Rewe to Go in Berlin-Charlottenburg: Bloß keine Experimente, bitte!

Rewe to Go in Berlin-Charlottenburg: Bloß keine Experimente, bitte!

Inhalt:

In Berlin belegt Rewe to Go seit einigen Monaten einen Laden, der wie geschaffen ist für Experimente mit moderner Supermarkttechnik. Jetzt muss das im Unternehmen nur noch jemand merken.

Partner:

Sechseinhalb Jahre ist es her, dass Rewe sein neues Snackkonzept Rewe to Go in die Kölner Fußgängerzone pflanzte (siehe Ur-Supermarktblog) – und dort dann weitgehend sich selbst überließ. In den Jahren darauf folgten zwar weitere Neueröffnungen an Bahnhöfen und in Innenstädten; über den Status eines besseren Tankstellenshops (ohne Zapfsäulenanschluss) kam die Minikette aber nie hinaus.

Das musste sie zuletzt auch gar nicht mehr, weil man sich ob dieser konzeptionellen Ödnis rasch mit dem idealen Partner einig geworden war, um weiter zu expandieren: dem Tankstellenbetreiber Aral.

Der hat inzwischen angekündigt, an seinen Stationen in den kommenden vier Jahren „bis zu 1.000 Stationen mit REWE To Go-Shops“ installieren zu wollen. Und damit könnte die Sache eigentlich erledigt sein – wäre bei Rewe nicht im allerletzten Moment doch noch der Geistesblitz eigeschlagen, dass die triste Tankstellentochter zu Höherem berufen sein könnte. (Vor allem jetzt, da das Experiment Amazon Go sich laut Bloomberg langsam in Richtung Eröffnung bewegt.)

Bereits im zurückliegenden Frühjahr eröffnete Rewe to Go einen neuen Markt in Berlin-Charlottenburg, bei dem jeder Amazonier vor Neid erblassen dürfte.

Der Laden ist groß, aber nicht riesig, liegt direkt in der Fußgängerzone mit hoher Kundenfrequenz und verfügt über die besten Voraussetzungen, um neue Technologien und Kooperationen zu testen, wie sie für Lebensmittelhändler künftig unerlässlich sein werden, wenn sie sich in einem wandelnden Markt behaupten wollen. Schauen Sie mal ganz genau hin:

Bargeldlos-SB-Kassen

Am Eingang stechen direkt die schlanken SB-Kassen ins Auge, die im Grunde genommen nur aus einem berührungsempfindlichen Bildschirm mit Scanner bestehen, vor den man den Salat und den Smoothie hält, um beides anschließend kontaktlos mit der Karte zu bezahlen. Auf diese Weise spart Rewe sich die Kleingeldabrechnerei und der Kunde Zeit in der Mittagspause. Futuristisch-modern sehen die Terminals natürlich auch aus.

Nein, auf diesem Foto sind keine schlanken SB-Kassen zu sehen.

Gut, in Österreich ist Spar schon auf dieselbe Idee gekommen. Aber wichtig ist ja, dass man einfach mal was ausprobiert, um zu sehen, wie es bei den eigenen Kunden ankommt.

Kaffee per App

Den Kaffee von unterwegs per Smartphone-App vorbestellen, mobil bezahlen und direkt am Tresen abholen, wenn man in den Laden kommt, anstatt dabei zuzusehen, wie die Leute in der Schlange weiter vorne ewig ihre Milch aufgeschäumt kriegen: So lässt man sich seine Koffeinsucht gefallen.

Wie gut, dass Rewe to Go seinen riesigen Ladentresen nicht mit lauter altmodischen Kassen zugemauert hat, von denen die meiste Zeit ohnehin nur eine einzige in Betrieb ist – und stattdessen an einer separaten Station die Abholnummer der vorbereiteten Kaffeespezialitäten auf den Bildschirm beamt.

Sorry, das mit der Abholstation ist nix geworden – hier ist jedenfalls keine drauf.

Letzteres kriegt ja nicht mal Starbucks hin, das sich vor Umsatz kaum noch retten kann, seitdem Kunden ihren Kaffee mobil vorbestellen und die Bestellschlange umgehen können. Wichtig ist halt, dass man sowas einfach mal ausprobiert, um zu sehen, wie es bei den eigenen Kunden ankommt.

(Ach, und natürlich ist die moderne Rewe-to-Go-App zugleich Bonuskarte und speichert die Käufe regelmäßiger Wiederkommer ganz automatisch!)

Nix App, schön weiter stempeln!

