Chef, das Fleisch funkt – Ein Testeinkauf im Real Future Store

Chef, das Fleisch funkt – Ein Testeinkauf im Real Future Store

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(aktualisierte Version vom 30. Mai mit Real-Statements)

Wenn die Logos noch ein bisschen größer geraten wären, könnte man sie vermutlich auch vom Mond aus sehen und wüsste: Ach, da unten kaufen die Menschen gerade fürs Wochenende ein. Wobei das als Werbebotschaft für potenzielle Kunden, die sich gerade in zirka 380.000 Kilometer Entfernung aufhalten, natürlich nur bedingt geeignet ist. Aber der Metro-Konzern ist nunmal ziemlich stolz auf den riesigen Markt, den er da ins niederrheinische Tönisvorst nahe Krefeld gebaut hat.

Und deshalb leuchten auf dem Dach riesige Buchstaben in Rot und Blau, die außer von Mondreisenden auch von vorbeifahrenden Pendlern gesehen werden können, denen es etwas leichter fällt, ihr Gefährt auf den überdachten Parkplatz des Real Future Store zu lenken.

„Das SB-Warenhaus der Zukunft“ verspricht Metro seinen Kunden – auch wenn die Zukunft des Einkaufens vielleicht nicht ganz so spektakulär ist, wie Sie sich das jetzt vorstellen.

Na gut: Es gibt die Richtungsroboter Ally und Robert, die einem den Weg zu den gesuchten Produkten weisen könnten – wenn auf ihren Displays nicht gerade „macht Pause“ stünde. Wer sich vorher gegen Altersnachweis eine Chipkarte freischalten lässt, kann an der Wein-Probierstation testen, welche Sorte sich am besten fürs Geburtstagsdinner eignet – jedenfalls wenn man riskieren mag, sich nachher aus dem Industriegebiet mit dem Taxi abholen zu lassen. Und bezahlt werden kann nachher in so vielen Varianten, dass die Kassenzone einem metallenen Irrgarten gleicht.

Aber die Idee von Metro war es auch gar nicht, einen „Future Store“ zu bauen, der besonders futuristisch wirkt – sondern einen, in dem einerseits jeder so einkaufen kann, wie er es gewohnt ist, und andererseits alle möglichen neuen techniken und Designs ausprobiert werden können, die sich leicht auf alle anderen Märkten übertragen ließen. Zum Beispiel das Bezahlen mit dem Handy, von dem schon seit einer halben Ewigkeit behauptet wird, es stünde uns kurz bevor. (Ähnlich wie das Comeback von Margarethe Schreinemakers.)

In Tönisvorst geht es tatsächlich – wenn auch mit kleinem Stolperstein. Metro hat eine App entwickeln lassen, die zunächst nur auf Nokia-Telefonen funktionierte (Sie wissen schon: die Handys mit dem umständlichsten Betriebssystem der Welt), inzwischen aber auch auf dem Iphone läuft: „MEA“ (Mobiler Einkaufs-Assistent). Damit können Kunden, nachdem sie sich einmalig angemeldet haben, im Markt alle Produkte selbst scannen, sobald sie sie in den Einkaufswagen legen. Die App listet auf, erstellt Zwischensummen und liefert zum Schluss einen Code, den man an einem speziellen Kassenterminal einscannt (wie beim Handy-Check-In am Flughafen).

Bezahlt werden kann allerdings (und das ist der Stolperstein) noch nicht übers Telefon – dafür braucht es weiterhin ganz klassisch eine EC- oder Kreditkarte. Sobald der Kauf abgeschlossen ist, öffnet sich die Kassenschleuse und der Kunde kann den Einkauf zum Wagen bringen, ganz ohne umständliches Räumen auf Förderbänder.

Mit 100 aktiven Test-Accounts ist das System gestartet, das derzeit ausschließlich in Tönisvorst getestet wird und durchaus ausbaufähig wäre – zum Beispiel, indem „MEA“ künftig auch für Nutzer von Telefonen mit anderen Betriebssystemen zur Verfügung stünde. „Ob es eine App für Android und Windows Phone geben wird, können wir jedoch leider zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen“, erklärt Real-Sprecherin Serra Esatoglu. Und das Bezahlen per Iphone klappt derzeit auch noch nicht ideal, weil das Display beim Scannen des Codes so stark spiegelt.

Die zweite Neuerung, die es vom Future Store in die regulären Märkte schaffen könnte, ist für die Kunden erstmal gar nicht sichtbar, sorgt aber dafür, dass die Abläufe im Markt einfacher werden.

