Gastro-Konzepte für Supermärkte: Selber machen oder besser bringen lassen?

Gastro-Konzepte für Supermärkte: Selber machen oder besser bringen lassen?

Gemütlich sitzen im Supermarkt?
Inhalt:

Lieferdienste und Restaurants nehmen Supermärkten hungrige Kunden weg. Doch die Händler können gegensteuern – indem sie sich für geeignete Standorte Gastro-Verbündete suchen.

Partner:

Gerade hat Rewe angekündigt, den Großhändler Lekkerland übernehmen zu wollen, der Tankstellen-Shops und Kioske beliefert (und zuletzt mit Umsatzeinbußen zu kämpfen hatte, weil ihm Rewe den Lieferpartner Aral wegschnappte); „[N]icht nur junge Menschen kaufen und verzehren Mahlzeiten und Snacks immer öfter unterwegs“, lässt sich der Rewe-Vorstandsvorsitzende Lionel Souque in einer Mitteilung zitieren. Und nennt „Unterwegsversorgung“ bzw. „Außerhaus-Verzehr“ als einen der „stärksten Trends unserer Branche“.

Konsequent weitergedacht müsste diese Erkenntnis eigentlich dazu führen, dass Souque noch weitere Maßnahmen auf seiner To-Go-… – Pardon: To-Do-Liste stehen hat.

Denn vor allem in größeren Städten nehmen Lieferdienste und moderne Restaurantkonzepte Supermärkten zunehmend Kund:innen weg. Weil die natürlich nicht mehr in den Laden (bzw. in den Tankstellen-Shop) zu kommen brauchen, wenn sie schon anderswo satt geworden sind. Alleine mit Sushi-Würfeln, Brötchenknasts und Salatbars wird sich im klassischen Handel dagegen auf Dauer wenig ausrichten lassen. Aber: mit schlauen Bündnissen.

Die Voraussetzungen dafür sind bei vielen Händlern hervorragend – zumal sich viele Vorkassenbäcker aus den Läden verkrümeln, weil sie mit Preisdruck und Aufbackauswahl in den Märkten nicht mehr konkurrieren können (siehe Supermarktblog). Der frei werdende Platz ließe sich theoretisch von anderen Partnern besetzen, zum Beispiel aus der Gastronomie.

Die Grenzen des Gastro-Do-it-yourself

Praktisch ist es aber immer noch eine ziemliche Herausforderung, Handel und Gastronomie zusammenzubringen, nicht nur wegen der sehr unterschiedlichen Betriebsvoraussetzungen. Sondern auch, weil Konzepte wirklich zusammenpassen müssen, um von Kund:innen angenommen zu werden.

„Mittagessen im Supermarkt? So machen Globus, Rewe und Tesco ihre Kunden satt“, stand 2015 schon hier im Blog – am Beispiel von Globus’ Test mit Fridel in Saarbrücken, Rewes Restaurantketten-Versuch Oh Angie u.a. in Berlin und Tescos Partnerschaft mit The Farm in London. Vier Jahre später gibt es die beiden zuletzt genannten Konzepte bzw. Kooperationen schon nicht mehr. Und Globus hat angekündigt, seinen Markt- und Restaurant-Zwitter Fridel im Sommer zu schließen. Die „Saarbrücker Zeitung“ schreibt:

„Der Einkaufsbereich habe sich zwar erfreulich entwickelt, sagt Fridel-Marktleiter Sebastian Fischer, der Erfolg des gastronomischen Betriebs sei dagegen ausgeblieben.“

(Woran das gelegen haben könnte, verrät Fischer im Bericht aber leider nicht mehr.)

Dennoch versuchen viele Supermarktketten weiter herauszufinden, wie es besser gehen könnte. Womöglich: Indem sie sich endgültig davon verabschieden, alles selbst machen und kontrollieren zu müssen.

Lokale Partner gesucht

Grocery Drive berichtet aus den USA, welche Lebensmittelhändler sich dort gerade mit (jungen) Systemgastronomen anfreunden: z.B. Kroger’s mit dem 180-Sekunden-Pizzabäcker Rapid Fired Pizza, die Supermarktkette Hy-Vee mit Wahlburgers (von Mitgründer Mark Wahlberg), Walmart mit den Burrito- und Wrap-Spezialisten von Freshii. Die Allianzen sind der Versuch, den Erfolg gastronomischer Individualkonzepte, die sich bereits etabliert haben, in Supermärkten zu wiederholen. Und zwar nicht, in dem das x-te Neon-beleuchtete McDonald’s-Restaurant auf die Freifläche am Ladeneingang gedonnert wird, wie das manche Handelskette bislang praktiziert. Sondern mit lokalen Burgerläden, Stadtteilbäckern, Fast-Casual-Restaurantkonzepten.

