Mittagessen im Supermarkt? So machen Globus, Rewe und Tesco ihre Kunden satt

Mittagessen im Supermarkt? So machen Globus, Rewe und Tesco ihre Kunden satt

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Damit Kunden im Laden künftig was Warmes zu essen kriegen, testen viele Supermarktketten eine Fusion aus Lebensmittelgeschäft und Restaurant. Das Supermarktblog stellt drei davon vor: in Saarbrücken, Berlin und London.

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Wenn die europäischen Supermärkte nicht völlig auf dem Holzweg sind, dann wollen künftig immer mehr Kunden dort, wo sie einkaufen, auch was essen. Wie die Fusion aus Lebensmittel-Laden und Restaurant aussehen soll, wird derzeit in zahlreichen Projekten ausprobiert. Das Supermarktblog stellt drei davon vor.

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Fridel – die Click-&-Collect-Lockgastro (Saarbrücken)

Mitte April hat die SB-Warenhauskette Globus, die sonst vor allem Riesenmärkte am Stadtrand betreibt, eine Filiale nahe der Saarbrücker Innenstadt eröffnet, die gleichzeitig Anlaufstelle für hungrige Büromittagspäusler sein soll, weil sie auch ein Restaurant ist. Vermutlich wurde der Test deshalb nicht „Globus Mini“ getauft, sondern „Fridel“ – eine Kombination aus „frisch“ und „delikat“, an die der Zusatz „markt & restaurant“ drangehängt ist, weil im Saarland 1974 die Großschreibung wieder abgeschafft worden ist.

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Wie sieht’s aus? Der gesamte Laden ist gerade mal 800 Quadratmeter groß, also kleiner als ein mittelmoderner Aldi. Ungefährt die Hälfte benötigt der Restaurantbetrieb; die Gerichte werden von den Mitarbeitern an Theken zubereitet (Foto ganz oben), ein bisschen so wie im Jumbo Foodmarkt in Amsterdam (siehe Supermarktblog), nur eben auf deutlich kleinerer Gesamtfläche.

Etwas unpraktisch ist, dass es zwar bis 22 Uhr was zu essen gibt, der Supermarktteil aber wegen Ladenschlussvorschriften bereits um 20 Uhr schließen muss. Dann wird‘ schnell deutlich leerer bei Fridel, wie Supermarktblog-Leser Robert fotografiert hat:

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Besondere Merkmale? Sämtliche Einkäufe und das, was man im Laden verfuttert, wird wie bei Vapiano auf eine Karte gebucht, die man am Eingang kriegt. Zum Schluss zahlt man an der Kasse alles gemeinsam.

Was bringt’s? Mit der Gastro will Globus vor allem Angestellte aus den Büros in der Nähe erreichen, richtet sich aber auch an Pendler, die auf dem Heimweg noch was einkaufen. Im Laden gibt’s viel Frisches und vor allem Eigenmarken von Globus bzw. Bio-Artikel von Alnatura. Klassische Markenartikel sind die Ausnahme. Das gehört zum Konzept: Wer seinen Lieblingsbrotaufstrich oder seine Lieblingslimonade vermisst, kriegt die nämlich trotzdem – wenn er sie vorher bei Globus online bestellt. Der Einkauf kann später an der in Fridel integrierten Globus-Abholstelle eingesammelt werden, die aussieht, als seien ein paar Ikea-Reste unglücklich aneinander geschraubt worden.

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Für Globus ist das Konzept doppelt praktisch: Zum einen zeigt die Kette damit auch in der Stadt Präsenz, wo man die Kundschaft bislang komplett der Konkurrenz überließ; zum anderen kann die Kette damit die Online-Bestellung von Lebensmitteln anschieben und testen, ob die Deutschen womöglich ähnlich abholbegeisterungsfähig sind wie die Briten.

Fotos: Globus, Robert Giesler

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Oh Angie! – der City-Weißbrottempel (Berlin)

Seit vergangenem September ist der neueste Rewe-Restauranttest unter dem Namen „Oh Angie!“ eröffnet – im Untergeschoss eines Berliner Einkaufszentrums (siehe Supermarktblog). Der Laden ist nicht direkt in den danebenliegenden Supermarkt integriert, sondern belegt eine Fläche davor. Die Zugehörigkeit zu Rewe verschweigt Oh Angie! seinen Gästen allerdings komplett.

