Aldi Nord in Renovierlaune: Der Discount-Rummel ist in der Stadt

Aldi Nord in Renovierlaune: Der Discount-Rummel ist in der Stadt

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Mit deutlich bunterem Ladendesign als bisher will Aldi Nord endlich so modern wirken wie die Konkurrenz. Die Umbauten laufen mit großem Tempo – aber vor allem kleine Märkte müssen bei der Modernisierung Abstriche machen.

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Für einen kurzen Moment war man anzunehmen geneigt, das gute alte Aldi Nord sei von Außerirdischen entführt und durch eine extraterrestrische Handelsexistenz im gleichen Unternehmenskorpus ersetzt worden, als der Discounter Ende Juli in einer Pressemeldung (!) erklärte, freiwillig 5,2 Milliarden Euro investieren (!!) zu wollen, um alle (!!!) seine Läden zu verschönern – und folgende erstaunliche Begründung mitlieferte:

„die Zeiten der engen und sehr zweckorientierten ALDI Nord Märkte (sind) vorbei.“

Entweder hat das Discounter-Management in den vorangegangenen Monaten ein ganz erstaunlicher Sinneswandel gepackt.

Oder die Aliens haben einen Heidenspaß daran, Erdlinge mit knallbunt zurechtrenovierten Märkten aus ihrer Einkaufsaskese zu reißen.

In jedem Fall macht Aldi Nord bei der angekündigten Modernisierung (deren Bewilligung sich trotz befürchteter Querelen diverser Erben allenfalls geringfügig verzögerte) ganz schön Tempo. „Es geht los!“, bereitete der gerade ebenfalls aufgemotzte Handzettel die Kundschaft gerade auf die neuen Wohlfühlläden vor und druckte eine Deutschlandkarte, in der „unsere ersten frischen Märkte“ eingezeichnet waren. Gibt es auch in der Online-Variante.

(Diese Woche bedankt sich Aldi außerdem für die positiven Reaktionen der Kunden, von denen die überwiegende Mehrheit das neue Ladendesign noch überhaupt nicht zu sehen bekommen haben dürfte.)

Das künftige Erscheinungsbild basiert im Wesentlichen auf dem in Gladbeck getesteten Konzept (siehe Supermarktblog), das im April nochmal in einer deutlich farbfreudigeren Variante in Herten neueröffnete. Genau die soll nun Grundlage sämtlicher Umbauten im In- und Ausland sein.

Statt trister Start- und Landebahnflure hat Aldi das Sortiment einmal komplett umsortiert. Quergestellte Regale mit Gondelköpfen für Bio-Produkte, Wein und neue Artikel lockern das Ladenbild auf.

Obst und Gemüse sind ins Floß ans hintere Ladenende gerückt und ergänzen dort Fisch, Fleisch und Convenience-Produkte im Frischethekenflügel mit Farbleitsystem.

Dazu gibt’s eine deutlich größere Auswahl an Aufbackwaren, die künftig direkt im Brötchenknastensemble am Ladeneingang platziert sind (siehe Supermarktblog).

„ANIKo“ heißt das intern – kurz für „ALDI Nord Instore Konzept“. Womit dann auch direkt die kreative Grenze dieser doch eher terrestrischen Initiative abgesteckt wäre.

Das eigentliche Kunststück besteht ohnehin darin, die Änderungen auch in Läden umzusetzen, die nicht optimal auf die Erfordernisse des neuen Designs abgestimmt sind – und dabei im Zweifel Abstriche zu machen.

Rie-hie-hiesige Sortimentshinweise

Im Hertener Testmarkt sei „schon sehr gut zu sehen, dass die Kunden bei uns im Markt kein Navi brauchen“, ließ sich Thorsten Kinzel, Geschäftsführer Verkauf bei Aldi Nord, im Sommer zitieren. Um wirklich sicher zu gehen, dass niemand irritiert den alten Fliesenspiegel sucht, hat Aldi dann aber doch ein Navi ausgedruckt, das als Handreichung am Eingang bereit liegt:

„Mit diesem Lageplan finden Sie in Ihrem neuen Markt schnell zu Ihren Lieblingsprodukten.“

(Wenn Sie gerade keinen Plan haben bzw. keinen zur Hand, tut’s aber auch dieser Blogeintrag.)

Eine der auffälligsten Neuerungen sind die rie-hie-hiesigen Sortimentshinweise, die über den Regalen auf weißem Backsteinimitat, türkis glänzenden Fliesen oder Holzoptiktapete hängen.

