Weshalb Aldi und Lidl der Deutschland-Start des russischen Discounters Mere kalt lassen kann

Weshalb Aldi und Lidl der Deutschland-Start des russischen Discounters Mere kalt lassen kann

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Ist die geplante Expansion eines russischen Harddiscounters tatsächlich ein „Angriff auf Aldi und Lidl“? Wohl kaum – die Gunst der ostdeutschen Kunden liegt schon jetzt ganz woanders.

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An diesem Dienstag hat die russische Discountkette Torgservis unter dem Namen „Mere“ ihre erste deutsche Filiale eröffnet – einen Laden am Rande von Leipzig, der mit seinem Konzept Anhänger des langsam aussterbenden Harddiscounts begeistern möchte und ein überschaubares Sortiment zu Niedrigpreisen in spärlicher Einrichtung verkauft.

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Den langen Schlangen zur Eröffnung zum Trotz: Die Erfolgsaussichten des Konzepts dürften hierzulande überschaubar sein. Aber die Medien sind trotzdem schon seit Wochen ganz aus dem Häuschen:

„Russen-Markt greift Lidl und Aldi an“ (focus.de)

„Angriff auf Aldi und Lidl – Russischer Discounter will nach Sachsen-Anhalt expandieren“ (Mitteldeutsche Zeitung)

„Müssen Aldi & Lidl zittern? Russischer Discounter startet in Deutschland“ (chip.de)

Nein, müssen sie nicht.

In einem weit verbreiteten Text hat die Deutsche Presseagentur (dpa) in dieser Woche gleich mehrere Gründe dafür aufgelistet. Der wichtigste ist: Torgservis/Mere fehlt es in Deutschland auf absehbare Zeit an Größe – selbst wenn es dem Handelsunternehmen gelingen sollte, bald weitere Märkte zu eröffnen. (Dagegen spricht, dass schon die Eröffnung in Leipzig ein ziemlicher Kraftakt gewesen sein muss, mehrfach verschoben wurde und die Kette, die ursprünglich „Centwelt“ heißen sollte, vor dem Start noch flugs umbenannt wurde.)

Aber selbst wenn Mere bei den deutschen Kunden ankommen sollte, wäre das nicht in erster Linie ein Angriff auf Aldi und Lidl, wie nun vielfach geschrieben wird.

Expansion in Ostdeutschland

Das liegt vor allem daran, dass die Russen angekündigt haben, vor allem im Osten Deutschlands expandieren zu wollen:

„Zum Ausbau unseres Filialnetzes suchen wir geingnete [sic] Standorte in- [sic] Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Brandenburg und Berlin geeignete Standorte [sic].“

Also (unter anderem) im Stammgebiet von Netto (mit Hund), das zur dänischen Salling Group gehört und seine Filialen mehrheitlich in Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt betreibt. Dort versucht sich der Discounter insbesondere durch Produkte von Herstellern aus der Region von der Konkurrenz abzugrenzen, bedient also schon den Wunsch vieler Kunden nach einem Sortiment, das sich stark an den WurstVorlieben in den jeweiligen Bundesländern orientiert.

Als kleinster Discounter Deutschlands verfügt Netto (mit Hund) derzeit über 347 Märkte; selbst davon ist Torgservis/Mere noch ziemlich weit entfernt.


Kleiner Exkurs:

(Wie schwierig es sein kann, sich als neuer Discounter im Markt zu etablieren, hat Netto [mit Hund] wiederum in Großbritannien erlebt: Um Aldi und Lidl Paroli zu bieten, versuchte die Handelskette vor vier Jahren den Neustart und sicherte sich dafür die Unterstützung des Supermarktpartners Sainsbury’s. Nach anderthalb Jahren (und nur 16 Neueröffnungen) war schon wieder Schluss. Sainsbury’s-CEO Mike Coupe erklärte damals, man habe viel schneller wachsen und sich im umkämpften Immobilienmarkt viel mehr Standorte sichern müssen, um mithalten zu können; das sei nicht möglich gewesen. Inzwischen will Sainsbury’s über die angekündigte Fusion mit dem Wettbewerber Asda wachsen – an den Netto [mit Hund] seine Filialen bei seinem ersten Rückzug aus dem britischen Markt im Jahr 2010 verkauft hatte.)


