Amazons Locker-Kooperationen und der Umarmungs-Trugschluss des deutschen Handels

Amazons Locker-Kooperationen und der Umarmungs-Trugschluss des deutschen Handels

... in Kaufhäusern ...
Inhalt:

Händler stellen Amazon Locker in ihren Filialen auf, weil sie auf mehr Kundenfrequenz hoffen. Dabei ist bislang nicht erwiesen, ob die Paket-Abholer an Ort und Stelle auch wirklich einkaufen.

Partner:

Wenn’s um den Ausbau von Paketzustellstationen geht, verhalten sich DHL und Amazon umgekehrt kongruent zueinander: Die Deutsche-Post-Tochter kündigt gerne vollmundig Erweiterungen ihres Packstationen-Netzes an, kommt dann aber nur schwer in die Gänge. Amazon hingegen schweigt meist zu konkreten Plänen, akquiriert aber in einem beachtlichen Tempo neue Partner, bei denen Locker aufgestellt werden, an die Kunden ihre Amazon-Bestellungen adressieren können.

Im Gespräch mit „Der Handel“ bzw. etailment.de verspricht DHL-Paket-CEO Achim Dünnwald gerade wieder was:

„Dieses Jahr wollen wir 650 neue Anlagen installieren, plus ein paar hundert kleinere Paketkastenanlagen in Mehrfamilienhäusern.“

Und Amazon? Liefert ab. Seit dem offiziellen Start der Locker-Initiative im vergangenen Herbst (siehe Supermarktblog) ist schon wieder ein ganzer Schwung neuer Partner dazu gekommen.

Die Coworking-Community WeWork installiert Locker (mit beschränktem Zugang) für Mitglieder in ihren Räumlichkeiten. Nach Edeka, Aldi und dm hat auch die Rewe-Gruppe angebissen und stellt Locker z.B. an Penny-Märkten auf:

In Einkaufszentren tauchen die Locker (wie hier in Berlin) inzwischen ebenfalls auf:

Außer in Berlin, München und Hamburg können längst auch Amazon-Kunden in Stuttgart, Köln und Düsseldorf die grauen Abholstationen nutzen.

Seit einiger Zeit gehört außerdem Karstadt zum Kreis der Amazon-Partner. Das mag für die Kette eine schöne Gelegenheit sein, ein Wiedersehen mit früheren Kunden zu arrangieren, die als regelmäßige Prime-Nutzer schon seit längerer Zeit kein Warenhaus mehr von innen gesehen haben.

Umarmen statt bekämpfen

Für Stephan Fanderl scheint die Kooperation auch ein Stück weit der aktuellen Marktrealität geschuldet zu sein. Die „Lebensmittel Zeitung“ zitierte den Karstadt-CEO kürzlich mit der Bemerkung, man sehe Amazon als „Frenemy“:

„Das heißt, Feinde, die du nicht schlagen kannst, umarmst du.“

Und Umarmen kann Fanderl ziemlich gut: Platz für Amazon Locker ist bei Karstadt auch noch an den ungewöhnlichsten Orten, z.B. im Untergeschoss bei den Haushaltswaren in München.


Foto: Alexander P.

Oder wie in Berlin-Wedding im Karstadt-Restaurant gegenüber der Tablettrückgabe.

An diesem schönen Platz haben sich die humorigen Amazon-Techniker einen extra hübschen Namen für ihren Locker ausgedacht:

„Hallo, mein Name ist pommes.“

Öffentlich macht Amazon keinerlei Vorteilsversprechungen für „Standortbetreiber“ – außer einer möglichen „Werbepartnerschaft mit Umsatzbeteiligung“ für die Beklebung der Locker, die hierzulande bislang allerdings eher selten genutzt wird. So sieht die Ausnahme aus:

Als Hauptgrund für die Offenheit vieler Händler gegenüber der Kooperation mit einem Unternehmen, das hart daran arbeitet, ihnen die Kunden streitig zu machen, taucht ansonsten immer wieder ein zentrales Argument auf: Frequenz.

Anders formuliert: Man kann Kunden schlecht verbieten, bei Amazon zu bestellen – aber weil es so viele tun wenigstens dafür sorgen, dass sie für die Abholung ihres Pakets am eigenen Laden vorbeikommen.

