Vertrauensbildende Maßnahmen am Fleischregal: Tescos „Fake Farms“ und die deutschen Vorbilder

Vertrauensbildende Maßnahmen am Fleischregal: Tescos „Fake Farms“ und die deutschen Vorbilder

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Frischfleisch liefert Tesco direkt vom Hof in den Laden. So suggerieren es zumindest neue Verpackungen. Dabei sind die Bauernhöfe darauf alle erfunden. Deutschen Discount-Kunden wird die Masche bekannt vorkommen.

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Vor drei Jahren entschuldigte sich Tesco bei seinen Kunden dafür, dass in seinen Produkten (wie in denen vieler anderer Supermarktketten in Europa) Pferdefleisch gefunden worden war und erklärte in Zeitungsanzeigen:

„Wir haben erkannt, dass wir es besser machen müssen. (…) Wir wissen, dass unsere Lieferkette zu kompliziert ist. Also machen wir sie einfacher. (…) Wir wissen auch, dass das nur funktioniert, wenn wir offen gegenüber unseren Kunden sind.“

Das Unternehmen versprach unter anderem, stärker mit britischen Bauern zusammenzuarbeiten, um exakt zu wissen, wo das für Burger und Bolognese verwendete Fleisch herkommt.

Vor zwei Monaten hat die Supermarktkette außerdem die Verpackungen ihrer Frischfleisch-Produkte grundlegend verändert. Die werden (ähnlich wie Gemüse und Obst) seitdem größtenteils nicht mehr unter der bisherigen Eigenmarke „Everyday Value“ verkauft. Stattdessen hat jede Produktkategorie ein eigenes Bauernhof-Label bekommen: Frisches Schweinefleisch kommt vom Absender „Woodside Farms“ (Foto oben), Hähnchenfleisch ist mit „Willow Farms“ etikettiert, „Boswell Farms“ das Erkennungszeichen für Rindfleisch.

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Das Problem ist nur: Keine dieser typisch britisch klingenden „Farms“ existiert wirklich – es handelt sich bloß um erfundene Markennamen (auch für Obst, Gemüse, Salate und Früchte).

Dem „Guardian“ erklärte eine Tesco-Sprecherin, die neuen Verpackungen sollten den Kunden beim Einkauf mehr Orientierung geben. Die unterschiedlichen Farben (Blau für Schwein, Rot für Rind, Gelb für Hähnchen) sollen für bessere Wiedererkennbarkeit sorgen. Vor allem aber, und das hat die Sprecherin natürlich nicht gesagt, hilft die Landwirtschaftsprosa auf der Verpackung dabei, Kunden das Gefühl zu geben, das Richtige zu kaufen. Einfach nur, weil es so schön britisch klingt.

Tatsächlich stammten die Produkte von „einer Auswahl von Höfen“, erklärt Tesco. Aber das hätte sich vorne auf der Verpackung natürlich irgendwie doof gelesen: „Anyplace Farms“.

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Immerhin lässt sich jetzt das Missverständnis von 2013 aufklären. Die Ankündigung „Wir wissen, dass unsere Lieferkette zu kompliziert ist. Also machen wir sie einfacher“ meinte offensichtlich: „Also lassen wir sie für Sie einfacher aussehen„.

Tesco hat die Masche mit den „Fake Farms“ keineswegs erfunden. Aldi macht’s in Großbritannien mit seinen Frischfleisch-Produkten nämlich genauso: Bloß dass dort ein einzelner Fantasiebauernhof ausreicht: „Ashfield Farm“.

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Bei den Farbcodes müssen sich die Kunden hingegen nicht umgewöhnen: Blau für Schwein, Rot für Rind, Gelb für Hähnchen.

In Deutschland ist Aldi vorsichtiger. Die Produkte werden z.B. bei Aldi Süd seit einiger Zeit unter dem Namen „Meine Metzgerei“ verkauft. Was von Fleischern aber ebenfalls als unlauter gewertet wird, weil Name und Verpackung eine „handwerkliche  Machart“ suggerierten, es sich aber um Massenware handelt. Einen erfundenen Bauernhof traut sich der Discounter hierzulande immerhin nicht draufzupappen.

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Anders als die Konkurrenz: Während bei Rewe jedes Fleischteil vom Vertrauensmetzger „Wilhelm Brandenburg“ höchstpersönlich in die Auslage gebettet wird (kleiner Scherz), hat die Discount-Tochter Penny, die gerade an ihrem Image vom vertrauenswürdigen Discounter klöppelt, kürzlich ihre Fleischmarke „Mühlenhof“ aufgemöbelt.

Seitdem ziert die Packungen nicht nur ein Schiefertafel-Logo mit schwarz-rot-goldenem Herz, sondern auch ein imposant gezeichneter Hof obendrüber – den es, Sie ahnen’s, nicht gibt.

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Edekas Discount-Tochter Netto (ohne Hund) hält mit „Gut Ponholz“ dagegen, dessen Nichtexistenz auch kein Geheimnis ist. Dass das früher auf Packungen gedruckte „Gutshaus“ der ehemaligen Hauptpost im Nachbartort der bayerischen Netto-Unternehmenszentrale verdächtig ähnlich sah, wissen regelmäßige Supermarktblog-Leser ebenfalls.

Nicht überliefert ist hingegen, wo sich die Unternehmens-Kita architektonisch für den Entwurf des neuen „Gutshauses“ inspirieren ließ, das inzwischen weiß auf schwarz die Plastikschalen ziert. Und schauen Sie mal, was da unter dem verheißungsvollen Zusatz „So schmeckt die Heimat“ grüßt den Gesamteindruck abrundet: Ganz genau: das Blaue Schwein.

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Allerdings ist Netto (ohne Hund) bei der Farbcode-Übernahme etwas durcheinander geraten: Blau für Schwein (korrekt), Rot für Rind (richtig), …

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… Gelb für Hähnchen (yes!), und Pute ist– auch Rot (mööööööp!).

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Bis zum nächsten Lebensmittelskandal scheinen diese „vertrauensbildenden Maßnahmen“ den meisten Kunden locker auszureichen.

Und wenn Tesco nicht ins Hintertreffen geraten will, wird es höchste Zeit, sich ein paar hübsch ausgedachte „Fake Farms“ auf die Fleischpackungen zeichnen zu lassen. Die realen Produktionsstätten jedenfalls eignen sich nur bedingt zur Illustration. Das Rinder-Rumpsteak von „Gut Ponholz“ im Netto (ohne Hund) stammt laut Packung zum Beispiel von der WestfalenLand Fleischwaren GmbH in Münster. Und die sieht nicht aus wie die Alte Hauptpost aus dem Nachbarort.

Sondern so.

Fotos: Supermarktblog

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6 Kommentare
    • Gut aufgepasst, danke! Hab ich korrigiert. (Und bitte nächstes Mal mit gültiger Email-Adresse kommentieren, wird nicht veröffentlicht oder weitergegeben.)

  • Mir ist das sowas von egal ob da wo Pferdefleisch ist oder nicht …. (Pferdefleisch ist übrigens sehr lecker), Marken gibt es in jeder Kette zu Hauf, und das die erfunden sind, sollte ja wohl eh Jedem klar sein.
    Ich zumindest gehe sehr gerne zu Tesco, aber genauso gern natürlich auch zu Carrefour oder Auchan …

  • Gibt es tatsächlich noch Menschen die glauben das ihr Fleisch bzw. Obst und Gemüse von einem traditionellen Bauernhof stammt?? :O

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