Seit diesem Jahr ist die Schwarz-Gruppe der größte Supermarktkonzern Europas, und weil es in Deutschland immer schwerer wird, noch zu wachsen, wird die Expansion im Ausland immer wichtiger.
Dazu gleich mehr.
Erstmal kurz die Frage: Wenn Sie in Kroatien einen neuen Supermarkt aufmachen wollten, was wäre Ihr präferierter Ort dafür? Vielleicht derselbe, den sich die kroatische Supermarktkette Konzum in Dubrovnik für einen ihrer Märkte ausgesucht hat: direkt vor der Ankerstelle im Hafen, an der die riesigen Kreuzfahrtschiffe anlegen, und in unmittelbarer Nähe des Busbahnhofs, den sich die Überlandbusse mit den lokalen Linien teilen. Ein Großteil der Menschen, die nicht mit dem eigenen Auto in die Stadt kommen, landen also erstmal – bei Konzum.
(Auch wenn die Kreuzfahrttouristen natürlich aufpassen müssen, dort nicht zu lange in der Kasse zu stehen, weil sonst nebenan schon wieder der nächste Ferienriese anlegt und die Gattin ihre Kabine für den Rest der Reise alleine hat.)
Zurück zu Schwarz: Die Supermarktketten anderer europäischer Länder sind freilich wenig begeistert davon, dass sie ihren Heimatmarkt plötzlich nicht mehr für sich haben, weil sich Lidl und Kaufland dazwischen drängen. Das Letzte, was man als Marktführer gebrauchen kann, ist ein Milliardenschweres Unternehmen, das einem die Kunden wegnehmen will.
In Kroatien ist Lidl 2006 mit 13 Läden gestartet. Inzwischen sind es 86, und der Discounter verbuchte im vergangenen Jahr einen Gewinn von 108 Millionen Kuna (etwa 14 Millionen Euro).
Das ist Medienberichten zufolge exakt der Gewinn, auf den der kroatische Marktführer Konzum kam. Mit dem kleinen Unterschied, dass Konzum mit 13,4 Milliarden Kuna ein Vielfaches des Lidl-Umsatzes in Kroatien macht.
Konzum ist die größte Supermarktkette des Landes und gehört Agrokor, dem größten privaten Unternehmen des Landes, also nicht gerade ein Underdog. Allerdings scheint man sich im Konzern sehr genau darüber informiert zu haben, dass mit dem Wettbewerber aus Deutschland nicht zu spaßen ist (zumal Schwarz auch Kaufland mit 22 Märkten nach Kroatien gebracht hat). Aus diesem Grund holt Konzum gerade eine Entwicklung auf, für die sich die deutschen Supermärkte viele Jahre Zeit gelassen haben, und setzt konsequent eine Anti-Lidl-Strategie um.
Anti-Lidl-Maßnahme #1: Dort sein, wo Lidl sich (noch) nicht hintraut
Zum Beispiel am Hafen, zwischen Kreuzfahrt-Terminal und Busbahnhof.
Anti-Lidl-Maßnahme #2: Abwehr-Strategien abgucken
In einem nagelneuen Einkaufszentrum in Mlini, wenige Kilometer von Dubrovnik entfernt, hat Konzum gerade einen großen Supermarkt eröffnet, der nicht mehr viel Ähnlichkeit mit den schrabbeligen kleinen Nachbarschaftsläden aufweist, die immer noch einen großen Teil des Filialnetzes ausmachen. Der Laden ist hell, modern eingerichtet und empfängt Kunden mit üppigem Obst- und Gemüse-Angebot.
Das Sortiment ist komplett darauf ausgerichtet, der eher überschaubaren Discount-Auswahl (und dem Lidl in der Nähe) Vielfalt entgegenzusetzen. Ihr Pech, falls Sie sich nicht vorher überlegt haben, was Sie für Nüsse kaufen wollen und welche frischen Pilze am Abend verbraten werden sollen.
Bei seiner Treueaktion klotz Konzum mit dem Sympathieträger „Spuzva-Bob Skockani“ (anderswo besser bekannt als Spongebob), den es gemeinsam mit seinen Kumpels u.a. als Stofftierbelohnung zu erquengeln gibt. Außer den eigenen Läden hat Konzum haufenweise Plakatwände mit der Aktion zugepflastert.
