Lidl versenkt seine Kochtüten (aber erstmal nur in der Kühltruhe)

Lidl versenkt seine Kochtüten (aber erstmal nur in der Kühltruhe)

Mit neuer Verpackung folgte der Umzug in die Truhe.
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Fünf Monate nach dem Verkaufsstart sucht Lidl noch nach dem richtigen Rezept für seine Rezeptsets – und demonstriert dabei anschaulich, wie schwer man sich mit Produkt-Innovationen tut, die nicht ins übliche Sortimentsraster passen.

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Fünf Monate nach dem Verkaufsstart in 20 Berliner Filialen sucht Lidl offensichtlich noch nach dem richtigen Rezept für seine Rezeptsets – und demonstriert dabei anschaulich, wie schwer man sich mit der Platzierung von Produkt-Innovationen tut, die nicht ins übliche Sortimentsraster des Discounters passen.

Dabei ist die zwischenzeitlich neu gestaltete Verpackung im Vergleich zur Ursprungsvariante durchaus gelungen: „Unsere Kochtüte“ steht nur noch ganz klein unterm Lidl-Logo, die Abbildung des fertig gekochten Gerichts hat sehr viel mehr Raum bekommen, dazu ist eine farbig hinterlegte Mini-Anleitung gerückt, die verrät, was sich mit dem Set überhaupt anfangen lässt:

„1. Schnippeln, 2. Kochen, 3. Genießen. Zubereitungszeit: ca. 30 Min.“

Auf der mit Karton verstärkten Tüte pappt jetzt außerdem ein „Frischesiegel“-Aufkleber, mit dem die verantwortliche Lidl-Tochter Kochzauber verspricht, die Produkte „Mit Liebe verpackt“ zu haben. Blöd halt, dass beides anschließend auf Nimmerwiedersehen in der Kühltruhe verschwindet.

Genau dorthin hat Lidl sein Produktexperiment inzwischen nämlich umgezogen. Im klassischen Kühlregal dürfte „Unsere Kochtüte“ auf Dauer (wie prognostiziert) zuviel Platz weggenommen haben.

Schusseligkeit oder Selbstsabotage?

Auf den im Laden ausliegenden Werbezetteln ist aus „Jetzt NEU im Kühlregal“ die Ortsangabe „in der Aktionstruhe“ geworden – und ich weiß nicht so genau, ob der unglückliche Transfer bloß großer Schusseligkeit geschuldet ist, oder nicht doch als absichtlicher Selbstsabotageakt gewertet werden muss, um das Experiment demnächst als erfolglos beenden zu können. (Was bei Lidl ja gerade im Trend liegt.)

Das Platzblockaden-Problem im Kühlregal mag zwar gelöst sein. Als Kunde muss man jetzt aber schon sehr genau hinsehen, um „Unsere Kochtüte“ zwischen Frischfleisch und gekühlten Sonderposten in der Truhe überhaupt zu finden. (Zumal man erstmal drauf kommen muss, beim „Frischfleisch“ nach der Veggie-Variante zu schauen.)

Wer noch gar nicht weiß, worum es sich bei der Produktneuerung handelt, dem muss die Neugierde schon hartnäckig befehlen, dafür bitte die Glasabdeckung aufzuschieben, um nachzusehen.

Das ist zwischenzeitlich offensichtlich auch Lidl aufgefallen – woraufhin jemand im Unternehmen die grandiose Idee hatte, Stolperfallen aus Pappe vor die Kochtüten-Kühltruhe zu rücken, um auf den darin versenkten Inhalt hinzuweisen. Die sehen nicht nur bescheiden aus, sondern stehen auch blöd im Weg rum.

Und sind ein hübscher Beleg dafür, dass es selbst in Lidls modernisiertem Laden-Design (von dem der Vorstand ja glaubt, es sei schon zu fortschrittlich) quasi keinen Raum gibt für die zeitgemäße Inszenierung von Produkten, die sich nicht auf Gittertische schütten oder in laufende Aktionsregalmeter einschieben lassen.

