Penny, Lidl & Amazon: Bio-Kooperation, Bio-Bremse und Bio-Umkehr

Penny, Lidl & Amazon: Bio-Kooperation, Bio-Bremse und Bio-Umkehr

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Die deutschen Discounter experimentieren mit unterschiedlichen Bio-Strategien – von der regionalen Bio-Bäckerei-Kooperation bis zur sanften Sortimentsreduzierung. Gleichzeitig macht Amazon mit einem neuen Konzept in den USA einen überraschenden Schritt zurück.

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🍞 Penny kooperiert für Backwaren erstmals mit regionaler Bio-Bäckerei

Im Wettbewerb um den attraktivsten Brötchenknast im deutschen Discount haben zuletzt lange die beiden Aldis den Ton angegeben. Und zwar dank ihrer Kooperation mit regionalen Bäckereien, die Standorte der Discounter mit ihren eigenen Backkreationen beliefern, um sie dort über die SB-Backstationen zu verkaufen.

Aldi Süd arbeitet für „Meine „Backwelt“ nach eigenen Angaben inzwischen mit über 70 regionalen Bäckereien zusammen, die mehr als 1.950 Filialen versorgen. Aldi Nord kooperiert mittlerweile mit 74 regionalen Bäckern, die rund 1.310 Filialen mit frischen Backwaren ansteuern. Dabei werden etwa zehn Artikel aus dem Standard-Backwarensortiment durch lokale Varianten ersetzt.

Wettbewerber Lidl versuchte sich vor einiger Zeit an einer ähnlichen Initiative (siehe Supermarktblog), über deren Weiterführung (mir) allerdings nichts bekannt ist.

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Penny folgte 2022: Mittlerweile umfasse das standortspezifische Angebot, das von regionalen Bäckerei-Partnern stamme, bis zu zwölf Artikel, heißt es aus Köln. Bundesweit biete „ein gutes Drittel der 2.140 PENNY Märke bereits ein entsprechendes Sortiment regionaler Bäcker“ an. Eine Kooperation gebe es derzeit „mit knapp zwei Dutzend regionalen Bäckern“. Man sehe „bei Backwaren eine starke Verbundenheit unserer Kund:innen mit lokalen Bäckern“. Da sich Penny als „Discounter der Nachbarschaft“ positioniere, sei es „nur folgerichtig, ein entsprechendes Angebot zu machen“.

Nun zündet die Rewe-Tochter die nächste Stufe im Aufbackwettbewerb: An und in Berliner Filialen wirbt Penny derzeit für Backwaren, die erstmals von einer regionalen Bio-Bäckerei aus Berlin-Kreuzberg und Neukölln zugeliefert werden:

„Hier in Bio: Tradition aus der Region. Für uns backt die Bio-Bäckerei Beumer Lutum.“

In dem von mir besuchten Markt standen innerhalb der „Bäckerkrönung“-Aufbackstation zwölf Artikel zur Verfügung – außer klassischen Backwaren wie Brot und Brötchen vor allem Snacks und Süßgebäck: Bio Tomaten-Paprikatasche, Bio Pesto-Vesperstange, Bio Schoko-Brioche, Bio Ferkelohr.

Dafür hat der Discounter ein komplettes Drittel seines Brötchenknasts freigeräumt; die Waren sind mit knallgrünen Preisschildern hervorgehoben. Darüber weist (wie bei Aldi) ein Schild auf die Herkunft der Backwaren hin.

Einerseits hebt man sich mit diesem Angebot von Aldi und Lidl ab, die zwar auch Bio-Backwaren in ihren Stationen führen, aber in sehr viel übersichtlicherer Auswahl (und – noch – ohne Partner). Andererseits könnten die Preise der Backartikel von Beumer Lutum, die deutlich über denen des übrigen Penny-Aufbacksortiments liegen, gerade auf Discount-Kund:innen eher abschreckend wirken (z.B. 3,79 Euro für ein Bio-Abendbrot statt 99 Cent bis 1,99 Euro fürs konventionelle).

Einem Penny-Sprecher zufolge handele es sich bei Beumer Lutum um den „ersten regionalen Bäcker mit Bio-Kompetenz“, mit dem Penny kooperiere. „Der Start war sehr erfolgreich.“ Eine „abschreckende“ Wirkung der Preise für regionalen Backwaren habe man bislang „nicht feststellen“ können.

Danke an Stefan!


🥦 Lidl tastet sich mit seinem Bio-Sortiment nur vorsichtig voran

Bei Lidl scheint die Bio-Begeisterung derweil zu stagnieren – zumindest im Standardsortiment. Wie sich dem aktuellen Nachhaltigkeitsbericht des Discounters entnehmen lässt, reduzierte sich die Anzahl der regulär verfügbaren Bio-Artikel im Geschäftsjahr 2023 leicht um 2,5 Prozent von 399 auf 389 Artikel. Im (nur zeitweise verfügbaren) Aktionssortiment Food stieg die Anzahl der Bio-Artikel derweil um 9,5 Prozent von 189 auf 207 Artikel durch neue Produkte wie Muttersäfte, Vollkorngnocchi oder Reiswaffeln.

