Veganz-Gründer Jan Bredack: „Mit einem klassischen Supermarkt hat das neue Konzept nichts mehr zu tun“

Veganz-Gründer Jan Bredack: „Mit einem klassischen Supermarkt hat das neue Konzept nichts mehr zu tun“

Inhalt:

Im Supermarktblog-Interview erklärt Jan Bredack, wie Veganz von der Supermarktkette zum Markenhersteller wird, was das für die verbleibenden Läden bedeutet und mit welchen Partnern er künftig wachsen will.

Partner:

Herr Bredack, bislang kennen die meisten Leute Veganz als Supermarktkette. Wenn Sie ein Jahr in die Zukunft schauen: Was hat sich dann verändert?

Bredack: Ich glaube, die Veränderung hat längst eingesetzt, seit wir angefangen haben, eigene Produkte unter unserem Namen in den Lebensmitteleinzelhandel zu bringen. Wir haben dadurch in kurzer Zeit viel mehr Menschen erreicht als das über eigene Läden möglich gewesen wäre. Aktuell sind wir europaweit in über 8500 Märkten mit durchschnittlich 25 Produkten vertreten.

Von den Veganz-Läden außerhalb Berlins haben Sie viele geschlossen, München schon im August, Frankfurt und Leipzig jetzt im Januar. Wieso?

Das ist schmerzhaft, war aber eine Notwendigkeit. Als wir 2011 mit Veganz gestartet sind, wollten wir eine Art Bio-Supermarkt für rein pflanzliche Produkte etablieren. Das war damals auch eine gute Idee. Mittlerweile gibt es vegane Produkte aber in fast jedem Supermarkt. Und die Motivation der Kunden, dafür zu uns zu kommen, wird geringer. Also müssen wir das Konzept der Märkte, die wir erhalten, ändern.

Wie genau?

Wir bauen die Läden zu Marken-Erlebniswelten um. Man wird dort weiter einkaufen können, es geht aber viel mehr darum, Produkte kennenzulernen und zu kosten – vorrangig unsere eigenen. Wir wollen aber auch jungen Marken eine Chance geben, bekannter zu werden. Mit einem klassischen Supermarkt hat das Konzept nichts mehr zu tun.

Dafür müssen Sie das Sortiment vermutlich deutlich verkleinern.

Genau das tun wir. Wir nehmen Regale raus, schaffen Raum für Verkostungsinseln und reduzieren von 4500 Produkten auf 1500 bis 2000. Ich glaube fest daran, dass Einkaufen sich in den kommenden fünf Jahren immer stärker in Richtung Gastronomie wandeln wird. Wenn man sich die Märkte von Whole Foods in den USA ansieht, sind das ja schon heute quasi Food Courts mit Regalen.

Bistros gab es in den Veganz-Läden bisher auch schon.

Wir haben die Idee, unsere Gastronomie in die Märkte hineinwachsen zu lassen. Im Dezember haben wir mit der Familie Sander, die auch an Vapiano beteiligt ist, das Clean-Eating-Restaurant The Bowl und einige Standorte des Bistros Goodies übernommen. Die dazu gewonnene Kompetenz möchten wir auch für unsere Veganz-Supermärkte und Gastronomie nutzen. Unser Standort hier in der Warschauer Straße in Berlin ist prädestiniert dafür: Schon jetzt kommen viele Leute, die erst etwas essen und dann eine Kleinigkeit einkaufen. Bisher mussten die sich zweimal anstellen. Hier prüfen wir derzeit neue Konzepte.


„Wir konzentrieren uns auf die
Leuchttürme der pflanzlichen Ernährung.“


Und die Leute, die kommen, um ihren Wocheneinkauf zu erledigen, schicken Sie künftig zur Konkurrenz?

Das macht schon heute praktisch niemand mehr, deshalb brauchen wir es auch nicht anzubieten. Wir wissen seit einer Weile, dass die Umsätze stetig zurückgehen. Was nutzt mir der Reis im Regal, den man bei denn’s, Alnatura oder Bio Company genau so bekommt? Mit 2000 Produkten haben wir in Zukunft immer noch eine ziemlich große Auswahl. Wir konzentrieren uns lediglich auf die Leuchttürme der pflanzlichen Ernährung und verzichten weitmöglich auf teure Importe aus den USA.


Foto: Goodies Deli

Auch auf Marken wie Tofurky, die lange sinnbildlich für den Trend zu veganen Lebensmitteln standen?

Das Verhalten der Kunden hat sich auch da gewandelt: Kaum jemand ist mehr bereit, für 3,99 Euro einen Wurstaufschnittersatz zu kaufen, wenn er den von Rügenwalder Mühle für 1,29 Euro im Supermarkt um die Ecke bekommt. Tofurkey ist eine tolle Marke und uns verbindet eine langjährige Partnerschaft – aber es verkauft sich bei uns nicht mehr. Die letzte Lieferung haben wir im Dezember bekommen.