Ihr Kunden, oh kommet

Diese Rechnung scheint tatsächlich aufzugehen, zumindest für die amerikanische Warenhauskette Kohl’s, die sich noch sehr viel stärker an Amazon gebunden hat als viele deutsche Händler. In Chicago und Los Angeles nimmt Kohl’s seit vergangenem Herbst Amazon-Retouren in seinen Filialen an. Der Service soll nun auf weitere Häuser bzw. Städte erweitert werden, schreiben Tamebay und Bloomberg.

Grundlage dafür ist eine Untersuchung, in der die Kundenfrequenz in 13 Warenhäusern in Chicago gemessen wurde: Die fünf mit Amazon-Rückgabeservice verzeichneten im Messzeitraum 8,5 Prozent mehr Besucher als die Häuser ohne. 56 Prozent der Retournierer wurden als „new Kohl’s shoppers“ bzw. Kunden registriert, die mindestens seit Juli 2017 nicht mehr in den Laden gekommen waren. (Die Auswertung erfolgte über die Geolocation-Funktion von Smartphone-Daten.) Das klingt – hervorragend!

Der entscheidende Satz ist aber dieser:

„What isn’t clear is whether the Amazon visitors made incremental purchases.“

Kohl’s kann durch das Amazon-Retourenangebot also offensichtlich mehr Leute in seine Filialen locken, hat bislang aber nicht erklärt (oder weiß nicht), ob die dort auch tatsächlich zusätzlich was kaufen. Oder die Läden hauptsächlich als überdimensionierte Paket-Abgabestellen nutzen, um sich all das, was sie benötigen, weiter von Amazon liefern zu lassen. (Mehr Informationen dazu könnte es nächste Woche bei der Bekanntgabe der Quartalszahlen geben.)

Schlange stehen? Barcode scannen!

Auch die Bereitschaft der deutschen Händler, sich mit Amazon einzulassen, dürfte im Wesentlichen auf der Annahme beruhen, dass Paketabholer im Idealfall noch was zusätzlich einkaufen, wenn sie schon mal da sind. Erstaunlich ist, dass offensichtlich schon der Glaube daran als Argument ausreicht.

Vor allem für einen großen Warenhausbetreiber wie Karstadt, der seinen eigenen Logistikvorteil (die Präsenz mitten in der Stadt) seinem vielleicht ärgsten Konkurrenten öffnet, der bis dato noch über kein eigenes Filialnetz verfügt.

Ein Beispiel: Der Amazon-Locker in Karstadts Düsseldorfer Vorzeigefiliale an der Schadowstraße steht im 1. Obergeschoss, unmittelbar neben der Abholtheke für Karstadts Click-&-Collect-Kunden. Dort stellt man sich, wenn man Ware auf karstadt.de in die Filiale bestellt hat, an einem gewöhnlichen Werktag in die Kassenschlange mit den übrigen Kunden, die eine Hose oder eine Bluse bezahlen wollen. Und hat beim Warten Zeit, sich anzusehen, wie der gut gelaunte Amazon-Kunde die Rolltreppe hochschlendert, sein Smartphone zückt, den Barcode auf dem Screen vor den Locker hält, seine Bestellung aus der geöffneten Station nimmt – und ohne jegliche Verzögerung wieder gehen kann.

Während man selbst weiter in der Abholschlange steht, weil der Karstadt-Mitarbeiter an der Theke weiter vorn noch mit Kassieren beschäftigt ist.

Zielstrebiger kann man als Warenhausbetreiber nicht dafür sorgen, die eigenen Kunden zu Kunden des Konkurrenten zu konvertieren – obwohl der Plan doch eigentlich das komplette Gegenteil vorsah.

Gleicher Service für eigene Kunden

Natürlich kann es für Händler sinnvoll sein, auch Kooperationen zu testen, die auf den ersten Blick nicht wie ein perfect match aussehen. Vielleicht hilft Karstadt eine erhöhe Frequenz ja tatsächlich, verlorene Stammkunden zurück zu gewinnen.

