„Oh Angie!“? So sieht Rewes Supermarkt- und Gastro-Trio in Berlin-Mitte aus

„Oh Angie!“? So sieht Rewes Supermarkt- und Gastro-Trio in Berlin-Mitte aus

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Hereinspaziert, Händewaschen nicht vergessen – und jetzt bitte hinsetzen! Im Berliner Shoppingcenter The Q an der Friedrichstraße hat Rewe am Donnerstag sein erstes Restaurant eröffnet, bei dem man den Gästen beim Rolltreppefahren auf den Teller schauen kann, ob’s auch geschmeckt hat. „Oh Angie!“ heißt das Experiment, und es sieht trotz der ungewöhnlichen Lage mitten in der Halle schon mal deutlich einladender aus als der vollverkachelte Vorgänger. Vor allem aber gibt’s diesmal Sitzpflicht. Rewe erklärt:

„Das Angebot umfasst frisch zubereitete, zum Teil tageszeitlich variierende, gesunde Gerichte – am Tisch serviert und ausschließlich für den Vor-Ort-Verzehr.“

Also nix mehr mit To Go und Take Away.

Hallo Sie da am zweiten Tisch von links! Bitte noch aufessen! Wegen Wetter und so

Bei „Oh Angie!“ wird im Sitzen gegessen, zur Auswahl stehen diverse Pastagerichte („Strozzapretti, in Olivenöl geschwenkt mit ofengetrockneten Kirschtomaten, Rucola und Parmesan“), Sandwiches („Pulled Pork Club“) und Asiatisches („Red Curry Beef“). Dazu kommen verheißungsvoll experimentell benamte Vorspeisen wie der „The Q! Mozzarellatower“ und Frühstückskombinationen (bis 11 Uhr).

Die beste Nachricht ist aber: Diesmal scheint tatsächlich alles frisch zu sein, und nicht bloß aus einer Plastikpackung befreit und aufgewärmt.

Damit von oben keiner draufniest hat der "Oh Angie!"-Bartempel ein schönes Glasdach

Architektonisch hat sich Rewe erkennbar Mühe gegeben, für Gemütlichkeit zu sorgen – sofern das eben im Untergeschoss eines Einkaufszentrums möglich ist.

Am Eingang des rundherum abgegrenzten Restaurants steht eine Art Bartempel aus Metall und Glas, an dem Getränke und Speisen einsehbar zubereitet werden, schön überdacht, damit von oben keiner draufniest. Anstehen muss keiner, die Bedienung kommt an den Tisch. Wer’s lieber etwas ruhiger hat oder lieber nicht mit dem Chef beim Mittagpausemachen gesehen werden will, kann sich in eines der beiden halbverglasten Separées am hinteren Ende zurückziehen.

"Mediterrane Leckereien mit Liebe gekocht" verspricht Rewe bei "Oh Angie!"

Eigentlich stünde einem ordentlichen Essen also nichts mehr im Wege – hätte es die Kreativagentur nur nicht so sehr mit den lustig gemeinten Bundeskanzlerinnen-Namenstüfteleien übertreiben lassen. „Wir lieben deine Küche“ ist das unerklärte (und womöglich sogar unerklärbare) Motto des Gastro-Konzepts, die Karte ist voll mit „Angie“-Gerichten: Das Tartar vom Rinderfilet und Räucherlachs heißt „Angie visits Checkpoint Charlie“, die Asia-Gerichte sind „Angie goes Bangkok“, Penne in Limetten-Sahnesoße werden zu „Angies Lieblingspasta“ und die fleischlose Bulettenalternative ist „Angies Veggie Burger“. Aha.

Die Desserts tragen wiederum die Namen Berliner Bezirke und das „Prenzlberg Special“ weist die „Angie“-Ausdenker endgültig als Berlin-fremd aus, weil man fürs „Prenzlberg“-Sagen in Prenzlauer Berg schon seit Jahren von alteingesessenen Bewohnern mit Schwabenbeleidigungen beworfen wird. Anders gesagt: Das neue Rewe-Restaurant würde einen richtig guten Ersteindruck machen, wenn es weniger albernes Gastro-Tamtam veranstalten würde.

Zur Eröffnung war der Laden trotzdem erstmal voll mit abwechslungshungrigen Büroangestellten, die von der Werbeoffensive draußen vor der Tür ins Tiefgeschoss zu Rewes neuem „Marktplatz für Genuss, Bio und Kommunikation“ (kein Scherz) gelenkt wurden.

Motorisierte Werbetafeln für Rewes neues Laden- und Gastro-Trio

Die Asphaltsprayer waren offensichtlich mit Doppelauftrag angerückt und besprühten den Gehweg in der Friedrichstraße nicht nur mit dem „Oh Angie!“-Leitsystem ins The Q, sondern auch mit Pfeilen in die entgegengesetzte Richtung, wo ein paar Hundert Meter entfernt zur gleichen Zeit die riesige „Mall of Berlin“ eröffnete (mit dem Rewe-Konkurrenten Kaiser’s im Untergeschoss).

