energie sparen.

  • Vermutlich wär es kontraproduktiv, das Verfallsdatum ausgerechnet da wegzulassen, wo die Verbraucher lernen, dass sowas nicht absolut aufzufassen ist. Außerdem will ich auch bei Nudeln schon wissen, ob die halbwegs frisch hergestellt sind oder schon 6 Jahre bei ungünstigen Lagerungsbedingungen im Laden liegen.

    Besser wär es, wenn statt dem Verfallsdatum grundsätzlich das Herstellungsdatum angegeben wird und dazu eine Angabe wie „bei trockener Lagerung mindestens 3 Jahre haltbar“. Ist halt für die Supermärkte unpraktischer. Wenn man nur die Grenze verschwimmen lassen will, könnte man auch bei lang haltbaren Sachen tagesgenaue Verfallsdaten verbieten. Hat aber auch das Risiko, dass dann Industrie, Handel und Verbraucher an die unterste Grenze gehn, wenn man nicht noch mehr begleitende Bürokratie schafft.

    Abgesehn davon ist es kein wirkliches Problem, wenn Nudeln weggeschmissen werden. Das sind nachwachsende Rohstoffe mit recht geringem Verpackungsanteil und hohem Heizwert (auch kompostierbar). Wenn das Geld anders ausgegeben wird, ist der ökologische Schaden in aller Regel wesentlich höher.

    • Es geht aber gar nicht darum, den Leuten beizubringen, was sie wegwerfen sollen, sondern: dass sie generell weniger wegwerfen müssen. Lebensmittelmüll mit Kompostierbarkeitsintensitäten schön zu reden, find ich da irgendwie unproduktiv.
      (Das mit dem Herstellungsdatum ist aber ’ne gute Idee. Sofern das nicht auch wieder missverstanden wird.)

    • Die Erziehungsmaßnahme hat aber nur dann Sinn, wenn es drum geht, irrationale Ängste abzubauen, die die Betroffenen selber nicht wollen. Das mag teilweise durchaus angebracht sein, aber Verordnungen sind da eher nicht das Mittel der Wahl. Ein guter Teil der weggeworfenen Lebensmittel beruht aber darauf, dass die Konsumenten die Einbildung von Frische wollen, wie sie genauso für sonstige Einbildungen zahlen, die ihnen die Werbeindustie im Auftrag der Markenhersteller liefert. Das Bedürfnis, stets ein überreichliches Angebot im Kühlschrank haben zu wollen, ist auch nicht anders zu bewerten als das nach frischen Blumen in der Vase oder nach modischer Kleidung.

      Letztlich wird alles irgendwie weggeworfen, und in aller Regel (bei den Bewohnern der EU) war der Nutzen rein subjektiv und jenseits von Primärbedürfnissen. Es ist halt auch komisch, wenn sowas von der EU kommt, die ja vorallem dazu da ist, den Konsum und damit das Wegwerfen anzuheizen. Man kommt da auch kaum anders aus, als den eigenen Beitrag zur Wertschöpfung zu reduzieren. Oder eben Sachen wegzuwerfen, die überdurchschnittlich ökologisch verträglich sind, wozu auch viele Lebensmittel gehören.

  • Meine größte Verschwendung sind ebenfalls diese Monsterpackungen, und solange 500g Fruchtquark billiger ist als die 250g Packung wandern eben Regelmäßig 200g davon verschimmelt aufn Kompost. Unter 250g gibts überhaupt keine Packungen. Warum? Wer isst denn bitte 250 g Quark am Stück?? Ebenso Käse, Milch, Joghurt, Wurst, Streichkäse etc.
    Aber auch z.B. Frühstücksflocken die bereits 2 Wochen nach dem öffnen wie Beton in der Packung kleben. Kleinste Packungseinheit beim Discounter: 1Kg, das würde mir 1 Jahr reichen…

    Auf der anderen Seite wundere ich mich wie lange z.B. Toast mittlerweile geöffnet hält. 5 Wochen aktuell das minimum.

    • Guter Einwand mit den Packungsgrößen. Das stört mich auch bei vielen Dingen. Zum Beispiel bei Sahne. Ich habe noch keine Packung gesehen, die kleiner ist als 200g (oder ml?). Für die meisten Rezepte benötige ich aber maximal 100 g (oder ml ;-)) Sahne. Ich denke, im Bereich der Packungsgrößen könnte man mit kleineren Varianten auch relativ viel weggeworfenes Einsparen.

      Die Bemühungen in Bezug auf Nudeln etc finde ich zwar grundsätzlich gut, denke aber, dass der Effekt vergleichsweise gering sein wird. Bei den langen MHD wird es nur in wenigen Haushalten überhaupt Nudeln mit abgelaufenem MHD geben, sodass ich wage, die Behauptung aufzustellen, dass davon nicht viel weg geschmissen wird.

      Für mit Abstand am größten halte ich wie „Chr.“ den Müllanfall bei nur recht kurz haltbaren Lebensmitteln wie Obst und Gemüse oder aber praktisch alles aus dem Kühlregal. Wenn man da irgendwie ran könnte, könnte man richtig was gewinnen. Hier halte ich den Weg über die Packungsgrößen für gangbar.

  • Jedes Jahr werden massig Nahrungsmittel entsorgt, die eigentlich noch in Ordnung sind, und das ist ein großes Problem.
    Der konkrete Vorschlag ist aber bloßer Aktionismus. Denn: Nudeln oder Reis haben derart lange MHD, dass sich die Frage, ob man sie trotz MHD noch essen soll, praktisch gar nicht stellt. Ich habe auch noch niemanden gesehen, der eigens wegen des MHDs nach ganz hinten im Farfalle-Regal gegriffen hat.
    Weggeworfen werden vielmehr zu 2/3 Obst, Gemüse und Backwaren (so die FAZ). Zählt man noch Fleisch und Milchprodukte dazu, dürfte kaum etwas übrig bleiben.

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