Innovatives Sortiment

Süßkram, Standardsalate und ein bisschen Drogeriequatsch – das entspricht wahrlich nicht (mehr) dem Anspruch eines modernen Snack-Supermarkts. Stattdessen überrascht Rewe to Go in Berliner Zentrallage neben den Standards mit sorgfältig ausgesuchten Besonderheiten für den schnellen Genuss, die im Lidl oder in den Drogerien gegenüber nicht so einfach zu kriegen sind: Algenchips, Insektenriegel, edle Schokoladensorten, herausragende Knuspereien vom Feinbäcker.

Hier sehen Sie leider nur ein klassisches Supermarkt-Sortiment, teurer als im klassischen Supermarkt.

Wichtig ist – Sie wissen Bescheid: dass man’s einfach mal ausprobiert.

Kooperationen mit Food-Start-ups

Vor allem aber bleibt im Erdgeschoss des architektonisch legendären „Schirmständerhauses“ genügend Platz, um sich mit wechselnden Food-Start-ups zusammenzutun.

Im hinteren Ladenteil, wo man auch einfach eine unmotivierte Sitzgruppe hätte hindrapieren können, bieten die Partner schmackhafte Alternativen zu den pappigen Warmhalt-Wochengerichten, die eilige Vorm-Computer-Esser weiter vorn sonst in zu kleine Mitnahmeboxen gebrabst kriegen. Da ist so eine leckere Protein-Bowl mit Edamame-Bohnen, Kürbis, Brokkoli und rote Beete eindeutig die schmackhaftere Wahl. Und gesund zugleich!

Suchen Sie nicht weiter: Unter keinem dieser Sessel hat sich ein Junggastronom versteckt.

Sicher, in den USA ist Whole Foods schon auf eine ganz ähnliche Idee gekommen und holt sich erfolgreiche Jung-Gastronomen mit seinem „Friends“-Programm in die Filialen. Die wissen halt, dass man mal was ausprobieren muss, um zu sehen, wie das bei den Kunden ankommt.

Ist auch  besser, als ein paar winzigen belegten Baguettes affige Namen zu geben …

"Lord & Lady Baguettes" sind die neuste Rewe-to-Go-Innovation.

… und dann zu Wucherpreisen zu verkaufen.

Ja, das kostet 3 Euro. Jedes einzelne.

Scan and Go

Mittagspausen sind kurz, und wenn sie noch kürzer werden, weil sich im Schnellsupermarkt um die Ecke wieder die gesamte Kundschaft am Kassentroll staut, während nebenan zwei Mitarbeiter gemütlich Regale auffüllen, sind sie auch noch ätzend.

Im Rewe to Go würde das nie passieren, nie! Weil man dort verinnerlicht hat, wie kostbar die Zeit der Kunden ist: Einkäufe können kurzerhand per App bezahlt werden, ohne Umweg an die Kasse. Einfach registrieren, Produkt scannen, Zahlung bestätigen und beim Rausgehen den Bestätigungs-Screen scannen. Wer sagt denn, dass es hochkomplizierte Algorithmen braucht, um das Bezahlerlebnis im Supermarkt deutlich zu verbessern?

Hier gibt's nichts zu scannen, bitte begeben Sie sich direkt in die Kassenschlange.

Gut, in Großbritannien ist Sainsbury’s schon auf dieselbe Idee gekommen.

Es muss ja auch nicht gleich ein Supermarkt sein, der komplett auf Personal verzichtet – so wie Coop das in Dänemark vorhat bzw. Auchan mit „Auchan Minute“ in Shanghai bereits praktiziert. Wichtig ist einfach, dass man überhaupt mal was ausprobiert. Um zu sehen, wie es bei den Kunden ankommt.

Deshalb kann man Rewe zu der Neugierde, mit der die Handelskette in Charlottenburg innovative Technologien testet, nur beglückwünschen. Vergessen ist das merkwürdige Zitat des Vorstandsvorsitzenden, der kürzlich in einem Interview meinte, man werde „technologisch […] nie besser sein als Amazon“ (siehe Supermarktblog). Wer so aufgeschlossen in die Zukunft des stationären Handels schaut, anstatt einfach nur ein seit sechseinhalb Jahren nicht weiterentwickeltes Konzept von der Tankstelle in die Fußgängerzone zurück zu drücken, hat es schlicht und einfach verdient, im Wettbewerb um die Gunst der Kunden auch künftig ganz vorne mitzuspielen.

Und falls Sie sich wundern, warum die vielen in diesem Beitrag beschriebenen Neuerungen auf den Bildern oben gar nicht zu sehen sind: Bringen Sie halt ein bisschen Fantasie mit, verdammt noch mal!