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Wie sieht’s aus? Ein bisschen so, als würde man sich in eine Designlandschaft setzen, die jeden Augenblick für einen Möbelkatalog fotografiert wird. Überall stehen urige Holztische und kleine Hocker, es gibt zwei verglaste Separées, einen offenen Kochtempel am Eingang (Foto), der Boden besteht aus schwarz-weißen Fliesen und dunklem Parkett. Obwohl der Name sehr auf die Hauptstadt zugeschnitten klingt, hat Rewe einen Ableger inzwischen in Heidelberg eröffnet (wo bereits eines der Made by Rewe-Bistros getestet wurde).

Besondere Merkmale? Anders als beim Vorgänger wird bei Oh Angie! am Tisch serviert. Eine Woche nach der Eröffnung war das noch ein Riesenchaos, weil der komplette Service gleichzeitig für alle Tische zuständig schien und das bei vielen Gästen zu langen Wartezeiten führte. Inzwischen hat das Team das offensichtlich in den Griff bekommen.

Was bringt’s? Rewe kann zeigen, dass der Aufwärm-Ausrutscher vom letzten Mal ein Versehen war. Ein Großteil der Speisen (hier geht’s zur Karte) scheint frisch zubereitet zu werden, in der Fachzeitschrift „food service“ erklärte Oh-Angie!-Geschäftsführer Christoph Weinisch kürzlich, man arbeite mit „kleinstmöglichem Convenience-Grad in der Küche“. Das heißt: Suppe und Foccaccia sind aufgewärmt, Nudeln frisch gekocht – was halt so möglich ist, wenn es trotzdem schnell gehen soll.

Weinisch meint auch, dass er „in einem Wachstumsumfeld für urbane Verbraucher alltagsrelevant sein“ wolle – und abgesehen davon, dass das ziemlicher Wortkorks ist, ist es leider auch nicht wahr. Oh Angie! mag alltagsrelevant für anzugtragende Büroleute sein, die in der Mittagspause minimal Abwechslung suchen, ohne zu sehr überrascht werden zu wollen. Als „urbaner Verbraucher“ würde ich aber, zumal in Berlin, mehr als dreieinhalb vegetarische Gerichte auf der Speisekarte erwarten.

Vielleicht ist das pingelig, aber ganze getrocknete Tomaten auf Tomatensoßen-Nudeln zu donnern und eine einzelne Zucchini-Scheibe darin zu verstecken, ist auch nicht automatisch „mediterran“.

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Und „Burger“ werden, wenn man den Tellerrand mit Balsamico-Reduktion (Balsamico-Reduktion!) dekoriert, wegen des ekligen Geschmieres unessbar. Abgesehen davon ist der „Veggie Burger Deluxe“ mit halbkaltem Bratgemüse und Riesensalatdeko ein ziemlicher Reinfall. Sowas passiert eigentlich nur, wenn Leute, die Speisekarten zusammenstellen und Anrichtprozeduren festlegen, die Gerichte darauf nicht mindestens einmal selbst probiert haben.

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In Heidelberg ist die Speisekarte angepasst, dort gibt’s Käsespätzle und als „Falafel“ verkleidete „Grünkernküchle mit Limettenschmand“.

Für Freunde unterschiedlich intensiv getoasteter und aufgebackener Weißbrot-Varianten ist Oh Angie! sicher besuchenswert. Und ziemlich wahrscheinlich wird Rewe mit diesem Konzept besser fahren als beim letzten Mal – aber eine Supermarkt-Integrationseignung ist zumindest in Berlin noch überhaupt nicht absehbar, was die Aussagekraft eines möglichen Gelingens arg in Grenzen hält.

Fotos: Supermarktblog

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The Farm – Take-away für Aufgeklärte (London)

Tesco experimentiert in seinen Läden mit ganz unterschiedlichen Bistro-Konzepten, seit März kooperiert der Konzern mit dem kleinen Food-Start-up „The Farm“ (bzw. „In Farm We Trust“). Das Motto der Gründer ist: Essen, das wir mögen, von Bauernhöfen, die wir vertrauen.

