Lidls Flirt mit der Supermarkt-Strategie (2)

Lidls Flirt mit der Supermarkt-Strategie (2)

Inhalt:

Von der goldenen Discount-Regel, sich bloß nicht mit Komplikationen aufzuhalten, hat sich Lidl in den vergangenen Jahren verabschiedet. Damit die neue Strategie aufgeht, müssen die Läden größer werden.

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Lidl ist der erste Lebensmittelladen, der sich anstrengt, gleichzeitig Supermarkt zu werden und Discounter zu bleiben. In den Läden gibt es deshalb seit einiger Zeit mehr frische Lebensmittel, die Präsentation einiger Sortimente ist moderner geworden, nur an den Niedrigpreisen soll sich nichts ändern. Vom ursprünglichen Harddisocunt-Prinzip hat sich Lidl damit aber sichtbar entfernt. Das sieht man nicht nur im Laden, sondern auch: davor.

Einkaufswagen-Auswahl bei Lidl in Chemnitz

Supermarktblog-Leserin Julia twitterte kürzlich:

Seit wann, verrät Lidl nicht, erklärt aber immerhin warum:

„Unter Berücksichtigung des demographischen Wandels mit zunehmend mehr Singlehaushalten und unterschiedlicher Kundengruppen, aber auch in Innenstadtlagen mit geringerer Filialfläche, setzen wir bundesweit bereits in rund 1000 Filialen kleinere Einkaufswagen ein, die leichter zu handhaben und rückengerecht sind.“

Noch vor wenigen Jahren hätte einem jeder Discounter einen Vogel gezeigt, wäre man mit der Frage gekommen, ob „rückengerechtere“ Einkaufswagen für die Kundschaft nicht eine dufte Idee wären. Weil lange Zeit die goldene Regel galt, dass Discount nur funktioniert, wenn er sich mit solchem Schnickschnack nicht aufhält. Einkaufsagen hatten gefälligst groß zu sein, damit möglichst viel hineinpasste. An Kunden, die nur ein paar Besorgungen erledigten, war das Interesse eher überschaubar.

Inzwischen positioniert sich Lidl aber als „Vollversorger“: Kunden sollen sich dort nicht (mehr) nur mit Basisartikeln eindecken und für den Rest dann noch mal zum Supermarkt mit der größeren Auswahl gehen. Sie sollen ihren kompletten Einkauf bei Lidl erledigen. Noch dazu ist die Kette mit ihren Läden stärker in die Städte hineingerückt, und da kaufen die Leute anders ein: weniger, aber öfter. Kleinere Einkaufswagen sind dafür ideal und sorgen für weniger Stau in den Gängen.

(In zahlreichen Filialen biete man auch Einkaufswagen für Rollstuhlfahrer an, heißt es in Neckarsulm.)

Lidl-Anbau in Hessen

Selbst wenn die Wagen zum Teil kleiner sind: In vielen älteren Läden reicht der Platz nicht mehr, um die neue Strategie umzusetzen. Deshalb baut Lidl – ähnlich wie Aldi Süd – diese Flächen massiv aus. Auf dem Bild unten ist ganz gut zu sehen, was eine solche Erweiterung bedeuten kann: einen Markt, der umgebaut (z.B.) rund ein Drittel größer ist als bisher. (An der Farbe der Dachziegel lässt sich der Anbau vom bisherigen Laden unterscheiden.)

Lidl-Anbau in Hessen

Man schaue sich regelmäßig an, ob bestehende Läden noch „zukunftsfähig“ seien, erklärt Lidl, „immer mit dem Ziel, unser Sortiment vor allem auch im Frischebereich optimal darstellen zu können“. Auf die Frage, wie groß Läden sind, die neu eröffnet werden, erklärt das Unternehmen:

„Bei der Erschließung neuer Standorte ist es uns wichtig, unsere Sortimentskompetenz und unsere Leistungsfähigkeit ohne Einschränkungen anbieten zu können, um so den Wünschen unserer Kunden gerecht werden zu können. Idealerweise beträgt die Filialgröße rund 1.300 m², der Standard liegt derzeit bei 1.268 m². Für Innenstadtlagen definieren wir die Größe ab 700 m² und in Ortsrandlagen ab 800 m².“

Das ist längst nicht mehr bloß eine Kampfansage an den direkten Konkurrenten Aldi. Sondern auch eine Aufforderung an Edeka und Rewe, sich gefälligst warm anzuziehen.

Mehr zum Thema:

Fotos: Supermarktblog

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16 Kommentare
  • Wenn mich nicht alles täuscht, ist der Lidl mit dem Anbau in Bochum und dann ist dazu anzumerken, daß ein guter Teil des „Anbaus“ von einer nicht mit dem Lidl verbundenen und nur von der anderen Seite zugänglichen Bäckereifiliale belegt ist.

    • Täuscht aber, ist nicht in Bochum. (Aber kurz nachgefragt: Lidl hat in Bochum angebaut und dann eine Bäckereifiliale reingenommen, die glaubt, mit dem Brötchenknast im Laden mithalten zu können? Interessant.)

    • In einigen Filialen geht Lidl auch so vor: Bäcker wird reingelassen, statt Brötchenknast wird das identische Brot abgepackt noch günstiger verkauft, als im Brötchenknast. Insbesondere bei den Dingern, die von Lieken geliefert werden. Die können ihr Sortiment fertig- oder halb-gebacken liefern, ganz nach Wunsch.

