Sind die Supermärkte geliefert, wenn Amazon Fresh nach Deutschland kommt?

Sind die Supermärkte geliefert, wenn Amazon Fresh nach Deutschland kommt?

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Seit Monaten kursieren Gerüchte, Amazon wolle seinen Fresh-Lieferdienst für Lebensmittel bald auch in Deutschland starten. Auf einer Konferenz erklärte Rewes Digitalchef, wie ernst sein Konzern die Konkurrenz nimmt.

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Mit der Ankündigung, Amazon könnte in Deutschland einen eigenen Zustellservice aufbauen, hat die „Wirtschaftswoche“ gerade eine kleine Meldungslawine ausgelöst. Dabei gibt es eigentlich gar nichts Neues zu berichten. Die „WiWo“ hat bloß bei Amazon nachgefragt, keine Auskunft erhalten und schreibt deshalb: „Amazon äußert sich dazu nicht, dementiert die Pläne aber auch nicht.“ Aus dem Nicht-Dementi wird dann eine Quasi-Bestätigung, z.B. bei t3n.de unter der Überschrift: „Amazon attackiert DHL: Jeff Bezos plant eigenen Zustelldienst“.

Dabei ist die grundlegende Logik der „WiWo“ natürlich nicht falsch, weil sie die Spekulationen fortspinnt, Amazon könnte mit seinem Lebensmittel-Lieferdienst Fresh nach Europa kommen:

„Branchenkenner schätzen, dass Amazon Fresh noch in diesem Jahr in Deutschland startet. Auf dem Frische-Lieferdienst könnten die Amerikaner dann einen klassischen Paketdienst aufbauen.“

„Branchenkenner“ schätzen aber nicht nur. Sie sind sogar ziemlich in Alarmstimmung. So wie Rewes Chief Digital Officer Jean-Jacques van Oosten, der im vergangenen November bei seinem Vortrag auf der Londoner Noah-Konferenz ziemlich konkret wurde:

„We expect them [Amazon Fresh] to come in the UK and Germany within the next six to nine months.“

(Also quasi: jetzt.) Van Oosten, der davor für Tesco gearbeitet hat, warnte mit deutlichen Worten vor den neuen Konkurrenten, die den klassischen Supermärkten ihr Geschäft wegnehmen könnten und zu denen der Rewe-Manager auch Instacart (deutsches Samwer-Kopier-Pendant: shopwings.de) zählt:

„These guys use our shops to do picking, they take money from it, they get contacts of our customers, they will contact the suppliers – and at the end of the day they could make our shops completely irrelevant. And our shop managers could become just showroom managers of museums. So we have to go much faster.“

Welche strategische Bedeutung Rewe der Online-Bestellung von Lebensmitteln beimisst, ist schon seit längeren zu beobachten. Die Gruppe will nicht noch einmal denselben Fehler wie in anderen Geschäftsfeldern machen und sich online von neuen Konkurrenten überrunden lassen. Rewes Lieferdienst ist inzwischen in 57 Städten aktiv und wird stetig weiterentwickelt. Die größten Herausforderungen sind dem Rewe-Digital-Chef zufolge (außer der Logistik) die lokalen Unterschiede und die in Deutschland üblichen geringen Gewinnspannen.

„Those of you who come from Berlin will know that a Frikadelle in Berlin is something completely different than a Frikadelle from Cologne. And localized products are extremely important.“

Ein Online-Shop für alle funktioniert also nicht so richtig. Lokale Besonderheiten und Begrifflichkeiten oder Spezialitäten sind beim Einkauf wichtig, und die Kunden erwarten, dass sie die nicht nur im Laden kriegen, sondern auch im Netz.

