Netto-(mit Hund)-Chef Paul Martin Berg: „Mit Regionalität können wir gegen Aldi und Lidl punkten“

Netto-(mit Hund)-Chef Paul Martin Berg: „Mit Regionalität können wir gegen Aldi und Lidl punkten“

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Im Supermarktblog-Interview erklärt Netto-(mit Hund)-Geschäftsführer Paul Martin Berg, wie die kleinste Discountkette Deutschlands ihre Läden umbaut und sich gegen den starken Wettbewerb positioniert.

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Vor zweieinhalb Monaten erschien hier im Blog eine kritische Betrachtung des neuen Ladenkonzepts von Deutschlands kleinster Discountkette, Netto (mit Hund), auf die auch Paul Martin Berg aufmerksam geworden ist.

Berg arbeitet seit 2014 als Geschäftsführer der deutschen Netto-(mit Hund)-Märkte, hat aber keine Beschwerde geschickt. Sondern eine freundliche Einladung zum Gespräch in einem neuen Markt in Berlin-Pankow, um zwischen Aktionsgittertischen und abgepackter Leberkässemmel zu erläutern, wohin er die dänische Kette steuern will. Und wie Regionalität seiner Meinung nach zum Discount passt.


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Herr Berg, Netto (mit Hund) will seit kurzem „regionaler MehrWerte-Discounter“ sein, aber in vielen Märkten ist vom versprochenen „Mehr Netto!“ noch nicht viel zu sehen. Warum?

Paul Martin Berg: Es gibt schon einiges zu sehen! Für frisches Fleisch, gekühlte Aktionsartikel und Tiefkühlware haben wir mehr Platz geschaffen. Als nächstes ist das auch für Obst und Gemüse geplant. Die Drogerieregale sind beleuchtet und haben blaue Leisten bekommen, um sich von anderen Sortimenten abzuheben. Ähnliches ist auch für den Wein in Vorbereitung. All das ist ein laufender Prozess.

Was ändert sich am Ladeneingang bei Obst und Gemüse konkret?

Wir beabsichtigen die Abteilung um rund 40 Prozent zu vergrößern und in allen Märkten Convenience-Kühlgeräte aufzustellen. Eine neue Fläche für saisonal wechselnde Artikel soll etabliert werden. Derzeit verkaufen wir fast ausschließlich abgepackte Ware. Das soll sich ebenfalls ändern. Obst und Gemüse haben bei NETTO schon jetzt einen Umsatzanteil von deutlich über 10 Prozent. Das ist für einen Discounter relativ viel. In einem Umbau einer Filiale bei Oranienburg, die im November wieder eröffnet, arbeiten wir noch einmal deutlich am Konzept. Wir probieren Holzanmutung im Ladenbau aus, installieren eine neue LED-Beleuchtung und testen neue Kassen.

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Woher kommt der Platz dafür?

Unter anderem von den Aktionsartikeln. Wir wollen dort leicht reduzieren, aber zugleich die aktuellen Wochenangebote attraktiver präsentieren, um letztlich mit weniger Tischen denselben Umsatz wie bisher generieren zu können. Außerdem reduzieren wir den Anteil der Konserven im Laden, die seltener gekauft werden.

Ist es nicht ein Problem, dass Sie das neue Konzept nur in ganz wenigen großen Märkten umsetzen können?

So würde ich das nicht formulieren. Richtig ist: NETTO hat keine vollständig durchstandardisierten Läden. In 70 Prozent aller Märkte lässt sich das neue Konzept relativ einfach realisieren. Bei den anderen ist es etwas mehr Arbeit. Ich weiß, dass es in Einzelfällen beim Ladenbild Defizite gibt. Genau das gehen wir in den nächsten Schritten an. Und wenn wir die Möglichkeit haben, erweitern wir Märkte auch um 200 bis 250 Quadratmeter. Die Durchschnittsfläche liegt derzeit bei 720, wir streben in Zukunft 850 bis 900 Quadratmeter an.


„Die jüngeren Kunden definieren
Regionalität sehr viel lokaler.“


Netto (mit Hund) wirbt stark mit Regionalität. In manchen Sortimenten muss man am Regal aber sehr lange nach regionalen Produkten suchen.

Inklusive Erfrischungsgetränken macht NETTO aber schon heute 30 Prozent seines Umsatzes mit regionalen Produkten, vor allem Bier, Spirituosen, Süßwaren, Wurstwaren, Molkereiprodukte und Fleisch. Regionalität gewinnt immer stärker an Bedeutung für die Kunden. Deshalb arbeiten wir daran, regionale Artikel auszubauen und auch am Regal sichtbarer zu machen.

Woher wissen Sie, dass die Kunden mehr Regionales wollen?