Das heißt: Die Umorientierung großer Hersteller, für die Sie vor fünf Jahren geworben haben, hat Veganz im Grunde genommen geschadet?

Vor fünf Jahren habe ich gesagt: Ich wünsche mir, dass mehr Firmen solche Angebote schaffen. Genau das ist eingetreten. Dass es so schnell gehen würde, hätte ich nicht gedacht. Wir machen da quasi die gleiche Entwicklung durch wie der Bio-Fachhandel, nur schneller. Zugleich gewinnen wir aber neue Kunden hinzu: Wer vegetarische Produkte von Rügenwalder kauft, ist aufgeschlossen, auch Veganz auszuprobieren.


„Ich find’s auch nicht schön, wenn
die Kunden vor einem leeren Regal stehen.“


Eines Ihrer Gründungsziele war, als Veganer einkaufen können, ohne Zutatenlisten studieren zu müssen – weil jedes Produkt garantiert zu 100 Prozent vegan hergestellt war. Das geht bei Edeka und Rewe auch heute nur bedingt.

Unsere Kunden waren anfangs aber gar nicht überwiegend Veganer. Im Laufe der Jahre sind es mehr geworden. Das reicht aber nicht, um eigene Läden auf Dauer wirtschaftlich zu betreiben. Den Anspruch, keine Zutatenlisten studieren zu müssen, lösen wir künftig mit unserer Marke ein: Wer im klassischen Handel Veganz kauft, kann sich sicher sein, ein rein pflanzliches Produkt zu kriegen.

Sie drucken Ihre Marke auf Produkte und vermarkten sie unter eigenem Namen.

Wir drucken da nicht einfach unsere Marke drauf. Jedes einzelne Produkt ist neu entwickelt. Selbst für einen gängigen Artikel wie Kokos-Reis-Milch haben wir eine vollständig neue Rezeptur und Art der Herstellung gefunden. Bis wir mit der Produktqualität unserer Grünkohl- und Wirsing-Chips in Rohkostqualität zufrieden waren, sind anderthalb Jahre vergangen. Unser Ziel ist es, das Image, das wir uns als Supermarktkette erarbeitet haben, auf die Produktmarke zu transferieren.

Wie groß ist das Sortiment derzeit?

Aktuell sind wir bei 160 Produkten. Es kommen gerade schon wieder neue dazu. Wir wollen den Output aber etwas reduzieren. Bis Ende des Jahres sollen es 200 eigene Produkte sein, 2018 maximal 300.

Zuletzt gab es Probleme mit Lieferanten, die nicht rechtzeitig liefern konnten.

Ich find’s auch nicht schön, wenn die Kunden vor einem leeren Regal stehen. Aber inzwischen liegt der Umsatz mit den Veganz-Artiklen bei monatlich 2 Millionen Euro. Das ist ein gewaltiger Sprung, den nicht jeder Lieferant mitmachen kann. Ein Beispiel: Ein Hersteller, der einen unserer veganen Kekse produziert – ein absoluter Beststeller –, kann nur 6000 bis 7000 Verpackungseinheiten im Monat herstellen. Wir brauchen aber 20.000. Also suchen wir uns einen weiteren Produzenten, der das auffängt. 2016 war ein Lehrjahr für uns. Wir mussten uns mit unseren 40 Hauptlieferanten ganz schön strecken. Aber daraus sind starke Partnerschaften gewachsen.

Zugleich begeben Sie sich mit der Marke in den harten Wettbewerb im klassischen Handel.

Das ist ein völlig neues Geschäftsmodell, darauf sind wir eingestellt. Ohne die Gründung der Supermärkte hätte dieser Schritt aber gar nicht funktioniert. Ohne die Expertise und das Know-how, das wir aufgebaut haben, hätte sich nie jemand für uns interessiert und es wäre sehr viel schwerer gewesen, als Marke im Handel überhaupt aufzutauchen.


„Wenn wir eine neue Marke aufbauen wollen,
muss das jetzt passieren.“


In Ihrem Buch „Vegan für alle“ haben Sie das Discount-Prinzip mit seinen Niedrigpreisen vor drei Jahren noch stark kritisiert. Heute liefert Veganz auch an Handelsketten wie Kaufland. Hat sich Ihre Meinung geändert?

Ich sehe Kaufland gar nicht so sehr als Discounter. Das Markenangebot ist dort ja sehr breit und unsere bisherige Erfahrung zeigt, dass unsere Produkte in der Regel zum Unverbindlichen Verkaufspreis (UVP) angeboten werden.