  • Ich weiß es nicht so genau, ich wohne hier noch nicht so lange. Jedenfalls hat das Gebäude dort mehr oder weniger die exakt gleiche Form (jedenfalls in der Ansicht) und ein Teil sieht wie ein Anbau aus, aber dort ist eine Bäckerei. Wenn ich mal vorbeikomme, mache ich Fotos.

  • Die Einkaufswagen für Rollstuhlfahrer gibts wirklich, aber oft sind sie mir noch nicht aufgefallen. Sind teilweise aber auch unauffällig (und für Rollstuhlfahrer nicht sonderlich gut erreichbar) hinten seitlich an den Einkaufswagenhäuschen wie hier (teils ist da aber Gebüsch daneben und/oder Fahrradabstellplätze (die inzwischen oft gut, aber zu wenig sind)).

    Kleineinkäufe fördern eigentlich alle Discounter durch die Aufbackstationen. Die zwingen ja fast zu häufigen Besuchen (mit dann natürlich kleineren Mengen), weil das Zeug zwar frisch ist, aber dafür ziemlich schnell unbrauchbar wird.

    Oben im Text gibts übrigens einmal „Einkauf-Sagen“.

  • Meine Frage hat zwar nichts mit Lidl zu tun, betrifft aber dennoch das Discountsegment:
    Weiß hier eigentlich jemand, ob das Gerücht, dass Netto (ohne Hund) in nächster Zeit zahlreiche City-Filialen schließen möchte, stimmt.

    • Letzte Woche hat jedenfalls in München noch ein Netto City wiedereröffnet. Ein anderer hat zumindest komplett neue Kassen. In letzter Zeit ist keiner verschwunden. „Auch bei Netto City“ fehlt aber inzwischen in den Prospekten. Eigentlich wollte Netto die Citys schon länger auslaufen lassen und durch Vollnettos ersetzen. In München gibts aber keinen einzigen derartigen Nach-Plus-Netto, außer einen in einem Neubaugebiet am Stadtrand, während alle anderen Discounter (und Supermärkte) seitdem in innerstädtischen Wohngebieten ziemlich aktiv waren.

  • Ich habe bei Penny viel eher den Eindruck dass man sich richtung Supermarkt bewegt. Bei Lidl sind die Discount-Strategien noch viel deutlicher als bei Netto und Penny. Netto ist eigentlich ohnehin kein richtiger Discounter mehr, auch die ehemaligen PLUS Filialen haben kaum noch was mit einem Discounter zu tun.

  • Was macht die neuen Einkaufswagen denn so „rückengerecht“? Einfach nur dass sie kleiner sind? Weniger tief wäre sinnvoll (bei Vollbeladung würden die unteren Einkäufe ohnehin zerquetscht), danach sieht es auf dem Bild aber nicht aus…

    • Einkaufswagen werden auch wegen dem reinen Altmetallwert gestohlen. Da kann man sicher sein, dass die recycelt werden. Gut erhaltener Überschuss wird aber wohl in anderen Filialen weiterverwendet. Der Schwund dürfte groß genug sein, dass es da genügend Bedarf gibt; es gibt ja noch genügend Filialen, die nur große Einkaufswagen haben.

      Kleinere Innenstadtfilialen haben übrigens schon immer etwas kleinere Einkaufswagen gehabt. Eine inzwischen geschlossene sehr kleine Filiale hat schon lang (wenn nicht immer) ganz kleine und ganz große gehabt, wobei die großen in der Filiale kaum navigierbar waren, aber die kleinen oft aus.

  • War gerade im Lidl. Die haben die Papptafeln über allen Regalen und diese Riesenplakatwand an der Kasse ausgetauscht. Die sind jetzt alle Anthrazit-farbend und es wird in den verschiedenen Abteilungen mit VIELFALT und entsprechenden Abbildungen der Waren geworben.
    Das Riesenplakat an der Kasse ist jetzt eine Kollage aus etwa 50 kleinen Fotos von Lebensmitteln und Menschen, die in meinen Augen wahrlos zusammengestellt wurden. Aber dennoch sehr stylisch daherkommt. Ich hoffe unter der Beschreibung kann sich jemand was vorstellen 😀

  • Bei mir in der Gegend gibt es nun auch eine Filiale mit neuem Designkonzept: Die Wand hinter den Kassen ist anthrazitfarben und die Fleischtheke wurde leicht überarbeitet. Die Kassen selber sind jedoch weiterhin teilweise blau und zum Anthrazit absolut unpassend. Der Rest des Ladens ist genauso unordentlich wie zuvor außer das Weinregal, das im letzten Herbst mit Fake-Holz-Regalen „aufgewertet“ wurde.

    Vielleicht sollte jemand Lidl erklären, dass Holz und Stein wenig Wirkung zeigen, wenn der Boden weiterhin aus Badfliesen besteht…Badfliese + Kunststoff ist sowieso unsexy.

    Interessanter als die Optik finde ich aber die Tatsache, dass die Gewürz-Eigenmarke Kania nun auch für einen vegetarischen Bio-Brotaufstrich genutzt wird, als „Kania Bio“. Eine Multimarkenstrategie im für Discounter eher nischigen Bio-Bereich ist neu. Es soll auch Cien Naturkosmetik geben, ich habe das aber noch nie gesehen….

  • Ich bin gespannt, ob im Lidl Weil der Stadt irgendwas davon auch sichtbar wird. Es würde auf jeden Fall sehr ulkig wirken, denn der Laden kann nur mit einer Maßnahme auf Vordermann gebracht werden. Abriss und Neubau oder Umzug. Alles andere ist Flickschusterei.

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