Amazon holt Whole Foods Market als Produktmarke nach Deutschland

Amazon holt Whole Foods Market als Produktmarke nach Deutschland

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In Europa war Amazon mit seiner Bio-Marke Whole Foods Market bislang lediglich in Großbritannien präsent. Das ändert sich jetzt.

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Mit dem großen Aufschlag im hiesigen Lebensmitteleinzelhandel hält’s Amazon bislang wie die Deutsche Bahn mit ihren Zügen: Bei beiden verzögert sich die Ankunft auf unbestimmte Zeit.

Amazon Fresh liefert bislang gerade einmal in drei deutschen Metropolen; auch beim Schnelllieferdienst Prime ging es zuletzt nicht voran. Das könnte auch daran liegen, dass der Konzern in den USA alle Hände voll damit zu tun, die 2017 übernommene Biomarktkette Whole Foods zum Prime-Supermarkt um- und in das eigene Lieferuniversum einzubauen (siehe Supermarktblog). Laut „Wall Street Journal“ (Paywall) sollen demnächst weitere US-Filialen eröffnen.

Darüber, dass Amazon auch in Europa Supermarktketten übernehmen will, wird seitdem immer wieder spekuliert. Hierzulande beschränkt sich die stationäre Präsenz des Online-Händlers bislang auf Pop-up-Stores zu Marketingzwecken.

Dabei hat Amazon bereits vor einem Jahr europaweiten Markenschutz für diverse Whole-Foods-Marken (in Wort und Bild) beantragt: „Whole Foods“, „Whole Foods Market“, „WFM“ und „365“ (siehe Supermarktblog).

Außerhalb Großbritanniens machte der Konzern von seiner Marke in Europa seitdem jedoch noch keinen Gebrauch. Das ändert sich jetzt.

Cashews, Quinoa, Reis

Erste Anzeichen dafür gab es Ende des vergangenen Jahres rund um das Sonderangebotsspekakel „Prime Day“, als  auf der deutschen Website auch „Festtags-Angebote von Amazon-Marken“ beworben wurden. Darunter abgebildet waren die Logos von Amazon-Handelsmarken wie Wickedly Prime, Mama Bear, Presto! und Happy Belly, die inzwischen auch deutsche Kunden kaufen können. In der Mitte stand ein weiteres Logo: von Whole Foods Market.


Screenshot: amazon.de

Damals waren in der Kategorie „Lebensmittel“ aber keine entsprechenden Produkte zu finden. Und kurze Zeit darauf wurde die Illustration durch eine neue ersetzt, in der das grüne Logo wieder fehlte.

Offensichtlich war man im November ein bisschen früh dran. Inzwischen lassen sich auf amazon.de aber erste Bio-Lebensmittel unter dem Label „Whole Foods Market“ kaufen bzw. vorbestellen: Kürbiskerne, Cashews, Quinoa, Basmatireis, Kokosraspeln, Popcorn-Mais, Sonnenblumenkerne, Bulgur, Walnusskerne, Mandeln, Kokoskrapseln, Couscous, Paranusskerne, getrockenete Früchte usw.


Screenshot: amazon.de

(Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Texts sind die Produkte ausschließlich auf amazon.de, nicht aber über Fresh oder Prime Now verfügbar.)

Die Produktbezeichnungen sind in Englisch auf die cremefarbenen Verpackungen gedruckt; in kleiner Schrift darunter stehen sie aber auch in deutsch, französisch, italienisch und spanisch.

Das lässt Rückschlüsse darauf zu, in welchen europäischen Ländern Amazon Whole Foods ebenfalls als Produktmarke etablieren will (bzw. in welchen nicht: niederländische Produktbezeichnungen fehlen).

Hergestellt für: Amazon

Auf der Rückseite tragen die Artikel das EU-Bio-Siegel mit dem Herkunftszusatz „Nicht-EU-Landwirtschaft“; abgepackt wird die Ware in Großbritannien – und zwar für den darunter stehenden Absender „Amazon EU SARL“ mit Sitz in Luxemburg. Damit tritt Amazon erstmals selbst als Absender auf Whole-Foods-Produkten in Erscheinung.

Zusätzlich sind die Artikel mit dem „Organic Standard“-Siegel der Soil Association gekennzeichnet, einem der geläufigsten Bio-Siegel in Großbritannien, dasWhole Foods auch in den Läden verwendet.

Bei Verbrauchern hierzulande dürfte es weitgehend unbekannt sein. (Ob Großbritannien als Produktions-Basis für Europa nach dem Brexit langfristig eine gute Idee ist, wird sich sowieso erst weisen müssen.)

In erster Linie zielt die Strategie vermutlich ohnehin auf britische Kunden; zumindest in London ist Whole Foods bereits seit Jahren etabliert und betreibt sieben eigene Supermärkte (in höchst unterschiedlichen Größen), u.a. in Kensington, am Piccadilly Circus, in Fulham (Foto unten).

