Wiener Weekend Supermarkt wird zu go2market und plant den Deutschland-Start für 2021

Wiener Weekend Supermarkt wird zu go2market und plant den Deutschland-Start für 2021

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In Wien können Markenhersteller im go2market-Supermarkt testen, wie ihre neuen Produkte ankommen. In wenigen Monaten soll das Konzept nach Deutschland kommen.

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Als Markenartikelhersteller hat man’s auch nicht leicht: Ständig kommt irgendwo eine Supermarktkette mit Forderungen nach Werbekostenzuschüssen oder Sonderkonditionen um die Ecke, und wenn man neue Produkte entwickelt, muss man sich ins Zeug legen, die überhaupt in den Laden zu kriegen, um sie zu verkaufen.

Von diesem permanenten Konditionenlimbo kann zwar auch das österreichische Start-up go2market die Hersteller nicht erlösen.

Aber es hat ein offenes Ohr für sie, wenn mal unkompliziert ein Meterchen Regalplatz gebraucht wird oder Auskunft dazu, warum die neueste Markenkreation bislang noch nicht so richtig gut bei der Kundschaft angekommen ist.

Vor genau drei Jahren startete dafür in der Wiener Liniengasse, unweit der Einkaufsmeile Mariahilfer Straße, der „Weekend Supermarkt“: eine Art regalgewordene Marktforschungsabteilung, in der Kund:innen mit ihrem Einkaufsverhalten Hinweise darauf liefern, ob Produktinnovationen kooperierender Hersteller marktfähig sind oder noch mal zurück in die Entwicklung müssen.

Gegründet wurde der Laden ursprünglich vom österreichischen Gemischtwaren-Verlag Weekend, der diverse Print- und Online-Titel herausgibt, Corporate Publishing anbietet und eine Jonglageschule ein Gutscheinportal betreibt.

Bald wird auch in Berlin testeingekauft

Im kommenden Jahr will go2market, das inzwischen unabhängig agiert, seine Idee auch nach Deutschland bringen. Wie Geschäftsführer Thomas Perdolt auf Supermarktblog-Anfrage erklärt, ist die Eröffnung für Ende März bzw. Anfang April 2021 geplant. Erster Standort soll Berlin sein, wo derzeit nach einer geeigneten Fläche gesucht wird.

Vor kurzem hatte go2market bereits bekannt gegeben, für die „bevorstehende Internationalisierung“ Geld von zwei neuen Investoren eingesammelt zu haben, wie cash.at meldet (der Raiffeisen KMU Beteiligungs AG und von Franz Fuchsberger, Senior Investor bei eQventure).

Perdolt bestätigt, dass man sich auch den Start in weiteren Ländern vorstellen könne. Zunächst wolle man sich aber auf Deutschland fokussieren, weil dort „der Großteil der Entscheidungsträger in der Produktentwicklung“ sitze:

„Soll heißen, weitere Standorte in Europa erfolgen nach den Wünschen der Entscheidungsträger unserer Industriepartner.“

Neueröffnung in Wien steht bevor

Für den 8. Oktober steht nun – nach zweimonatiger Schließung für den Umbau – erst einmal die Wiedereröffnung des Wiener Markts unter dem neuen Namen go2market an.


Foto: go2market

In diesem Zuge gibt es auch Veränderungen für Kund:innen. Denn der Laden steht nach wie vor nicht allen, die daran vorbeikommen, offen – sondern nur registrieren Mitgliedern.

Bislang wurden Mitgliedschaften nach vorheriger Interessenbekundung und Anmeldung jeweils für ein Jahr vergeben, begrenzt und gegen einen monatlich zu zahlenden Betrag. Für 12,90 Euro (vormals 9,90 Euro) durften jeden Monat 20 Produkte nach Wahl ausgesucht werden. Der eigentliche Warenwert dieser Produkte lag go2market zufolge höher: bei bis zu 120 Euro.

Im Gegenzug für die Ersparnis lässt man sich als Testkäufer:in darauf ein, zu Gefallen und Gebrauch der Produkte befragt zu werden, und wird während des Einkaufs von Kameras und Sensoren beobachtet, um z.B. mit Blickaufzeichnungsverfahren über die die Wirkung von Regalplatzierungen oder Displays Aufschluss zu erhalten. Also: wie Amazon Go, aber mit Kasse.

Versuchskaninchen oder Influencer?

Ob man sich dabei eher als Versuchskaninchen der Markenartikelindustrie sehen will oder als deren Influencer, bleibt jeder Kunden bzw. jedem Kunden selbst überlassen.

Den Herstellern dienen die Ergebnisse der Warenkorb- und Zielgruppenanalysen nicht nur dazu, Produkte evtl. weiter zu entwickeln und deren Wiederkaufwahrscheinlichkeit zu ermitteln. Die Erkenntnisse sollen auch zur Unterstützung bei Gesprächen mit Handelsketten helfen, um die getesteten Produkte in deren Läden zu listen.

Für eine sicher nicht kleine Gruppe an Käufer:innen, die Spaß daran hat, neue Produkte als erstes zu entdecken, und sich gut dabei fühlt, mitbestimmen zu können, was tatsächlich für die Allgemeinheit ins Regal kommt, geht das auch in Ordnung. Für eher durchschnittlich gestrickte Kund:innen hält sich das Erlebnis aber womöglich in Grenzen.