Etwa 50 unterschiedliche Produkte liefere Rewe Online im Schnitt per Bestellung aus – das zusammenzustellen und im Zweifel Ersatzprodukte auszuwählen ist ohne Zweifel harte Arbeit. (In Großbritannien kommt Tesco van Oosten zufolge auf 68 bis 72 Produkte.) Das noch viel größere Problem ist aber:

„We have to deliver … with margins in Germany that are only 1,1 percent. That is quite complicated.“

Weil der Preiskampf in Deutschland so ausgeprägt ist, sind die Gewinnspannen knapp kalkuliert. Online bestellen die Leute noch dazu große, schwere, unpraktische Sachen, wollen aber denselben Preis wie im Markt zahlen. Van Osten glaubt:

„A business that is quite fragile like in Germany and Austria will suffer quote enormous from this when Amazon Fresh comes.“

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Amazon wird da nicht zimperlich sein, wenn der Konzern ein neues Geschäftsfeld besetzen will. Und viele Markenhersteller dürften den neuen Partner herzlich willkommen heißen, weil sich dann ein neuer Absatzkanal für ihre Produkte ergäbe, die in den Läden zunehmend von den Eigenmarken der Handelsketten den Platz weggenommen kriegen.

In Kalifornien bietet Amazon Fresh Kunden an, Produkte von kleinen Läden in der Stadt (Fleischern, Bäckern, Spezialitäten-Geschäften und Restaurants) zusammen mit der Fresh-Lieferung zuzustellen. Solche Kooperationen wären auch für deutsche Kunden ein ziemlich attraktives Angebot. (Ist aber natürlich eine irre Arbeit, das für jede Stadt oder Region aufzubauen.)

Wenn Fresh tatsächlich hierzulande starten sollte, wäre aber nicht nur der Wettbewerb mit Rewe interessant, sondern auch das Verhalten des bisherigen Kooperationspartners DHL, der ja mit Allyouneed selbst einen Online-Supermarkt betreibt und diesen gerade – ausgerechnet! – in Allyouneed Fresh umbenannt hat (weil Allyouneed künftig die international einsetzbare Shop-Marke von DHL ist). Die „Lebensmittelzeitung“ meldete kürzlich, Bünting wolle seinen Lebensmittel-Lieferdienst Mytime.de ausbauen. Wie es mit Bringmeister.de weitergeht, ist noch offen, weil die geplante Übernahme von Kaiser’s Tengelmann durch Edeka vom Kartellamt verhindert wurde.

Wenn Amazon den immer noch lieferskeptischen deutschen Kunden Fresh schmackhaft machen will, dürfte das auch für den US-Konzern ein hartes Stück Arbeit sein. Die Konkurrenz jedenfalls wird alles daran setzen, dass ihr da im Netz kein neuer Aldi die Umsätze kaputt macht.

Also: alle außer Edeka. (Dort verlässt man sich weiter darauf, dass das Internet irgendwann von alleine wieder weggeht.)

Screenshot: Amazon

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17 Kommentare
  • Also: alle außer Edeka. (Dort verlässt man sich weiter darauf, dass das Internet irgendwann von alleine wieder weggeht.)

    Sehr guter Kommentar!

  • So wahr. Besonders der letzte Satz, zur Edeka.
    Was ein Stück Glück, dass manche Markenhersteller sich gegen das Preisdiktat der Blaugelben wehren.

  • Die Bemerkung zu EDEKA ist natürlich ironisch. Ich verstehe den Laden aber. Man muss nicht jeden neuen Trend einfach mitmachen und hinterherlaufen. Es gibt ein Leben außerhalb des Netzes. Und solange da noch genug Leute sind …

    • Da gebe ich Ihnen völlig recht. Solange es noch genug Leute gibt, weil diese keine Alternative haben, muss man sich nicht sorgen.

      Nokia bspw ist trotz Touchscreen-Verweigerung immer noch… ähn, nein.
      BlackBerry aber, die sind trotz Fokussierung auf… na gut, neuer Versuch.
      Kodak, die konnten sich mit ihren Farbfilmen… auch nicht!
      Quelle jedoch, die wussten es geht auch ohne Internet und sind…. verdammt!

    • Zitat: „Quelle jedoch, die wussten es geht auch ohne Internet und sind…. verdammt!“
      Quelle war sehr erfolgreich im Internet unterwegs, die sind von Karstadt kaputteingekauft worden. Bei Neckermann allerdings…

  • Die Prophezeihungen von der Lebensmittelbestellung per Internet gibt es nun schon einige Jahre. Ich glaube aber nicht, dass das auf absehbare Zeit für „normale“ Supermärtke und Discounter relevante Größenordnungen erreicht. In Nischen (z.B. bei Bio-Produkten) gibt es Derartiges zwar schon länger, aber dort liegt die Wertdichte auch in völlig anderen Dimensionen.

