Wie funktioniert Getnow – und wer steckt dahinter?

Wie funktioniert Getnow – und wer steckt dahinter?

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Der Markt für Lieferlebensmittel ist in Deutschland immer noch ein zartes Pflänzchen. Und das Start-up Getnow bewirbt sich derzeit öffentlich als Wachstumsbeschleuniger. Wie man dabei Geld verdienen möchte, verrät das Unternehmen derzeit nicht.

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Der Markt für Lieferlebensmittel ist in Deutschland immer noch ein zartes Pflänzchen. Und das Anfang 2015 in Berlin gegründete Start-up Getnow bewirbt sich derzeit öffentlich als Wachstumsbeschleuniger. Mit einer Plakatkampagne will das Unternehmen, das die „Revolutionierung des eFood Markets“ plant, bekannter werden. Die Erstkontaktaufnahme mit potenziellen Neukunden verläuft allerdings noch etwas holprig (siehe Supermarktblog).

Auch darüber hinaus bleiben ein paar Fragen offen, die „Dein neuer Supermarkt im Internet“ momentan nicht beantworten möchte.

Alles muss man selber machen.

Was kann Getnow?

Frische Lebensmittel nachhause liefern. Sehr schnell. Dafür arbeitet das Start-up mit dem Großhändler Metro zusammen, in dessen Cash-&-Carry-Filialen die Online-Bestellungen der Kunden eingekauft und anschließend von DHL per Expresslieferung zugestellt werden – noch am selben Tag.

Wo liefert Getnow?

Berlin, Frankfurt/Main, München, Düsseldorf und Neuss, dazu Wuppertal, Mönchengladbach, Mettmann, Viersen, Krefeld, und ab sofort auch in Essen.

Was kostet Getnow?

Aktuell werden 3,99 Euro Versandkosten für Bestellungen mit einem Warenwert unter 40 Euro berechnet; über 40 Euro ist die Lieferung kostenlos. Wer den Einkauf innerhalb von 90 Minuten haben will, zahlt 6,99 Euro.

In der vergangenen Woche hatte ich an dieser Stelle geschrieben, dass die Waren mit einem Aufschlag auf den regulären Ladenpreis verkauft würden; daraufhin meldete sich die von Getnow beauftragte Presseagentur mit dem Hinweis, dass das nicht mehr richtig sei:

„Die Metro Ladenpreise werden von getnow tatsächlich ohne Aufschlag 1:1 an die Endkunden weitergegeben.“

Wann diese Änderung eingeführt wurde, sagt der Sprecher nicht, erklärt lediglich, dass Getnow „bereits seit Längerem auf einen Preisaufschlag verzichtet“.

Wie will Getnow Geld verdienen?

Wie das „maßgeschneiderte Geschäftsmodell“ (Eigenwerbung) genau funktioniert, hat Getnow bislang nicht öffentlich durchscheinen lassen. Preisaufschläge wären ein naheliegendes Modell, mit dem auch der amerikanische Lieferanbieter Instacart (zum Teil noch) operiert; andere Lebensmittel-Liefer-Start-ups haben das Prinzip abgewandelt, in dem sie umsatzabhängige Servicegebühren berechnen.

Diese Marge fehlt Getnow (derzeit). Gleichzeitig sind enorme Investitionen für Aufbau und Betrieb des Diensts nötig. Zum einen, weil Versandkosten größtenteils nicht an die Kunden weitergegeben werden. Zum anderen, weil die Kommissionierer in den Metro-Filialen bezahlt werden müssen. Bei Instacart arbeiten Shopper in der Regel auf selbstständiger Basis und werden auftragsbezogen honoriert; Getnow verspricht in Stellenanzeigen:

„Natürlich erhältst Du einen unbefristeten Arbeitsvertrag.“

Die eigentliche Kommissionierung erfolgt im Laden derzeit noch erstaunlich analog: Mitarbeiter gehen – zumindest hier in Berlin – mit ausgedruckten Listen durch die Metro-Regalreihen und haken Bestellposten händisch ab, wenn sie die Produkte in Einkaufswagen mit Kühlkisten gelegt haben. Bei Großbestellungen sind zwei Kommissionierer gleichzeitig im Einsatz. Wenn alle Posten beisammen sind, stellen sich die Getnow-Mitarbeiter mit den übrigen Metro-Kunden an der Kasse an und lassen die Ware regulär einscannen.

Verpackt werden die Produkte anschließend in einem separaten Kühl-Container-Dörfchen, mit dem sich das Start-up auf dem Metro-Parkplatz positioniert hat.

Sonderlich effizient sieht der ganze Prozess noch nicht aus. Vorerst scheint für Getnow aber Expansion wichtiger als Effizienz zu sein.

Wer bezahlt das?