Aber müsste man, wenn es dafür schon keine Gewissheit gibt, nicht mindestens einen konkreten Vorteil für sich selbst dazu verhandeln? Zum Beispiel, indem man Abholstationen des Partners auch für eigene Click-&-Collect-Kunden nutzbar macht – damit die im Laden nicht schlechter gestellt sind als die des „Partners“ und wenigstens genau so schnell an ihr Paket kommen? Oder, wenn das nicht geht, einen ähnlichen Komfort mit eigener Technik anbieten? (So wie dm.)

Zur Bekanntgabe der Kooperation zwischen Amazon und Kohl’s ließ sich eine Kundenbeauftragte der amerikanischen Warenhauskette laut Tamebay mit den Worten zitieren:

„We’re going through one of, if not the, most transformational times in retail, and we have to really think differently. The retail market is so big there is plenty of room for Amazon and Kohl’s to co-exist.“

Ich bin mir relativ sicher, dass Amazon das nur so lange genauso sieht, bis sich die Chance bietet, es zu ändern.

Danke an Alexander P. für das München-Foto!

Mehr zum Thema:

  • Alle Texte über Amazon Locker im Supermarktblog

Fotos: Supermarktblog"

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12 Kommentare
  • Im Karstadt Wiesbaden ist der schmale Mini-Locker „Marius“ im obersten Stockwerk im Aufzug-Vorraum versteckt und aus dem Laden auch nicht einsehbar – wenn man nicht den Aufzug nutzt. Ich habe es am Anfang auch belächelt.
    Mittlerweile nach ca. einem Dutzend Sendungen, die ich dort abgeholt habe, weil es perfekt auf meinem Alltagsweg liegt, sehe ich es differenzierter. Tatsächlich habe ich 2-3 mal Kleinigkeiten auf dem Weg mitgenommen, meist aus der Schreibwarenabteilung im gleichen Stockwerk. (Manchmal habe ich auch versucht, etwas bestimmtes zu finden, was ich sowieso kaufen wollte – ein Buch, ein Werkzeug o.ä., aber sowas gibt es ja bei Karstadt leider praktisch nicht mehr.)
    Vor allem aber kenne ich von den eiligen vertikalen Durchquerungen des Hauses langsam aber sicher das Sortiment in allen Obergeschossen. Wäre ich vorher noch nie drin gewesen, wüsste ich jetzt zumindest von der Existenz des Angebots an Gardinen, Bademänteln, Edel-Kochtöpfen und überteuerten Filofax-Kalendern. Vielleicht tatsächlich etwas wert.

  • Solche „Mitnahmeeffekte“ finde ich schon bei Discountern wie ALDI fragwürdig, bei Karstadt und Co. gleich doppelt. Die meisten Menschen sind hoffentlich noch keine besinnungslosen Konsumzombies, die keinen Laden verlassen können ohne irgendwas des Kaufens willen zu kaufen. Ein seltsames Bild scheinen einige Experten da von uns zu haben.

  • Die Macht des Spontankaufs sollte nicht unterschätzt werden. Und wer sich die Ware an einen Locker schicken lässt, und damit bereit ist, einen zusätzlichen Weg auf sich zu nehmen, statt sich das Paket bequem nach Hause oder ins Büro liefern zu lassen, ist für den stationären Handel noch nicht ganz verloren.

  • Das mag sogar kurzfristig für Karstadt funktionieren.
    Aber denen fehlt immer noch eine (online) Strategie und mit Amazon holt man sich nun wahrlich den Teufels ins Haus.
    Ist doch irre.

    BTW: DM hat in seinem online Shop gerade eine Aktion für versandkostenfreien Versand (Head->Desk).

  • Wenn so ein Ding auf meinem Heimweg liegt und ich mir damit den Weg zur Postfiliale spare, weil (wie immer) niemand zu Hause war, dann habe ich schon einen Zeitvorteil. Also bestelle ich dahin. Und ob das dann der Hermesshop beim Schlüsseldienst ist, bei dem ich keine Schlüssel kaufe, oder der Karstadt, bei dem ich kein … kaufe, ist mir ziemlich schnuppe.

