Beendet Rewe mit Picadeli das Elend der einfallslosen Salatbars im Supermarkt?

Beendet Rewe mit Picadeli das Elend der einfallslosen Salatbars im Supermarkt?

Inhalt:

Ein schwedisches Start-up will für mehr Variation in europäischen Salatbars sorgen. Handelsketten geben dafür bereitwillig einen Teil ihrer Frischekompetenz ab. Lohnt sich das?

Partner:

Sie sind im deutschen Lebensmitteleinzelhandel quasi nicht mehr wegzudenken, gleichermaßen geliebt und gehasst, vor allem aber können sie die unterschiedlichsten Gestalten annehmen.

U-Boot.

Schrankwand.

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Trafo-Häuschen.

Oder Ikea-Bausatz.

Die verflixten Salatbars. Rewe baut sie schon fast aus Gewohnheit in modernisierte Läden ein; jeder Edeka-Kaufmann, der was auf sich hält, errichtet der Kundschaft selbstverständlich einen Grünzeugthron; selbst Penny und Kaufland locken neuerdings in Innenstadtlagen zur Blattsalatselbstbedienung. Es sieht fast so aus, als gehörten die Theken inzwischen zum Standardrepertoire der großen Handelsketten. Obwohl eigentlich allen klar ist, dass es sich dabei unmöglich um eine Dauerlösung handeln kann. Denn die Bilanz ist – zwiegespalten.

Kund:innen schätzen einerseits die Möglichkeit, sich in der Mittagspause im Supermarkt einen frischen Salat nach Wahl kombinieren zu können, ohne beim Verzehr im Büro bleiche Erbsen oder gewürfelten Schinken rauspulen zu müssen.

Andererseits wird die Salatbar mit fortschreitendem Gebrauch zunehmend unbenutzbarer, weil irgendwann sämtliche Portionierlöffel und Zangen einmal quer durch die Theke gezogen worden sind und entsprechende Kontaminationsspuren hinterlassen haben.

Macht Umsatz, macht Mühe

Händler schätzen es, sich mit den Salatbars als Anlaufstelle im Mittagsgeschäft zu etablieren und profitieren vom Zusatzgeschäft, wenn Salatkombinierer:innen mehr einkaufen als geplant. Einerseits.

Andererseits ist es mit verhältnismäßig hohem Aufwand verbunden, die Theken zu dekontaminieren, sauber zu halten und stetig nachzubefüllen; darauf würden die allermeisten Marktleiter:innen am liebsten verzichten.

Das klingt eigentlich, als wäre eine Trennung wegen unüberbrückbarer Differenzen für alle Seiten das Beste. Zumal, wenn wir ehrlich miteinander sind, die allerwenigsten Salatbars so hübsch präsentiert sind wie in Zurheides Düsseldorfer E-del-Supermarkt The Crown (siehe Supermarktblog) …

… sondern in den allermeisten Fällen ein kreativkulinarischer Totalausfall.

„Man vermische Kidneybohnen mit Dosenmais und fertig ist der mexikanische Salat. Oder man fülle den Eimer-Kartoffelsalat einfach in eine der Buffetschalen – fällt ja nicht groß auf“,

hat Supermarktblog-Leser Matthias M. das Problem treffend zusammengefasst, als er kürzlich per Mail fragte, ob es sich nicht mal lohnen würde, das Salatbar-Elend im deutschen Lebensmitteleinzelhandel zu würdigen. Der Mann hat Recht. Und die Beispielreihe ließe sich beliebig fortsetzen:

  • Geraspeltes Gemüse wird nicht automatisch zum „Salat“, wenn man es mit Schnittlauch dekoriert.

  • Cherrytomaten aus der Plastikverpackung zu nehmen und sie übers Salatbuffet zum dreifachen Preis zu verkaufen, ist irgendwie unhöflich.
  • Egal was der Chef sagt: Das mit den Spiegeln ist ein superpeinlicher Supermarktkniff aus den 80ern.

  • Und all das wird nicht besser, wenn man zur Ablenkung drei Musketiere, Pardon: Croutonspender dazu stellt.

Geht das auch anders? Ja, vielleicht schon.