Fotos: Supermarktblog"

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24 Kommentare
  • Häufig fühle ich mich alt, wenn ich in diesem Blog lese. SB-Kassen sind für mich ein no go (Rationalisierung von Arbeitsplätzen, Abwälzen von Tätigkeiten auf den Kunden), innovativer Plastik-Mittagsfraß aus „to go“-Shops ein Graus (kulinarisch wie umwelttechnisch), lauwarme Kaffee“spezialitäten“, die zur Abholung bereitstehen, sind für mich völlig neben der Tasse (ohnehin schmecken 95% der Kaffees da draußen mehr nach Katzenpipi als nach Kaffee).

    Den Wunsch des Journalisten, aufregende neue Konzepte präsentieren zu können, verstehe ich. Aber sind die beschriebenen – nein, fast sogar ein wenig kiebig eingeforderten – Dinge wirklich der Wunsch der Masse von Kunden? In der Kommentarspalte des Sainsbury’s-Artikels sind diese Technojünger jedenfalls nicht zu finden. Fand ich ganz spannend, wie vehement dort personallose Märkte, Apps und SB-Kassen auf Ablehnung stoßen. Würde mich mal interessieren, wie die Leser das hier sehen.

    Und noch die Anmerkung, dass in dem Absatz zur Kooperation mit den Food-Startups was nicht stimmt: „Im hinteren Ladenteil (…) pappigen Warmhalt-Wochengereichten (…) Vorm-Computer-Essern (…) Mitnahmeboxen gebrabst kriegen.“ Spätestens beim Modeverb „brabsen“ fühlte ich mich schon wieder soooooo alt.

    • Vielleicht haben Sie sich einfach ganz gut an die kleinen (und großen) Gängeleien gewöhnt, die der Handel halt so mit sich bringt, weil es schon immer so läuft. Ich versteh’s ja: Zahlreiche Kunden wollen ganz bestimmt auch in Zukunft nicht mit Neuerungen belästigt werden, für die sie sich umgewöhnen müssten – weil Umgewöhnung schwer fällt. Jüngere Kunden hingegen, nunja: ticken womöglich anders. Zumal viele Unternehmen schon darauf hinarbeiten, das Einkaufen bequemer, weniger nervig, stressfreier zu machen. Das bedeutet im Umkehrschluss nicht, dass der (stationäre) Handel seinen Kunden ausschließlich modernen Technikquatsch anbieten soll. Aber vielleicht fragen Sie nochmal die traurig aussehenden Leute in der endlosen Rewe-to-Go-Kassenschlange, wenn die ihren Mittagstisch im Becher wegtragen, der halb daneben gegangen ist, ob die sich ihre Pause nicht auch ein bisschen schöner oder länger hätten vorstellen können.

      (Abgesehen davon: Mitarbeiter können im Markt für ziemlich viele kundenorientierte Tätigkeiten eingesetzt werden; dafür muss man sie nicht auf ewig an die Kasse tackern. Als ob Rationalisierung immer die einzige zwingende Maßnahme wäre.)

      Aber: ja, gerne mehr Widerspruch!

    • Ich widerspreche gerne: Die Tankwarte wurden an allen deutschen Tankstellen ersatzlos gestrichen, als den Kunden beigebracht wurde, dass selbst zapfen hip ist. Die Konzerne haben sie durch eine kleine Zahl ungelernter Hilfskräfte ersetzt. Toilettenbenutzung gegen Gebühr. Reifen mit Luft betanken gegen Gebühr. Und natürlich darf man sich hinter sieben „Rewe to to“-Kunden einreihen, denn inzwischen macht man damit längst mehr Geld als mit Benzin. Wo die Konzerne Geld riechen, greifen sie es ab. Wo echter Service einsparbar ist, wird er eingespart (und durch Pseudoservice ersetzt). Glauben Sie wirklich daran, dass die Supermarkt-Konzerne anfangen, Mitarbeiter kundenorientiert einzusetzen, statt den Personalrotstift anzusetzen?

      Bei den meisten Neuerungen handelt es sich meiner Meinung nach um Potemkinsche Dörfer. Bloß weil eine Blondine werbewirksam ein glänzendes Metalldöschen öffnet und dann Petersilie draufstreut, bleibt Sheba eben doch nur Restmüll in Gelee (tschuldigung, ich meinte natürlich Katzenfutter).

      Am Ende sind all diese Maßnahmen eins: Sie sollen mich dazu bringen, den normalen Preis zu zahlen, während der Konzern dank meiner Mitarbeit spart. Und weil „selbst am Automaten tippen“ ja vom Kunden nicht als „Arbeitszeit“ erkannt wird, glaubt er blind, dass er total clever ist und Zeit spart.

