„Mehr Netto“? König Ramsch renoviert sein Sonderpostenreich

„Mehr Netto“? König Ramsch renoviert sein Sonderpostenreich

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Netto (mit Hund) will fortan „der regionale MehrWerte-Discounter“ sein, um sich besser von der Konkurrenz zu unterscheiden. Das großmäulig beworbene Regionalitätsversprechen ist aber vor allem: ein Ärgernis.

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Ob Sie’s glauben oder nicht: 26 Jahre nach dem Marktstart in Deutschland hat Netto (mit Hund) gemerkt, dass die Gefahr besteht, von Kunden mit Netto (ohne Hund) verwechselt zu werden. Zumal der letztgenannte Discounter dem ersten deutschlandweit um schlappe 3831 Filialen voraus ist. Dennoch weigern sich die dänischen Herrchen Besitzer weiter beharrlich, ihr deutsches Lebensmittelgeschäft ganz unkompliziert in „Netto (mit Hund)“ umzubenennen. (Obwohl damit der Verwechselei ja ein für allemal ein Ende gesetzt wäre.)

Stattdessen hat die mecklenburg-vorpommer’sche Zentrale die neue Werbekampagne „Mehr Netto“ ausgetüftelt und drängt Kunden (neben neuen Angebotsheftchen in pink-hellblau) einen ganzen Blumenstrauß an Versprechungen auf: „noch mehr Frische, mehr Auswahl und mehr Artikel“, „noch mehr regionale Produkte“, „mehr saisonales Obst und Gemüse“, dazu mehr Rabatte und Kita-Patenschaften.

Netto (mit Hund) will fortan nämlich „der regionale MehrWerte-Discounter“ sein – und Sie merken’s selbst: Da ist in Stavenhagen nach dem Kiffen wieder nicht richtig durchgelüftet worden, als die Kommunikationsexperten sich diesen Schmarrn ausgedacht haben.

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Denn mit ihrem (vermeintlich) neuen Konzept will die Discountkette einerseits so bleiben, wie sie ist: schlicht und billig, um die Harddiscount-Lücke zu füllen, die Aldi und Lidl beim Schickerwerden reißen. Aber gleichzeitig moderner und toller als die Konkurrenz.

Von der Konkurrenz geschnauzert

Wer nicht regelmäßig bei Netto (mit Hund) einkaufen geht, dem wird das neue Konzept kaum auffallen. Weil die Läden, nachdem sie für ein paar Milliönchen renoviert worden sind, fast genauso aussehen wie vorher. Das lassen zumindest die bereits umgebauten Berliner Filialen erahnen.

Wobei: Umbau ist in diesem Zusammenhang so ein großes Wort. Dafür, dass Netto (mit Hund) bloß ein paar dünne Pappen hat drucken lassen, die jetzt im nagelneuen LED-Licht speckig über den Kühltheken glänzen, und diverse von der Konkurrenz schon wieder aussortierte Features gemopst – Pardon: geschnauzert – wurden.

Die Frischfleischprosa über den Truhen zum Beispiel, die so manche Kunden noch vom Lidl-Qualitätskampagnenkarneval aus dem vergangenen Jahr in Erinnerung haben dürften.

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Oder die neue „MehrSparKarte“, die bei Kaiser’s als „Extrakarte“ im Einsatz ist und thermopapierbedruckte Individual-Endloszettel aus den Rabattsäulen am Ladeneingang rausleiert – sofern die nicht, wie so oft, gerade „Defekt“-behängt sind.

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Im Grunde genommen hat sich König Ramsch in seinem Sonderpostenreich bloß mal kurz das Krönchen putzen lassen. Und als die Renovierkolonne wieder weg war, schleunigst die Unordnung wiederhergestellt, in der er sich wohlfühlt.

(Mit ein paar Tiefkühltaschen mehr als vorher.)

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Das geht ja auch voll in Ordnung, wenn Dänen glauben, Wertigkeit im Lebensmittelhandel ließe sich durch Sinnsprüche ausdrücken, die in Schreibschrift und Schiefertafeloptik auf papierne Schildchen geschrieben werden, die man bloß neben die knallrote „Aktionswaren“-Brüllerei hängen muss, damit sie wirken.

Es ist halt ein feiner Spagat zwischen Mut und Skrupellosigkeit, sich Gelübde wie „Frische ist uns wichtig“ über die Theke zu hängen, und darunter abgepackte Laugen-Leberkäse- und Schnitzelbrötchen mit Maximalhaltbarkeitsdatum einzusortieren.