Wir haben Sie gefragt – und herausgefunden, dass die Erwartungen sich unterscheiden. Für viele ältere Kunden aus unserem Kerngebiet sind Produkte dann regional, wenn sie aus dem Osten Deutschlands stammen. Das setzen wir schon ganz gut um. Die jüngeren definieren Regionalität aber sehr viel lokaler. Wir verkaufen zum Beispiel Eier aus Mecklenburg-Vorpommern und stellen damit schon einen Teil unserer Kunden zufrieden. Wunschvorstellung ist es aber, Lieferanten zu finden, die noch näher am jeweiligen Verkaufsgebiet dran sind. Das ist die Herausforderung für die Zukunft.

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Warum ist das eine Herausforderung?

In manchen Sortimenten ist es nicht so leicht, überhaupt regionale Partner zu finden. Frisches Fleisch wurde bislang zum Beispiel für sämtliche Märkte aus Eberswalde in Brandenburg geliefert. Seit kurzem beziehen wir Fleisch für den Norden nun vom „Rostocker“, der uns garantiert, Tiere aus Norddeutschland zu verwerten. Wir haben auch einen weiteren Lieferanten für regionale Milch im Süden gefunden. Unser Anspruch ist es außerdem, in jedem Bundesland künftig regionales Gemüse anzubieten. Gerade haben wir die Marke „Maximum Natur“ gelauncht, die für regionale oder Bio-Produkte stehen kann. Künftig sollen 20 Produkte das neue Label tragen. Diese Aktivitäten führen zu einer deutlichen Steigerung der Artikelanzahl im Zentrallager. Platz dafür schaffen wir gerade in unserem Logistikzentrum in Wustermark. In unserem zweiten Lager in Stavenhagen steht diese Investition noch an.

Am Ende darf auf den Produkten aber nicht „Ich bin Regio“ draufstehen, wenn der Brokkoli, der – so wie jetzt – in Berlin im Regal liegt, aus Niedersachsen kommt.

Regionale Produkte können die Kunden künftig auf einen Blick an unserem neuen Siegel „RegioNah“ erkennen, das als zentrales Erkennungszeichen im Laden und im Handzettel eingesetzt wird. Wir bereiten das gerade vor und werden in den kommenden Monaten soweit sein. Den Brokkoli aus Niedersachsen würden wir künftig am Regal in Berlin nicht mit dem „RegioNah“-Zeichen versehen.

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Ist es für Regionalität womöglich eher ein Nachteil, als kleinere Kette im Markt unterwegs zu sein, wenn sich das Filialnetz über mehrere Bundesländer erstreckt?

Nein, im Gegenteil: Die großen Handelsketten stehen sich bei regionalen Artikeln oft selbst im Weg, weil sie Mengen benötigen, die die wenigsten Produzenten liefern können. Unsere Volumina passen viel besser zu den Strukturen im Markt.

Mit wievielen regionale Lieferanten arbeiten Sie derzeit zusammen?

Im Festsortiment haben wir etwa 160 regionale Lieferanten, das entspricht rund 35 Prozent aller Lieferanten.

Derzeit definiert Netto (mit Hund) Regionalität nach der Herstellung im Bundesland. Das ist aber ein Problem für Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt, wo es jeweils weniger als 30 Märkte gibt – und vermutlich kaum regionale Lieferanten. 

Von unseren 346 Märkten liegen 115 in Mecklenburg-Vorpommern, dort beläuft sich die Zahl der regionalen Produkte schon auf rund 100. In Schleswig-Holstein kommen wir auf 28 regionale Artikel. Wenn wir in Zukunft wieder expandieren, werden wir uns unter anderem deshalb eher auf unser Kerngebiet im Osten konzentrieren. Ich kann mir vorstellen, künftig wieder fünf Märkte pro Jahr neu zu eröffnen.

In diesem Jahr haben Sie vier Märkte geschlossen.

Es ging da um wenige, nicht rentable Objekte. Die Mittel fließen nun in die Entwicklung der Konzepte und Standorte.


„Wir bieten Kunden eine sehr viel größere
Artikelvielfalt als der Wettbewerb.“


Anders als die meisten Wettbewerber setzen Sie weiter auf eigenständige Bäcker in der Vorkassenzone. Würden Sie ohne die nicht viel Platz sparen?

Je intensiver andere Discounter auf Bake-Off-Konzepte setzen, desto eher bestärkt uns das in unserer Partnerschaft mit den Vorkassen-Bäckern, die ja auch für regionale Handwerkskompetenz stehen. Wir arbeiten dafür mit größeren Unternehmen wie dem Lila Bäcker zusammen, aber auch mit kleineren wie der Stadtbäckerei Kowalewski aus Neustrelitz. Wenn es sich anbietet, nehmen wir auch gerne Fleischer in den Laden mit auf. Im Moment sind ca. 300 Bäcker und ca. 125 Fleischer in NETTO-Filialen integriert. Im Laden selbst bieten wir nur ein kleines Grundsortiment an Backwaren, um auch die Einstiegspreise der Konkurrenz abzudecken.

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In Großbritannien hat sich Netto (mit Hund) gerade zum zweiten Mal innerhalb weniger Jahre aus dem Markt zurückgezogen. Wieso?