Neuer Geschmack, mehr Koffein

Bei meinem Besuch (der allerdings schon über zwei Jahre zurückliegt) strahlte der Wiener Weekend Supermarkt noch eine gewisse Restpostenatmosphäre aus.

Regale waren vorrangig mit Produktauskoppelungen großer (österreichischer) Markenhersteller gefüllt, die Zusatznutzen oder neue Geschmacksrichtungen versprachen; dazu kam ein Schwung Start-up-Artikel und möglicher Import-Kandidaten, z.B.:

Red Bull Summer Edition Kokos-Blaubeere, Manner Vanille Knuspino und Milch-Schoko Cocos Snack, Almdudler Ingwer & Matcha, Fentimans Rose Lemonade, Snooze Natural Sleep Drink, Prinzenrolle Black & White und Knabbernossi Pausen-Wrap.

(Nicht zu vergessen: die „womensworld“-Tee-Ekstase!)

Auf 600 Quadratmetern standen zunächst um die 150 verschiedene Produkte zur Verfügung, die in der Regel monatlich wechselten.

Anders formuliert: Um den wöchentlichen Grundbedarf zu decken, eignete sich der Weekend Supermarkt eher nicht. (Behauptete aber auch nichts anderes.)

Einkaufen für 55 Euro Warenwert

Zur Neueröffnung ändert sich nun ein bisschen was am Verfahren: Die Zahl der aktiven Mitglieder wird von 1.100 auf 1.500 erhöht. Wer gefragt werden will, ob er bzw. sie Testkund:in werden möchte, muss zuvor eine Reihe soziodemografischer Angaben machen: Alter, Geschlecht, Familienstand, Ausbildung, Haushaltsgröße, Berufsstatus, Kinder, Haustiere, Hobbys, Haushaltseinkommen sowie Produktvorlieben, Kaufgewohnheiten und Mediennutzung.

Testmitgliedschaften wurden bisher bereits vereinzelt angeboten. Künftig sind kürzere Mitgliedschaften auch regulär verfügbar (drei bzw. sechs Monate), allerdings mit einem höheren Monatsbetrag (bis zu 16,90 Euro).

Im Laden dürfen nicht mehr pauschal 20 Produkte ausgesucht werden; stattdessen sind die Artikel am Regal preisausgezeichnet und Einkäufe bis zu einem Warenwert von 55 Euro monatlich erlaubt. (Durch die Teilnahme an Umfragen kann sich der Wert erhöhen.)

Mitglieder scannen künftig selbst

Die Kennzeichnung am Regal erfolgt über elektronische Preisschilder. Dadurch können Hersteller künftig z.B. auch testen, wie unterschiedliche Preise sich auf die Kaufbereitschaft auswirken. Damit die Mitglieder den Überblick behalten, wird künftig per Scan & Go selbst gescannt. Dafür arbeitet go2market voraussichtlich mit dem Grazer Anbieter Shopreme zusammen.

Herstellern gegenüber verspricht go2market „erweiterte, überarbeitete und individuelle Insights in Echtzeit“. Und das schöne Gefühl, ausnahmsweise mal nicht erbittert um jeden Regalmeter kämpfen zu müssen, gibt’s obendrauf.

Fotos: Supermarktblog"

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3 Kommentare
  • gibt es doch schon in den Testsupermärkten in Haßloch
    wobei Haßloch ja ausgewählt wurde, weil es so durchschnittlich Gesamtdeutschland nahekommt
    deshalb halte ich auch die Eröffnunf in Berlin für fragwürdig: ein Testsupermarkt vermutlich im S-Bahnring hat mit den Konsumgewohnheiten des Durchschnittsdeutschen eher weniger zu tun
    in Wien mag das anders sein, im Großraum Wien leben rund ein Drittel der Gesamtbevölkerung

    Ich finde es auch immer merkwürdig, dass Startups oft in Berlin Mitte beginnen, ihr Produkt anzubieten und dann merken, dass der Rest Deutschlands anders ist
    besser hat es Picnic gemacht, die in meiner Geburtsstadt Neuss gestartet ist, eine eher konservative Stadt mit 160000 Einwohnern mit dem einem der größsten Schützenfeste der Welt
    ein guter Test, ob ein Konzept in den wichtigen mittelgroßen Städten funktioniert.

    • Wenn der deutsche Markt im Bereich „Höhle der Löwen“ und „made for Hipster – Products“ (übersetzt : überteuerte Produkte, die ihr Leben bei qvc Deutschland entliehen wollen) diese Produktwelt überzeugen möchte, ist doch Berlin Mitte doch ideal. Da kann doch der Mainstream Demonstrant vom Samstag, nach dem Marktplatz Einkauf vom Boxhagener Platz seine „Welt“ erweitern.. 😉

  • Wenn ich das CI Design sehe, kommt bei mir eher die Frage der Seriosität auf. Stichwort „Photoshop Phillip“ oder „die 90er möchten ihr Design zurück haben..“ 😉

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