Lidl scheint demnach besser damit zu fahren, ein erweitertes Bio-Sortiment nur aktionsweise zu verkaufen, anstatt damit reguläre Regalplätze zu belegen.

Auch das Bioland-Sortiment, das die Handelskette gerne offensiv bewirbt, entwickelt sich ähnlich. Im Dauersortiment wurden 111 Bioland-Artikel geführt, was einer Reduktion um 4,3 Prozent entspricht – diese liegt vor allem an einer Anpassung im Obst- und Gemüsesortiment. Trotz der Rückgänge verfolgt Lidl weiterhin das Ziel, bis 2025 mindestens 10 Prozent des Festsortiments als Bio- bzw. Bioland-Lebensmittel anzubieten. Mit einem aktuellen Anteil von 9,3 Prozent sei man diesem Ziel bereits sehr nahe, heißt es.

Die „Lebensmittel Zeitung“ hatte zuerst über die Entwicklung berichtet.


🏪 Amazon Grocery soll Whole-Foods-Kund:innen von Walmart fernhalten

Und dann ist da noch Amazon, das sich bei seiner Transformation zum Lebensmitteleinzelhändler dank ständiger Strategieanpassungen weiterhin höchst effektiv selbst im Weg steht. Umso interessanter ist das, was sich gerade in Chicago tut.

Dort hat der Handelsriese gerade ein neues Minisupermarkt-Konzept unter dem Namen „Amazon Grocery“ eröffnet. Der gerade mal 350 Quadratmeter große Laden befindet sich im Erdgeschoss eines Hochhauses, in dem auch eine Filiale der von Amazon übernommenen Beinahe-Biokette Whole Foods Market untergebracht ist. (Draußen hängen die Schilder der beiden Ketten direkt übereinander.)

Er führt etwa 3.500 Produkte und richtet sich laut Amazon an Whole Foods-Kund:innen, die zusätzlich konventionelle Markenprodukte und Haushaltsartikel kaufen möchten. Im Sortiment finden sich Marken wie Coca-Cola, Fritos und Folgers Kaffee – allesamt Produkte, die Whole Foods bisher ganz bewusst nicht anbietet, weil sie bestimmte Zusatzstoffe oder künstliche Süßungsmittel beinhalten.

Gleichzeitig will Amazon Whole-Foods-Kund:innen, die diese Marken trotzdem kaufen wollen, künftig nicht mehr einfach zur Konkurrenz schicken – sondern halt: zu Amazon Grocery, das die Produkte führt, ohne dass Whole Foods seine bisherigen Prinzipien aufgeben muss.

Das könnte ein Zwischenschritt sein, um die Amazon-Supermarktformate künftig näher aneinander rücken zu lassen. Anfang Oktober hatte der Konzern angekündigt, in 26 Filialen seiner regulären Amazon-Fresh-Supermärkte auch Whole Foods-Produkte anzubieten. Zudem soll in Pennsylvania das erste automatisierte Micro-Fulfillment-Center in einem Whole Foods entstehen, das auch Bestellungen von Amazon Fresh und Amazon.com abwickelt.

Da läge es nahe, Amazon Grocery bloß als Zwischenlösung zu nutzen – und, je nach Akzeptanz der Kund:innen, bald auch in regulären Whole-Foods-Märkten mehr konventionelle Artikel anzubieten, quasi eine umgekehrte Bio-Bewegung.

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3 Kommentare
  • Nicht ganz das Modell, das Aldi, Penny und (früher) Lidl beim Brötchenknast gefahren sind, aber sicher verwandt: Lidl hat die Markenrechte an Schlemmermeyer übernommen, um damit regionale Metzgerqualität vorzutäuschen.

    Zumindest regional werden jetzt einige Produkte (z.B. Leberkäse zum Aufbacken) unter der Marke angeboten. Jedenfalls vermute ich, dass das regional ist. Im Lidl-Prospekt für München wurde es in der jetzt zu Ende gehenden Woche beworben. Leider ist der Prospekt nicht mehr aufrufbar und die noch aufrufbaren Prospekte auf Drittseiten enthalten diese Werbung allerdings nicht (weshalb ich tippe, dass es regional getestet wird).

    • Spannend, Schlemmermeyer hatte ich völlig vergessen. Die hatten mal einen ziemlich guten Ruf, mit vernünftigen Produkten ließe sich da was machen. Oder eben auch einen Komplett-Reinfall…

    • Ich glaube, die bisherigen Produkte haben einfach das Schlemmermeyer-Logo bekommen. Die Werbeseite im Prospekt hatte als Headline „Ausgewählte Deli-Produkte finden Sie fortan unter der Marke Schlemmermeyer“ (oder sowas in der Art) und dann waren Leberkäse zum Aufbacken, Wurstaufschnitt und nochmal irgendwas zu sehen.

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