Möglich war das u.a. durch die Akquise der Londoner Biomarktkette Fresh & Wild im Jahr 2004, deren Läden Whole Foods im Anschluss auf den eigenen Namen umstellte. Als Eigenmarke blieb den Kunden der beliebte Vorgänger aber erhalten: Anders als in den USA, wo Whole Foods seine Eigenmarke „365 Everyday Value“ pflegt, wurden ähnliche Artikel in Großbritannien stets als „Fresh & Wild Organic Everyday Value“ verkauft. Sonderlich expansionskompatibel war das eher nicht.

Unter dem neuen Eigentümer scheint Fresh & Wild deshalb sukzessive aus den Regalen zu verschwinden; Nüsse, Hülsenfrüchte und Trockenobst schmücken inzwischen ein neues Whole-Foods-Label.

Januar 2018:

Januar 2019:

Die Umstellung ist noch in vollem Gange. Auf amazon.co.uk herrscht derzeit ein munteres Durcheinander aus Bio-Lebensmitteln vom bisherigen Eigenmarken-Absender Fresh & Wild, Fresh & Wild mit neuem Whole-Foods-Label und Whole-Foods-Produkten in europäisierter Verpackungsoptik.

In den britischen Läden ergibt sich darüber hinaus ein uneinheitliches Bild. Derzeit stehen nur wenige Eigenmarken-Produkte in den Regalen; in vielen Kategorien macht Whole Foods seinen Kunden in London momentan gar kein Handelsmarken-Angebot; in manchen Sortimenten werden weiterhin Fresh-&-Wild-Artikel abverkauft.

Gleichzeitig weitet Whole Foods das Angebot seiner Handelsmarke über das Trockensortiment auch auf frische Lebensmittel – z.B. gekühlte Pasta – aus (und kooperiert dafür mit lokalen Herstellern). Interessant wird sein, ob diese Produkte mittelfristig ebenfalls in anderen europäischen Ländern angeboten werden sollen.

In Deutschland verließ sich Amazon beim Handel mit Bio-Lebensmitteln bislang ausschließlich auf Partner – mit unterschiedlichem Erfolg. Im vergangenen Jahr hatte sich die Biomarktkette Basic als Partner für Amazon Fresh und Prime Now zurückgezogen; lediglich Tegut liefert weiterhin Produkte seiner Eigenmarke Tegut Bio und Artikel von Alnatura über die unterschiedlichen Amazon-Kanäle.

Bestell-Bio nur kiloweise

Im Interview mit der „Lebensmittel Zeitung“ hat Tegut-Geschäftsführer Tomas Gutberlet gerade erklärt, „unsere Eigenmarken [müssen] so stark sein, dass Amazon nicht darauf verzichten will“, wenn sich der Händler seine Ware künftig direkt bei der Industrie beschaffe.

Als ernsthafte Konkurrenz eignet sich Whole Foods als Marke aber erst, wenn es Amazon gelänge, ein sehr viel breiteres Sortiment auf die Beine zu stellen – und in Mengen zu liefern, für die Kunden zuhause nicht den Vorratsschrank anbauen müssen. Damit sich der Versand rentiert, liegt die Mindestabnahme des Whole-Foods-Trockensortiments  auf amazon.de derzeit bei 500 Gramm bis zwei Kilo pro Produkt.

(Ja, genau: Sie müssten derzeit für mindestens 38 Euro Bio-Cashewkerne bestellen.)

Welche Strategie sich Amazon für den erwarteten Einstieg in den europäischen Lebensmitteleinzelhandel zurechtlegt, ist weiterhin ein Rätsel. Sicher scheint bloß, dass der Konzern nicht (mehr) warten mag, bis einer oder mehrere stationäre Händler übernommen wurde(n); sondern auch europäische Prime-Kunden schon mal daran gewöhnen will, wer künftig der Bio-Lebensmittelabsender ihres Vertrauens ist.

Fotos: Supermarktblog

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4 Kommentare
  • Eine Packung „Kokoskrapseln“ ziehen wir ab, die war doppelt. Spannender Text! Allerdings: auf den Tag, an dem ich beim „Online-Höllenfürsten“ (Markus Barth) zwei Kilo bio-Cashewkerne bestelle, können sie in Luxemburg lange warten.

  • Das lässt Rückschlüsse darauf zu, in welchen europäischen Ländern Amazon Whole Foods ebenfalls als Produktmarke etablieren will (bzw. in welchen nicht: niederländische Produktbezeichnungen fehlen).

    Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien sind die klassischen europäischen Länder mit Amazon-Onlinestores. Einen niederländischen Store gibt es nicht wirklich (über amazon.nl gibt es E-Books, aber keine Waren, dafür müssen sich die Kunden über amazon.nl anmelden). Warum das so ist, erschließt sich mir bis heute nicht wirklich. Selbst Staaten in denen es Logistikzentren gibt, haben teilweise keine eigenen Amazon-Seiten (amazon.pl leitet auf die polnischsprachige deutsche Seite weiter). Am Ende importiert also der niederländische Käufer, während der deutsche Käufer seine Inhaltsangaben auf deutsch erhält, weil der Händler in Deutschland sitzt.

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