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Und das alles wäre verzeihbar, hätte sich Netto (mit Hund) nicht gleichzeitig in einen maßlos übertriebenen Regionalitätskoller hineinhypnotisiert.

Dabei ist’s ja korrekt, dass die Kette traditionell zahlreiche Produkte im Sortiment führt, die im Osten Deutschlands hergestellt werden, wo nun mal die meisten (mit Hund)-Filialen stehen. Die nun eingesetzten Werbemittel erwecken bei den Kunden allerdings den Eindruck, mit ihrem Einkauf hiesiger Zuckerwaren und Sauerkonserven unverzichtbare Strukturerhaltungsmaßnahmen zu leisten.

„Wir kaufen aus unserer Heimat“, steht auf dem Poster am Eingang, und in den Läden belehren Schilder im kumpeligen Ikea-Du: „Gut zu wissen: Bei vielen Produkten unterstützt du heimische Betriebe“. Wobei es, wenn wir ganz korrekt sein wollen, eigentlich heißen müsste: „Gut zu wissen: Bei aufgerundet 18 Prozent unserer Produkte unterstützt du heimische Betriebe – aber frag bitte nicht, was wir den Herstellern zahlen, du willst doch auch, dass hier alles so schön billig bleibt“.

Regionalität per Zufallsverteilung

Über den Fleischlieferanten raunt die Truhenbeschmückung, er sei ein „inhabergeführtes mittelständisches Unternehmen aus dem Land Brandenburg“ – was natürlich toll klingt. Wenn man nicht nachschaut, dass der sympathische Mittelständler quasi Wurstkönig von Berlin ist, offizieller Stadionlieferant von 1. FC Union Berlin, die hungrigen Gäste der Eisbären Berlin, der Füchse Berlin, von Turbine Potsdam und SC Potsdam versorgt und wöchentlich 600 Tonnen Fleisch durch seine Wölfe dreht.

Je näher man sich das Regionalitätsversprechen ansieht, desto ärgerlicher wird’s:

  • Wer das versprochene saisonale Gemüse aus der Region sucht, muss Zeit mitbringen: „Deutschland“ reicht Netto (mit Hund) in der Regel als Herkunftsangabe.
  • Die Backwaren im Regal, über dem groß das Banner „Aus deiner Region“ hängt, kommen laut Verpackung aus Gütersloh und Frankreich.

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  • Unter dem Kühlthekenhinweis „Regional schmeckt genial“ steht dieselbe Auswahl wie immer.

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  • Und wenn Sie wissen wollen, wo denn jetzt die versprochenen Regionalprodukte sind, müssen Sie auf die kleinen Schildchen am Regal achten, mit denen in Berlin stolz Hemme-Molkereiprodukte gekennzeichnet sind, die hier in jedem mittelmäßig gut sortierten Supermarkt schon seit geraumer Zeit zum Standard gehören.

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Um Glaubwürdigkeit hat sich der „regionale MehrWerte-Discounter“ bei seiner PR-Inszenierung nicht groß geschert. Sondern sein Regionalitätsbekenntnis einfach alle paar Meter dort an die Wand gehudelt, wo gerade Platz war. Scheißegal, wenn darunter Toilettenpapier und Hundefutter verkauft werden.

So schamlos nutzt im deutschen Lebensmittelhandel sonst bislang niemand die Regionalitäts-Überbegeisterung der Verbraucher für sich aus.

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Netto (mit Hund) habe einen „starken, neuen Auftritt“ im deutschen Markt „kreiert“, lässt sich Geschäftsführer Paul Martin Berg in einer Pressemitteilung zur „Mehr Netto“-Kampagne zitieren.

„Wir zeigen uns selbstbewusst und mit skandinavischem Charme: flexibel, nachhaltig und regional. Man könnte auch sagen, wir sind das Schnellboot unter den großen Discounter-Tankern.“

Okay.

Man könnte aber auch sagen, die „Mehr Netto“-Kampagne sei das abgepackte Laugen-Leberkäsebrötchen unter den Modernisierungsversuchen im deutschen Discount: verspricht irrsinnig viel, hält wenig, und nachher ist einem ein bisschen schlecht davon.


Nachtrag, Oktober 2016: Netto-(mit Hund)-Chef Paul Martin Berg äußert sich zum neuen Konzept im Supermarktblog-Interview.