      Ein echtes Einkaufserlebnis wäre für mich, wenn der Supermarkt keinen klebigen und stinkenden Leergutautomaten hätte, über dem „Wir lieben Lebensmittel“ auf Holzimitat geklebt steht. Oder wenn an einem Samstag an sieben Kassen sieben gutgelaunte Mitarbeiter säßen, damit der Kassiervorgang schnell und nett abläuft. DAS wäre für die meisten Kunden wohl ein echtes Einkaufserlebnis, das sie nie vergessen würden. Anonymen lauwarmen Plastikfraß in Windeseile bestellen und in sich reinschieben dagegen wird vermutlich nie ein „Einkaufserlebnis“ werden. (Wie immer handelt es sich um meine persönliche Meinung.)

    • Im letzten Punkt stimme ich Ihnen voll und ganz zu – aber Sie argumentieren natürlich massiv mit Schlagseite. Es sei denn, Sie sind bereit zu akzeptieren, dass Sie nicht mehr alles so schön zum Niedrigpreis einkaufen können, wenn all diese Wünsche plötzlich wahr werden. Die Tendenz zur Kostenreduktion allein der (notwendigen) Modernisierung anzulasten, halte ich für allerdings für kurzsichtig. Ohnehin vermischen Sie Ihre Technologieablehnung meiner Meinung mit allgemeinen Problemen der Branche.
      Und Ihr Tankstellenbesipiel ist nicht so richtig gut: Shell hat seinen „Tankwart-Service“ eingeführt, um der Konkurrenz (wieder) etwas voraus zu haben und den Kunden mehr Dienstleistung zu bieten; ich glaube, dahin könnte die Tendenz in vielen Branchen gehen. Womöglich wird dieser Service aber gar nicht überall gebraucht, weil Kunden unzerschiedlich denken (ich kann selbst tanken und empfinde das nicht als Last; ich kann mich selbst abkassieren und hab gelernt, wie das zügig machbar ist).
      Genau darzum geht es mir (z.B. in diesem Eintrag): Der Handel muss unterschiedliche Möglichkeiten schaffen und testen, um unterschiedliche Kunden zufrieden zu stellen.
      Von mir aus können Sie sich mittags den Eintopf immer selbst zuhause kochen. Ich will die Möglichkeit haben, unterwegs schnell lecker was zu snacken. Am liebsten frisch und plastikfrei.

    • Eigentlich sind wir standpunktmäßig gar nicht so weit voneinander entfernt. Beim Wochenendeinkauf gehe ich in den inhabergeführten Bioladen und bekomme auf die Frage, was bitte Khorasan-Brot ist, eine kompetente Antwort. Wenn’s mal schnell gehen muss, greife ich in den halbrunden Brötchenknast mit Bake-Off-Beduftung und versenke meine Zähne im enzymgepufften und heißextrudierten Prebake-Teigling. Stimmt schon, man kann nicht alles gleichzeitig haben.

      Modernisierungen und neue Technologien lehne ich keineswegs ab. Wenn sie nicht hilfloses Technikgefrickel sind. Neulich bei Budnikowsky: Auf Anraten der Kassiererin („Nee, machen Sie mal, ich warte so lange“), verschwindet die Kundin plötzlich im Laden. Stellt sich raus, dass sie an irgendeinem Bonusterminal irgendwas scannte und freudig mit einem Bon wedelnd wiederkam, den die Kassiererin dann scannte. Meine Freude war groß, denn die Kundin hat nun vermutlich drei Bonuspunkte mehr auf ihrem Budnicard-Konto. Toll. (Notiz an mich selbst: Die Frage „Kannst Du mir kurz was von Budni mitbringen?“nächstes Mal großzügig überhören.)

      Wie lerne ich denn bitte den Shell-Tankwart kennen? Wie auf der Website beschrieben „einfach vorfahren und abschalten“? Wie lange werde ich da wohl in meinem Auto sitzen? Während seiner Mittagspause von 13:30 bis 14:00 Uhr habe ich auf jedenfall eine ruhige halbe Stunde für mich. Währenddessen kann ich mir auf der Website ja sein schickes „Homestory“-Video angucken. Nur Antworten auf meine Fragen werde ich da nicht bekommen. Schönes Beispiel für Marketing-vorbei-am-Kunden.