Der „Lebensmittel Zeitung“ erklärte Getnow-Geschäftsführer Sebastian Wiese kürzlich, man verfüge „über Investoren, die längerfristig orientiert sind“ (Paywall) – und die nicht sonderlich darauf gedrängt haben müssen, erklärt zu kriegen, wie sich ihr Investment mal rentieren soll.

Indem Getnow Service-Gebühren einführt, sobald man sich bei einer großen Zahl an Kunden etabliert hat? Das wäre ein heikles Unterfangen.

Durch Mengenrabatte, die mit Metro ausgehandelt wurden? Gut möglich. Metro ginge damit aber das Risiko ein, Umsätze an Getnow zu verlagern, die man mit den Kunden im Großhandelsgeschäft ohnehin gemacht hätte. (Bestellungen von Geschäftskunden, die sich den Ausflug in den Großhandel sparen wollen, scheinen in Berlin derzeit noch die Regel zu sein – jedenfalls wenn man sich die Einkaufstürme der Getnow-Kommissionierer im Laden ansieht.)

Naheliegend wäre, dass zu den Getnow-Kapitalgebern mindestens ein strategischer Investor gehört – zum Beispiel ein Handelsunternehmen, das interessiert daran ist, eine Lieferlogistik aufzubauen, ohne sie direkt im eigenen Konzern verankern zu müssen.

Das hätte zudem den Vorteil, dass ein vermeintlich neutraler Dienst wie Getnow auch von anderen Händlern mit ähnlich gelagertem Interesse genutzt werden könnte, ohne dass eine direkte Konkurrenzsituation entstünde.

Wie nah sind sich Getnow und Metro?

Bekannt ist lediglich, dass die beiden Unternehmen im Frühjahr 2018 einen über fünf Jahre laufenden Kooperationsvertrag geschlossen haben, der „Exklusivrechte zur Eröffnung von deutschlandweiten Niederlassungen an den Standorten der METRO Großmärkte“ beinhaltet. Bis 2021 soll es Getnow an 24 Metro-Standorten geben. In einem Interview mit „Zeit Online“ hatte Metro-Chef Olaf Koch ein Jahr zuvor gesagt: „Getnow ist ein junges Unternehmen, mit dem wir lokal kooperieren.“ Das sei aber „nicht unsere strategische Priorität“.

Getnow hat angekündigt, sich um weitere Kooperationspartner im Handel bemühen zu wollen.


Screenshot: getnow.de/Smb

Was hat Metro von der Kooperation?

Zugriff auf eine funktionierende Lieferlogistik, um bisherige Großhandelskunden mit Frischware versorgen zu können.

Und die Möglichkeit, auch nach der Trennung von der SB-Warenhaus-Tochter Real Umsätze im klassischen Endkundengeschäft zu erzielen, ohne dafür eigene Filialen unterhalten zu müssen.

Eine Metro-Sprecherin erklärt auf Anfrage:

„Getnow steht für die Weiterentwicklung des klassischen Trader-Kunden, der bei METRO seine Ware bezieht und weiterverkauft. Durch das innovative Geschäftsmodell des Online-Supermarkts kommen Endkunden nun noch schneller und unkomplizierter in den Genuss des METRO Sortiments – und das sogar mit Belieferungsservice. Unser eigenes Geschäft, sei es stationär, in der Belieferung oder online, bleibt davon unberührt.“

Wem gehört Getnow?

Im Handelsregister sind vier Gesellschafter der Getnow New GmbH eingetragen, die im April 2017 gegründet wurde und ihren Firmensitz offiziell (noch) in Berlin-Mitte hat. (Wobei es sich bei der angegebenen Adresse um die Privatadresse eines der Gründer zu handeln scheint. Getnow hat seinen Sitz inzwischen nach München verlagert.)

Zu den Gesellschaftern (Stand: 20. Februar 2019) gehören die Holding von Getnow-Gründer Alexander Emming und die Bochumer Firma Common Solutions, die das Lagerverwaltungssystem Storelogix vertreibt, mit dem Getnow arbeitet. Weiterer Gesellschafter des neuen Getnow ist das alte Getnow, das Marc-Sebastian Funk und Alexander Emming Anfang 2015 gegründet haben (damals noch als Metropolitan Invest GmbH), und über das die Altgesellschafter weiter beteiligt bleiben – neben zahlreichen Privatpersonen u.a. die Funky Capital Beteiligungs UG (Berlin), Bergerventure (München) und die Grocery Revolution Group (Prag).

Größter Gesellschafter des neuen Getnow ist die GetNow Holding Limited, gegründet Ende April 2017, mit Unternehmenssitz auf der Briefkastenfirmeninsel Isle of Man. Ursprünglich firmierte die GetNow Holding unter dem Namen Bilberry Ltd. Wer sich dahinter verbirgt, möchte Getnow auf Anfrage nicht kommunizieren.