Ich kann nicht für die Kollegen sprechen, die für Großbritannien zuständig waren. Aber zu den Hauptgründen gehörte sicherlich, dass man erkannt hat, nicht so schnell wachsen zu können, um mit Aldi und Lidl mitzuhalten. Selbst mit 70 Läden wäre NETTO in Großbritannien keine relevante Marktgröße gewesen.

Gilt das nicht genau so für Deutschland?

Unser Deutschland-Geschäft ist aber bereits profitabel und hat klare Wettbewerbsvorteile gegenüber der Konkurrenz. Zum Beispiel sind wir selbst Eigentümer von rund 80 Prozent unserer Märkte. Und wir können Kunden durch unser Aktionsgeschäft, das etwa 30 Prozent des Umsatzes ausmacht, nicht nur eine sehr viel größere Artikelvielfalt als der Wettbewerb bieten, sondern erzielen damit auch vernünftige Spannen. Als kleinster Discounter in Deutschland haben wir glaube ich außerdem einen Sympathievorteil bei vielen Kunden.


„Ein gewisser Standard lässt sich auch
im Discount nicht mehr unterschreiten.“


Regional verankerte Supermarktketten wie Tegut, Coop und Kaiser’s Tengelmann haben Probleme, sich durchzusetzen. Kann das nicht auch im Discount passieren?

NETTO hat durch seinen Mutterkonzern Dansk Supermarked die finanziellen Mittel, um regelmäßig in die Märkte zu investieren. 20 Millionen sind zuletzt in die Erweiterung des Frische-Sortiments und Erweiterungen der Filialen geflossen. Dadurch konnten wir auf bestehender Fläche leicht wachsen. Wir merken aber auch, dass wir sofort wieder nachlegen müssen, weil der Markt sehr schnelllebig geworden ist. Zudem kaufen wir im Verbund mit den niederländischen Kollegen von AMS gemeinsam Artikel ein und verhandeln Eigenmarken vermehrt in der Gruppe mit Dansk Supermarked. All das trägt zum Erfolg von NETTO in Deutschland bei.

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Ist es richtig, dass Sie die Einkaufskooperation mit Edeka verlängern wollen, über Netto (mit Hund) bislang in Deutschland Markenartikel bezieht – was kurios ist, weil man sich ja parallel dazu vom gleichnamigen Edeka-Discounter Netto (ohne Hund) abzugrenzen versucht.

Dazu kann ich leider nichts sagen.

Macht Netto (mit Hund) überhaupt noch klassischen Harddiscount?

Wir sind Discounter, wollen das auch bleiben, aber zugleich mit begrenzten Mitteln neue Akzente im Laden setzen. Lidl entwickelt sich strategisch in Richtung Supermarkt, Aldi betont die Einfachheit – ich glaube, da können wir sehr gut mit Regionalität punkten. Wir sind, was den Ladenbau angeht, vielleicht spartanischer als manche Wettbewerber. Aber als klassischen Harddiscount würde ich das nicht mehr sehen.

Läge aber nicht genau darin die Chance? Kunden zu gewinnen, denen Aldi und Lidl jetzt zu schick und zu groß werden?

Auch die Discounter haben sich weiterentwickelt – vor allem, weil sich der Anspruch der Discountkunden verändert hat. Dem passen wir uns an. Es gibt immer wieder Spekulationen, dass dadurch Platz für Unternehmen frei wird, die wieder radikal auf niedrige Preise setzen und auf besonderes Ambiente verzichten. Aber ich glaube, ein gewisser Standard lässt sich heute einfach nicht mehr unterschreiten.

Foto Berg: Netto (mit Hund), Ladenfotos: Supermarktblog

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7 Kommentare
  • Der Discount-Laden mit dem tollen Hund im Logo findet also, daß die Kunden blaues Licht und Holzimitat haben wollen … – … nicht etwa einigermaßen gute Waren zu einigermaßen vernünftigen Preisen … so, so.

    • Einigermaßen gute Waren, zu sogar ziemlich guten Preisen hat der tolle Discounter mit dem noch besseren Maskottchen längst. Jetzt also auch noch schönere Läden was will Kund/in da noch mehr …?

  • Ich kenne nur die Netto-Läden hier in der näheren Umgebung, z.B. in Reichenau oder Lauban, auf deutscher Seite hatte ich noch keine Gelegenheit einen zu besuchen ….
    Aber wenn die Bestückung mit Waren ähnlich katastrophal ist, wird da wohl kein Preis zu gewinnen sein ….

  • Endlich mal wieder ein Beitrag zu einer der kleineren Ketten.
    Gerne auch mal wieder etwas zu Markant, Famila, Combi… 🙂
    Oder auch was sich bei Tegut seit der Übernahme getan hat.

  • Ich find’s klasse, das man bei Netto (mit Hund) auf den Post reagiert, indem man ein Interview anbietet – das zeichnet ein sehr gutes Bild, finde ich.

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