      Genau diese halbgaren „Serviceversuche“ nerven mich. Will Rewe mal wieder innovativ sein, spielen sie Post und kleben ein Zettelchen mit DHL-Logo auf die angeranzte Tür des Pfandlagers. Die Kundin vor mir hebt an der Kasse nur noch schnell Geld ab („Haben Sie nicht auch glatte Scheine, soll ein Geschenk sein“), denn Bank kann Rewe ja auch. Und dann bin ich auch schon dran: „Haben Sie eine Payback-Karte? Nein? Wollen Sie einen Antrag dafür, nur heute gibt es 100 Extrapunkte und Sie würden sofort sparen!“). Wenn diese Projekte professionell gemacht wären und reibungslos funktionieren würden, ich wäre begeistert. Sind sie aber nicht. Sie sind allerhöchstens nett gemeint.

      Individualisierung, Nische und persönlicher Service sind angeblich DER Trend schlechthin. Der Kunde möchte sich auch bei Alltagseinkäufen wohlfühlen. Wenn ich es richtig sehe, verharren die Supermärkte in dem Glauben, dass das ohne Mitarbeiter funktioniert, wenn man nur dem 28. Abklatsch von Schreibschrift für ein Wohnzimmer-Feeling an die Wand hängt. Also wird groß angekündigt, mit viel Tamtam eingeführt und dann kehrt man zurück zum lästigen Alltag, schleppt es halbherzig durch und stampft es schließlich still und leise wieder ein.

      Schon mal IKEAs „SB-Infoterminals“ in der „SB-Halle“ ausprobiert, die da massenweise rumstehen? Mausklick nur mit Gegentreten, Benutzung quasi unmöglich. Natürlich zweifelte ich zunächst an meinen Fähigkeiten. Ich muss wie meine Großmutter an ihrem ersten PC ausgesehen haben. Irgendwann erlöste mich dann ein Mitarbeiter, der das beobachtet hatte. Zitat: „Die Dinger funktionieren nicht richtig, sind totaler Schrott. Geben Sie mal her, ich such das kurz für Sie an meinem PC raus.“ Ja, was nun? Erst soll ich SB, dann verbrate ich 10 Minuten damit, um dann zu erfahren, dass SB nichts taugt? Danach stellte ich mich übrigens an der etwas kürzeren Schlange der SB-Kassen an. Und wünschte mich schnell zurück in die lange Schlange der Glimma-Teelichtkäufer. Die SB-Kassen waren eine Ansammlung von roten Lichtern (Statusanzeige über dem Terminal) und nicht so hellen Leuchten (Muttis, deren Lisbeth-Cheyenne auch mal scannen will, Bonuspunkte eingelöst werden müssen oder irgendwas nicht funktioniert). Zeitgewinn? Null. Eher sogar im Minusbereich. Ich hatte mir ein Pärchen gemerkt, das dann später vor mir in der Hotdog-Schlange stand. Doch der technikaffine Kunde will beschäftigt sein, deshalb glaube ich auch, dass wir in Zukunft mehr SB-Kassen haben werden. Auf mehr freie Zeit würde ich nicht wetten wollen.

      Also nein, nichts gegen Versuche, auch wenn sie manchmal bei mir Kopfschütteln erzeugen. Wenn in zehn Jahren in Amazons verkäuferlosem Supermarkt die geneigten Prime-Abonnenten gegen eine zusätzliche monatliche Pauschale von 19,90 Euro (und einem Mindestbetrag von 40 Euro pro Einkauf) „persönliche Berater“ zur Seite gestellt werden, die zeigen, wo das Salz steht, werde ich es sicherlich hier im Blog zuerst darüber erfahren. Ich freu mich drauf. 🙂

    • Ja, na klar: Es gibt neue Technik, die schlecht programmiert ist, Haken hat, dumme Umwege notwendig macht. Und wie immer lernen regelmäßige Nutzer, damit umzugehen. Wie bei Viderekordern, Haushaltsgeräten, „Smart TVs“ (ha!). Fragen Sie nicht, warum die Backwarensuche bei Rewe und Kaufland an der SB-Kasse so ätzend unlogisch funktioniert – aber ich hab mich dran gewöhnt. Und brauch ein Drittel der Zeit, die ich sonst an der normalen Kasse rumstehen würde und Fragen beantworten müsste.
      In zehn Jahren bin ich hier aber sicher in Blogrente, da muss längst der Supermarktnörgelnachwuchs übernommen haben!

    • Ich fände es jedenfalls total töfte, wenn Supermärkte und Discounter zusätzlich zu den personalbesetzten Kassen auch SB-Kassen anböten. Dann bräuchte ich für meine zwei Tafeln Schokolade nämlich nicht 10 Minuten hinter der Familie mit Wocheneinkauf hängen. Wenn ich im Baumarkt bloß eine Handvoll Schrauben geholt habe, nehme ich auch die SB-Kasse (der hat nämlich welche!), weil’s schneller ist. Und selbst da steht übrigens immer noch ein Mitarbeiter (für vier Kassen), der bei Bedarf helfen kann.

