holyEATS #29: Five Guys macht Tempo bei der Deutschland-Expansion, Wagamama und Pizza Express starten To-Go-Konzepte, Lieferandos Marktpotenzial

holyEATS #29: Five Guys macht Tempo bei der Deutschland-Expansion, Wagamama und Pizza Express starten To-Go-Konzepte, Lieferandos Marktpotenzial

Foto: Five Guys
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Burger und Fritten aus frischen Zutaten – reicht das zur Immunität gegen internationale Systemgastro-Trends?

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Five Guys: zehn Neueröffnungen pro Jahr geplant

Burger, Hot Dogs und Fritten aus frischen Zutaten, ein überschaubares Menü, keine Ablenkung durch Aktionen oder Gewinnspiele: Das Erfolgsrezept von Five Guys ist leicht zu verstehen. (Der Hype darum schon ein bisschen weniger.) In dieser Woche hat die amerikanische Better-Burger-Kette ihr siebtes Restaurant in Deutschland eröffnet: am Berliner Ku’damm, gegenüber vom Kranzler Eck. Seit dem Start vor gut zwei Jahren will sich Five Guys auch hierzulande einen Namen machen. Nach Frankfurt und Essen, München, Oberhausen und Berlin kommen als nächstes Mannheim, Stuttgart, Heidelberg und Düsseldorf dazu.

„Wir suchen in der ersten Phase der Expansion nach Hochfrequenzlagen, gerne in der Nähe von Einkaufsstraßen. Das kann auch mal ein Shopping Center sein – die Center stehen aber nicht im Fokus“, sagt Deutschland-Chef Jörg Gilcher im Gespräch mit holyEATS. Wenn Standorte den festgelegten Kriterien entsprächen, „können wir uns vorstellen, zehn oder auch mal zwölf Restaurants pro Jahr neu [zu] eröffnen.“

Eine Besonderheit ist das unter anderem deshalb, weil sich Five Guys zahlreichen Regeln der klassischen Systemgastronomie versperrt. Geld für klassische Werbung? Spart man sich lieber. „Wir investieren stattdessen in hochwertige Produkte und zahlen unseren Mitarbeitern Prämien, wenn sie einen sehr guten Service leisten“, sagt Gilcher. „Wir glauben daran, dass unsere Gäste, wenn wir einen guten Job machen, ihren Freunden positiv von Five Guys berichten – und dass wir auf diesem Wege neue Kunden gewinnen.“ Reicht das, um eine völlig neue Marke im Markt zu etablieren? „Ganz ehrlich: Am Abend vor der ersten Restaurant-Eröffnung war ich auch unsicher, ob das funktioniert. Aber der Zuspruch war enorm. Unserer Erfahrung nach gibt es schon ziemlich viele Fans in Deutschland, die Five Guys aus dem Urlaub in den USA oder europäischen Nachbarländern kennen.“ (Im Grunde genommen ist der offen kommunizierte Werbeverzicht aber auch bloß eine geschickte Form des Marketings – so lange die Medien gerne fasziniert über den Neuling berichten.)

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Möglicherweise kann man sich die Extrabulette, Pardon: Sonderposition auch deshalb leisten, weil die fünf Brüder der aus Arlington, Virginia, stammenden Murrell-Familie bei der Gründung ihrer Restaurantkette ein erstaunliches Gespür für künftige systemgastronomische Trends hatten. „Dass Kunden sich ihre Burger individuell zusammenstellen können und bei der Zubereitung in der offenen Küche zusehen können, haben inzwischen ja auch andere Gastronomiekonzepte für sich entdeckt“, sagt Deutschland-Chef Gilcher. „Das Five-Guys-Konzept existiert in dieser Form aber bereits seit 1986 – das heißt: die Gründer haben mit ihrer Idee damals schon ziemlich richtig gelegen.“ Und quasi ein Hybridkonzept aus Fast-Casual- und Quickservice-Elementen erfunden, bei dem Kunden bereit sind, deutlich mehr für ihren Burger zu zahlen als im klassischen Schnellrestaurant (8 bis 10 Euro), aber tendenziell eher nicht länger sitzen bleiben wollen, um noch einen Cocktail zu bestellen. (Gibt’s ja auch gar nicht.)

Zu den Grundpfeilern des Konzepts gehört eine hohe Küchendisziplin: Bevor neue Team-Mitglieder im Wechsel an den fünf unterschiedlichen Stationen hinter der Theke arbeiten können, gibt’s ein achttägiges Training. Das Tempo ist enorm, der Platz in der Küche begrenzt, und am Ende wird penibel kontrolliert, ob auch wirklich jeder Burger den auf dem Bon festgehaltenen, aus 15 Zutaten kombinierten Individualbelag bekommen hat.