Veganz-Produkte stehen auch bei Netto (ohne Hund) im Discount-Regal. Das widerspricht doch Ihrem Ansatz, eine Premium-Marke zu etablieren, deren Qualität sich auch im Preis abbildet.

Wir beliefern derzeit etwa 150 Netto-Filialen, allerdings nicht vorrangig mit unseren eigenen Produkten, sondern eher als Großhändler mit Fremdmarken. Das funktioniert vor allem in städtischen Lagen ganz gut, auf dem Land weniger. Und die Preise sind – abgesehen von Aktionen – dieselben wie in unseren Märkten.

Ich sehe immer wieder Produkte, die bei Netto (ohne Hund) oder dm zu niedrigeren Preisen angeboten werden.

Bei dm gehört es zur Philosophie, alle Produkte zu Preisen mit 5er-Endung zu verkaufen. Dadurch ist automatisch mal etwas günstiger. Wenn Artikel ausgelistet werden, kann es ebenfalls zu Abweichungen kommen. Sonst habe ich aber nicht den Eindruck, dass zu deutlich niedrigeren Preisen verkauft wird.

Sind Sie zufrieden mit den Verkäufen bei Ihrem Partner Edeka?

Das Angebot in den Läden ist bislang sehr unterschiedlich: In manchen gibt es eine riesige Auswahl, andere haben vielleicht nur vegane Nuss-Nougat-Creme im Regal stehen. Mein Eindruck ist: Die selbstständigen Kaufleute nehmen das Sortiment sehr gut an. Bei den Edeka-Regionalgesellschaften sind wir leider nur mit wenigen Produkten zentral gelistet.


„Wir wollen mit Veganz künftig
auch im Biohandel vertreten sein.“


Nach Medienberichten gab es Streit mit Edeka wegen nicht gezahlter Rechnungen?

Ich will da gar nicht zu sehr ins Detail gehen. Edeka ist mit 24,9 Prozent an unserer Beschaffungs-Gesellschaft Veganz Procurement beteiligt und seinen Pflichten als Gesellschafter nicht nachgekommen. Wir sind da aber in der Lösungsfindung.

Warum konzentrieren Sie sich nicht auf einen oder zwei starke Partner? Um nicht den Alnatura-Fehler zu machen?

Das ist sicher einer der Gründe. Dazu kommt, dass die Regalplätze für vegane Produkte im Laufe der kommenden ein bis zwei Jahre vergeben sein werden. Wenn wir eine neue Marke aufbauen wollen, muss das jetzt passieren. Deshalb versuchen wir, möglichst viele Partner zu gewinnen. Der Wettbewerb wird auch durch die Eigenmarken der Handelsketten stärker. Chia-Samen verkauft dm künftig zum Beispiel unter eigenem Namen. Dafür ist das Interesse groß, innovative neue Produkte von uns ins Regal zu holen. Gerade ist Hanf ein großes Thema für uns. Die DNA der Marke Veganz ist Innovation und Geschmack. Da sehen wir uns auch ein Stück weit als Trendsetter. Dafür brauchen wir mutige Partner wie dm, die im Zweifel auch Geduld haben, wenn ein neuer Artikel nicht sofort durch die Decke geht.

Welche Auslandsmärkte haben Sie im Blick?

In Österreich und Slowenien sind wir in Spar-Märkten vertreten. In den Niederlanden testen wir die Produkte bei Albert Heijn. Als nächstes gehen wir nach Italien, Kroatien, Spanien und Frankreich. Über einen Distributionspartner sind wir gerade auf dem Sprung nach Großbritannien. Wir sprechen aber auch in Deutschland mit einem potentiellen Partner, um künftig im Biohandel vertreten zu sein. Zirka 80 Prozent der Veganz-Produkte werden heute schon in Bio-Qualität hergestellt.

Ihr Engagement in der Gastronomie bedeutet aber nicht, dass aus der Supermarktette Veganz in Zukunft eine Restaurantkette wird?

Nein, aber ich sehe die Gastronomie als großen Wachstumsmarkt. Das Clean-Eating-Konzept von The Bowl – vegan, glutenfrei, ohne Zucker – ist sehr erfolgreich. Es ist nicht auszuschließen, dass wir noch dieses Jahr, spätestens aber im nächsten, einige mehr dieser Restaurants an den Start bringen und dort dann auch Veganz-Produkte eine Rolle spielen. Wir werden uns aber erst einmal auf Berlin konzentrieren, um eine Struktur zu etablieren, die auch anderswo funktionieren kann. Genau wie die Familie Sander glaube ich, dass das Konzept taugt, um daraus etwas Größeres zu machen.

Weitere Supermarktblog-Texte über Veganz stehen hier.

Fotos: Veganz (Bredack), Supermarktblog

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