Direkt darunter gerät der Discounter ein bisschen ins Plappern: Im Schreibschriftstil steht dabei, was Aldi für die jeweilige Kategorie besonders wichtig schien. Obst und Gemüse sind „täglich frisch“, okay; Backwaren „ofenfrisch jeden Tag“ – geht auch in Ordnung. Aber welche unverzichtbare Information steckt bitte genau in „Fisch – ein guter Fang“, „Basics – Das Beste auf Vorrat“, „Wurst – leckere Vielfalt“ und vor allem „Tiefgekühltes – allzeit geschmacksbereit“?

Ein Großteil der unnötigen Wortspiele nimmt vor allem Platz weg, der in vielen Märkten ohnehin nur spärlich vorhanden ist. Was dazu führt, dass die ausufernde Sortimentsbeschriftung mit Mühe zwischen Decke und oberste Regalreihe gestopft werden muss.

Oder gleich ganz weggelassen wird, weil sonst die schicken neuen Lampen direkt davor rumhängen würden:

Ohnehin haben sich die Aldi-Designer einen ganz ordentlichen Schilderwald in die Läden gepflanzt: „Frische – Wochenaktion“-Hinweise ergänzen Obst- und Gemüse-Illustrationen, die Unerhörtes mitteilen: „Tomaten – saftig lecker“, „Gemüse – voller Vitamine“, „Orangen – fruchtiger Genuss“, „Äpfel – knackig frisch“. Plastikbeutel für loses Obst darf man „Abreißen. Einpacken. Mitnehmen“. Und die Kontrollwaage bietet „Mit jedem Gramm mehr Vitamine“.

Wer dann noch nicht genug gelesen hat, studiert die zwischen Kartontürmchen geschraubte Weinschule, die über „die optimale Trinktemperatur trockener Weißweine“ informiert und ein paar schöne Regalaphorsimen parat hat:

„Je leichter der Wein, desto leichter sollte die Speise sein.“

Der ganze Laden ist eine einzige Einladung an den örtlichen Optiker, Sehtests der verehrten Kundschaft künftig direkt während des Wocheneinkaufs zu erledigen.

Besonders wichtig war’s Aldi Nord, „trotz aller Neuerungen immer noch ein Discounter“ zu sein. Genau das wird der sparsamen Zielgruppe auch offensiv mitgeteilt: „Frischer Markt – Preise wie immer“, steht in Broschüren und auf Ladenböden. Damit ja niemand auf die Idee kommt, er müsse die optische Auffrischung über teurer gewordene Dosenravioli mitfinanzieren.

Und tatsächlich ist die Aldi-Nord-Designinitiative ja zunächst einmal eine erhebliche Verbesserung des bisherigen Status Quo, wegen ihrer Rummeligkeit aber halt auch: gewöhnungsbedürftig.

So wie die in ihren Regalen wunderbar angeleuchteten Drogerieprodukte, die zusätzlich rosamundepilcherhaft mit einem schwebenden Stirnband in Milka-Lila gekennzeichnet sind („Kosmetik & Pflege – Für Körper & Seele“).

Ein bisschen wirkt das „ANIKo“ so, als hätten die Essener Ladendesigner, nachdem sie über Jahrzehnte die gestalterische Evolution der Konkurrenz beobachten konnten, auf einen Schlag all das nachholen wollen, was sie verpasst haben. Kein Wunder, dass das alles jetzt eher nach Jahr- als nach Discountmarkt aussieht. Schicker ist das zweifellos. Aber auch sehr viel aufräumbedürftiger und unordnungsanfälliger als bisher schon.

Etwa wenn das „Rezept der Woche“-Gittertischensemble der Kundschaft bereits am Samstagmittag ausgeräumt entgegen gähnt.

Ob es langfristig funktioniert, liegt deshalb auch daran, wie schnell Aldi Nord bereit ist, auf unnötigen Schnickschnack wieder zu verzichten, wenn der sich als hinderlich herausstellt – so wie auf die mit großem Tamtam eingeführten Kaffeeautomaten, die zumindest in den bislang modernisierten Berliner Kleinfilialen von vornherein keinen Platz bekommen haben. (Was voll in Ordnung geht.)

Immerhin eine Gewohnheit aus der alten Zeit hat sich Aldi Nord bewahrt. Angestanden wird nach wie vor im wochenaktuellen Nonfood-Gerümpel, Pardon: zwischen Gittertischen mit Aktionswarestapeln.

An fünf Bedienkassen, von denen auch zu Stoßzeiten allerhöchstens drei geöffnet sind. Nicht auszudenken, wie die Designrevolution ausgefallen wäre, wenn die Gestalter auch noch an diesem Tabu hätten rütteln dürfen.