„Wir wissen, was gut ist – schnapp dir einen Salat“, rät der schwarzweiße Rohkosttresen, Modell NCC 1701, gleich am Eingang des Rewe-Markts in Berlin-Friedrichshain – und ein ganzer Schwung vornehmlich junger Kundinnen leistet widerstandlos Folge und schnappt. Schließlich läuft hier einiges anders als in der klassischen Supermarkt-Salatbarsteppe.

Die Präsentation zum Beispiel: Auf dem in die Theke eingelassenen Bildschirm läuft ein Werbeclip für Salatverzehr in der Dauerschleife, Zutaten und Allergene lassen sich über einen Touchscreen an der Seite abrufen, und die Portionierlöffel unter dem sich futuristisch hebenden Glasschutz hängen an Gummizügen, um nicht durch sämtliche Salatvariationen gezogen zu werden.

Auf den ersten Blick macht die Salatbar 2.0 also schon mal vieles richtig – und das liegt vor allem daran, dass sich vorher jemand ausführlich Gedanken dazu gemacht hat: die Gründer des 2009 im schwedischen Göteborg gestarteten Start-ups Picadeli nämlich.

In Skandinavien hat Picadeli, das seit 2015 zur Greenfood Group gehört, schon zahlreiche Supermärkte mit seinen Salatbars (samt Inhalt) ausgestattet; in weiteren europäischen Ländern laufen derzeit Tests: u.a. in Frankreich und Belgien, bei Franprix, Carrefour, Monop, Leclerc, Okay. In Deutschland standen erste Theken bei Edeka-Händlern. Konkurrent Rewe allerdings hat kürzlich bestätigt, sich die exklusive Lizenz für den deutschen Markt gesichert zu haben.

Griffbereit im Kühlerdgeschoss

Im Sommer 2018 wurde ein Testmarkt in Köln ausgerüstet; inzwischen sind Theken in Düsseldorf, Köln, Hilden, Essen, Bonn und Hennef dazu gekommen. (Nicht nur im klassischen Vollsortimenter, sondern auch bei Rewe City und Rewe to go.) Und kürzlich auch Frankfurt, München, Hamburg, Stuttgart und Berlin.

Rewe erklärt über sein Mitarbeitermagazin: „In den nächsten Wochen werden weitere Märkte, auch in anderen Regionen, aufgeschaltet.“ Und ist ganz aus dem Häuschen vor Begeisterung; vor allem, weil der Partner genau das verspricht, was sich jeder Händler wünscht: mehr Umsatz mit weniger Aufwand.

Picaeli baut dafür nicht nur die Bar in den gewünschten Markt, sondern liefert auch die Salate fertig portioniert an.


Foto: Mats S.

Nachschub lagert griffbereit im gekühlten Theken-Erdgeschoss. Nachfüllportionen müssen lediglich gescannt werden – dann weiß das Personal, wie lange ein Salat verwendet werden kann; außerdem behält das System so den Überblick, was neu bestellt werden muss.

Knackpunkt ist aber, dass in der neuen Salatbar mal nicht nur Mixsalat, Thunfisch, Kartoffelpamp und entsteinte Oliven vor sich hinoxidieren. Sondern auch außergewöhnlichere Alternativen: Bulgursalat mit Bärlauch, Bacon Crunch, vegane Chili-Ingwer-Streifen, zitroniger Blumenkohlsalat, Curry-Pasta, marinierte rote Beete, Pesto aus Hafer, indischer Möhren-Linen-Salat usw. Statt sich ausschließlich auf die immer gleichen Salatstandards zu verlassen, sorgt Picadeli für die sonst stark vernachlässigte Variation in der Theke.

Bis zu 150 Produkte stehen (abwechselnd, je nach Jahreszeit) zur Bestellauswahl. Oder wie Picadeli selbst meint:

„Immer nur Eisbergsalat mit Paprika und Mais ist doch langweilig.“

Dafür lässt sich auch der leichte Preisaufschlag rechtfertigen: Statt 99 Cent pro 100 Gramm wie in vielen Läden kostet die Salatkombination aus der Picadeli-Theke 1,11 Euro (in Friedrichshain). Das ist freilich immer noch günstiger als anderswo das reguläre Angebot (Rewe in Hamburg-Altona und München Hopfenpost: 1,29 Euro pro 100 Gramm; Kaufland am Berliner Alexanderplatz: 1,19 Euro; Rewe 5 Höfe in München: 1,39 Euro.) Dressing im separaten Töpfchen muss allerdings extra bezahlt werden (50 Cent).