Wer als Gast mittags gerne schnell, aber in Ruhe speist, der wird bei Five Guys eher nicht glücklich. Aber auch die hektische Betriebsamkeit ist Teil der Idee. Dass die Erfinder so fest davon ausgehen, ein Konzept gefunden zu haben, das gegen internationale Trends genauso immun ist wie gegen nationale Besonderheiten, ist einerseits dem bisherigen Erfolg geschuldet. (Einzige Ausnahme: In europäischen Restaurants gibt’s Bier aus der Flasche; und die Möbel sind nicht wie indem USA aus Metall, sondern aus Holz.) Andererseits ist es auch kein kleines Risiko – weil diese Art Zuversicht schon ganz anderen Gastro-Größen zum Verhängnis geworden ist.

Digitalisierung ist jedenfalls nicht so das Ding der fünf Kumpel. Anstatt die Order-Nummern in den Restaurants auf großen Bildschirmen anzuzeigen, brüllt die Küchen-Crew die fertigen Menüs in den Laden hinein. Bestell-Terminals? Gibt’s nicht. „Wir wollen unsere Kunden beraten, ihnen beim Aussuchen der Zutaten helfen, unser Konzept erklären – das geht an einem Screen nicht so gut wie in der direkten Kommunikation mit unserer Crew“, meint Gilcher. Kunden können sich ihren Burger zwar online zusammenstellen, müssen ihn aber selbst abholen. Derzeit biete man in Deutschland kein Liefergeschäft an – aus strategischen Gründen. Gilcher: „Uns ist es wichtig, dass uns die Gäste erstmal richtig kennenlernen. Deshalb konzentrieren wir uns derzeit ganz auf die Restaurants.“ Deren Einrichtung konsequent sämtliche Design-Trends der Gegenwart ignoriert, stattdessen auf Diner-Retro-Charme setzt – und auf Metallbank-aufgebockte Kartoffelsäcke, aus denen später die Pommes in die Erdnussöl-Friteuse gesäbelt werden.

Während sich große Quickservice-Ketten zunehmend mühen, weniger Plastikmüll zu produzieren, um dem Wunsch vieler Kunden zu entsprechen, ist das Essen bei Five Guys eine ziemliche Einweg-Schlacht. (Selbst die „FAZ“ findet das „richtig ärgerlich“.) Gilcher verspricht aber: „Wir verschließen uns der Thematik nicht und sehen uns in einem ersten Schritt an, welche Materialien sich in Zukunft womöglich durch nachhaltigere Optionen ersetzen lassen.“

Parallel zur Expansion arbeitet man jetzt erstmal daran, die Lieferketten für die benötigten Zutaten zu regionalisieren, so wie man’s im Ausland vorgemacht hat (und dort gut sichtbar an die Restaurantwände schreibt). „Natürlich ist es unser Ziel, einen möglichst großen Anteil an Zutaten mittelfristig aus Deutschland zu beziehen“, sagt Gilcher. Hot Dogs kommen schon jetzt von hier, der Bacon aus Polen, das Rindfleisch aus Irland. „Die Burgerbrötchen werden inzwischen in einer Bäckerei in Erlangen gebacken – nach dem ursprünglichen Rezept aus den USA.“ Im vergangenen Herbst habe die Gründerfamilie nach einer Verkostung selbst ihr Okay dafür gegeben. Man sei bereits in Gesprächen mit weiteren Lieferanten aus Deutschland.

Den Beweis, ob das Konzept auch dann noch funktioniert, wenn sich der anfängliche Neugierde-Effekt bei den Gästen erschöpft hat, muss die Kette freilich erst noch erbringen. Die bislang angemieteten Standorte dürften jedenfalls nur mit anhaltend hoher Auslastung funktionieren. Dazu kommen Kosten für all die Mitarbeiter: Am Ku’damm arbeiten zehn Crew-Mitglieder pro Schicht. „Wir haben sicherlich einen höheren Personalbedarf als andere Systemgastronomie-Anbieter, zumal wir schon mehrere Stunden vor der Eröffnung mit den Vorbereitungen beginnen“, sagt Gilcher. (Zutaten werden vorgeschnitten, das Rindfleisch wird von Hand geformt.)

Aber womöglich liegt Five Guys auch goldrichtig mit seiner Idee, Kunden in einem Markt, der immer komplizierter wird, mit Einfachheit zu ködern. „Wir wollen das, was wir anbieten, besonders gut machen“, sagt der Deutschland-Chef. „Deshalb dürfen wir uns nicht in kurzfristigen Trends verlieren.“


Mamago und Za sollen Schnellesser von Pret & Co. weglocken

Apropos: hybrid. Bislang haben sich britische Systemgastronomen den Markt sauber untereinander aufgeteilt – nach Kundenbedürfnissen. Alle, die es eilig hatten, waren bei Pret, EAT oder Tossed gut aufgehoben; wer Wert auf ein Porzellanteller und Service legte, landete eher bei Wagamama oder Pizza Express. Die beiden letztgenannten Gastroketten bringen diese Ordnung nun kräftig durcheinander.

