Was wird aus dem SB-Backshop-Kiosk-Desaster KAMPuS?
Eigentlich wirbt die Bäckereikette Kamps mit dem Hashtag #Sommerpause ja bloß für ihr „I ♥ Picknick“-Aktionsangebot (belegtes Brötchen mit Feigen, Obstbecher und Quarkstückchen). Aber in der Chefetage scheint man sich die Initiative ebenfalls zu Herzen genommen zu haben. Anfang Juni verabschiedete sich Jochen Pollotzek aus der Geschäftsführung des Unternehmens, das seit 2015 zum französischen Backkonzern Le Duff gehört. Und zwar „im gegenseitigen Einvernehmen“ bzw. „aufgrund von unterschiedlichen Ansichten über die Strategie des Unternehmens“. (Co-Geschäftsführer Thomas Prangemeier macht alleine weiter.) Das ist ein guter Zeitpunkt, um mal zu fragen: welche Strategie eigentlich?
Zur Erinnerung: Klassische Bäckerei will Kamps schon seit mehreren Jahren fast nur noch in Nordrhein-Westfalen sein. Von München über Kassel bis Hamburg hat sich die Kette hingegen zur „Kamps Backstube“ gewandelt: Auf hellen Holzmöbeln sitzend können Kunden beim Verzehr ihrer belegten Backwaren dabei zusehen, wie direkt im Laden Nachschub gebacken wird. Das war zum Zeitpunkt der Einführung durchaus clever. Viele junge Handwerksbäcker können das inzwischen aber sehr viel besser, zu ähnlichen Preisen, allerdings individueller und in Bio-Qualität. Und alle, die beim Stadtbummel der Hunger packt, landen immer öfter bei den Backgastronomen BackWerk oder Back Factory. Das wollte man in Schwalmtal offensichtlich nicht auf sich sitzen lassen – und erfand Ende 2017 „ein modernes Convenience-Konzept mit frischen und hochwertigen Produkten to go“, angelegt als „Komplettlösung für die unkomplizierte Versorgung unterwegs“ (PDF). Oder, um’s etwas realitätsaffiner zu formulieren: einen Zusammenstoß aus Bahnhofskiosk und SB-Backshop, der auch noch mit dem ulkigen Namen „KAMPuS by Kamps“ gestraft ist.
Eindreiviertel Jahre später gibt es gerade mal drei KAMPuSse by Kamps: am Flughafen Köln-Bonn, am Duisburger Hauptbahnhof, am Fernbus-Bahnhof in Leipzig. Auf die Frage, ob weitere Stores geplant ist, antwortet das Unternehmen nicht. Ist vielleicht auch besser so. In Sachsen lässt sich nämlich ganz gut besichtigen, was alles schiefgehen kann, wenn eine Kettenbäckerei plötzlich Vollversorger sein möchte. Nicht nur, aber auch wegen des lächerlichen Brandings. Das kodiert Menü-Angebote als „Köstliche Kombi“, „Cooles Duo“ oder „Süßes Pärchen“ und Sortimente teilen sich u.a. in „Glücklichmacher“, „Muntermacher“, „Leckerschlecker“ und „Brausepause“ auf. Ein dauerhafter Platz in der Aufbackhölle ist den Peinlichkeitsreimern aus der zuständigen Kreativagentur damit gewiss (zumal sich Kamps erfolgreich hat einreden lassen, es handele sich bei den Albernheiten um „Wortwitz“).
Und der Ladenbau? Kann gleich mitverfeuert werden. In Leipzig hat das Kleinflächenkonzept deutlich mehr Platz als Ideen (oder Ware). Am Eingang werden Kund:innen von Gummibärchen und Piccolo empfangen, ein Stapel Zeitschriften steht unmotiviert in der Mitte herum, die mickrige Getränkeauswahl triebe jedem Berliner Späti-Betreiber die Schamesröte ins Gesicht und rechts gibt’s Kartoffelchips neben Damenbinden und Mundwasser. Oder wie Kamps meint: „alles, was dich glücklich macht“.
Zu den größeren Peinlichkeiten gehört zweifelsfrei die aus zwei Kaffeevollautomaten bestehende Heißgetränketheke, an der man sich zu üppigen Preisen selbstbedienen darf. Und der daneben aufgestellte Brötchenknast, mit Crème-fraîche-Taler und Gemüseecke Toscana für 2,50 Euro bzw. Käsebrötchen mit Knusperhähnchen für 3,40 Euro. (Wo sind die Kamps-Klassiker?) Die traurige Weißmehlauslage ist ein schöner Beweis dafür, dass es keine ganz so gute Idee ist, Backshop-Ketten nachzuahmen und gleichzeitig weiter Premium-Preise verlangen zu wollen – jedenfalls nicht, wenn es eine ganze Reihe an Wettbewerbern gibt, die das appetitlicher hinkriegen. (Zum Beispiel: die Kamps-Filiale nebenan im Leipziger Hauptbahnhof, die mit ihrer Inneneinrichtung schon fast Café-Charakter hat und vom Franchise-Partner Areas Deutschland betrieben wird.)
