Quengelzone (1): Edeka verbockt Geburtstags-Kampagne, Tegut startet Snack-Eigenmarke „freppy“, Amazon Go kriegt Sitzplätze

Quengelzone (1): Edeka verbockt Geburtstags-Kampagne, Tegut startet Snack-Eigenmarke „freppy“, Amazon Go kriegt Sitzplätze

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Edeka Minden-Hannover demonstriert anschaulich, warum die vermeintliche Werbekompetenz von Deutschlands führendem Lebensmittelhändler maßlos überschätzt wird; außerdem: Tegut macht mehr Snacks und Amazon Go baut sich Verzehr-Ecken in die Läden.

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Es geht immer noch doofer: bei Edeka Minden-Hannover

„1920 gründeten 30 Kolonialwarenhändler die Genossenschaft EDEKA Minden eG – der Grundstein für den heutigen Unternehmensverbund EDEKA Minden-Hannover“ – und keiner von den Herren hätte damals geglaubt, was ihrer Nachfolger ein Jahrhundert später mit diesem Erbe für einen Bockmist anrichten würden.

Seit zwei Wochen läuft die Geburtstagskampagne der größten Regionalgesellschaft des hierzulande führenden Lebensmitteleinzelhändlers. Und wenn es deren Ziel gewesen sein sollte, ordentlich Wind zu machen, dann kann man nur sagen: Chapeau-touché, das ist gelungen!

Wäre halt bloß gut gewesen, sich vorher zu überlegen, aus welcher Richtung dieser Wind kommen könnte.

Aber immer der Reihe nach: Wen plakatiert eine 100-jährige Mindenerin, um sich selbst zum Geburtstag zu gratulieren? Genau, einen 71-jährigen Emdener. Deshalb hängt in der Stammregion – oder wie man bei Edeka in Minden sagt: „in mehr als 430 Ortschaften im Absatzgebiet“ – auf Plakaten, Bannern und in Läden jetzt das Konterfei von Otto Waalkes, einem der bekanntesten Verfechter qualitativ hochwertiger regionaler Lebensmittel. Nicht? Ach, egal, wird man sich bei Edeka gedacht haben: Hauptsache, den Opi kennt jeder. Dann ist auch egal, was wir für Sprüche daneben drucken.

Trotzdem mal Hände hoch: Welcher Werbeprofi käme zum 100. Geburtstag einer sonst mit Regionalität werbenden Handelskette nicht zu allererst auf die Idee, sympathische Landwirte aus besagter Region abzubilden, die vielleicht mit einem Geburtstagstörtchen vorm Traktor auf dem Acker stehen und in die Kamera gratulieren – und stattdessen auf: Otto, Waalkes?

Am großartigsten ist vielleicht, dass Edeka ausgerechnet diejenigen, mit denen man langweilig, aber glaubwürdig hätte werben können, nachhaltig auch noch verärgert hat: Weil eines der Motive den Spruch „Essen hat einen Preis verdient: den niedrigsten“ ziert(e), empörte sich erst der Präsident des Deutschen Bauernverbands auf Twitter („Unerträglich!!“). Und anschließend ein Schwung Landwirte, die aus Protest ein Zentrallager der Regionalgesellschaft mit ihren Traktoren blockierten.

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Nachher war man bei Edeka kleinlaut um Aufklärung bemüht: Die Botschaft ziele nicht darauf ab, Essen im Sinne von Lebensmitteln zum niedrigsten Preis zu propagieren; gemeint gewesen sei viel mehr: der Ort Essen/Oldenburg.

Bevor Ihnen vor lauter Kopfschütteln schwindelig wird: Das klingt nur wie eine saudumme Ausrede und ist tatsächlich plausibel, weil anderswo in der Region auf Plakaten weitere Städte genannt sind, die angeblich „den niedrigsten Preis“ verdient haben (Titelfoto). Trotzdem braucht es schon einen  gewaltigen Dilettantismus, vorher nicht zu ahnen, wie das missverstanden werden könnte.

Inzwischen hat es eine Aussprache zwischen Händler und Landwirt:innen gegeben, Edeka-Minden/Hannover-Geschäftsführer Mark Rosenkranz hat sich damit entschuldigt, dass es „nie Absicht gewesen sei[,] Landwirte und Erzeuger zu verärgern“. Man habe „die derzeit sehr sensible Situation in der Landwirtschaft (…) unterschätzt“. Das aktuelle Plakatmotiv sei eingestellt worden und werde „durch ein neues Motiv schnellstmöglich ersetzt“.

Also steht da jetzt drübergepinselt: „Seit 100 Jahren regional verwurzelt. Der Qualität zuliebe.“ Neben Otto Waalkes, der das mit einem seiner Otto-Moves veranschaulichen darf.

Aber das ändert nichts an einem zentralen Punkt: dass es bei Edeka Minden-Hannover offensichtlich niemanden gegeben hat, der es komisch fand, einerseits damit zu werben, dass „Qualität, Frische, hervorragender Service und kompetente Beratung (…) für die selbstständigen Kaufleute und ihre Mitarbeitenden nach wie vor höchste Priorität“ haben, „damals wie heute“.