    • Das wäre ja einfach nur eine Schnellkasse für bis zu 10 Artikel o.s.ä. Ob das dann eine SB-Kasse ist oder eine normale, wäre mir relativ egal, nur: Eine SB-Kasse ohne Artikelbeschränkung lässt einen den Familieneinkauf wieder dort finden.

      Schnellkassen funktionieren in vielen Ländern reibungslos, sogar dort, wo der mangelnden Verbreitung von Kontoeinzugsverfahren wegen keine Kartenzahlung funktioniert (weil Kreditkarten für die meisten Einkäufe bis 10 Artikel eben nicht in Frage kommen). Wenn ich nur schnell eine Kleinigkeit besorge, ärgere ich mich nicht über die Familie mit zwei Einkaufswagen vor mir. Sollte ich auf Familieneinkauf sein, nerven mich nicht wie hier die ganze Leute, die mit „nur dem hier“ vorbei wollen.

    • Aus eigener Erfahrung mit den SB-Kassen im Rewe (wo es keine Artikelbegrenzung gibt) kann ich sagen, dass sich das im Alltag ganz von selbst einpendelt. Wer einen Familien-Großeinkauf macht, stellt sich in aller Regel ohnehin an der personalbesetzten Kasse an, weil die SB-Terminals schon von den Abmessungen her auf den schnellen, kleinen Mittagspausen-Einkauf ausgelegt sind und es ab einer bestimmten Artikelmenge da keinen Spaß mehr macht. Da braucht es gar keine formelle Regelung. An die sich, so ebenfalls eigene Erfahrung als ehemaliger Toom-Kassierer, eh keiner hält: da wird lieber eine Viertelstunde lang erbittert drüber gestritten, ob ein 12er Streifen H-Milch jetzt als ein oder 12 Artikel zählt…

      Ich zahl im übrigen auch Einkäufe von 1,89 € mit Karte, und das ist weiterer Vorteil der SB-Kasse, da geht das nämlich ohne Genörgel und Augenrollen der Kunden hintendran, und sogar schneller als beim Bargeldeinwurf.

    • Ich dachte bisher, wenigstens das wäre klar. Ein Artikel ist ein Artikel, egal wie oft. Man muss ja auch nicht jeden Liter Milch einzeln über den Scanner ziehen. Sollte mir das an einer SB-Kasse zugemutet werden, werde ich diese nicht noch einmal benutzen.

    • Was wohl Ihr Urgroßvater zum heute üblichen und Ihnen offenbar lieb gewordenen, inzwischen „klassischen“ Supermarkt sagen würde, der in den Anfangsjahren noch „Selbstbedienungs-Supermarkt“ oder „SB Supermarkt“ genannt wurde?
      Vorher war es in Städten nämlich noch üblich, dass man zum Einkaufen einen apothekenartigen Verkaufsraum betrat und einem Mitarbeiter an einem Verkaufstresen sagte, was man einkaufen möchte und der holte die einzelnen Artikel dann nach und nach aus den Regalen an den Tresen und kassierte schließlich. Unendlich langsam, unendlich ineffizient und teuer. Kein Wunder, dass die SB Supermärkte solch ein Erfolg wurden und solche Läden heute quasi nicht mehr existieren.

      Und es gingen auch Jobs verloren als auf Barcodekassen umgestellt wurde, davor haben in der ganzen Republik addiert sicherlich tausende Menschen ihren Lohn damit verdient mit der Preispistole kleine Aufkleberchen mit dem Produktpreis an jeden verkauften Gegenstand zu kleben, eine wahre Sisyphusarbeit, die in stark frequentierten, großen Supermärkten quasi nie endete.

      Fortschritt beseitigt Aufwand und damit auch Arbeitsplätze, schafft an anderer Stelle aber auch neue. Bisher hat noch jeder Effizienzgewinn dazu geführt, dass die Menschen den Konsum von Waren und Dienstleistungen ausgeweitet haben, statt die Ersparnisse in’s Sparschwein zu geben. Mancher, der vielleicht vor 30 Jahren, als es in Deutschland noch hieß „draußen nur Kännchen“, mit der Preispistole bewaffnet 40 Stunden die Woche klackend an Supermarktregalen gestanden wäre arbeitet jetzt zwar immer noch im Servicebereich, aber zB als „Barista“ in einer der zig Coffeeshops die überall aufgemacht haben und darf vergleichsweise abwechslungsreiche Kaffeekreationen kredenzen und der Konsument schätzt eine leckere Kaffeekreation sicherlich auch mehr, als einen Preisaufkleber auf der Ware im Supermarkt.