Das geht mit der RFID-Technik: papierdünne Chips, die über elektromagnetische Wellen ausgelesen werden können und sich als Aufkleber ganz einfach an Verpackungen befestigen lassen. (Die Abkürzung RFID steht für „Radio Frequency Identification“.) Wenn im Future Store die Warenpaletten angeliefert werden, bucht sie das System mit RFID automatisch ein. Und weil die Schalen mit dem Frischfleisch in der Selbstbedienungstheke im Markt ebenfalls mit den flachen Chips versehen werden, kriegen die Mitarbeiter hinter der Fleischtheke per Funk automatisch mitgeteilt, wenn das Haltbarkeitsdatum eines Artikels überschritten wurde. Oder wenn die Theke leer ist, weil alles weggekauft wurde. Denn die RFID-Chips funken nur über eine geringe Distanz.

Datenschützer bringt die Technik allerdings an den Rande des Herzinfarkts, weil die Chips theoretiscgh ständig ansprechbar sein könnten, auch wenn sie längst im Einkaufswagen liegen (und das datenschutzrechtlich nicht ganz unbedenklich ist). Esatoglu versichert jedoch: „Sobald die mit den RFID-Transpondern versehenen Produkte im Real Future Store aus der intelligenten Kühltruhe genommen und in den Einkaufswagen gelegt werden, sind diese ausserhalb der Reichweite der Lesegeräte. Die RFID-Transponder können somit nicht mehr von den Lesegeräten in der Kühltruhe ‚angesprochen‘ und ausgelesen werden.“

Dazu würden sämtliche Chips im Kassenbereich automatisch deaktiviert, verspricht Real. Wer trotzdem Bedenken hat, kann an einem Terminal außerhalb des Markts noch einmal selbst testen, ob ein Chip aktiv ist.

Dass bald alle Produkte, die wir einkaufen, mit RFID versehen sind, ist aber sowieso eher unwahrscheinlich: Um jeden Joghurtbecher damit zu bekleben, ist die Technik derzeit nämlich noch zu teuer. Und für einen Ausbau in den anderen Märkten ist es wohl noch zu früh: „Die Testphase ist noch nicht abgeschlossen. Daher sind weitere Installationen an anderen Standorten bis dato nicht geplant.“

Viele der anderen Besonderheiten im Future Store sind eher Gimmicks, die das Einkaufen vermutlich nicht revolutionieren werden. Dazu gehört das spezielle Sounddesign in ausgewählten Abteilungen: Wer sich ein neues Fahrrad aussucht, hört im Hintergrund Vogelgezwitscher; an der Fischtheke kreischen im Hintergrund die Möwen. Und damit Kunden, die keinen Fisch mögen, nicht mit zugehaltener Nase vorbeilaufen müssen, wird der Thekenbereich mit Kräuter-Limone beduftet.

Ein Rezeptberater druckt Vorschläge fürs Abendessen auf Kassenzettelpapier aus. Und die „intelligente Waage“, in die eine Kamera eingebaut ist, die das darunter gelegte Gemüse mit den gespeicherten Bildern in der Datenbank abgleicht und dem Kunden Vorschläge macht, gehört schon seit längerer Zeit zur Standardausstattung in allen Real-Filialen. Im Laufe des Jahres wird es außerdem einen neuen Test geben, bei dem Kunden per Funk bezahlen können (NFC, Near Field Communication).

Vielleicht klappt das ja auch bald mit dem Handwaschbecken neben dem Leergutautomaten. Warum ist darauf eigentlich nicht schon früher jemand gekommen?

Genauso spannend wie die Neuerungen, die sich durchsetzen, sind aber die Flops: Das Bistro in der Mitte des Markts ist wieder geschlossen worden, weil die meisten Käufer keine Lust hatten, zwischen Obstabteilung und Konservenregalen belegte Brötchen zu futtern; der interaktive Schminkspiegel in der Drogerieabteilung ist abmontiert worden, weil das Supermarktlicht die Kundinnen nicht unbedingt vorteilhaft ausleuchtete; und die Kasse, an der registrierte Kunden die Kontoabbuchung mit einem einfachen Fingerabdruck auslösen konnten, war den meisten wohl zu gruselig.

Richtig futuristisch ist das wie gesagt alles nicht – und schwebende Einkaufswagen, die ihren Besitzern mit leisem Summen durch die Gänge folgen, sind in Tönisvorst auch noch keine gesichtet worden.

Aber das Schöne an der „Zukunft des Einkaufens“ im „Future Store“ ist ja auch: Sie funktioniert einfach. Und zwar schon heute.

Fotos: Supermarktblog/Real

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