Bloß mal angenommen, es gelänge dem Herausforderer dennoch, im Markt Fuß zu fassen und mit seinen (noch zu eröffnenden Filialen) nennenswerte Umsätze zu erzielen – Lidl und Aldi könnte das trotzdem weitgehend kalt lassen.

Aus dem einfachen Grund, dass vor allem Aldi in der Gunst ostdeutscher Kunden schon jetzt eine eher nachrangige Rolle spielt. Wenn man schon einen „Angriff“ herbeidichten möchte, dann müsste das einer auf Kaufland sein.

Kaufland siegt in der Kundengunst

Einmal im Jahr lässt die MDR Werbung die Nutzung und Bekanntheit von Marken und das Konsumverhalten von Verbrauchern in ihrem Sendegebiet untersuchen. Jahr für Jahr ergibt sich dabei ein Bild, das sich von dem in Gesamtdeutschland massiv unterscheidet.

Die meist frequentierten Einkaufsmärkte in Mitteldeutschland sind nicht – wie im Bundesschnitt – Aldi und Lidl, sondern Kaufland und Netto (ohne Hund). Ganze 38 Prozent der befragten Kunden in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen nennen Kaufland als den Markt, in dem sie „überwiegend“ ihre Lebensmittel und Getränke einkaufen; mit deutlichem Abstand folgt Netto (ohne Hund) auf Platz 2 (26 Prozent). Kaufland schneidet in Mitteldeutschland doppelt so gut ab wie im Bundesschnitt (19 Prozent) – und besser als Aldi, das 35 Prozent aller Deutschen als ihren hauptsächlichen Einkaufsort nennen (PDF).

(Netto [mit Hund] schafft es in der MDR-Auflistung nicht einmal in die Top 10, hat seinen Filialschwerpunkt aber auch eher im Nordosten.)

Anders gesagt: Mal gucken, was die Russen in Deutschland auf die Beine stellen. In der Nische – und mehr als das ist der Harddiscount aus früheren Zeiten heute in Deutschland nicht mehr – mag das Konzept funktionieren. Aber selbst das dürfte für die Anbieter, die den Markt derzeit beherrschen, kein großer Grund zur Sorge sein.

Titelfoto [M] + Fotos: Supermarktblog, Logos: Torgservis/Mere, Aldi Süd, Aldi Nord, Lidl

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25 Kommentare
  • Der letzte echte Hard-Discounter ist ja ansonsten eigentlich Norma, oder? (Wenn man die Rumpelbuden mit Hund mal als ganz eigene Klasse betrachtet.) Ist irgendwie überall (die Läden fallen mir irgendwie auch immer besonders im Osten auf), aber taucht in keinem Ranking auf und fliegt auch sonst meistens unter dem Radar. Ich hab auch seit Jahren keinen Fuß mehr in eine Filiale gesetzt, aber beim Blick aufs Mere-Interieur musste ich doch spontan mal wieder an die Nürnberger denken. (Oder habe ich da seitdem eine Entwicklung verpasst?)

    • Ich glaube, das fasst die Entwicklung gut zusammen; Norma scheint damit aber durchaus erfolgreich zu sein. Wie gesagt: in seinem Reservat dürfte auch der Harddiscount noch ein Weilchen gedeihen können.

    • Vollkommen richtig. Wenn 30 Jahre altes Interieur auf Gammelobst, dreckige Böden und zugemüllte Wühltische mit NVA Feldsuppe trifft, dann sind Sie in einem Norma-Markt. So richtig schön gruseln kann man sich z. B. in Berlin-Lichtenberg, dort ist der Zustand sämtlicher Filialen als atemberaubend siffig und veraltet zusammenfassbar. PS: Witzigerweise ist Norma bei Markenartikeln oft deutlich teurer, man fühlt sich an Schlecker zurückerinnert

    • Bei Norma ist halt nicht wirklich der Preis das Argument, auch wenn sie sich da bei Standardsachen keine Blöße geben. Aber sie verstehen es, mit dem Konzept Lagen zu besetzen, die für alle anderen unrentabel sind. In München sind fast alle Normas Läden, die zuvor von der Konkurrenz aufgegeben worden sind.