Die amerikanische Biomarktkette Whole Foods gehört da zu den Pionieren und suchte sich von Anfang an Partner, die in neue Filialen ihres Ablegers 365 by Whole Foods Market einziehen durften (siehe Supermarktblog).

Nach dem Erwerb durch Amazon hat die Kette kürzlich zwar angekündigt, 365 auf klassische Whole-Foods-Filialen umstellen zu wollen. Aber dort laufen – wie am New Yorker Bryant Park – längst ebenfalls Experimente, den Supermarkt der Zukunft noch stärker als Anlaufstelle für fertig zubereitetes Essen zu etablieren, um nicht den nächsten großen Trend in der „Unterwegsversorgung“ zu verpassen.

Könnten das deutsche Supermärkte auch? Bislang – ähm, naja. Aber es gibt Hoffnung.

Auf den Standort kommt’s an

Mit seinen selbst organisierten Gastro- Versuchen hat sich etwa Rewe mehrfach eine blutige Nase geholt – zunächst mit ser auf Mikrowellen-Aufwärmessen speziliaiserten Minikette MADE by Rewe, und direkt im Anschluss mit Oh Angie, das nach langem Siechtum inzwischen ebenfalls Gastrogeschichte (siehe Supermarktblog). Sowas werde man nicht nochmal versuchen, hat Souque bereits angekündigt. Auch der Zusammenschluss mit der amerikanischen Kaffeekette Starbucks, die in großem Stil in Rewe-Filialen einziehen sollte, entpuppte sich offensichtlich nicht als die richtige Lösung. Während sich Starbucks bei Rewe in der Münchner Hopfenpost weiter hält, war der Rewe-Starbucks in der Berliner Ackerhalle schnell wieder weg (siehe Supermarktblog).

Eingezogen ist stattdessen Poké Bay, das eiligen Mitte-Mittagspäuslern Poké Bowls und Sushi Burritos zum Mitnehmen oder Gleichessen aus der Theke kombiniert und damit für den Standort deutlich zeitgemäßer wirkt als der Kaffee-Franchise-Vorgänger. Weitere Poké-Bay-Ableger gibt es bereits in Hamburg, Köln und München. Die Marke gehört zur Kölner FCF Holding, die auch Betreiber der Eat-Happy-Sushiwürfel ist, die inzwischen landesweit in deutschen Supermärkten aufgebaut sind.

Für Rewe liegen die Vorteile auf der Hand: Die Handelskette arbeitet mit einem verlässlichen Partner zusammen und profitiert vom Image des modernen Konzepts, das ein städtisches Publikum anspricht (und im Idealfall keine riesige Küche braucht, weil nichts wirklich gekocht werden muss).

Am Rande der Kaufhauskantinenhaftigkeit

Ähnlich verfährt die britische Supermarktkette Sainsbury’s, die sich mit Crussh zusammengetan, das Kund:innen Salate, Säfte und Smoothies mit auf dem Weg ins Büro gibt. Über die Kooperation mit der Handelskette kann sich Crussh neue Standorte erschließen, an denen es sonst vielleicht nicht möglich gewesen wäre, eigene Läden aufzumachen.

Diese Allianzen können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Irrtum die Verlockung, die Gastronomie selbst in die Hand zu nehmen, im europäischen Handel nach wie vor weit verbreitet ist.

Im Wiener Norden hat Spar in einem 2016 eröffneten Flagship-Store nicht nur ein „Interspar take away“ eröffnet, das an die Sainsbury’s-Initiative in London erinnert (siehe Supermarktblog): Direkt am Ladeneingang gibt’s Getränke und Snacks, Suppen und Sandwiches in einem Minimarkt-Separée – ohne dass man den regulären Laden betreten und sich dort an die Kasse anstellen muss.

Auf alle, die etwas mehr Zeit mitbringen, wartet eine Etage obendrüber das „Interspar-Restaurant“, bei dem sich wechselnde Mittagsgerichte an einer Theke abholen lassen. Das scheint angesichts des Mangels an Alternativen im Umkreis auch ganz gut zu funktionieren. Es demonstriert aber ebenso eindringlich, wie schnell Lebensmittelhändler in die Kaufhauskantinenhaftigkeit abrutschen, wenn sie glauben, sich problemlos als Nebenbeigastronomen betätigen zu können – mit Asia-Pfanne süß-sauer, Spaghetti Carbonbara, Rindsroulade und Zanderfilet. (Was nach dem Pasta-Ausrutscher von Spar eher nach kulinarischem Rückschritt klingt.)