    Die Gewinnmargen im Lebensmittelhandel sind so gering, dass sich die extra Lieferung an Privatpersonen nur bei deutlich höheren Preisen lohnt. Und selbst dann nur, wenn man nicht nur eine Person als 30 km beliefert.

    In ländlichen Regionen könnte ich mir das noch vorstellen, nur wird sich das für die Lieferanten nicht lohnen. In Städten ist aber die Dichte an Supermärkten so groß, dass der Kundenkreis überschaubar bleiben wird. Ich habe allein in 500 Meter Umkreis 5 Supermärkte und Discounter, auf meinem Weg zur Arbeit komme ich täglich an 3 weiteren vorbei – ohne Umwege, Öffnungszeiten jeweils 6 bis 22 Uhr.

    Spätestens bei Obst und Gemüse sind Leute hierzulande so wählerisch und so empfindlich gegenüber auch nur optischen Beeinträchtigungen von Proukten, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass diese auf Online-Bestellungen umsteigen. Da kann man einen Apfel nämlich nicht einfach liegen lassen, weil einem die Farbe nicht passt. Und solche Produkte kann man auch nicht wie normale Pakete behandeln.

    Mag sein, dass es Personengruppen gibt, für die eine Online-Bestellung trotz höherer Preise besser ist. Aber ob das jemals so viele sein werden, dass es Supermärkten weh tut?

    • In ländlichen Gegenden gibt es ja sowas schon: den rollenden Supermarkt. Der kommt zwar immer nur zur gleichen Zeit vorbei, dafür aber mit Sicherheit mit den richtigen Produkten, denn die kann man nicht nur online, sondern auch ganz altmodisch telefonisch aus dem beim letzten Mal mitgelieferten Papierkatalog bestellen. Fleisch, Milchprodukte, Konserven usw. bestellt man, wenn nötig, vor, Gemüse und Backwaren kann man sich einzeln und persönlich aus dem mitgebrachten Sortiment aussuchen.
      Großer Vorteil: alles frisch, alles da (außer Getränke u.ä., das liefern aber andere)
      Großer Nachteil: immer zur gleichen Uhrzeit, Sortiment auf wenige tausend Artikel begrenzt

      Und sollte das mal nicht ausreichen (unterstellt, man wäre gar nicht mobil), kann man immer noch ergänzen. Mit rollendem Supermarkt, TK-, Getränke und Drogerielieferanten und den gängigen Onlineshops müsste man schon jetzt nicht mehr weiter als bis zum Bürgersteig.

    • 1) Die Lieferservices sind für die „Online-Vorreiter“ unter den Einzelhändlern eine sehr attraktive Möglichkeit, um Kunden der langsameren Wettbewerber zu gewinnen. Gerade EDEKA verliert hierbei z.Zt. viele ihrer weniger preissensiblen, aber convenience-orientierten Kunden, die bereit sind, für die Lieferung einen geringen Aufpreis i.H.d. Lieferkosten zu zahlen (3-5 Euro).

      2) Geringe Margen im LEH: Ja, aber das macht einen Lieferdienst nicht per se dauerhaft unrentabel. Teuer ist vor allem die Kommissionierung in den Supermärkten vor Ort – erst die Waren einzeln ins Regal räumen, dann kurz darauf vom Packer für die Lieferung wieder einsammeln. Sobald auch in Deutschland die Einzelhändler für ihre Liefer-Kommissionierung wie z.B. Tesco in UK auf „Dark Stores“ zurückgreifen, sprich Lager, in denen kein Vor-Ort-Einkauf möglich ist, verändert sich die Kostenstruktur deutlich: weniger Personal, E-Commerce-erprobte Kommissionieranlagen & keine teuren Innenstadtlagen. Amazon Fresh, wenn sie denn in DE starten, wird diese Entwicklung deutlich beschleunigen.