Fotos: Supermarktblog

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16 Kommentare
  • das mit der verwechslungsgefahr ist echt nervig, hier gibts nur den rot-gelben netto, aber wenn ich mit leuten rede, die von anderswoherhekommen, fragen die dann oft nach welchen man meint. ich finde der sollte sich nicht mehr netto, sondern einfach „mit hund“ nennen. verwechslungsgefahr ade, und man spart sich ein wort.

  • @ Mausflaus : in den neuen Bundesländern gab es noch keine rot-gelben Netto-Filialen zu der Zeit als der dänische Netto eröffnete.Zumal der ja auch genaugenommen,, richtig NETTO MARKENDISCOUNT (und nicht nur netto ) heißt !

  • Solch Berichte können nur Menschen schreiben, die entweder keine Ahnung davon haben,oder von der Konkurrenz kommen 😉

    • Ich würde mich ja, auch wenn Sie sich hinter einem Quatschnamen zu verstecken gedenken, gerne auf eine inhaltliche Auseinandersetzung mit Ihnen einlassen, aber dafür müssten Sie Ihre Kritik exakter benennen. (Oder verraten, ob Ihr Kommentar lediglich als Arbeitgeberloyalität zu verstehen ist.)

  • Schön, dass Sie meinen Wunsch in die tat umgesetzt haben und meinem Lieblingsdiscounter einen Besuch abgestattet haben 🙂

    In meinen zwei frequentierten Filialen gibt es leider diesen tollen „MehrSparKarte“-Automaten nicht. Zum Thema Regionalität: Ich denke hier übernimmt NETTO durchaus eine Sonderrolle auf dem deutschen Discountermarkt. Nirgendwo anders bekommt man eine so reichhaltige Auswahl an Produkten aus der Region. Diese werden auch sehr transparent in den Prospekten ausgewiesen. Klar, wir sprechen hier nicht von Manufakturen oder Handwerksbetrieben, wie man es vielleicht aus der Markthalle 9 in Kreuzberg gewöhnt ist. Aber in vielen Fällen handelt es sich um eher kleinere Mittelständler.

    Na ja, und über Handzettel und Maskottchen braucht man nicht streiten, da macht den Dänen in Deutschland niemand was vor. Die Läden dürften gerne etwas aufgeräumter sein, aber da kennt man von Penny und Netto ohne Hund auch ähnliches (andere Discounter nutze ich nicht).

    • Ich erkenne durchaus an, dass Netto (mit Hund) da zum Teil eine Sonderrolle hat, steht ja auch im Text. Meine Kritik richtet sich aber gegen die universelle Schönfärberei, mit der beim aktuellen Redesign vorgegangen wird. Und die Willkür. Und dass nicht einmal 20% des Sortiments das Regio-Versprechen einhalten können, obwohl es in der Kommunikation den Anschein hat als werde größtenteils in der Nähe eingekauft.

    • Was ich ja interessant finde, wie man mit etwa 350 Filialen überhaupt auf dem deutschen Markt bestehen kann? Aber scheinbar funktioniert es ja.

  • Zumindest auf den Bildern sieht der Hunde-Netto aufgeräumter und sauberer aus als die Netto Filialen ohne Hund hier in Bremen,das hat dann doch auch was.

  • Guter Bericht, ich würde mir auch wünschen das auf mehr Lebensmitteln eine Herkunftsangabe steht. Gerade bei frischen Produkten wie frischem Orangensaft wäre da eine Pflicht toll.

  • Wunderbarer Beitrag. Endlich Neues vom Netto (ohne Hund). Bin inzwischen echt neugierig und möchte bei Gelegenheit mal einen Abstecher als Discounter-Tourist in einen dieser Läden machen. Die hier zusammengetragenen Kritikpunkte sind definitiv triftig; ab und an muss man dem Marketing dann doch klar machen, dass es sich nicht alles erlauben darf.

    „Regional schmeckt genial“ bei Toilettenpapier ist aber der unterhaltsamste Werber-Griff ins Klo seit Längerem. =)

  • Sehr schöner Artikel!
    Zum Thema innovative Kampagne „Mehr Netto.“ und sich damit von Netto (ohne Hund) abzuheben: Zur Zeit der Übernahme der Plus-Filialen durch Netto (ohne Hund) war der Slogan von Netto Marken-Discount „Mehr Netto für alle!“ (wahlweise auch mit eingefügtem „& Plus“). Habe noch Prospekte aus der Zeit. Da ist den Dänen wohl keine sonderlich originelle Idee gekommen. 😀