Und an dieser Stelle könnte die Salatbar-Revolution eigentlich geschafft und dieser Text zu Ende sein – wenn Picadeli nicht auch so seine Tücken hätte.

Kein Salat, sondern ein „Erlebnis“?

Die fangen schon bei der Selbstinszenierung an: „When you buy our salads, you are not simply buying food, but also an experience“, schwärmt Gründer Ragnar Landin, und lässt seinen Laden so tun, als hätte der nicht bloß das System Salatbar in die Gegenwart transferiert und mit einer auf dem Markt frei erwerblichen Bestandsmanagment-Software kombiniert – sondern eine Art Ernährungskult erfunden. Dabei wirkt das „Fast Food de la Future“ (Eigenbezeichnung) allen Anstrengungen zum Trotz leider doch manchmal eher wie das Mitnahme-Essen der Vergangenheit.

Alles, was in die Theke kommt, wird vorher fertig geschnippelt, zubereitet und mariniert in Tüten oder Containern angeliefert. Das ist – so das Versprechen an die Händler – zweifellos „easy for the store to manage“. Allerdings müssen dafür bittere Wahrheiten auf den Produktkennzeichnungsfeldern in Kauf genommen werden. Dort steht, was alles „gewürzt, gebraten, aufgetaut“ bzw. „im Markt aufgetaut“ wurde – ziemlich viel, bis hin zu den Avocado-Würfeln.

Das mag zwar auch in der regulären Systemgastronomie kein Sonderfall sein. Ist aber halt auch nicht unbedingt das, was man sich als Kundin bzw. Kunde von einer „Bar für Frischegenuss“ erhofft, die mitten in der Abteilung mit wirklich frischem Gemüse aufgebaut ist, das bloß keiner schnippeln will.

Dazu kommt, dass das PicaDeli-System mit seiner zweifellos einfachen Handhabe fürs Ladenpersonal in vehementem Gegensatz zu den Anstrengungen steht, mit denen sich Rewe öffentlich für die Reduktion überflüssiger Verpackungen einsetzt.

Überall Verpackungen

Dass das ein Problem sein könnte – erst recht bei der ernährungsbewussten Hauptzielgruppe (vor allem: junger Frauen), scheint man auch in Schweden gemerkt zu haben. Auf Facebook wirbt das Unternehmen deshalb damit, Salatbesteck entwickelt zu haben, das zu 100 Prozent kompostierbar sein soll. Und dass man künftig keine Messer mehr anbieten wolle.

In die nagelneu eingebaute PicaDeli-Salatbar in Berlin-Friedrichshain wurden aber zumindest bei meinem Besuch weiterhin regulär aussehende in Plastik verpackte Plastikbestecke inklusive Messern nachgefüllt; zusammen mit den Plastikdeckeln für die beschichteten Salatschalen. (Auf denen zwar steht, sie bestünden aus „100% Recycled Material“ – mehr dazu lässt sich aber im Thekenumfeld nicht erfahren).

Klassische Salatbars haben zweifellos dasselbe Problem. Bei PicaDeli kommen aber auch Nachfüll-Croutons und Salatkerne nochmal aus separaten Plastik-Portioniertüten; und vorgeschnittene Salate aus riesigen schwarzen Plastik-Containern statt in wiederbefüllbaren Metallwannen. Müllvermeidend ist das nicht.

Wie fantastisch wäre das, wenn PicaDeli zumindest den internationalen Trend zum wiederverwertbaren To-Go-Geschirr aufgreifen und den Erwerb von Mehrwegschalen anbieten würde – zumal die Leute ja ohnehin öfter wiederkommen sollen. Hat auf Facebook auch ein Kunde gefragt – und bislang leider keine Antwort bekommen.

(Offensichtlich war das bislang noch nicht Teil der „studies“, in denen man erfasst hat, auf welche „appearance“ es ankommt.)

