Kunden-WLAN inklusive: Wie Lidl seinen neuen Rabattirrgarten Lidl Plus in die Filialen integriert

Kunden-WLAN inklusive: Wie Lidl seinen neuen Rabattirrgarten Lidl Plus in die Filialen integriert

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Nach Abschluss der „Pilotphase“ ist Lidl Plus inzwischen auch in den ersten 250 Filialen sichtbar geworden – und sorgt mancherorts bei Neu-Nutzer:innen noch für ziemliche Verwirrung.

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Seit Mitte Juni sehen Lidl-Kund:innen in Berlin und Brandenburg ROT – und zwar ziemlich viel davon. Weil der Discounter ROT zur Signalfarbe für sein neues Bonusprogramm Lidl Plus auserkoren hat, das nach Abschluss der im Mai gestarteten „Pilotphase“ (siehe Supermarktblog) auch in den ersten rund 250 Filialen sichtbar geworden ist.

Und wie!

Nach den Tests in Spanien, Österreich und Polen hat Lidl Plus für den Start in Deutschland nicht nur ein neues Logo verpasst bekommen (während das Aussehen der App weitgehend gleich geblieben ist). Um sein digitales Kundenbindungsprogramm bekannt zu machen, legt sich Lidl auch analog mächtig ins Zeug.

Bereits am Eingang verspricht ein Pappaufsteller: „Mit Lidl Plus noch mehr sparen“. Im Laden stehen Mitmach-Aufforderungen auf Regalen, Schildern und Einkaufswagengriffen. Warentrenner an der Kasse fragen: „Coupons schon aktiviert?“ und drängeln: „App öffnen, scannen, sparen“. Per Aufsetzer erinnert der Wochenprospektständer: „Mit Lidl Plus hast du den Handzettel immer dabei.“ (Ja, Gott sei Dank!) Vermutlich hat Lidl mit der Herstellung dieses Hinweisparks eine kleine Kartonagenfabrik ausgelastet.

Zentrales Element der Aufmerksamkeitsgewinnung ist aber die „Knaller“-Wand – eine Mischung aus zu groß geratenem Schiffe-versenken-Sichtschutz, Paravent und Filmpremieren-Fotohintergrund. Dafür hat Lidl in der Filiale eigens ein Regalende freigeräumt und dort die Lidl-Plus-Produkte aufgetprmt, die in der App als wöchentlich wechselnde „Knaller“ angepriesen werden („Super-Gutscheine“ in der österreichischen Variante): Eistee, Schokokonfekt und Kaffeekapseln (vorige Woche) bzw. Saft, Sekt und Fruchtgummi (diese Woche).

Die Rabatte kennzeichnet der Discounter darüber mittels doppelter Preisauszeichnung: einmal mit dem regulären, daneben mit dem farbig hervorgehobenen Preis für Lidl-Plus-Nutzer:innen.

Und so schlau es auch sein mag, sporadische Discount-Fans künftig stärker an sich zu binden, indem man sie digital mit zusätzlichen Produkt-Vergünstigungen lockt: Mit seinem neuen Programm hat Lidl einen kleinen Rabattirrgarten zwischen sich und seine Kund:innen gepflanzt. Bei dem noch nicht ganz klar ist, wer sich zuerst darin verläuft.

Intuitiv geht anders

Das liegt vor allem an den unterschiedlichen Funktionen des Bonus-Sammelsuriums:

  • Zusätzlich zu den Wochenartikeln gibt es Coupon-Artikel, die vor dem Scannen einzeln aktiviert werden müssen, um gültig zu sein.
  • Als Belohnung für jeden Lidl-Plus-Einkauf erhalten Kund:innen virtuelle „Rubbellose“, hinter denen sich weitere Coupons verbergen (die durch „Speichern“ aktiviert werden).
  • In Österreich, wo das Bonusprogramm schon länger aktiv ist, gibt es außerdem den „Rabattsammler“, bei dem mehr Coupons freigeschaltet werden, wenn Kund:innen mit ihren Einkäufen innerhalb eines Monats gewisse Betragsgrenzen überschreiten (siehe Supermarktblog). Die Funktion dürfte auch für Deutschland geplant sein, Lidl weist in den Fußnoten zum Erklärvideo bereits darauf hin.

Übersichtlich ist Lidl Plus nicht – weder analog, noch digital. Zusammen mit Filialfinder und Wochenprospektarchiv wirkt die App nicht nur ziemlich überladen; auch die Navigation ist wenig intuitiv.

  • Über das Hauptmenü am unteren Bildschirmrand lassen sich Coupons, Prospekte und „Knaller“ aufrufen.
  • Die digitalen Kassenbons verbergen sich mit zusätzlichen „Partnervorteilen“ in der Rubrik „Mehr“.
  • Eine zentrale Funktion – die „Lidl Plus Karte“ zum Scannen – wird über einen blauen Button aufgerufen, der oberhalb des Menüs erscheint, aber nur auf der Startseite und in den Rubriken „Coupons“ und „Knaller“ („fast überall in der App“, meint Lidl).
  • Details zu bereits getätigten Einkäufe sind in den „Benachrichtigungen“ gespeichert, die über ein kleines Alarmglocken-Symbol auf der Startseite erreichbar ist.
  • Unaufgerubbelte Lose erscheinen von alleine auf der Startseite.
  • Häh?