  • Also bei Supermärkten und Discountern oder auch Tankstellen finde ich die Kooperation sehr sinnvoll. Denn wenn man seine Amazon-Bestellung z.B. nach Feierabend am Aldi-Markt abholt kauft man dort vielleicht auch noch etwas fürs Abendessen, denn Hackfleisch und Nudeln kauft man nicht bei Amazon. Aber Karstadt und andere Warenhäuser sind doch gerade die Opfer des Amazon-Booms und dort holt man dann gerade die Sachen ab, die bei Amazon viel günstiger sind als im Warenhaus, z.B. Batterien o.ä. die ich mir als einziges als „Spontankauf“ vorstellen könnte und kauft sich nicht mal flott einen neuen Topf oder Anzug im Vorbeigehen.

  • Allgemein scheint hier unterstellt zu werden, dass die das alle gratis machen. Das würd mich schon sehr wundern, auch wenn Amazon zumindest mit Karstadt wohl kaum ins Geschäft kommen würde, wenn die Miete der einzige erwartete Nutzen wär.

  • „Während man selbst weiter in der Abholschlange steht, weil der Karstadt-Mitarbeiter an der Theke weiter vorn noch mit Kassieren beschäftigt ist.“
    Gutverkannt, das echte Drama für mich ist genau diese Warterei, weil ja inzwischen oft nur noch eine Kasse für ein ganzes Stockwerk existiert, die dann auch noch Reklamationen, Gutscheine und wasweißich noch alles bearbeiten muss! Das Karstadt-Management geht selber bestimmt nie bei sich einkaufen! Und das schreibt hier ein Kaufhaus-Fan, der dort auch gerne mal Dinge entdecken und vor dem Kauf anfassen mag…

  • Weil es bei den Holyeats-Posts keine Kommentarfunktion gibt, an dieser Stelle: ich lese das Supermarktblog vor allem auch wegen der Kommentare. Holyeats finde ich thematisch super, aber es fehlen einfach sehr die Kommentarmeinyngen, -ergänzungen und -hinweise. Lasest sich da was machen? Wenigstens hier im Nlog, wenn die Texte nun schon mal hier eingespeist werden?

    BG
    poupou

    • Kann ich sehr gut verstehen. holyEATS ist für mich aber gerade noch ein Test. Und ich kann momentan überhaupt noch nicht abschätzen, welche Auswirkungen die Bestimmungen der neuen Datenschutz-Grundverordnung auf meine Arbeit haben werden. Momentan ist deshalb nebenan leider keine Kommentarfunktion geplant. (Was nicht bedeutet, dass das so bleiben muss.)

  • Es ist nicht alles Gold, was glänzt, bei Amazon. Stichwort Kooperation mit WeWork: Am Standort Ku’damm in Berlin wurde vor drei Monaten ein Locker installiert. So sehr beschränkt ist der Zugang übrigens nicht, als WeWork-Kunde könnte ich dort rund um die Uhr abholen.

    Nur die Amazon-Zusteller, die haben eben nur Montag bis Freitag von 9 bis 18 Uhr Zugang. Und da ja Amazon Logistics bevorzugt abends ausliefert, ist es mir nun schon mehrmals passiert, dass Lieferungen drei Tage hintereinander nicht zugestellt werden konnten und deshalb zurückgegangen sind.

    Dass der Locker nur werktags tagsüber erreichbar ist, hat Amazon zwar in der Datenbank. Aber die logistische Leistung, die Zusteller entsprechend zu organisieren, schafft der Logistik-Konzern noch nicht. Hach, wie schön und zuverlässig und berechenbar war es früher, als der DHL-Zusteller so zwischen 11 und 14 Uhr geliefert hat. Mit AL heißt es nun, bis 18 oder 20 Uhr warten… und wenn es nicht klappt, am nächsten Tag das gleiche Spiel.

    Meine Bestellung vom letzten Freitag hätte Montag geliefert werden sollen. Amazon hat es geschafft, schon Samstag zuzustellen. Ähm, also dieses zu versuchen: „Der Transportdienstleister konnte keinen Zugang erhalten, um das Paket zu liefern. Bitte setzen Sie sich mit Amazon in Verbindung und geben Sie weitere Anweisungen für die Zustellung.“ Ja, das hättet ihr aber vorher wissen können!

    Ich will DHL zurück! 🙁

    Detail am Rande: Amazon ist am Ku’damm selber ein großer WeWork-Untermieter. Vielleicht hilft es, wenn die Amazon-Angestellten ihre privaten Bestellungen auch nicht zuverlässig bekommen.

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