Und in der Geburtstags-Kampagne gleichzeitig vorrangig Niedrigpreise zu kommunizieren, damit die Leute nicht zur Discount-Konkurrenz rennen. So wie auf dem zweiten Waalkes-Motiv, auf dem dieser die Edeka-Kund:innen frontal angrinst und indirekt fordert:

„Man soll die Preise feiern, wenn sie fallen.“

Nur kurz zur Erinnerung: Das ist der Laden, der von Werbefachblättchen gerne für seine supergeilen Kampagnen auf nationaler Ebene abgefeiert wird, die sich ein paar abgebrühte Agenturheinis ausgedacht haben (und die inhaltlich in der Regel nichts, aber auch gar nichts mit der Realität zu tun haben).

Das letzte Glanzstück ist gerade mal ein paar Wochen alt und behauptete auf Bushaltestellen-Plakaten unter einem Stück Fleisch in der Pfanne, das gerade mit Fond belöffelt wird:

„So sieht Liebe machen aus.“

Nee, so sieht eine scheiß Werbekampagne aus, die kein Gespür dafür hat, wie man als Händler seine angeblichen Kernkompetenzen so kommuniziert, dass es nicht ständig peinlich zweideutig oder unglaubwürdig wirkt. Immerhin wissen wir jetzt: Es geht immer noch doofer – bei Edeka Minden-Hannover.


Nix „to go“: Teguts neue Eigenmarke „freppy“

„Einfach schnell genießen“ wollen immer mehr Kund:innen und erwarten deshalb vom Supermarkt ihres Vertrauens, Mahlzeiten zum Mitnehmen anzubieten. Das ist natürlich auch der schweizerisch-hessischen Handelskette Tegut nicht entgangen, die deshalb ihre (bisher schon reichlich vorhandenen) Snacks und Convenience-Lebensmittel unter einem neuen Eigenmarken-Namen zusammenfasst: „Tegut freppy“.

Klingt albern? Ist aber zusammengesetzt aus „fresh“ und „happy“, und wenn man’s ein paar mal gelesen hat eigentlich vor allem mit überdurchschnittlich hohem Wiedererkennungswert gesegnet. (In Fulda hätte man sich ja auch für ein deutlich öderes „Tegut to go“ entscheiden können.)

Die freppy-Produkte sollen „frisch, praktisch und schnell verzehrbereit“ sein und sind für Kund:innen konzipiert, „deren Terminkalender ständig überfüllt“ ist, die sich aber trotzdem „abwechslungsreich, genussvoll und ausgewogen“ ernähren wollen.

In einem ersten Rutsch stehen derzeit Salate (z.B. mit Pasta, Hähnchen oder Maultaschen), vorportioniertes Obst und geschnittene Rohkost zur Auswahl, weil unter der Marke auch vorbereitete Lebensmittel angeboten werden, mit denen sich zuhause direkt loskochen lässt ohne schälen oder schnippeln zu müssen. (Mit der Zusage, bei den Verpackungen „stets bemüht Plastik einzusparen“, verträgt sich das allerdings nur bedingt.)

„Wir verwenden gute Zutaten und lassen weg, was nicht hineingehört“, verspricht Tegut, und falls die Fuldaer das tatsächlich ernst nehmen, wäre es eine hervorragende Möglichkeit, sich damit von der immer noch stark Zusatzstoff-verliebten Konkurrenz (siehe Supermarktblog) abzuheben.

In jedem Fall passt die Initiative gut dazu, dass Tegut zunehmend mit kleineren Läden in Innenstädten expandiert, wo die Convenience-Nachfrage deutlich höher sein dürfte als in ländlichen Gebieten. Nach Frankfurt und Heidelberg steht als nächstes München auf dem Plan. (Mehr dazu demnächst hier im Blog.)


Amazon Go baut neue Filialen mit Sitzplätzen

Apropos to go: Ein halbes Jahr nachdem an dieser Stelle eine ausführliche Analyse zur Expansionbereitschaft von Amazon Go erschienen ist, sind die Kolleg:innen des britischen Fachdiensts IGD Retail Analysis auf die Idee gekommen, dass sich ein kleines Update lohnen könnte – und dafür ebenfalls nach New York City gefahren, um sich die Läden von Amazons Schnelleinkaufskette dort genauer anzusehen.

Mit dem kleinen Unterschied, dass die Auswahl diesmal sehr viel größer war: Seit September hat sich die Zahl der New Yorker Amazon-Go-Filialen von drei auf acht (!) erhöht.

Mit den Neueröffnungen wagte sich Amazon nicht nur an zentrale Orte in der Stadt (ins Chrysler Building, an den Rockefeller Plaza), sondern scheute auch nicht davor zurück, sich ganz in der Nähe von Whole-Foods-Filialen niederzulassen, die bekanntlich ebenfalls zum Konzern gehören. Das verrät viel darüber, wie wenig Amazon sein Go-Format als Konkurrenz zum klassischen Lebensmitteleinzelhandel versteht, und vielmehr: als Hybrid zwischen Minimarkt und Sandwich-Shop.

