Warum sich „Frei von“-Produkte für Supermärkte rentieren

Warum sich „Frei von“-Produkte für Supermärkte rentieren

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Gluten-freie Lebensmittel sind im gut sortierten Supermarkt fast schon eine Selbstverständlichkeit. Zum Beispiel bei Rewe, das seit zwei Jahren die Eigenmarke „Rewe frei von“ im Regal stehen hat (siehe Supermarktblog) – allerdings mit gerade mal 29 unterschiedlichen gluten- und laktosefreien Produkten (Artikelliste als pdf). Selbst wenn, wie die „Lebensmittelzeitung“ schreibt, in diesem Jahr zehn weitere dazu kommen, ist das ein ziemlich kleines Sortiment.

Es weiß ja auch keiner so genau, wieviele Deutsche überhaupt allergisch auf das Kleber-Eiweiß Gluten reagieren.

Gluten steckt zum Beispiel im Brot, im Pizzateig, in allen Lebensmitteln, für die Getreidesorten wie Weizen, Roggen und Dinkel verwendet werden. Wer unter Zöliakie, also einer Gluten-Unverträglichkeit, leidet, kriegt ernsthafte Gesundheitsprobleme, wenn er davon isst. Die Deutsche Zöliakie-Gesellschaft gibt an, dass jeder 250. Deutsche betroffen sein könnte. „Bild der Wissenschaft“ erklärt, dass aber nicht jeder, der sensibel auf Gluten reagiere, automatisch unter Zöliakie leiden müsse. Übelkeiten und Magenbeschwerden könnten auch vom Hochleistungsweizen kommen, den die Industrie züchtet und verarbeitet. Das Magazin zitierte den Magen-Darm-Spezialisten Wolfgang Holtmeier mit der Bemerkung, dass es „gar nicht so viele Zöliakie-Patienten und Glutensensitive [gibt], wie glutenfreie Produkte verkauft werden“.

Für Leute, die wirklich kein Gluten zu sich nehmen dürfen, sind die „Frei von“-Produkte natürlich ein Segen. Für die Hersteller aber auch: ein neues Sortiment, mit dem sich Geld verdienen lässt. Zum Beispiel weil manche Kunden glauben, (teurere) glutenfreie Lebensmittel seien gesünder, und sie deshalb kaufen. Das stimmt aber gar nicht. In Großbritannien sind die Produkte schon zur „lifestyle choice“ („The Grocer“) geworden.

Die Umsätze der Hersteller steigen. Aber damit lässt sich immer noch nicht erklären, weshalb die Supermärkte ihren wertvollen Regalplatz für Produkte freiräumen, die im Moment wohl nur von sehr wenigen Leuten gekauft werden – und dass Rewe dann auch noch ein Mini-Eigenmarkensortiment herausbringt.

Das "Rewe frei von"-Sortiment umfasst derzeit noch ungefähr 30 Produkte

Den tatsächlichen Grund dafür hat der frühere Tesco-Chef Terry Leahy in seinem Management-Buch erklärt:

„Eltern haben keine Lust, für die Familie einkaufen zu fahren, und dann noch mal in einen zusätzlichen Laden zu gehen, um dort Produkte für das Familienmitglied zu besorgen, das vielleicht unter einer Gluten-Allergie leidet. Stattdessen suchen sie sich einen Laden, der diese speziellen Produkte führt – und gleichzeitig den restlichen Bedarf der Familie decken kann.“

Das bedeutet, so Leahy: Ein Supermarkt, der die notwendigen Produkte für Allergiker führt, sichert sich automatisch auch die restlichen Einkäufe einer Familie, die darauf Wert legt – im besten Fall sogar den kompletten Wocheneinkauf. Wenn die Produkte auch noch den Namen des Händlers aufgedruckt haben, so wie „Rewe frei von“, wird die Bindung zu dieser einen Supermarktkette umso stärker.

Für sich genommen muss sich ein Nischensortiment wie die „Frei von“-Produkte gar nicht unbedingt rentieren, weil es im Idealfall bloß der Anker dafür, dass die Leute nicht zur Konkurrenz gehen. Auf seiner Website schreibt Rewe:

„Wir möchten, dass Ihr Leben einfacher wird. Mit den Produkten von ‚REWE frei von‘ kommen Sie diesem Ziel ein ganzes Stück näher.“

Näher an Rewe nämlich.