Und vom zeitgemäßen Verpavkungsdesign der Konzum-Eigenmarke „K plus“ kann sich so manche deutsche Supermarktkette noch mächtig was abgucken.
Mit seinen Lockmaßnahmen steht Konzum den deutschen Supermärkten also in nichts nach. Vielleicht können die sich von den Kollegen sogar noch vom, ähm, umfassenden Angebot an Zusatzinformationen inspirieren lassen, für den Fall, dass es an der Kasse mit dem Bezahlen mal wieder länger dauert.
Anti-Lidl-Maßnahme #3: Schneller größer werden
Im Nachbarland Bosnien und Herzegowina ist Konzum ebenfalls mit vielen hundert Läden vertreten, in Serbien expandiert Agrokor mit Idea-Filialen – das stärkt die eigene Einkaufsmacht in der Balkan-Region. Da ist Lidl aber auch schon drauf gekommen: In Serbien wollen die Neckarsulmer wohl 2018 ihren ersten Laden eröffnen; in Bosnien gibt Lidl gerade noch Ruhe. Kürzlich wurde aber bereits spekuliert, die Deutschen könnten die bosnische Supermarktkette Bingo übernehmen. Die dementiert bislang – und ist selbst dabei, ihre Märkte deutlich zu modernisieren.
(Eine von mir kürzlich besuchte Bingo-Plus-Neueröffnung in Sarajevo könnte in die Supermarkt-Geschichte eingehen als Erfinder des aus Melonen-Boxen wachsenden Pflanzenschmucks.)
Zusätzlich zu eigenen Expansion hat Agrokor im vergangenen Jahr endgültig die Mehrheit an der verschuldeten slowenischen Supermarktkette Mercator übernommen, ist damit in zahlreichen Balkan-Ländern die unangefochtene Nummer 1 – und liegt damit fusionstechnisch voll im europäischen Trend.
Die schon erwähnten kleinen Schrabbelläden (unten am Baščaršija-Platz in Sarajevo) wird es vermutlich noch eine ganze Weile geben, zumal vielerorts gar nicht mehr Platz für Supermarktausbreitungen ist. Aber Lidl und Kaufland können jetzt erst mal kommen.
Fotos: Supermarktblog
Lustig, in genau dem „Konzum“ haben wir damals in Dubrovnik noch ein bisschen Schnickschnack eingekauft. Eine Lidl Filiale hätte ich wahrscheinlich links liegen gelassen, während ich „fremde“ Supermärkte im Urlaub immer spannend finde.
Die Vorstellung, bald in jedem europäischen Urlaubsort die gleichen deutschen Aldi und Lidl Filialen vorzufinden, finde ich ja eher ernüchternd, wo bleibt da die Vielfalt? Angeblich wird bald jedes dritte Bier vom selben Konzern gebraut, anscheinend soll es bei den Supermärkten bald genauso aussehen.
Sortiment und auch Einrichtung der europäischen Märkte unterscheiden sich teilweise schon deutlich von denen in Deutschland.
2. Bild von oben: Diese Lidl-Plakatwand – handelt es sich da etwa um ein Pissoir?!
Nee, gesponserte Strandumkleidekabine.
Ach so. Wo ich gleich wieder hindenke 😉
Umsatz von Konzum sind 13,4 Mrd Kuna, nicht Euro (das wäre für Kroatien doch etwas viel).
Danke, korrigiert.
LIDL ist überall da, wo ich es niemals vermutete. Mali Losinj, Kroatien, September 2013 – LIDL war schon da. Im Urlaub sparen wie zuhause war das Motto.
Drinnen gab es Wurst aus Wörrstadt / Saulheim, Milch aus dem Hunsrück, Süssigkeiten aus Bonn und noch mehr Produkte aus Deutschland.
Aufgebaut war der Markt wie damals die LIDL-Märkte in Deutschland auch aufgebaut waren. Ohne Schwierigkeiten alles zu finden, wenn ich es denn gewollt hätte. Nur die 1,5l-Flasche Bier / Radler und ein paar Weine kamen aus Kroatien.
Das war ein deprimierendes Erlebnis, aber gegenüber der einheimischen Rumpelkammern, die als Supermärkte fungierten, immer noch ein Hort an Sauberkeit und Ordnung. Faszinierend.