Lebensmittelhandel und Gastronomie aus einer Hand mag einem Spezialitätenanbieter wie Eataly gelingen. Das bedeutet aber nicht, dass sich das Prinzip so einfach auf andere Konzepte und Standorte transferieren lässt.

(Wie sehr man sich als Händler auch im Kleinen verkalkulieren kann, hat die Drogeriemarktkette Budni mit ihren Café-Ambitionen gerade in Berlin demonstriert; siehe Supermarktblog.)

Mittagessen mit Ladenpanorama

Geht’s auch anders? Ja, vielleicht so wie im Hamburger Stadtteil Ottensen, wo der selbstständige Rewe-Kaufmann Sasa Surdanovic im Frühjahr 2018 einen Supermarkt in einer alten Schiffsschraubenfabrik eröffnet und mittenrein ein schickes Bistro gebaut hat (zusätzlich zu dem ebenfalls auf der Fläche untergebrachten Sushi-Würfel), an dem es montags bis freitags von 11 bis 14 Uhr jeweils zwei Gerichte zur Auswahl gibt, eins davon vegetarisch. Kund:innen sind also nicht bloß zum Einkaufen willkommen, sondern auch bloß zum Mittagessen.

Platz zum Sitzen ist direkt vor der Theke. Oder eine Etage höher auf plüschigen Sitzbänken, an einer langen Lunch-Tafel mit Klavier – und mit hervorragendem Supermarktpanorama von der (scheinbar) frei im Markt schwebenden Aufenthaltsterrasse. (Regelmäßigen Blog-Lesern kommt das vielleicht bekannt vor.)

Die „Zeise Küche“ etabliert den Markt nicht nur als Treffpunkt im Kiez Stadtteil; für den Händler hat das Angebot auch den Nebeneffekt, dass Lebensmittel verwertet werden können, die sich dem Mindesthaltbarkeitsdatum nähern und anschließend nicht mehr verkauft, sondern weggeworfen würden.

Garantie dafür, dass die Gastro-Konzepte funktionieren, gibt es aber auch dann keine, wenn Händler und Gastronom auf den ersten Blick scheinbaralles richtig machen. Als sich Sainbury’s Ende 2017 mit der britischen Pizzakette Zizzi zusammentat und Pizzen in einem Londoner Supermarkt zum Mitnehmen (oder Liefernlassen) backen ließ, funktionierte das trotz gutem Feedback nicht so wie gedacht, weil die Kund:innen am Standort weiterhin stark auf den Lebensmitteleinkauf fokussiert waren, schreibt IGD Retail Analysis.

Darf’s ein bisschen individueller sein?

Ganz offensichtlich fehlt es vielen Händlern nach wie vor an grundlegenden Informationen dazu, welche Märkte sich tatsächlich auch als Gastronomie-Standorte eignen – und eventuell auch am Mut, stärker auf Kooperationen mit lokalen Gastronomen zu setzen.

Viele selbstständige Einzelhändler kriegen auch das scheinbar besser hin: Die von Brüdern geführte Londoner Minisupermarktkette Eat 17 (siehe Supermarktblog) hat sich Pizza Project in seinen neuen Laden im Stadtteil Hammersmith geholt, das sonst mit mobilen Pizzaöfen als Caterer für Veranstaltungen und auf Street-Food-Märkten unterwegs ist und ein kleines Pizza-Café in der Nähe von London betreibt.

Die zusätzliche Anlaufstelle in der Stadt ist für Pizza Project eine gute Möglichkeit, sein Essen bekannter – und für Eat 17, um sich von der Konkurrenz abzuhaben.

Solche individuellen Lösungen bedeuten im Zweifel mehr Arbeit und Risiko – sie tragen aber auch sehr viel eher dazu bei, dass sich die Grenzen zwischen Lebensmittelversorger und Gastronomie in zentralen Lagen aufweichen lassen. Weil ein Stück knusprige Pizza manchmal ein hervorragender Anlass ist, auf dem Weg von der Arbeit nachhause noch ein paar Besorgungen zu erledigen und dem Magen währenddessen das Knurren zu ersparen.

Mehr zu Rewe in den Zeisehallen und Eat 17 in Hammersmith steht bald hier im Blog.

Fotos: Supermarktblog

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6 Kommentare
  • Kaufland hatte auch mal eigene Restaurants, so z. B. im Havelpark Dallgow oder im Kaufpark Eiche (beide kurz hinter der Berliner Stadtgrenze). Im Sommer 2017 schloß Kaufland dann alle Restaurants, inzwischen sind die meisten davon mit neuen Betreibern wieder eröffnet worden.