      In volkswirtschaftlichen Dimensionen betrachtet hängt das eine aber tatsächlich mit dem anderen zusammen.

  • Falls Sie sich wundern, warum der in der Voransicht perfekt mit Absätzen ausgestattete Text nach dem Absenden eine uneditierbare Bleiwüste ist: Bringen Sie halt ein bisschen Phantasie mit, verdammt noch mal!

    • (Ihre Absätze sind alle dringeblieben; wenn Sie eine zusätzliche Leerzeile unter Ihren Absätzen wünschen, können Sie gerne entsprechende Formatierungen verwenden: <br class=“clear“ /> – siehe oben)

    • Dann müssen wir evtl. beide damit leben, falls nicht ein mitlesender WordPress-Auskenner noch einen guten Tipp hat.

    • Tante google sagt, dass es vermutlich am WordPress-Theme liegt. Das filtert die Befehle raus. Sie müssten für eine Lösung also wahlweise selbst basteln oder den Entwickler um ein Bugfix bitten. (Komisch, wer hat denn über meinem Monitor ein „Fasse dich kurz“-Schild aufgehängt?! Das war doch da vorher noch nicht???)

    • Danke fürs Nachsehen, aber ich fürchte, das müsste sich auf der Prioritätenliste momentan leider hinten anstellen. (Und so kurz, wie Sie sich jetzt fassen, ist es ja eh nicht mehr so dringlich, ne?)

    • Ich finde die Beteiligung des Lesers „de01002“ ja tatsächlich recht erfrischend!

      Aber zum Thema: Rewe-SB-Kassen probiere ich derzeit ab und zu im Frankfurter myZeil-Rewe aus und meine Gefühle diesbezüglich sind gemischt. Es könnte natürlich sein, dass es mit der generell hohen Frequentierung speziell dieser Rewe-Filiale zusammenhängt, aber ohne Anstehen kam ich dort auch bei den SB-Kassen nie davon. Soll heißen: Ich stand (gefühlt?) in etwa so lange vor den SB-Kassen hinter anderen Einkäufern wie es auch bei den normalen Kassenbändern der Fall gewesen wäre. Da sehe ich zunächst keine Zeitersparnis (offenbar DIE angepriesene USP von SB-Kassen) plus sogar mehr Aufwand (Scannen & Tippen), welcher mir als Käufer auferlegt wird.

      In diesem Kontext: Es gilt dann natürlich auch, dass ich in im SB-Kassen-Fall dazu verdammt war, während des Wartens meinen Einkaufskorb die ganze Zeit über in der Hand zu halten (oder wahlweise über den Boden zu schleifen oder wahlweise abwechselnd abzustellen und wieder aufzunehmen), während ich meine Waren im ‚Normalfall‘ bereits hätte aufs Kassenband legen, den Korb beiseitestellen und mich gedanklichem Leerlauf (oder, wie es halt so ist, dem Handy) hätte widmen können. Aber okay, das ist erstmal vielleicht kein starkes oder quantifizierbares Argument gegen SB-Kassen.

      Was die SB-Kassen selbst betrifft, bin ich denke ich doch bei Herrn Schader: Es gilt, sich als Konsument auf dieses Neue einzulassen, seine Eigenheiten zu verinnerlichen und dann – im Bestfall – davon zu profitieren. Zwei Beispiele aus der persönlichen Erfahrung: Bei meinem ersten Mal Rewe-SB-Kasse bin ich noch über die „Artikel einpacken: J/N“-Funktion gestolpert (samt, wenn ich verneinte, merkwürdiger Automaten-Reaktion: „Auswahl für dieses Produkt nicht möglich – bitte wenden Sie sich an einen Mitarbeiter“ oder so ähnlich). Beim zweiten Mal wusste ich schon, wie ich diese Schwierigkeit (un)elegant umschiffen bzw. ignorieren kann. Beim ersten Mal habe ich auch noch (aus Automatensicht offenbar:) unverzeihliche Fehler beim richtigen Abstellen des Einkaufskorbs begangen, beim zweiten Mal half mir mein Erinnerungsvermögen dabei, schon vorher auf die richtigen Seiten das Richtige auf die richtigen Ablage-Oberflächen abzusetzen.

      Hat man das SB-Kassensystem, dessen Unzulänglichkeiten sowie eigene Erstversuchsfehler also einmal durschaut, kann man damit (wenn alles glatt läuft) das Bezahlprocedere wahrscheinlich schon einigermaßen schnell abwickeln. Eine Schwäche bleibt nichtsdestotrotz, die gewiss nicht so bald aus der Welt geschafft sein wird: Sodexo-Gutscheine, wie ich erst vorgestern lernen durfte, können von den SB-Kassen nicht gescannt werden. Tja. Natürlich wiederum kein Problem, dass für jedermann gilt.