  • Na ja, in Bayern wird auch immer mal wieder eine NORMA -Filiale saniert oder sogar NEU gebaut….und schafft es trotzdem ramschig zu wirken UND scheisse auszusehen. Wie die das nur immer so hinkriegen ?? Aber ab und zu haben sie gute Aktionsartikel!

  • Ich finde auch schön, wie sich MERE dem potentiellen Kunden in der Titelzeile des Browsers vorstellt:

    „TS-Markt – eine weitere WordPress-Website“.

    (wohlgemerkt auf der Startseite des Internetauftritts)

    Da ist wohl noch viel mit heißer Nadel gestrickt.

    • Noch schlimmer: Klickt man dann mal auf einige Unterseiten wie „Vermieter“ oder „Karriere“ öffnen sich sofort neue Browser-Fenster mit „Warnung – Ihr Windows ist mit mindestens 3 Viren verseucht – Klicken Sie HIER“, und das auf MacOS 😉 Womit mögen dann die MERE-Produkte verseucht sein 😀

  • Für mich persönlich bietet so ein Hard-Discount-Markt einen Gewinn an Zeit und Lebensqualität, denn ich kann mich mit einer haltbaren Grundausstattung versorgen, nach der ich dann nicht mehr in den Vollsortimentern jagen muss. Die muss ich ja sowieso häufiger aufsuchen, um mich mit verderblichen Waren einzudecken. Das kann ich dann auch mal ohne Kfz auf dem Heimweg erledigen, denn Toilettenpapier, Tee und Putzmittel muss ich ja jetzt nicht immer mitschleppen.

    An der letzten Umgestaltung der Filialen von ALDI Süd hat mich genau das geärgert: Die qualitativ sehr guten Standardprodukte standen jetzt in jeder Filiale woanders und/oder wurden zwischen irgendwelche Premium-Discount-Alternativen gesteckt. Für mich ist aber die Routine genau der Pluspunkt am Discounter: Von allem gibt es ein Produkt, das man entweder mag oder nicht. Schon beim Schreiben der Einkaufsliste weiß man dann, was man bekommen und wo es zu finden sein wird. Drei Stunden im Kreis laufen und trotzdem nur die Hälfte im Wagen? Dafür gibt es ja schon REWE, Albert Heijn, Tesco & Co.

    (In Westdeutschland haben vorderasiatische Ketten die Lücke gefüllt, im Osten könnten es jetzt also russische sein – klingt irgendwie folgerichtig.)

    • Schön, damit bist du aber in der kleinen kleinen Minderheit. Normas Marktanteil dürfte das verbliebene Marktpotenzial für hard discount in der Bundesrepublik gut abgedeckt haben. Vielleicht ist das in der nächsten Wirtschaftskrise wieder anders, dann haben Aldi und Lidl trotzdem mehr Erfahrung, know how Umsätze und Einkaufsmacht um sich darauf recht zügig ein- bzw wieder umstellen zu können.

      Wal Mart hätte ich eine Chance gegeben, einfach weil die Mutter in Übersee so tiefe Taschen hatte. Aber ohne jegliche Perspektive auf dem Heimatmarkt der Discounter schlechthin (nicht nur billig, sondern recht gut und billig, das haben unsere Discounter perfektioniert und expandieren damit ja erfolgreich in die halbe Welt), da wollte auch Wal Mart nicht dauerhaft ein Standbein in Deutschland subventionieren.

      Investitionen russischer Unternehmen haben in den letzten Jahren in Westeuropa zugenommen um dem schwachen Rubel zu entgehen. Selbst kleinste Profite in Deutschland, aus dem starken Euro in Rubel umgetauscht, sind für ein russisches Mutterunternehmen sehr einträglich. Ich denke, das ist v. a. ein währungsgetriebenes Investment.

  • Interessant mit welchem Presserummel die Neueröffnung von dieser Nichtigkeit begleitet wird, während die Expansionsbemühungen von RUSTA in der Öffentlichkeit und hier im Blog bislang kein Thema waren.

  • Meine Wette für 2019:

    REAL wird an Edeka und Kaufland aufgeteilt

    OHNE Einspruch von Rewe. Schließtlich soll das Joinventure mir Karstadt auch nach der Übernahme der Kaufhof Häuser in deren Frische Abteilung ausgerollt werden….