Links zur Mall, rechts zum Mahl: Sprayer-Werbung für neue Konsumkonzepte auf der Friedrichstraße

Für Leute, die mit dem ganzen „Angie“-Theater nix anfangen können, sondern einfach wissen wollen, was es zu futtern gibt, hat Rewe auf die Speisekarten glücklicherweise die Selbstbeschreibung „Mediterrane Leckereien mit Liebe gekocht“ notiert. Wobei außer mit Liebe auch mit reichlich Hektik gekocht wird, was unter anderem daran liegen könnte, dass „Oh Angie!“ im Zusammenspiel mit dem ebenfalls neu eröffneten Temma-Markt funktioniert (siehe Supermarktblog).

Von Zeit zu Zeit balancieren Mitarbeiter durchs Restaurant-Hintergittertürchen die schmutzigen Pfannen an der Temma-Bäckertheke vorbei in die dahinter gelegene Spülküche.

Für Schnellesser hat Temma in Berlin neben der Bäckertheke auch eine Bistrotheke an der Ladenfront

Für die Gemütlichkeit ist das natürlich suboptimal – aber immerhin muss sich vorher niemand appetitbereit die Beine in den Bauch stehen, um zuzusehen, wie die Pfannen mit dem eigenen Essen schmutzig gemacht werden, so wie das in bereits erfolgreichen Systemgastronomie-Konzepten der Fall ist.

Der ebenfalls am Donnerstag eröffnete Temma-Markt stellt sich den Berlinern deutlich artiger vor: „Wir sind Ihr Biomarkt im Kiez“, steht in der Begrüßungsbroschüre – was natürlich Quatsch ist, weil die Gegend um den Gendarmenmarkt wirklich überhaupt nichts Kiezhaftes hat, sondern reines Touristenbespaßungszentrum mit Protzladenecke ist. Die Auflistung der Bauern aus der Region, die sich Rewe für die (noch überschaubare) Zusammenarbeit geangelt hat, ist hingegen vorbildlich. Geht aber auch nicht anders: Bio Company, Alnatura und Denn’s machen’s schließlich genauso.

Sonderlich groß ist der Laden nicht, gerade einmal 450 Quadratmeter hat Temma Platz bekommen, um sich in der Hauptstadt zu etablieren; trotzdem passen rund 6000 Produkte rein, behauptet Rewe. Langweilig wird’s den Mitarbeitern also so schnell nicht, wird ja immer was nachzusortieren geben.

Die ganze Gastro- und Bio-Hipness, die Rewe da im The Q veranstaltet, steht in unterhaltsamem Kontrast zu üblichen Supermarkteröffnungen, bei denen branchengemäß stets ein Grüppchen Anzugträger mit (meist roten) Krawatten aus Haupt- und Regionalzentralen aufläuft, um gegenseitig die besondere Lage, die gelungene Architektur und die positive Erstkundenresonanz zu besprechen – selten in Begleitung genauso wichtiger Frauen, aber stets zu einem kleinen Scherz mit der einkaufenden Kundschaft aufgelegt, wenn die die neuen, selbst öffnenden Kühlthekentüren ausprobieren will.

Zum Öffnen bitte nicht tatschen: Handvorhalten reicht, wie bei Ihrer letzten Séance

Die öffnen sich im neuen Rewe City, dem dritten Rewe-Streich in der Friedrichstraße, nämlich – naja: nicht von Geisterhand, aber eben von Kundenhand, die allerdings nur davor gehalten werden muss. Das spart Energie. Und Sagrotantücher.

Neuer Rewe City im The Q in der Friedrichstraße

Eine Besonderheit ist das bis 22 Uhr geöffnete Laden-Trio vor allem, weil Rewe damit versucht, den unterschiedlichen Bedürfnissen einkaufender Großstädter gerecht zu werden. Die einen wollen nach der Arbeit noch schnell ein paar Besorgungen im normalen Supermarkt machen oder mittags schnell einen aufwändig verpackten Nudelsalat aus der Kühltheke mitnehmen; die anderen legen Wert auf eine ordentliche Auswahl an Bio-Risotto und Produkten aus der Region, die ökologisch erzeugt worden sind; und wem beim Einkaufen einfällt, der gar keine Lust auf Kochen hat, setzt sich einfach hin und lässt sich bedienen.

Durch solche Kombinationen will Rewe seine Supermärkte immer noch „verstärkt zu sozialen Treffpunkten (…) machen“, wie diesmal Rewe-Einkaufs- und „Oh Angie!“-Chef Oliver Mans sagen darf. Ob sich das Konzept im Erfolgsfall auch für andere Großstädte empfehlen könnte, lässt er aber bewusst offen.

Kleiner Kostenlostipp zum Schluss: Soziale Treffpunkte sind natürlich dort am praktischsten, wo Menschen nicht nur aus dem Büro in der Mittagspause hinhetzen oder Konversation zwischen einkaufstaschenbehängten Touristen betreiben müssen.

Und, zweiter Tipp: Zugezogene, die so tun, als wären sie echte Berliner, mögen Berliner oft am wenigsten.