Man kann das aber auch positiv sehen: Das „Fast Food de la Future“ kann theoretisch nochbesser werden. Die Frage ist nur, ob sich Lebensmittelhändler allein darauf verlassen sollten. Denn so verlockend es auch sein mag, den Salatbaraufwand teilauszulagern: die eigene Frischekompetenz, die Kund:innen von Händlern in Zukunft zurecht erwarten, lagern die Ketten auf diese Art gleich mit aus. Das bedeutet zweifellos weniger Mühe. Ist womöglich aber gar nicht so schlau.

Deshalb schauen wir uns in einem der nächsten Blogeinträge an, welche Alternativen es zur Systemsalatbar gibt.

Vielen Dank an Matthias M. – und natürlich wieder an Mats!

Fotos: Supermarktblog

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8 Kommentare
  • Anfangs habe ich die damals noch neue REWE Salatbar auch ab und an genutzt, aber mich hat (neben den hohen Preisen) vor allem der horrende Plastikmüll wieder davon abgebracht. Das man da bis heute keine bessere Lösung gefunden hat ist wirklich schade.

  • Ich würde da nie was kaufen, an so ner Salattheke: offen, unhygienisch, ein Durcheinander hoch drei, oft fertiger Mist mit irgendwelchen überflüssigen Zusatzstoffen, nicht richtig gekühlt usw.

    Selbst wenn manches davon nicht zutrifft, GEFÜHLT ist es so!

    Im Kühlregal auch nur Schrott: sieht auf den ersten Blick toll aus, beim Blick auf das Etikett und die aufgeführten Inhaltsstoffe, stelle ich das schnell wieder ins Regal und faste lieber noch ein paar Stunden.

    Ich verstehe auch ehrlich gesagt nicht, warum die sich so anstellen. Können die die Salate nicht frisch zubereiten?!

    Ich hatte selbst Mal so ein Geschäft: selbst hergestellte Baguettes, frisch belegt, kleine aber feine Auswahl, dazu noch klassisches Buterbrot für zwei Euro. Geschäft nur für zwei Stunden über die Mittags(Pausen)zeit geöffnet und fertig. Lief top und Geld haben wir damit auch gut verdient.

    • Du hast warscheinlich noch nie in nem Lebensmittel Markt gearbeitet weißt du was man da alles zu tun hat dann noch unterbesetzt sein weil die hohen Chefs stunden sparen wollen um mehr geld zu machen obwohl man top Umsatz macht wenn dann leute krank werden dann ist aus da hat man keine zeit für 20-30 salate selbst zu machen und extra Personal dafür werden die nicht einstellen sind ja zu viele kosten

  • Ich weiß aus interner Quelle eines Rewe Marktes, dass hier teilweise Lebensmittel mit abgelaufenem MHD für die Salatbar genutzt werden sollen. Ebenso sind Nudeln, Kartoffeln etc. schon tagelang vorgekocht. Ich für meinen Teil hab dan schon gegessen.

    • Hey, Verschwörungstheoretiker*in!
      Picadeli liefert seine Waren selbst an. Wenn dein Aluhut etwas klemmt, musst du mal frische Luft dran lassen. Gute Besserung und werd bald wieder gesund!

  • Ich habe Picadeli vor einer Woche direkt in Göteborg ausprobiert und muss sagen ich bin schockiert, dass das nicht wie ein Feuer um sich greift. Gerade für Touristen, die sich wie meine Frau und ich einen schönen Tag am See machen wollen ist diese Salatbar im Supermarkt PERFEKT. Ich kann mir meinen eher fleischhaltigen Salat fertig machen wo zugegebenermaßen mehr Fleisch als Grünes enthalten ist, dazu noch einen Krautsalat, den ich in Schweden liebgewonnen habe und ein paar wraps. Dann ab zum See und auf einem mitgebrachten backpapier einfach den Wrap fertig machen. Den Salat einfach in den Wrap, zusammenrollen und gemütlich mampfen.

    Picadeli ist denke ich nichts für tägliches essen, da dann der Preis sicher teurer ist, als sich die einzelnen Zutaten zu kaufen aber man hat einfach eine Riesenauswahl und wie es im Artikel schon heißt, hat alles sein System und funktioniert einfach gut!

    Ich hoffe, dass sich dieses System in Deutschland sehr schnell durchsetzt!

    Für mich stimmt der Ausspruch der Gründer dieses Unternehmens, dass man nicht nur Salat sondern ein Erlebnis einkauft, denn genau das war es für mich und meine Frau.

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