  • Danke für diesen Artikel! Ich kann kaum fassen, welche Aufmerksamkeit die gesamte deutsche Medienlandschaft bis hin zu den ZDF-Nachrichten diesem Ramschladen, von dem erst eine Filiale besteht und der sicherlich kaum expandieren wird, schenkt. MERE sieht mülliger aus als jede NORMA- oder CenterShop/ Thomas Philipps o. ä. -Filiale, bietet Lebensmittel aus Russland teils obskurer Herkunft und Non-Food-Artikel unter 1€-Shop-Niveau. Und das in einer abgewrackten alten ALDI Nord Filiale die man mit Hochregalen tatsächlich noch verschandeln konnte. Wie soll also diese „Kette“ den deutschen Discountern, die mit jeder Faser den edlen Supermärkten hinterherlaufen, „gefährlich“ werden? Völlig absurd, und das auf allen Kanälen rausposaunt. Die paar ostdeutschen Kunden werden schnell von der Qualität enttäuscht sein und dann war es das. Ein Vergleich mit russischen Spezialitäten-Märkten wie den Ketten REP Markt / MIX Markt wäre außerdem eine ziemliche Beleidigung.

    • Dass die so viel Medien-Aufmerksamkeit bekommen, liegt wohl daran, dass sie entweder einen guten Draht zur Presse haben und/oder die deutschen Medien halt mal was Positives über etwas Russisches schreiben wollen, damit nicht wieder die Putin-Trolle aus den Löchern kommen und Russlandfeindlichkeit unterstellen. Ich halte es aber auch für völlig überhypt und überschätzt und frage mich auch, wie man so eine Rumpelbude jetzt als ernsthafte Bedrohung für die jahrzehntelang auf dem deutschem Markt etablierten und über entsprechende Erfahrung mit dem deutschen Markt verfügenden Discounter sehen kann. Wird wohl eher ein ähnlicher Flop wie mit Walmart: Erst groß gehypt und am Ende nur groß gefloppt.

  • Die Nische „Lebensmittel aus Russland“ ist im Übrigen auch schon länger besetzt: Da gibt es – zumindest im Südwesten der Republik – die legendären MIX-Märkte mit ihrer einzigartigen Vielfalt an Alkohol, Gemüse in Gläsern und knallbunten Süßwaren.

    • Mix-Markt gibt es nicht nur in Südwestdeutschland, sondern ist längst ein bundesweites Phänomen, hier in Kassel gibt es auch bereits welche. Aber ich denke nicht, dass man das vergleichen kann, da Mix-Märkte ja doch eher kleine Nachbarschaftsläden sind, die speziell Leute mit russischem Migrationshintergrund ansprechen, während Mere anscheinend ernsthaft Aldi & Co. Konkurrenz zu machen versucht.

  • Vermutlich gibts da keinen direkten Zusammenhang zu Torgservis, aber Aldi Süd hat jetzt richtige Sonderangebote jenseits von Obst&Gemüse, Frischfleisch und Brot. Kerrygold ist aber bei Penny 3 ¢ billiger. Kürzlich hats schon XXL gegeben. Und in den Bananenkrieg zwischen Lidl und Aldi ist jetzt auch Real eingestiegen.

  • Die Regale im Mere sind übrigens easyFoodstore-farbig und der ist neuerdings wohl auch in einer größeren Halle mit Warenpräsentation wie Mere (mehr als der eine ist es aber offenbar bisher nicht geworden). Gemeinsam haben sie auch die Schließung wegen Warenknappheit direkt nach der Eröffnung.

    • Hm, in die Halle, in die der easyFoodstore zusammen mit einem easyLand eingezogen ist, scheint zwischenzeitlich ein easyGym gekommen zu sein. Der letzte Kommentar auf Google (auch schon wieder 3 Monate alt) klingt danach, dass er wieder zurück in die alten kleinen Räumlichkeiten gekommen ist. Wie im Oktober aber wiedermal die Expansion von easyFoodstore nach Athen angekündigt worden ist, waren da noch Bilder vom easyFoodstore in der Halle dabei. Die Regale im Mere scheinen nicht exakt die selben wie dort zu sein.

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