Man braucht schon ziemlich Übung, um sich das alles zu merken und Coupons, „Knaller“, Rubbellose bzw. Rabattstaffel auseinander zu halten. Oder wie’s bei Lidl heißt:

„Dank dieser praktischen App ist Sparen jetzt so einfach wie noch nie.“

Wo ist mein Rabatt?

Man könnte aber auch sagen: Dank dieser praktischen App ist Sparen jetzt ziemlich harte Arbeit. Das wird vor allem dann zum Problem, wenn sich die Verwirrung auf die Läden überträgt.

Derzeit gibt es in Berliner Filialen regelmäßig kleine Kassenstaus, weil sich frisch registrierte Lidl-Plus-Nutzer:innen wundern, dass ihnen beim Bezahlen die in der App versprochenen Rabatte versagt bleiben. Unter Hinzuziehung der Filialleitung wird dann geklärt, dass sie dafür die einzelnen Coupons hätten vorher aktivieren müssen – anders als bei den „Knallern“, die mit dem Karten-Scan automatisch rabattiert werden. Für an Payback-Schikanen gewöhnte Bonussammler:innen mag das nachvollziehbar sein; alle anderen gucken erstmal verdutzt (und verspüren im Zweifel eher einen Kundenlösungs- als einen Kundenbindungseffekt).

Ebenso fraglich ist, ob sich Lidl langfristig einen Gefallen damit tut, ein- und dasselbe Produkt in den Märkten mit mehreren Preisen auszuzeichnen – insbesondere, wenn neben dem regulären und dem Plus-Preis auch noch ein regulärer Aktionspreis hängt.

Und ist das wirklich so clever, unter die großen Lild-Plus-Download-Aufforderungen an den Kassen Aktionspreise zu hängen, die vollständig Lidl-Plus-unabhängig sind?

Anders gesagt: Zum Deutschland-Start ist Lidl Plus – trotz mehrmonatigen Vorlaufs in diversen Nachbarländern – ein ziemliches Chaos.

Das passt immerhin dazu, dass sich Lidl bislang nicht mal für ein einheitliches Design in den Ländern entscheiden konnte. In Polen zum Beispiel fällt die Lidl-Plus-Inszenierung im Laden durch sanftes Hellblau als Grundfarbe sehr viel zurückhaltender aus.

Gleichzeitig lässt sich dort beobachten, wie eng der Discounter das Programm in seine Abläufe zu integrieren plant. Im polnischen Wochenprospekt belegen Rabatte und Coupons für Lidl-Plus-Mitglieder bereits mehrere Seiten und sind direkt auf dem Titel angekündigt.

Womöglich lässt sich Lidl hierzulande mit der Prospektintegration Zeit, bis sämtliche deutschen Filialen ans Plus-Netz angeschlossen sind – Lidl Plus soll im Laufe des kommenden Jahres „deutschlandweit“ verfügbar sein. Dass die Einführung schrittweise erfolgt, liegt wohl auch daran, dass die Märkte – wie berichtet – mit offenem WLAN ausgerüstet werden sollen, damit sich App-Nutzer:innen bei der Coupon-Freischaltung nicht alleine auf ihr Mobilnetz verlassen müssen.

(Über das WLAN-Login ließe sich theoretisch auch feststellen, wie sich Kund:innen mit Smartphone im Laden bewegen und wie lange sie sich dort aufhalten.)

In Berliner Filialen funktioniert das schon: Das Netzwerk ist im Laden unter „LidlPlusWlan“ ansteuerbar; wer sich einwählt, erhält (wie bei anderen Supermärkten oder im Café) eine Aufforderung zur Bestätigung der AGB, wird anschließend aufgefordert, die Plus-App zu installieren und ist online. Betreiber des Netzes ist die Frederix GmbH in Hannover, die auch Hotels, Gastronomie und Pflegeheime mit WLAN-Systemen ausstattet.

Rewe, Real und manche Edeka-Märkte erlauben schon seit längerem die kostenlose Internetnutzung beim Einkauf; Lidl dürfte aber der erste deutsche Discounter sein, der diesen Service (demnächst) flächendeckend anbietet.

Unabhängig davon besteht die eigentliche Herausforderung für Lidl aber natürlich darin, die Plus-Vergünstigungen so zu gestalten, dass sie von der Mehrzahl der Nutzer:innen langfristig tatsächlich als lohnenswert empfunden werden. So lohnenswert, dass man dafür noch einem Unternehmen Zugang zu Daten über sein Einkaufsverhalten gewährt.

Wahrscheinlich hilft’s, dafür im Rabattirrgarten mittelfristig mal die Hecken etwas niedriger zu schneiden.

Vielen Dank an Sven!