Fotos: Supermarktblog

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15 Kommentare
  • Fettfrei, Zuckerfrei, Farbstofffrei, Konservierungsmittelfrei, Laktosefrei, Glutenfrei, Genfrei, Fleischfrei, Tierproduktfrei…
    Frei von dies, frei von das.
    Was kommt als nächstes?
    Frei von Geschmack???

    Gemäß Otto Waalkes, der in einem Sketch mal WOG anpries:
    „Wasser Ohne Geschmack. Schmeckt nach nichts ist aber extra teuer!!!“

    Bei all diesen „freien“Produkten wäre auch einmal ganz interessant zu erfahren, womit sie ersetzt werden. Gluten sind ja ein Klebstoff, was wird da stattdessen benutzt? Laktose z.B. ist Milchzucker, süsst also. Nachgesüsste Milch?
    Sind die Ersatzstoffe bzw. alternativen Fertigungsverfahren nicht vielleicht sogar schädlicher als die Ursprungsstoffe selbst?

    • Das ist hauptsächlich für Allergiker!
      Ich bin zb glutenintollerant und bekomme sehr starke Bauchkrämpfe wenn ich aus Versehen glutenhaltige Lebensmittel esse. Es ist also erstmal recht egal was die Hersteller als Ersatz nehmen, ob es jetzt Kartoffel-/Reis-/ oder Maismehl ist, solange ich ein halbwegs schmerzfreies Leben führen kann ist das schon mal gut. Es gibt auch heutzutage kaum Abwechslung was gluten freie Produkte betrifft. Das heißt ich esse seit Jahren die selben zwei Müslisorteb, das selbe bei Brot, Nudeln usw. Für viele Produkte gibt es keine glutenfreien Alternativen. Das heißt ich muss für den Rest meines Lebens darauf verzichten. I bin also dankbar für jedes glutenfreie Produkt.

  • Laktosefreie Milch schmeckt süßer als gewöhnliche – weil die Laktose bereits aufgespalten ist.
    Für meine paar Unverträglichkeiten brauche ich keine speziellen Produkte, da ich glücklicherweise nicht hochallergisch bin und mich schlicht weigere, mich zum Sklaven meiner Allergien zu machen.
    Aber ich kenne ein paar Leute, die sehr glücklich wären, wenn es mehr Dinge garantiert ohne Nußspuren gäbe, da sie so hochallergisch sind, daß selbst die berühmt-berüchtigten „Spuren von“ sie umbringen würden.

  • Wie im Artikel zutreffend dargestellt: Für Menschen, die tatsächlich an einer Glutenunverträglichkeit (oder entsprechend Laktoseintoleranz usw.) leiden, sind diese Produkte ein Segen. Und wenn andere Leute diese Produkte kaufen, nützt es im Endeffekt ja auch den tatsächlich Betroffenen, da dadurch der Markt größer wird. Ich verstehe wirklich nicht, warum man sich über diese Produkte oder ihre Käufer lustig machen muss… In Schweden gibt es übrigens für Allergiker eine Produktvielfalt, die es hier nicht mal für Normalkonsumenten gibt…

  • Gar nicht mal so doof, wobei ich vermute, dass der Markt für laktosefreie Produkte und Co. schon bald wieder zurückgehen dürfte. Die Zahl der tatsächlich Betroffenen dürfte in den letzten Jahren kaum explodiert sein und nicht alles was uns heute sinnvoll erscheint, ist es auch in 10 Jahren noch.

    Ich weiß beispielsweise noch gut wie man bis vor kurzem „Diabetikerlebensmittel“ verkauft hat, die größtenteils kompletter Unsinn waren. Heute sind die meisten davon verboten, dafür trinken wir jetzt Milch ohne Milchzucker, auch irgendwie pervers.

