City-Supermärkte (4): Penny in München und Berlin – mein neuer Nachbar, der Design-Discounter

City-Supermärkte (4): Penny in München und Berlin – mein neuer Nachbar, der Design-Discounter

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In Städten wie in München und Berlin traut sich Penny, von der Discount-Norm abzuweichen und putzt seine Läden für die Nachbarschaft heraus: mit Street Art, Fliesendeko und Neonkunstwerken an der Decke.

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Mal ehrlich, von den ehrgeizigen Plänen der Tochter von Erwin Lindemann, die mit dem Papst eine Herrenboutique in Wuppertal eröffnen wollte, haben Sie auch nichts mehr gehört, oder? Macht nix. Der Lebensmittelladen in der Münchner Innenstadt, für dessen Gestaltung Darth Vader und Marusha im Auftrag von Penny eine gemeinsame Design-Agentur gegründet haben, ist ohnehin sehr viel spektakulärer zu betrachten.

An der dunklen Decke schwingen sich bunte Neon-Farbstrahlen in den Laden hinein.

Die Sortimentshinweise schimmern farbig auf tiefschwarzen Wänden.

Und die Regale leuchten raumschiffhaft den Weg bis zur schlanken Tresenkasse voraus.

Kurz gesagt: In der Nähe des Königsplatzes hat Penny eine Filiale eröffnet, die (nicht nur) im deutschen Lebensmitteldiscount ziemlich einzigartig sein dürfte. Und die konsequent auf die Bedürfnisse der schnell einkaufenden Stadtbevölkerung ausgerichtet ist.

Das bedeutet vor allem: viel Auswahl auf engstem Raum und ein üppiges Angebot an Sofortessen – nicht nur in der langen Kühlregalreihe, die Kunden direkt hinter dem Eingang mit Artikeln aus dem Penny-Ready-Sortiment empfängt.

Davor hat der Rewe-Ableger eine Salatbar und einen Tresen mit heißen Suppen für Selbstabfüller gebaut – die sehr überschaubare Preise versprechen (1,11 Euro pro 100 g Salate, 69 Cent pro 100 ml Suppe, Croutons kosten 19 Cent extra – wir sind ja immer noch im Discounter).

Unübersehbar ist auch die aus drei SB-Automaten bestehende Kaffee-to-go-Phalanx am Eigang, für die Penny maximal unbescheiden als „World’s Best Coffee“ wirbt.

Wer frische Backwaren kaufen möchte, muss dafür zwar ans andere Ladenende wechseln, wird dort aber nicht nur mit einem XXL-Brötchenknast überrascht, der auch „Lust auf was Heißes“ verspricht (Fleischkässemmel für 1 €, natürlich); sondern auch einen in Betonoptik verkleideten Thekenkumpel namens „Hot to Go“ gegenüber gestellt bekommen hat. Warmen Leberkäse aus der Vitrine gibt’s montags bis freitags zwischen 9 und 15 Uhr dazu.

Gerade hat die Nummer 4 im deutschen Discount einen Großteil ihrer Filialen aufgemöbelt, um gegen die Design-Ambitionen bei Aldi und Lidl zu bestehen (siehe Supermarktblog). Projektleiter Arne Boll erklärte im Rewe-Group-Magazin „One“ gerade, man wolle in den Filialen aber auch

„den sich verändernden Einkaufsgewohnheiten unserer Kunden Rechnung [tragen]. Beispielsweise geht der Trend stärker zu frischen, gekühlten Produkten, wobei Convenience eine wachsende Rolle einnimmt. Es war unser Ziel, diesen Produkten mehr Fläche einzuräumen, die Erweiterung der Kühlung war also ein Kern des Projekts.“

Dabei sollte jeder Penny-Kunde den Discounter seiner Wahl „aber weiterhin als solchen erkennen können“. In schöner Regelmäßigkeit erlauben sich die Kölner inzwischen jedoch, diese selbst auferlegte Vorgabe zu brechen – indem an geeigneten Orten Design-Discounter eröffnen, die deutlich von der üblichen Gestaltung abweichen und andere Sortimentsschwerpunkte setzen.

Damit pflegt Penny sein Nachbarschafts-Image aus der Werbung, weil sich eine Filiale auch in Optik und Auswahl der entsprechenden Nachbarschaft anpasst.

Graffitti für den Kiez

Die Gestaltung seines zweiten Markts im Berliner Bezirk Friedrichshain hat der Discounter kürzlich Künstlern aus der Umgebung überlassen, die den Discounter zur Street-Art-Bühne mit knallbunten Wänden umfunktioniert haben, typische Straßenbeleuchtung und orangefarbene Mülleimer inklusive – im Laden.

Die verordnete Unangepasstheit reicht bis zur Umbenennung der Sortimente in „Grünzeug“ (Obst und Gemüse), „Milchstraße“ (Molkereiprodukte), „Gefrierpunkt“ (für Tiefkühlware) und „Stößchen“ (für Sekt). Allerdings entbehrt es nicht einer gewissen Doofheit, unters „Alles frisch“-Graffitti ausgerechnet das Regal mit den Kartoffelpulverprodukten aus der Tüte zu stellen. Und die riesige Tanzfläche zwischen Aktionsgerümpel und Süßwarenabteilung am hinteren Ladenende lässt  erahnen, dass sich der sonst eher auf kleinerem Raum operierende Discounter mit dem vielen Platz bei maximaler Standardregalierung nicht so arg viel anzufangen wusste.