Wer führt Getnow?

In den vergangenen Monaten hat das Start-up eine vollständig neue Führungsmannschaft angeworben.

  • Seit dieser Woche steht fest, dass Torsten Schero (vorher bei Rebuy und Amazon) als CEO und Managing Director an Bord geht.
  • Im Februar verpflichtete Getnow Robert Schambach als Chief Operating Officer; Schambach kommt von Allyouneed Fresh, das im Vorjahr von DHL an den Reifenhersteller Delticom verkauft worden war.
  • Bereits Anfang September 2018 kam Sebastian Wiese als neuer CTO zum Unternehmen, zuständig für die Entwicklung der IT-Plattform.
  • Es folgte Thorsten Eder, vorher Marketing-Chef bei Saturn (Ceconomy/Ex-Metro), als neuer Marketingleiter.

Anders formuliert: Gleich vier Spezialisten aus E-Commerce, IT und Marketing hatten scheinbar keine Bedenken, zu einem Start-up zu wechseln, das sich in einem Markt durchsetzen muss, in dem selbst die ganz Großen bislang ihre Mühe haben. Ein finanzkräftiger Investor mit hoher Glaubwürdigkeit könnte dabei als Argument geholfen haben.

Und die Gründer?

Machen mal blau. Nee, im Ernst: Funk und Emming sind bereits vor mehreren Monaten aus der Führung des Unternehmens ausgeschieden, offiziell, um Profis ins Management zu holen, „die mehr Expertise in der Logistik haben“ – was durchaus vernünftig klingt. (Und außerdem wie die Bedingung eines Kapitalgebers, bevor der bereit ist, Geld in ein Unternehmen zu stecken, das für die notwendige Marktentwicklungsarbeit eine hohe Expertise benötigt.)

Zurückgezogen haben sich die beiden im Mai bzw. Juli 2018; also ungefähr zu der Zeit, in der Getnow bekannt gab, mit Metro einen langfristigen Kooperationsvertrag geschlossen zu haben.

Was sagen Metro und Getnow dazu?

Wenig. Eine Metro-Sprecherin möchte keine Fragen zu den Details der Kooperation beantworten und geht nicht darauf ein, ob Metro als Kapitalgeber involviert ist, sagt aber:

„METRO Deutschland hält aktuell keine Beteiligung an Getnow.“

Die von Getnow beauftragte Agentur antwortet auf eine Reihe ausführlicher Fragen zum Geschäftsmodell, zur Holding, den Wechseln in der Geschäftsführung und der Verbindung zum Kooperationspartner:

„Nach Rücksprache mit dem Unternehmen [Getnow] müssen wir Ihnen mitteilen, dass wir hierzu keine weiteren Auskünfte geben können.“

Mehr zum Thema:

Fotos: Supermarktblog

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5 Kommentare
  • Wie schafft es Getnow eigentlich, nicht abgemahnt zu werden? Die verstoßen auf jeden Fall gegen die Kennzeichnungspflicht von Lebensmitteln und der Satz „Es wird keine Haftung für die vorstehenden Angaben übernommen. Verbindlich sind nur die Angaben auf den jeweiligen Verpackungen, bitte prüfe diese im Einzelfall.
    Das Produktdesign kann von der Abbildung abweichen. “ kann davor ja wohl kaum schützen. Schon ewas seltsam…

  • Im Bereich wird der Versand von EUR 3,99 genannt. Was aber nicht genannt wird, dass unter 40 Euro eine zusätzliche Liefergebûhr von 3,99 Euro fällig wird. So oder so wird dies nur Konkurrenz für Amazon sein. Aber nicht für Rewe und Beingeister

  • Ich lese diese und Blog regelmäßig, obwohl ich nicht aus der Branche kommen, sondern einfach aus Interesse heraus. Jetzt lese ich, das getnow in meiner Stadt, Krefeld, seine Lieferdienste anbietet. Okay, ich habe noch nie von denen gehört, geschweige denn Werbung oder Lieferfahrzeuge gesehen.

    Dagegen ist mir es mir nicht möglich, auch nur einen Tag durch die Stadt zu fahren, an dem ich keinen Pinic-Lieferwagen sehe. Sie fallen durch ihr Tempo (40 km) und kleinere Breite einfach auf. Auch sind sie regelmäßig in der Innenstadt auch in den Abendstunden anzutreffen.

  • To start with , living here in Bochum, it seemed a bit „hit and miss“. but with each delivery it seems to improve!
    A strange anecdote, we love oysters, seemingly almost “ foreign creatures“ to Germans! They appeared on the list , and on first two deliveries they were „unavailable“ , later orders for 3 dozen were reduced to 2 dozen , but this week 3 dozen ordered , 3 dozen delivered , and at 8 pm by a helpful , FRIENDLY Polish driver!

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