    Siehe für Dallgow z. B. Presseberichte unter https://www.maz-online.de/Lokales/Havelland/Kaufland-schliesst-Restaurant-im-Havelpark und https://www.moz.de/landkreise/havelland/falkensee/falkensee-artikel/dg/0/1/1588114/

    Warum sich Kaufland damals aus dem Restaurant-Geschäft zurückzog, ist mir nicht bekannt. Es wurde oftmals mit günstigen Angeboten, wie in Möbelhaus-Restaurants auch, versucht Kunden dorthin zu locken. Mit den neuen Betreibern hörte dieses auf und es gibt keine Tiefpreise mehr.

  • > „Weil ein Stück knusprige Pizza manchmal ein hervorragender Anlass ist, auf dem Weg von der Arbeit nachhause noch ein paar Besorgungen zu erledigen und dem Magen währenddessen das Knurren zu ersparen.“
    Ein echter Single-Ansatz 😉 Der Rest der Familie wird vermutlich nicht so positiv reagieren auf „esst ihr mal die Einkäufe, ich hatte schon knusprige Pizza unterwegs“.
    Aber im Ernst, die Kernprobleme sind doch oben klar erwähnt: „Auf den Standort kommt’s an“: Wo nicht genügend gut-verdienende Mittags-Kundschaft, lohnt sich das ganze nicht (vermutlich das Globus-Problem), denn wenn ich beim „Normal“-Einkauf bin, will ich einkaufen und gut (s. „weil die Kund:innen am Standort weiterhin stark auf den Lebensmitteleinkauf fokussiert waren“); das Ersetzen von kompletten Mahlzeiten für alle im Vorbeigehen wird für viele eher etwas Besonderes bleiben, denn z.B. lecker Sushi satt für alle kostet locker 4×20=80 Euronen, das ist nicht für jedermann:frau ein Spontankauf.
    Anders sieht das bei einem samstäglichen Stöber- und Entdeckeinkauf aus (die Parallele zum Möbelhaus), da spricht mich ein individuelles Angebot / ein schicker Rewe-Grill / eine real-Markthalle schon mehr an (ein Resopal-Nine Elms-Sainsbury’s tut das NICHT, ein wenig Wohlfühl-Design darf schon sein), aber wie oft passiert das? Einmal im Monat? Davon alleine kann kein Betreiber überleben, und es droht die Vapiano-Gammel-Falle. So appetitlich ich ein originelles Angebot auch finde, ich fürchte, es wird eher die Ausnahme bleiben, als die Regel werden.

  • Grüße aus Hamburg nach Berlin: „Kiez“ ist in Hamburg ausschließlich der Bereich St. Pauli / Reeperbahn, nie aber (wie im Text) ein anderer Stadtteil. Die Formulierung „im Kiez“ (für „im Viertel“) kann man hier nicht verwenden, man trifft sich höchstens „auf dem Kiez“ (Reeperbahn).

    Zum Text: Ich hab inzwischen für mich entschieden, dass mir mein Geld zu schade für dieses ganze Fertigessen ist. Egal ob Lieferservice, Fast Food- oder Kettenrestaurant – von der Abwicklung bis zur aufwändigen Deko ist zwar alles ausgeklügelt, aber das Essen selbst ist doch bestenfalls mittelprächtig. „Foodcourts“ sind selten besser als Essen auf Rädern (fünf Stunden warmgehalten… lecker…). Nee, ich verkneif mir inzwischen sämtliches „schnelles“ Essen. Wenn auswärts, dann nur in Lokale, in denen noch echt gekocht wird. Ansonsten hilft ein wenig Planung, um mit echt wenig Geld immer was leckeres Selbstgemachtes dabei zu haben. Überhaupt nicht hip, dafür verdammt günstig.

  • Ich habe im Artikel die Markthalle in Krefeld vermisst, hier läuft es ziemlich gut, was die Schlangen in der Mittagspause zeigen .. 🙂

  • Als interessante Ergänzung ließt sich folgender Artikel in der LZ, der eine GfK Studie zusammenfasst (Paywall):
    Studie zur Handelsgastronomie: Hauptsache schnell, günstig und bequem
    https://www.lebensmittelzeitung.net/handel/Studie-zur-Handelsgastronomie-Hauptsache-schnell-guenstig-und-bequem-140969

    Die Überschrift fasst die Ergebnisse gut zusammen.
    1. Essen im Retail ist ein wachsender Trend
    2. Die Verbraucher sind in der Masse weiter recht konservativ: Brötchen und Currywurst sind weiter die Renner. (Was hier allerdings Ursache ist: Der Verbraucher oder der Anbieter, das sagt die Studie natürlich nicht)
    3. Es ist bisher fast ein reiner Mittagstischmarkt.
    4. Schnell muss es gehen und take-away ist Pflicht.

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