Weil Angebote für Sofortesser doppelt so schnell wachsen wie der Gesamtmarkt, diversifizieren sich die etablierten Tischbediener nun selbst und starten eigene Grab-and-Go-Konzepte. Der Pizza-Express-Ableger „Za“ ist seit Anfang März in London geöffnet und nach Schilderungen von „Big Hospitality“ eine Art Pizza-Pret, in dem außer einzelnen Käse-Salami-Schinken-Slices (für 4 Pfund) u.a. Dough Balls, Egg & Bean Pots, Kirschkompott-Porridge, Flat White und Cocktails angeboten werden. Zum Mitnehmen, natürlich.

Salate und Müslis stehen wie überall sonst in der Kühltheke; die Pizzen sind vorgebacken und wandern für den Verzehr nochmal durch einen Ofen mit Förderband. Bei Za versteht man das als Referenz an den im vergangenen Jahr verstorbenen Gründer Peter Boizot, der in seinen Anfangsjahren in Soho zunächst ebenfalls stückweise Pizza verkaufte. Aus deutscher Perspektive hat Pizza Express aber quasi eine Art aufgebohrten Ditsch erfunden.

Im kommenden Herbst will Wagamama nachziehen. Bei der Bekanntgabe ihrer Geschäftszahlen fürs vergangene Jahr kündigte The Restaurant Group (TRG) an, ihrem Fast-Casual-Neuerwerb einen Take-Away-Ableger spendieren zu wollen (PDF): Mamago. Viel mehr ist dazu noch nicht bekannt – außer dass man vom „erhöhten Kundenbedarf nach Convenience“ profitieren möchte. Bleibt noch die Frage, ob diese Form der Hybridisierung auch umgekehrt funktionieren könnte – und Pret demnächst Sandwiches mit Salatdeko an den Tisch serviert?


Takeaway.com peilt 30.000 Partner für Lieferando an

Noch ’ne Frage: Woher nimmt der niederländische Liefergeneralist Takeaway.com eigentlich die Zuversicht, sich den Erwerb des deutschen Delivery-Hero-Geschäfts eine Milliarde Euro kosten lassen zu können, in diesem Zuge einen Schwung etablierter Marken abzuschaffen – und damit trotzdem erfolgreich zu sein? Die Antworten stehen im gerade publizierten Geschäftsbericht der Gruppe, der u.a. eine detaillierte Einschätzung des deutschen Markts liefert (PDF). Kurzer Auszug gefällig?

Die Niederländer schätzen, dass bislang etwas mehr 50 Prozent der lieferfähigen Restaurants in Deutschland auf der Lieferando-Plattform verfügbar sind – „das heißt, es gibt einen signifikanten Teil des Markts, den wir bislang noch gar nicht abdecken“. 2018 wurden 2.200 neue Restaurantpartner gelistet. Insgesamt sieht Takeaway.com in Deutschland Potenzial für 30.000 Restaurants auf seiner Plattform.

Immerhin 76 Prozent aller Lieferando-Order wurden im vergangenen Jahr über ein mobiles Endgerät abgesendet (mit 84 Prozent liegt der niederländische Heimatmarkt nur knapp vorne); die Hälfte der Bestellungen kommt aus der Lieferando-App (49 Prozent), was insofern vorteilhaft ist, weil App-Nutzer sich durch stärkere Loyalität auszeichnen.

Wobei: Viele Alternativen gibt’s künftig für Online-Lieferbesteller ja ohnehin nicht mehr. Dass irgendwer Foodora, Lieferheld oder Pizza.de vermissen könnte, wenn die Marken – wie angekündigt – in Lieferando aufgegangen sind, fürchtet man in Amsterdam und Berlin ebenfalls nicht. Und nennt einen guten Grund. In einer Gfk-Umfrage zu Beginn des Jahres antworteten 38 Prozent der Befragten, welche Marke ihnen beim Stichwort Lieferessen zuerst in den Sinn komme: Lieferando. Der am zweitmeisten genannte Wettbewerber kam lediglich auf 14 Prozent. Das sehen die Lieferspezialisten in Orange als Ansporn, weiter „massiv ins Marketing zu investieren, um die Markenbekanntheit zu beschleunigen“. Mehr zu den Takeaway.com-Ambitionen: demnächst.


Nachschlag

  • Coffee Fellows bringt To-Go-Becher ohne Beschichtung, die im Papiermüll entsorgt werden dürfen – Starbucks auch, aber erst wird noch getestet. (Coffee Fellows, Skift Table)
  • Swing Kitchen, die vegane Burger-Kette aus Wien, startet jetzt auch in der Schweiz – in einem alten Kino. (Swing Kitchen)
  • Und in New York ist das Mega-Stadtteilprojekt Hudson Yards eröffnet worden, inklusive Riesen-Shopping-Center, allerlei Restaurantkonzepten etablierter Star-Gastronomen – und einer begehbaren Kunstinstallation, die Eater an einen gigantischen Schawarma-Spieß erinnert. Der Vollständigkeit wegen: in Berlin sagt man „Döner“. (Eater NY)
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