Dass sich Amazon Go in die unmittelbare Nachbarschaft klassischer Convenience-Anbieter wie Pret, Sweetgreen und Starbucks setzt, unterstreicht das noch; ebenso wie die Tatsache, dass frische Salate und Wraps nunmehr unter dem neuen Label „Amazon Kitchen“ im Regal stehen.

Die auffälligste Weiterentwicklung ist jedoch, dass Amazon Go seine Kundschaft inzwischen auch to stay bedienen mag. Die von IGD besuchte Filiale in Manhattan hat vor den Eingangschleuesen nämlich ausreichend Platz für einen Amazon Locker und 16 Sitzplätze gelassen, wo sich das ausgewählte Mittagsmahl verzehren lässt. Für den Umsatz pro Quadratmeter ein absoluter Albtraum; um sich bei Kund:innen als verlässliche Lunch-Kompetenzstelle zu etablieren aber ganz großartig. Mehr Eindrücke gibt’s hier bei IGD Retail Analysis.

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… und sonst:

Nach offensichtlich erfolgreichem Test (siehe Supermarktblog) zieht es die Berliner Vegan-Pioniere von Veganz mit ihrer Eigenmarke nun endgültig in den Discount, den man einst so vehement meiden wollte: Ab 9. März soll eine Auswahl der Veganz-Produkte bundesweit in allen Lidl-Filialen erhältlich sein, weiß bio-markt.info (u.a. vegane Wurst- und Käsealternativen, Bratgriller und Crispy Nuggets, ergänzt durch Süßwaren und Snacks in Aktionsdisplays). Man sehe „diese Vereinbarung als nächsten wichtigen Schritt, um (…) unser Wachstum fortzusetzen“, sagt Veganz-Chef Jan Bredack, dessen Überzeugungen offensichtlich so flexibel sind wie die unternehmerische Strategie der von ihm gegründeten Marke.

Bewegte Zeiten im britischen Lebensmitteleinzelhandel: Nach Tesco und Waitrose bekommt auch Sainsbury’s einen neuen Chef. Und der alte legt Wert darauf, dass sein Abgang nichts, aber auch gar nichts damit zu tun habe, dass im vergangenen Jahr die von ihm eingefädelte Übernahme des Mitbewerbers Asda gescheitert ist (siehe Supermarktblog). Mehr zu den Herausforderungen britischer Supermärkte steht in diesem Blog-Schwerpunkt vom Dezember.

Hurra, der erste Pfandautomat, der in ihn hinein gekippte Dosen und Flaschen selbsttätig sortiert, ist da! Dauert vielleicht noch ein bisschen, bis Hersteller Tomra den auch im deutschen Handel unterbringt. Die Schweden dürfen zuerst ausprobieren.

Fotos: Supermarktblog"

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3 Kommentare
  • Was der EDEKA im Kölner Norden (nicht Worringen) alles nicht bietet:
    -Qualität
    – Frische
    – hervorragenden Service
    – kompetente Beratung

    Wobei ich eine kompetente Beratung nicht mal erwarte. Wozu auch, was sollen die mir denn raten? Welcher Wein passt denn zu dem SonnenBassermann Fertigmenü oder wie lautet das Rezept für Mehlschwitze? Was ist denn dieses E450?

    Stattdessen sieht der Laden trist und scheisse aus wie ein heruntergekommender Tante Emma Laden in den 80ern. Bei TK Produkten muss man immer aufpassen das diese nicht schon 3x aufgetaut waren. Gemüse ist mal gerne schimmelig und Produkte generell gerne längere Zeit abgelaufen.
    Aber bei EDEKA ist ja jeder für sich selbst verantwortlich, da kann die Zentrale nix machen, kannste deine Beschwerden auch gleich an deine Zimmerwand kleben.

  • 2’000 m² würd ich jetzt nicht unbedingt als „kleineren Laden“ bezeichnen. Offenbar kommt der Tegut im Münchner Elisenhof in den ehemaligen Adler (der auf 2 Etagen verteilt war). Ist zwar an sich äußerst zentral, aber Laufkundschaft verirrt sich da eher nicht freiwillig bis zum Eingang, wenn nicht wesentlich mehr umgebaut wird. Konkurrieren wird er da primär mit dem Hertie bzw. Karstadt nebenan (der seit ewigen Zeiten am unterirdischen Eingang vom Stachus her eine große Conveniencezone gehabt hat). „Mitten in der Maxvorstadt“ in der Pressemitteilung von Tegut ist übrigens grob übertrieben; das liegt unmittelbar an der Grenze (und die Maxvorstadt ist jetzt auch nicht so der Stadtteil, mit dem man räumlich oder sonstwie besonders viel verbindet).

  • Inzwischen gibt es mindestens ein weiteres Bushaltestellen-Plakat. Unter einem hippen Joghurtbecher steht darauf: »Bleibt höchstens bis zum Frühstück.« Die gelben Herzen sind auch wieder zu sehen.

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