    • Laktoseintoleranz ist häufig genug (um die 15%), dass der Markt für einen Vollsortimenter grundsätzlich locker reicht. Und es werden immer mehr, weil bei Migranten je nach Herkunftsgebiet teilweise annähernd 100% laktoseintolerant sind. Und die Bereitschaft, wegen sowas seine Ernährung durch Verzicht auf laktosereiche Milchprodukte anzupassen, sinkt.

      Bei Gluten schaut es völlig anders aus. Da gibts einen Markt unterhalb von SB-Warenhäusern bzw. jenseits von Spezialgeschäften nur durch desinformierte Verbraucher, selbst mit Ankereffekt. Für die wirklich Betroffenen ist das natürlich praktisch, aber lustig machen kann man sich schon über die, die das ohne jeden Bedarf kaufen (wobei das im Nonfoodbereich auch völlig normal ist).

  • Zöliakie ist keine „Gluten-Allergie“, sondern eine genetisch bedingte Nahreungsmittelunverträglichkeit. Als Betroffener bin ich über das Angebot bei REWE erfreut, verstehe aber nicht, wie man als Nichtbetroffener freiwillig diese überteuerten „Ersatznahrungsmittel“ zu sich nehmen kann. Ich weiß noch, wie richtiges Brot vom Bäcker schmeckt – das ist ein Unterschied wie Tag und Nacht.

  • Mich rätselt der Name auch nach längerer Beobachtung immer noch. Ich lese da immer „REWE frei von Baguette“.
    Aber das Design ist hübsch. Ich frage mich immer noch, ob das die gleichen Leute sind die „REWE Beste Wahl“ optisch verbrochen haben. Das finde ich ästhetisch so unansprechend, dass ich nicht die Zielgruppe sein kann.
    (Ich habe überhaupt das Gefühl, dass „Jeden Tag ein bisschen besser“-Rewe mich im gesamten Auftreten als Werbe-Zielgruppe hatte, aber „Besser leben“-Rewe irgendwie nicht mehr. Aber egal. Abschweifendster Kommentar ever.)

  • schade, dass die allermeisten laktosefrei-Produkte nicht auch vegan sind. wäre eigentlich relativ einfach, zb bei brötchen komplett auf milchbestandteile zu verzichten. dann wären die produkte auch für milchallergiker und veganer attraktiv.

  • @Mausflaus :

    wenn Du beim Bäcker kaufst, hast Du alle Brötchen ( ausser vllt. Milch-& Rosinenbrötchen) ohne Milch und vegan sind sie sowieso.
    In ein anständiges Brötchen gehört nur Wasser,Mehl, Hefe und Salz.
    Davon wissen die großen Ketten allerdings nichts mehr 😉

    • Praktisch jeder klassische Bäcker verwendet Milchpulver oder Milch in sonstiger Form. Gibt ansprechende Bräunung, verlängerte Haltbarkeit und feinporige Konsistenz. Zumindest bei Laugengebäck wird es fast immer verwendet (bei normalen Brötchen aber eher Schweineschmalz, wenn keine chemischen Hilfsstoffe). Industrieware, wo der Backvorgang kontrollierter abläuft, hat das weniger nötig. Und vor Ort frisch (auf-)gebackene Ware muss nicht den ganzen Tag (bzw. bei Brot noch länger) durchhalten; da kann man sich solche kostspieligen Hilfsstoffe eher sparen. Der Kunde soll da ja eh so bald wie möglich wieder kommen.

  • Zitat: „. Übelkeiten und Magenbeschwerden könnten auch vom Hochleistungsweizen kommen, den die Industrie züchtet und verarbeitet.“

    Was ist mit Hochleistungsweizen gemeint?

  • Nur in der Realität kommt das kaum an.
    Sonst würde es nicht Allergiker Webseiten geben die speziell für diese Produkte werben. Gibt ja nicht bloß Gluten sondern auch Soja und Schalenfrucht-Allergie.
    Und es reicht dabei Gräser oder Pollen -AllergikerIn zu sein weil es ja die Kreuzreaktionen auch noch gibt.
    Ich denke den meisten Supermärkten sind die Produkte zu kostspielig weil die Zielgruppe „zu gering“ ist. Viele Leute haben aber Allergien und wissen es noch gar nicht.

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