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Wie sieht’s aus? Übersichtlich. Die Tesco-Farm besteht nur aus einer Theke am Ladeneingang, hinter der aber frisch gekocht wird, und die eine große Auslage für vorbereitete Gerichte und Desserts hat. Tische gibt’s keine, das Konzept ist komplett darauf ausgelegt, dass die Kunden ihr Essen mitnehmen. Dabei wäre durchaus Platz für ein paar Sitzgelegenheiten gewesen. Stattdessen wird der Raum vor der Theke von einem kleinen Absperrirrgarten belegt, in dem sich hungrige Briten wie am Flughafen vorm Sicherheits-Check anstellen können, wenn mal viel los ist.

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Besondere Merkmale? Das Konzept basiert darauf, klassische britische Rezepte zu kochen, und zwar mit Zutaten von Partnern, bei denen sich die Kunden sicher sein sollen, dass sie hohe Qualität kriegen. Auf der Farm-Website werden Bäcker, Metzger und Fischer namentlich vorgestellt und verbürgen sich für ihre Produkte. Damit Sie auch ganz genau wissen, wo Ihr Ox Cheek Stew, die Cornish Fishcakes und der Flapjack herkommen. (Hier die ganze Karte ansehen.)

Was es zu essen gibt, ändert sich nach Saison. Alles soll frisch gekocht und gebacken sein. Außerdem verspricht The Farm, Kunden von Mitarbeitern „mit Persönlichkeit“ bedienen zu lassen – „nicht von Robotern“.

Was bringt’s? Tesco hat begriffen, dass man gar nicht immer alles selbst machen muss – und dass Supermärkte nicht automatisch gute Gastronomen sind. Also kooperiert die Kette mit Leuten, die kreative Gastro-Ideen entwickeln, und gibt ihnen den Raum, sich auszuprobieren.

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Eine Lage wie in der Goodge Street, um die Ecke der Tottenham Court Road, wäre für The Farm sonst vermutlich nur mit erheblichen Risiken und hohen Kosten zu kriegen gewesen. Über die Kooperation mit Tesco können die Betreiber austesten, wie ihr Essen bei den Stadtkunden ankommt. Tesco kann darauf hoffen, dass die Farm-Kunden ihre Einkäufe gleich miterledigen. Am Ende profitieren beide Seiten.

Diese Aufgeschlossenheit gegenüber Gastro-Gründern würde auch gut zu deutschen Supermarktketten passen. Es müssen ja nicht immer bloß Burger und Nudeln sein.

Fotos: Supermarktblog

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6 Kommentare
  • Ich habe Oh Angie nicht probiert und habe es auch nicht vor. Aber ich arbeite in der Bundesverwaltung auf Referentenebene und weiß dass anzugtragende Büroleute, egal ob sie minimale oder maximale Abechslung suchen (ein Anzug tötet die Geschmacksknospen nicht ab), in der Gegend durchaus Alternativen haben. Jedes Ministerium (das sind in der Nähe drei) hat seine Kantine. Und in der Taubenstrasse schräg gegenüber gibt es gut versteckt über Lutter & Wegner eine Uni-Mensa und eine sehr gute öffentliche Kantine mit täglich wechselnden fünf verschiedenen Gerichten unter 5 € und Salatbuffet. Dagegen muss man sich erst mal durchsetzen.

  • Bei Real beispielsweise gibt es seit 20 Jahren Restaurants anbei … also eigentlich ein alter Hut. Was ich spannend finde, dass diesmal mit mehr oder weniger Qualität versucht wird, den Kunden zu verführen. Aber meiner Meinung nach sollten deutsche Supermärkte erstmal ihr Convenience Programm wie in den Niederlanden oder England ausbauen .. hier bin ich seit langem neidisch drauf. So etwas wie Sonnen-Bassermann Trockenfutter aus dem Regal kauft hier niemand …

  • Hm…. ich frage mich, welche „Business-Kunden“ im fridel essen & kaufen sollen?

    „Innenstadt“ ist das nämlich nicht, wo die sind! Da ist die AOK nebenan und eine Schule, meine ich.

    Die Innenstadt ist aber andersowo …. und so wundert es mich kaum, daß dort nach 20 Uhr keiner was isst …. während man am St. Johanner Markt teilweise keinen Platz mehr in guten Restaurants bekommt …. 😉

  • Wenn mich nicht alles täuscht, ist die Deklaration bei Oh Angie Heidelberg nunja, optimierbar. Denn das „Wiener Schnitzel“, weil „Feines Schnitzel vom Schwein“ müßte zumindest ganz korrekt doch eher als Schweineschnitzel Wiener Art ausgelobt werden.

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