  • Könnte es sein, daß amazon fresh in den USA vor allem deshalb „funktioniert“ (sprich: Gewinne abwerfen kann), weil es dort möglich sit billigts entlohnte Kräfte zum Packen & Ausliefern zu beschäftigen?

    (Mir schwirren da immer so Bilder von illegal eingewandetrten/beschäftigten Mexikanern im Kopf rum, die im ganzen Land geduldet werden, weil sie brav für 1 Dollar/Stunde Tüten Packen & ausfahren…)

    In DE dürften so Dinge wie Mindestlohn und der übrige Rotz an Gesetzen und Bürokratie dazu führen, daß Liefersevices immer ein Nischenprodukt für die besser betuchten bleiben werden….

    …sehe ich das richtig?

    • Wenn also der arbeitsrechtliche gesetzliche „Rotz“ nicht wäre, könnten wir hier mit der ungesetzlichen Billigkraft der ausgenutzten Einwanderer dafür sorgen, dass auch endlich der kleine Mann auf der Straße vom „Packen & Ausliefern“ profitiert?

      Wow. Mit solchen Pirouetten sollten Sie eiskunstlaufen. (Aber es schwirrt ja schon so in Ihrem Kopf.)

  • Ich bin keinegswegs für amerikanische Verhältnisse bei uns…. ich wollte nur aufzeigen, warum das hier icht klappen kann.

    Und gesetzlichen „Rotz“ gibt es bei uns hier, auch wenn die Gutmenschen das nicht wahrhaben wollen … alleine das unausgegorene Schnell-Schuß-Koalitions-Kuhandel-Mindestlohn-Gesetz verursacht in der Wirtschaft einen enormen zeitlichen / finanziellen Aufwand. Und damit meine ich NICHT das Mehr an Lohn, sondern die Bürokratie und die Inanspruchnahme von Rechtsrat – um ja keinen Fehler zu machen. Denn weder Mindestlohnhotline noch Arbeitsministerium können rechtsverbindliche Auskünfte zum Gesetz geben …. es wird immer an Anwälte und Steuerberate verwiesen. Ich dachte aber immer, daß bei uns die Legislative die Gesetze macht und die Judikative noch eine wenig nachhilft. Aber daß Freiberufler (Anwälte/Steuerberater) darüber zu entscheiden haben, wie das gesetz auszulegen wäre, wäre mir neu….

    (Ein Beispiel: Ich darf nun meinem Angestellten den Dienstwagen zur Privatnutzung NICHT beim Mindestlohn zum geldwerten Vorteil anrechnen. Obwohl der Angestellte dadurch einen monetären Vorteil hat, der höher ist als der Geldwerte Vorteil! Wenn es darum geht Steuer zu zahlen (Lohnsteuer), dann zählt das Ding – aber beim Mindestlohn nicht. So war es schon immer: wenn de Staat was von uns will, ist er großzügig … 😉 )

    Ein anderer „Rotz“: verpflichtende Pasuenräume und Spinde …. dieser Schwachfug wurde aber Gott sei Dank noch rechtzeitig gestoppt.

    —> keine Wunder, wenn sich ausländische Firmen hier schwer tun.

    Amazon liefert übrigens immer mehr aus dem Ausland – Polen, GB, Frankreich …. toll gemacht, verdi 😉

    • Es mag den ein oder anderen Punkt geben, den Du zu recht ansprichst. Dennoch halte ich Deine Wortwahl nicht förderlich für eine gedeihliche Diskussion.

    • Sie haben Angestellte mit privat genutzten Dienstwagen, die weniger als 8,50 € die Stunde verdienen?

    • Ein Pausenbereich und die Möglichkeit für den Untergebene seine Privatsachen sicher zu verstauern sind also „Schwachfug, der Gott sei Dank noch rechtzeitig gestoppt“ wurden.

      Gt zu wissen.

    • Jemand, der bei vollem Bewusstsein das Wort „Gutmensch“ nutzt, kommt automatisch in die Schublade „muss man nicht ernst nehmen“.

    • Ich würde darum bitten, die Diskussion wieder auf das Ausgangsthema zurückzuführen. Es ist glaube ich klar geworden, dass es zu oben Diskutiertem unterschiedliche Positionen gibt. Vielen Dank!

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