Das gilt genau so für die seit kurzem zusätzlich angebotene „Unsere Adventsbox“, die das Rezeptset-Prinzip aufs vorweihnachtliche Plätzchenbacken überträgt („4 Rezepte und Zutaten für die Adventsbäckerei“) – eine durchaus clevere Idee, mit ähnlich dämlicher Platzierung: In der von mir besuchten Filiale hat sich die „Adventsbox“ als stiller Beobachter des Marktgeschehens aufs oberste Fach des Brötchenknasts über die Schinken-Käse-Croissants zurückgezogen.

Wo die eine Hälfte der Kunden nicht hinguckt. Und die andere, wenn sie nicht zufällig eine Leiter dabei hat, nicht hinkommt. Sonderlich durchdacht wirkt das alles nicht.

(Kaufland hat das Problem mit seinem Pendant „Unsere Plätzchentüte“ [„Omas beste Mürbeteigplätzchen & Honiglebkuchen“] wegen des Verkaufs per Lieferservice nicht.)

Dabei hätte Lidl sich bloß im nahe gelegenen Ausland (bzw. im Supermarktblog) umschauen müssen, um zumindest für die Kühlvariante seiner Rezeptsets eine sehr viel bessere Alternative zu finden.

Truhen-TV zur Produkterklärung

Der bislang auch nicht gerade wegen seiner hübschen Ladeneinrichtungen bekannte britische Tiefkühldiscounter Iceland demonstriert seit vergangenem Jahr in neu designten Märkten, wie sich Produkte verkaufen lassen, die Kunden nicht wie frisches Obst und Gemüse mit ihrer Textur oder satten Farben überzeugen können: Indem man der Kundschaft per Bewegtbild-Schnelldurchlauf vorführt, was sich daraus Leckeres zaubern lässt.

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Das Truhen-TV ist offensichtlich von den Schnellkochfilmchen inspiriert worden, die zahlreiche Buzzfeed-Tasty-Klone seit geraumer Zeit in sämtliche Social-Media-Kanäle feuern.

Es wäre aber auch hervorragend zur Kochtüten-Bewerbung geeignet, weil Lidl damit sein auf die Packung gedrucktes Versprechen („Schnippeln, Kochen, Genießen“) direkt im Laden visualisieren könnte – nicht nur, um die Aufmerksamkeit für das Produkt zu steigern, sondern auch, um „Unsere Kochtüte“ für Kunden greifbarer zu machen, die sich darunter bislang noch gar nichts vorstellen können.

Dabei müssten genau die  ja überzegt werden, wenn der Discounter wirklich Interesse daran haben sollte, seine Kochtüte zu einem Erfolg zu machen, bevor Amazon mit einer eigenen Variante um die Ecke kommt (siehe Supermarktblog). Falls nicht, reicht natürlich ein doofer Pappaufsteller.

Fotos: Supermarktblog"


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6 Kommentare
  • Ein Blick in modernisierte Aldi Nord Filialen mit dem Rezept der Woche würde schon genügen. Auch wenn es keine gekühlte Kochtüte ist., ist die Platzierung im Frische Bereich klug gewählt.

  • (Kaufland hat das Problem mit seinem Pendant „Unsere Plätzchentüte“ anbietet [„Omas beste Mürbeteigplätzchen & Honiglebkuchen“] wegen des Verkaufs per Lieferservice nicht.)

    Äääh … wie meinen?

  • Lidl scheint das Thema Kochtüten so angehen zu wollen: „es ist modern und beliebt, wir haben es wenigstens mal versucht aber es hat sich leider nicht rentiert“. Und um das zu erreichen wird das Ganze absichtlich torpediert durch schlechte Platzierung etc. So ist es auch mit dem neuen Filialdesign passiert, man hat es versucht, es sah nett aus aber es ist den alten Herren zu teuer also macht man es madig mit fadenscheinigen Ausreden (die Kunden wollen keine Glaspaläste) und dann wird das Konzept vermutlich in der Form nicht mehr fortgeführt.

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