  • Ich finde es eine Schweinerei wie schlecht über die Märkte hinweggezogen wird , da die Leute die noch nie bei Netto (oder anderen Märkten ) gearbeitet haben keine Ahnung davon haben was das für ein körperliche Arbeit ist die Ware auszupacken und die Gänge entlang zu ziehen , ordentlich einzusortieren damit Kunden ( doll zu merken in Berlin ) die Regale wieder unordentlich machen können . Als Journalist machen sie nichts weiter als über andere Dinge umherzuziehen. Der Hauptgrund warum die Märkte so unordentlich sind , sind die Kunden da sie die Ware von A nach B schleppen . Ich will mich auch gar nicht weiter auf den Text einlassen da es nur dummes Gerede ist . Anstatt sich über Märkte „aufzuregen“ und das in ihren ach so tollen zu Blog schreiben sollten sie über Tierquälerei oder Menschen in Afrika schreiben die nicht mal einen Supermarkt haben und verhungern müssen , Leute die auf der Straße leben weil sie kein Geld haben . Das ist was wirklich wichtiges.

    • Ich würde es aber sehr begrüßen, wenn Sie sich weiter auf den Text einließen, um eine Diskussion anzustoßen, anstatt bloß das zu tun, was Sie mir vorwerfen: zu pöbeln und die Schuld auf andere zu schieben. Ich würde mich freuen, mit Ihnen über konkrete Punkte zu diskutieren!

  • NETTO [mit Hund Scottie] – eine Endverbraucher Aussage :
    Ihre Kritik an den NETTO [mit Hund Scottie] Märkten ist nicht wirklich objektiv. Nur hier finde ich eine regionale & mehrschichtige Discountauswahl. Lidl & Aldi überbieten sich in Konkurrenz, haben meist im 2 Wochenabstand ähnliche bis gleiche Aktionsangebote und werden schnell ‚langweilig‘! Netto (rot/gelb) ist für mich, was Angebote betrifft, ein Kramladen!
    NETTO [mit Hund Scottie] hebt sich da schon ab! Teils originell, teils wirklich neue Innovationen aus den ’neuen Bundesländern‘. Sicher kommt es darauf an WO man ’seine‘ Filiale hat, in Berlin hat man da glücklicherweise die Wahl. West & Ost Filialen können sich teils erheblich unterscheiden, was Ordnung & Sauberkeit betrifft! Ich bin im besitz der MehrSparKarte von NETTO [mit Hund Scottie], und finde es prima manchmal bis zu 20 Cent oder Prozente Naschlass auf ausgewählte Artikel zu bekommen, das geschieht SOFORT, ohne ansammeln oder Klebemarken o.ä. Kindereien. Ich mag NETTO [mit Hund Scottie] und bin gespannt auf neue Angebote. Wenn man immer dasselbe möchte, gern bei seinem Stammdiscounter bleiben, wenn man ‚Abwechslung‘ mag, gern NETTO [mit Hund Scottie] ausprobieren!

  • Guten Tag,
    bei uns in Neumünster, die Stadt liegt im Zentrum von Schleswig-Holstein, ist ein Netto mit Hund,
    der auf mich vor einigen Jahren beim ersten Besuch auch einen ramschigen Eindruck machte.
    Wenn man sich das aber näher betrachtet, sind es innerhalb des Ladens bestimmte Bereiche, wo Unordnung herrscht, besonders natürlich die Nonfood- Körbe, die immer wieder Neugierde erwecken.
    In denen aber nicht selten brauchbare, praktische Dinge zu finden sind und meiner persönlichen Erfahrung nach nicht schlechter als der Ramsch bei Penny.
    Die von mir bevorzugten Nahrungsmittel finde ich seit ca. 2 Jahren kontinuierlich an der gleichen Stelle. Und nur selten fehlt etwas.
    Kennzeichnung der Herkunft ist kein Thema, weil auf allem, was ich bisher in der Hand hielt, der Originalhersteller mit samt seiner Adresse drauf steht und nicht wie in anderen Märkten, besonders beim Netto ohne Hund, der blöde Spruch „hergestellt für ……“, als wenn man dies nicht selber gewusst hat.
    Das Schönste ist, dass es nicht so ein Überangebot gibt. Und das, was vorhanden ist, ist sehr oft durchaus brauchbar. Was es dort nicht gibt, braucht man eigentlich auch nicht. Wer zu viel Zeit oder Langeweile hat, kann ja zu den großen Märkten auf der grünen Wiese fahren. Viel Vergnügen !

    Es mag sein, dass die Filialen unterschiedlich sind, aber hier habe ich die oben genannten Erfahrungen gemacht .

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