Fotos: Supermarktblog"

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7 Kommentare
  • Gestern musste ich in meinem Aldi Süd feststellen, dass das Kühlregal umsortiert wurde. Aus Milch-Käse-Wurst-Fisch-Rest wurde nun Rest-Fisch-Wurst-Käse-Milch. Man fühlt sich gleich viel besser… Wäre interessant, wer auf diese Idee gekommen ist.

  • Am erfreulichsten ist der Einkaufskorb auf dem Bild. Deshalb gehe ich mittlerweile auch gerne zu Penny; bei den anderen Discountern fehlt er mir immens.

    Bin gespannt, wie die farbenfrohen Läden wirken. Im Umkreis gibt es einen in der farblosen Vorstufe, da irritieren die kurzen Quergänge zu sehr und sorgen für ganz viele Einkaufswagen-Menschen-Knubbel. Nicht so prickelnd.

    • Also ich finde die Entwicklung durchweg positiv.
      Eiinige ältere ALDI-Nord-Filialen sind bzw. waren einfach unglaublich ramschig. eng, unübersichtlich, schmutzig. Was ja alles irgendwie zusammenhängt und sich wohl gar nicht richig vermeiden lässt, wenn das Sortiment stetig größer wird (immer mehr Markenprodukte zusätzlich zur Eigenmarke) und der Platz nicht mitwächst..
      Auch beim Prodkuktdesign der Eigenmarke habe ich Veränderungen zum Positiven wahrgenommen. Das war ja auch wirklich anachronistisch.
      Ich kann mir vorstellen, ALDI Nord steht ordentlich unter Druck, um nicht vollends den Anschluss zu verlieren zu den übrigen sich ebenfalls stetig weiterentwickelnden Discountern.
      :
      PS an den Autor dieses Blogs: Ich lese hier wirklich gerne mit. Aber warum hat fast jeder Artikel so einen negativen Grundton ?

  • Wir haben hier bei uns in Schüttorf im letzten Oktober (2016) auch so einen Aldi Bekommen.
    Dafür wurde der alte sogar abgerissen und ein ca 30% größerer Markt gebaut.
    Ich muss sagen, seit dem Relaunch oder wie auch immer man das neue Design nennen will, gehe ich wieder viel lieber zum Aldi.

  • Hat Aldi Nord eigentlich Toiletten in seine neu gemachten Märkte eingebaut, so wie es die Konzernschwester Aldi Süd vor hat? Schließlich ist es nicht völlig ungewöhnlich, dass der Kunde auf die Toilette muss. Leider denken die meisten Ketten nicht daran. Bei Lidl, Aldi Nord, Netto (ohne Hund) und Norma habe ich noch nie ein Kunden-WC gesehen, das haben meist nur die großen Märkte wie Kaufland, Marktkauf und Real. Mit Kunden-WCs könnte der Aldi sein Image stark aufpolieren und könnte Zusatzeinnahmen sichern („Ich musste mal aufs Klo, aber weil ich jetzt bei Aldi gelandet bin, kann ich auch eine Kleinigkeit kaufen“).

    Andere Neuigkeiten, die der Aldi einführen könnte, sind WLAN (gibt’s schon bei Rewe und wenigen Kaufländern) und SB-Kassen für die eilige To-Go-Kundschaft, damit sie nicht ewig in der Schlange warten müssrn (was es bereits bei manchen Rewe-Märkten gibt).

  • Ja, schon erstaunlich, wie Aldi Nord bei der Mondernisierung seiner Märkte plötzlich Gas gibt, nachdem man dieses Theman zuvor 20 Jahre lang verschlafen hatte und das Gros der Märkte noch immer nach 70er/80er Jahre aussah. Hier im Raum Kassel wurden zwei Märkte (Leuschnerstraße und Baunatal) sogar komplett abgerissen und werden derzeit komplett neu errichtet. Dabei war der in der Leuschnerstraße erst ca. um die Jahrtausendwende herum neu gebaut worden, also noch keine 20 Jahre alt, der in Baunatal vermutlich kaum älter. Ob der Aufwand lohnt? Abgesehen von der Größe hätte man die meisten Neuerungen sicher auch in den alten Märkten unterbringen können.

  • Ai ai ai, ich habe eben eine neu eingerichtete Filiale in Essen betreten. Ein heilloses durcheinander, hier ein Gang, da ein Gang, dann eine Wand über die gesamte Länge.

    Ich habe mich noch nie so verloren gefühlt und hatte noch nie ein so großes Gefühl, die Hälfte vergessen zu haben.

    Am Eingang direkt der Brötchenknast – und dementsprechend ein großer Menschenknubbel, denn nichts ist wichtiger als Brot!

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