Fotos: Supermarktblog

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13 Kommentare
  • Auch wenn ich richtig Lust auf das Gericht hätte, „Angie visits Checkpoint Charlie“ würde mir nie über die Lippen kommen. Dann stattdessen lieber das Schnitzel mit Pommes. Geht mir bei Kamps genauso, ich kann doch nicht ernsthaft einen Zimtwuppi bestellen…

    • Ziemlich üble Namen hat auch die Backstube von Netto (ohne Hund). Aber die muss man wenigstens nicht aussprechen (drum sind auch die Obst- und Gemüsenamen von Edeka nicht so schlimm). Die originelleren sind übrigens auch als Wortmarke angemeldet: Bayernbursche, Bayernherz, Bayernkracher, Sonnenkönig, Weizengraf, Körnerbaron, Heißer Jacques, Scharfer Jacques, Kornkapitän, Kürbisgold, Kürbiskerl, Cia-Basta, Malzmeister, Süßer Crossi, Eiffeltürmchen, Bäckerglück, Großer Champ, Roggenkrusti, Quarkherzchen, Roggenkruste, Weizenkruste, Butter Crossi, Rusti Crossi.

  • Ordentliches Konzept, durch einen grundbeknackten Namen und ein nicht minder debiles Motto von vornherein geschwächt. Ob er die Küche wirklich liebt, soll der Kunde doch erstmal selbst entscheiden. „I’m lovin‘ it“ heißt der Spruch von McDo, will man wirklich kein höheres Niveau anpeilen?

  • „Angie visits Checkpoint Charlie“, „Angie goes Bangkok“, „Angies Veggie-Burger“

    Ich war eine Zeit lang sehr regelmäßig in einer „Subway“ Filiale und die meisten Kunden scheinen einigermaßen große Probleme mit englischen Produktbezeichnungen zu haben. Selbst wenn es illustriert drauf steht, ein „Wheat“ Brot geht den meisten nicht unfallfrei über die Lippen und man bleibt dann doch bei „dem da“.

  • Als Rewe-Händler erwarte ich von der Rewe das von Caparros angekündigte Ausloten von Außer-Haus-Konzepten, welche einmal einen normalen modernen Rewe-Markt in der Wohnsiedlung bereichern könnten. Als Händler sehe ich einen wachsenden „Kalorien-Wettbewerb“ zwischen Handel und Gastro, wer „Außer-Haus“-verzehrt kauft entsprechend weniger ein, der Handel muß in Zukunft beides bieten. Der Erfolg von zb. „Schweinske“ zeigt mir aber, daß der Durchschnittskunde eher Bodenständiges nachfragt und nicht fragwürdige kulinarische Experimente. Ein Konzept für Hipster ist nichts für den Rewe-Markt nebenan, bin enttäuscht.

  • Oh Angie ist ein verdammt guter Schachzug von Rewe. Nach einigen Fehlversuchen mit Made by Rewe und ähnlichem sieht das doch schon sehr viel besser aus.
    Es ist doch ganz amüsant, was da auf den Speisekarten steht, muss man nicht unbedingt bemerken, meine ich. Alles erklärt sich. So, wie die schöne Ware zeigen, da muss man nicht viel lesen: der Parmaschinken von der Berkel-Aufschnittmaschine gefällt jedem.
    Für Berlin ein Gewinn, vor allem an diesem bislang nicht ganz so tollen Standort. Das nächste eröffnet schon bald in Heidelberg (in einem ehemaligen Made by Rewe), insofern ist die Frage, ob es auch woanders gemacht wird, schon beantwortet.
    Danke an Supermarktblog für den Klasse Artikel dazu!

  • Auf gar keinen Fall bestelle ich „Angie visits Checkpoint Charlie“, das ist mir viel zu albern. Da ordere ich den Tartar und erwarte, dass das auch verstanden wird. Insgesamt sieht alles ganz ordentlich aus, nur diese blöden, pseudotrendigen Namen könnten sie weglassen.

  • Ich finde es schon sehr merkwürdig dem Konzept solch einen Namen zu geben.
    Ich würde mich dafür als Konzern schämen und hätte das nicht abgesegnet.
    Wenn ich mich recht erinnere ist der Vorstandsvors. doch Franzose.

    Wie wäre es dann mit einem „Hollande“ Laden in Paris?
    Hollande-Frites
    Hollande-Frikandell
    Hollande-Matjes

  • Ich arbeite schon länger in der Friedrichstraße und ich begrüße das Konzept von Rewe durchaus. Das Angebot von „Oh Angie“ ist gut, frisch und lecker, was bei dem Preis aber auch sein möchte. Für eine Abwechslung in der Mittagspause ist also gesorgt und das Quartier 205 bekommt endlich wieder etwas leben in Haus. Alles richtig gemacht.

  • Das Essen ist lecker und auch die Räumlichkeiten finde ich sehr gelungen, mit dem beknackten Namen konnte aber das Personal auch nichts anfangen. Auf Nachfrage meinerseits soll „oh Angie“ etwas italienisches rüberbringen (?), und nur ein bisschen an A. Merkel erinnern, aber dann doch schon irgendwie, aber warum, das wussten sie auch nicht.

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