Alle Supermarktblog-Texte über Lidl Plus:

Fotos: Supermarktblog

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18 Kommentare
    • Der ganze Gender-Doppelpunkt ist Quatsch. Aber davon werde ich Sie wohl kaum überzeugen können 🙁

      Trotzdem danke für die immer interessanten und amüsanten Texte. Weiter so (bis auf den Doppelpunkt… )

    • Habe die Kritik zur Kenntnis genommen, bin aber weiterhin anderer Meinung und versuche einen Mittelweg zu finden.

  • Wer hat denn Lust so einen Aufwand zu betrieben, nur um ein paar mittelmäßige Produkte ein paar Cent billiger zu bekommen? Also ich garantiert nicht. Optisch eine Zumutung, verkompliziert unnötig den Einkauf und man schenkt Lidl jede Menge persönlicher Daten.

  • Da gehe ich gleich zu Aldi, wenn ich als normaler Kunde bei Lidl preislich diskriminiert werde – und mir das noch auf die Nase gebunden wird.

    Ich vermute mal, dass die Plus-Preise bei den Mitbewerbern die Standardpreise sind, ohne App-Stress.

  • Was Rainer Müller sagt. Das was Lidl da macht, ist ja derselbe Unfug, den amerikanische Supermärkte schon seit Jahrzehnten betreiben, um ihre Kundenkarten zu pushen: da zahlt man absurde Mondpreise, wenn man keine Kundenkarte hat, und akzeptable Preise, wenn man seine Daten rausrückt. Ich hatte das mal bei einem Verpflegungs-Vorratseinkauf für das Burning-Man-Festival erlebt: da hat uns die Store-Managerin offenbar aufgrund schlechten Gewissens dennoch den Rabatt gewährt, und schon waren es statt 600$ nur noch 400$.
    Für mich sind solche an Bedingungen geknüpfte Rabattaktionen ein klares Zeichen, dass ich hier als Normalkunde massiv übers Ohr gehauen werde. Da mache ich meinen Einkauf lieber woanders, wo man mir die Artikel auch ohne Kundenkarte zum niedrigstmöglichen Preis verkauft.

  • Mag nur mir so gehen, aber in einem Discounter/Supermarkt das Smartphone rausholen, richtiges WLAN suchen, verbinden klicken, Anmeldeseite laden abwarten und AGB abnicken ist mir in fast allen Fällen viel zu langwierig. Zumal es zumindest bei Edeka und REWE dann oft genug nicht oder nur im Schneckentempo läuft.

  • WLAN im Supermarkt ist schon deshalb willkommen, weil man in den Betonbunkern oft keinen Empfang hat, was sehr ärgerlich ist, wenn man ein Kochrezept aufrufen oder schnell mal nach Hause funken will, ob noch was benötigt wird. Eine App will ich mir dafür aber nicht unbedingt aufs Handy laden müssen.

  • Ich hoffe inständig, dass die Lidl-Schwester Kaufland nicht auch auf solche komischen Kundenbindungs-Ideen kommt. Für mich eher ein Kundenvergraulungs-Programm, was Lidl da fährt.

  • Dieser Irrsinn wirkt auf mich komplett abschreckend. Da gehe ich doch lieber zum „normal bekloppten“ Wettbewerb.
    Und ich gehöre zu den Payback-Nutzern der ersten Stunde – gegen das, was Lidl da einführt ist Payback auf Kindergartenniveau.

  • Ich benutze aus Sicherheitsgründen kein offenes WLAN, aber das ist ja nicht das Thema hier.

    Also bei der Pappwand möchte ich nicht zugreifen, das sieht aus wie die Abteilung für abgelaufene Produkte. Furchtbar. Ranzige Pappwand und davor billiges Zeug hingeklatscht. Zur Belohnung darf man sich noch seinen Preis raussuchen

    • Man kann das nie zu oft erwähnen: Ohne VPN aus Sicherheitsgründen besser kein offenes WLAN nutzen.

  • Als Berliner erinnern Sie sich vielleicht an die Übernahme von Dahlback durch den „Lila Bäcker“.
    Plötzlich gab es an den Backständen je Produkt zwei Preise: Höhere Preise für normale Kunden, halbwegs günstige Preise für solche mit Kundenkarte.
    Ich mag Kundenkarten nicht, fühlte mich von der offensichtlichen Diskriminierung für kundenkartenlose Kunden aber auch abgestoßen und mied den Lila-Bäcker, anders als zuvor Dahlback. Gibt ja auch andere Bäcker. In meinem Bekanntenkreis berichteten viele ähnliches.
    Tja, jetzt geht es dem Lila Bäcker schlecht, er muss reihenweise Geschäfte schließen.

    Bei dieser neuen Doppelpreisigkeit von Lidl fühle ich mich an den Lila Bäcker erinnert und fühle den gleichen Ärger in mir aufsteigen, wann immer ich es sehe – und es ist schwer zu übersehen.
    Gedanke: „Nächstes Mal besser Aldi oder Kaufland“.

    Ich denke, Lidl tut sich mit der Aktion keinen Gefallen.

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