Anders gesagt: Im „Penny Box 80“ (der wegen des neuen Wohnquartiers an der Boxhagener Straße, in das er sich einfügt, so heißt) wirkt die Coolness ein bisschen arg angestrengt.

Das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Penny damit im Verglich zu dem direkt daneben gelegenen, hoffnungslos verschnittenen Lidl in einer völlig anderen Einkaufsliga spielt. (Die Rewe Group hat praktischerweise selbst einen kleinen Ladenrundgang ins Netz gestellt.)

Früher Bio, heute billig

Größtmögliche Flexibilität musste Penny für die Neueröffnung in der Berliner Friedrichstraße beweisen, wo der Discounter seit einigen Wochen – wie angekündigt – die Fläche des früheren Temma-Biomarkts belegt, den Rewe vor einem Jahr dichtmachte (bzw. in Köln in die Eigenständigkeit entließ).

Einen Teil der Sortimentsstruktur hat Penny beibehalten: Obst und Gemüse ganz vorne, Wein am rechten Ladenende, Milchprodukte in Kühlung hinten links.

Die schick verzierten Bodenfliesen grenzen jetzt nur nicht mehr wie früher an eine Frischetheke für Käse und Fleisch, sondern säumen schwarze Kühl-U-Bahnen für die SB-Bedienung.

Und obwohl in der Ladenmitte fast deckenhohe Regalreihen eingezogen wurden, hat Penny auch einen Teil des Ladenmobiliars beibehalten: Aktionsprodukte, Pasta und Wein sind – wie früher bei Temma die Bio-Spezialitäten – auf einfach aneinander gestellten Metallregalen gestapelt.

Die Wände werden von weißen und schwarzen Kacheln geziert. Alles in allem sieht der Laden nicht nur sehr viel moderner aus als der direkt daneben gelegene Rewe City. Sondern kann sich mit dem durchaus auch in der Lunch-Auswahl messen.

Im Mittelteil der Ladenfront sind der Temma-Bistrotresen und die vom Rewe-Gastro-Flop Oh Angie! genutzte Küchenzeile einem Ensemble aus Vorbereitungsküche und Snack-Theke gewichen. Die Idee, den riesigen Brötchenknast bereits außerhalb es Ladens zugänglich zu machen, ist clever und spart drinnen viel Platz – den Penny konsequent genutzt hat, um auch hier eine Salatbar einzubauen.

Man sieht dem Laden an, dass die Designer nicht einfach nur unterschiedliche „Module“ aneinandergestellt haben, um Individualität vorzutäuschen – sondern sich Gedanken machen mussten, wie man die Fläche so gestalten kann, dass sich ein stimmiges Gesamtbild ergibt. (Für einen Lebensmittel-Discounter.)

Bis zur Kassenzone hat die Ambition leider nicht gereicht: Anstatt wie in München schlanke Bezahltresen aufzustellen, stehen am Marktende drei klassische Förderbandkassen, die unnötig viel Platz wegnehmen – den man, um den Wagemut auf die Spitze zu treiben, auch mit Stehtischen für Sofortverzehrer hätte belegen können; oder, sagen wir: „World’s Second Best Coffee“.

(Die ehemalige Oh-Angie!-Restaurantfläche vor dem Laden ist inzwischen übrigens ebenfalls weitervermietet: an einen Zusammenschluss lokaler Asia-Spezialisten.)

Dass sich keiner der oben beschrieben Läden als Discount-Standard eignet, geht völlig in Ordnung – weil Penny damit meilenweit an seiner Kernzielgruppe vorbeidesignen würde.

Discounter mit Street-Credibility

Aber den Versuch, sich mittels derart aus der Reihe fallender Ladendesigns in manchen Nachbarschaften eine Art Street-Credibility als Design-Discounter zu erarbeiten, ist durchaus gelungen. (Besser jedenfalls als die rätselhafte Kampagne mit Nena für die Naturgut-Produkte.) Und ein schönes Zeichen dafür, dass Lebensmitteleinzelhandel keineswegs bedeuten muss, immer nur in Standards zu denken, die auf alle Verkaufsflächen anwendbar sein müssen.

Zumal Penny als Trendsetter schon vor Jahren für sich entdeckt hat, dass Discount-Eigenmarken nicht zwangsläufig billig aussehen müssen, sondern ganz im Gegenteil: manchmal schicker als so mancher Markenartikel.

Dass sich dabe eine gewisse Lücke zwischen Design-Realität und Produktqualität aufgetan hat, gehört aber auch zur Wahrheit. Die schönste Verpackung hilft wenig, wenn die Kartoffelchips, die drin stecken, bloß fettige Paprikapulvertransporteure sind. Und der Brötchenknast mit Fliesendeko mag der schönste im ganzen Viertel sein – am Ende muss aber natürlich vor allem die Warmhaltequiche schmecken, die sich der Kunde rausgeangelt hat.

Vielleicht wird das ja die nächste Penny-Mission, wenn sich bei der Kundschaft der Ruf als Street-Discounter erstmal gefestigt hat: die Arbeit am Geschmacksdesign.

Fotos: Supermarktblog


Supermärkte müssen flexibel sein, um kleinere Flächen in der Stadt zu belegen. Das Supermarktblog stellt eine Auswahl interessanter Läden vor.

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