      Wie dem auch sei: Unabhängig davon wieder mal ein schöner Artikel, der mich zunächst sogar aufs Glatteis geführt hat, da ich die Bilduntertitel anfangs übersprungen hatte.

      Post Sciprum I: frohes neues Jahr!
      Post Scriptum II: Über das Absätze-Problem in Kommentaren bin ich hier selbst bereits gestolpert (wird ja auch den vorliegenden Comment betreffen). Da helfen weder s noch s, fürchte ich?

    • Einfach den Absatz (die Leerzeile) mit einem allein herumstehenden Punkt füllen.
      .
      Schon klappt das mit dem Absatz 😉

  • Holla, der Sarkasmuslevel hier im Blog wird ja immer höher. Gefällt mir!

    Ich fürchte allerdings fast ein bisschen, am Ende bekommt jedes Volk die Supermärkte, die es verdient. Und das bei dem unserem halt nun mal ein Discounter.

    So toll ich „sorgfältig ausgesuchte Besonderheiten für den schnellen Genuss“ ja auch fände: die „Algenchips, edlen Schokoladensorten und herausragenden Knuspereien vom Feinbäcker“ (fabelhafte Wortschöpfung!) würde ich garantiert ein einziges Mal probieren und dann nie wieder kaufen, weil für die tägliche Mittagspause zu teuer. Genau so wie die (?) „Protein-Bowl mit Edamame-Bohnen, Kürbis, Brokkoli und rote Beete“: wenn die mehr als 4 Euro kostet, probier ich sie vermutlich erst gar nicht.

    Was übrigens keine Gegenrede sein soll: ich fände es absolut wünschenswert, wenn der stationäre Einzelhandel etwas innovationsfreudiger würde und neue Sortimente, Strukturen und technische Spielereien ausprobierte. Seit Rewe endlich die ersten SB-Kassen nach Frankfurt gebracht hat, ist das für mich ein Grund, speziell in diese Märkte zu gehen, weil ich die personenbesetzte Kasse als fremdbestimmt und stressig empfinde. Selbst scannen per Handy-App? Her damit!

    Gleichzeitig erstaunt mich das dänische Beispiel mit dem personallosen Nachbarschaftsmarkt: sind die Skandinavier so ehrlich? Seit ich selbst mal als Kassierer in einem Supermarkt gejobbt und mitbekommen habe, wie hochgradig kriminell die Deutschen sind, wenn es um Ladendiebstahl geht, würde ich wetten, dass so ein Laden bei uns innerhalb von einem Tag komplett leer geplündert würde – Kameras hin oder her!

    • Die Protein-Bowl kostet hier sogar 9 Euro, und ich hab auch erst gedacht, dass mir das zu teuer ist. Bis es das nicht mehr war, weil es um Längen besser war als der triste Mittagstisch anderswo. (Geht halt nicht jeden Tag; andererseits: Kantinenessen, anyone?)
      Aber ja, natürlich, guter Punkt: Preissensivität. Hab ich genauso. Aber das, was in dem Laden oben Unverschämtes aus dem Warmhaltebottich geschöpft wird, ist gewiss auch nicht günstig und hat wirklich gar nichts mit diesen Symbolbildern zu tun.
      Und eigentlich dachte ich, dass der Sarkasmus in letzter Zeit ein bisschen zu kurz kam…

    • Auf dem Dorf in Bayern funktioniert das mit den unbesetzten Ehrlichkeitskassen bäuerliche Erzeugnisse wunderbar. Ich hol auch meine Milch vom nächstgelegenen Hof, Roh und unbehandelt, wo sich der Rahm oben absetzt, nichts aus dem Supermarkt schmeckt so. Abgefüllt wird in die eigene Milchkanne per hochmodernem Abfüllautomat mit Touchscreen der sich nach jedem Vorgang selbst desinfiziert. Auf dem Tisch daneben Milchkannen zum Erwerb und ein Sparschwein für das Milchgeld. 24h zugänglich, funktioniert.

      In München hingegen machen die jetzt schon auf die Packung Pistazien im Netto einen Diebstahlschutz drauf.

      Dazwischen liegen 30 Kilometer.

  • Es ist wirklich schade, dass Rewe hier nichts Neues probiert hat.
    Auf der Wilmersdorfer gibt es in unmittelbarer Laufweite eigentlich alles schon, was auch Rewe to go anbietet: Backshops, Cafes, Supermärkte, Fast food, Restaurants, …
    Mal sehen, ob und wie lange sich Rewe da halten will und kann.

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