Wie ratlos muss ein Unternehmen sein, wenn in der Chefetage ein Konzept wie KAMPuS durchgewunken wird, bei dem die Kernkompetenz der Hauptmarke quasi keine Rolle spielt: hochwertig aussehende (Industrie-)Backwaren, für die man wegen der stimmigen Thekenpräsentation auch mal bereit ist, Preise zu zahlen, die sich viele Wettbewerber im Leben nicht erlauben könnten. Kamps muss sich überlegen, für was die Marke künftig stehen soll. Solide Backwarenauswahl, frischen Kaffee und Süßes für unterwegs – oder in Weizenbrötchen gepresste Schnitzel, Zigaretten aus dem Touchscreen-Automaten und Mundwasser?
DB macht Bahnsteigwürfel „Service Store Selection“
Dank ihres Service-Store-Konzepts gehört die Bahn mit 150 (vornehmlich von Franchise-Partnern betriebenen) Bahnhofskiosken zweifelsfrei zu den Platzhirschen in der Unterwegsversorgung. Seit Anfang dieser Woche testet das Unternehmen auf den Bahnsteigen der Berliner S-Bahn-Station Bornholmer Straße eine geschrumpfte Version und konzentriert sich dafür auf belegte Backwaren, Getränke, Kaffee und Hot Dogs.
Dass sich der eigentlich für Anfang 2019 angekündigte Start um wenige Monate verzögert hat, lag vermutlich daran, dass die Bahn ihrem Image gerecht werden wollte. Dafür glänzen die „Service Store DB Selection“ getauften Würfel mit Bedienfenster aber nun in schicker schwarzer Optik. Stolz pressemeldet die Bahn, „Marke und der Markenauftritt wurden dafür neu entwickelt und unterscheiden sich neben dem Angebot, damit auch optisch von dem klassischen Convenience-Store Konzept Service Store DB“. Also, im Gegensatz zu, sagen wir: den Läden des direkten Konkurrenten Cuccis, der sich seit einigen Jahren auf U- und S-Bahnsteigen in Berlin, Frankfurt, Hamburg und München ausgebreitet hat. Ebenfalls in schwarzen Würfeln. Und mit vergleichbarem Snack-Angebot (minus der Hot Dogs).
Nun lässt sich das Konzept des Bahnsteigbäckers freilich nur begrenzt oft neu erfinden. Wenn man sich so fest wie Martina Köppl vom Bahnhofsverwalter DB Station & Service einredet, „einen neuen Weg“ zu gehen (den andere schon zum Trampelpfad ausgetreten haben), gelingt aber auch das. Man muss wahrscheinlich bloß wie in Berlin den Mut haben, seinen Kund:innen die zuvor an gleicher Stelle aus schmucklosen weißen Containern sichergestellte Hot-Dog-Versorgung für ein halbes Jahr zu kappen, sich die wichtigsten Elemente für das neue Konzept bei der Konkurrenz abzugucken und nach der Wiedereröffnung Franchise-Gebühren dafür zu verlangen.
Haferkater kommt nach Frankfurt, Bremen, Hannover und München
Oder man lässt einfach mal ein paar Leute ran, die tatsächlich eine neue Idee haben. Das Team von Haferkater zum Beispiel. 2015 haben Leandro Burguete, Anna Schubert und Levin Siert in Berlin-Friedrichshain erstmals frisch gekochten Haferbrei an hungrige Alternativfrühstücker:innen verkauft. Nach dem Sieg beim Bahn-Start-up-Wettbewerb DB Accelerator und einem Testladen im Berliner Hauptbahnhof stellte sich ziemlich schnell heraus: Porridge ist die perfekte Mitnahmemahlzeit für Pendler:innen und Reisende. Deshalb holte die Bahn Haferkater erst mit einem festen Laden in den Berliner S-Bahnhof Friedrichstraße, später auch in den Kölner Hauptbahnhof, wo am Tag mehrere hundert Porridge-Portionen verkauft werden.
Neue Läden in Bonn Hauptbahnhof und Dresden Hauptbahnhof folgten in den ersten Monaten dieses Jahres. Und in der vergangenen Woche eröffnete der jüngste Haferkater am Frankfurter Hauptbahnhof (auf der Gastroschiene zwischen Eingangshalle und Gleisen) – der nun erstmals von einem Franchise-Partner betrieben wird: dem Verkehrsgastronomie-Spezialisten SSP. Im Gespräch mit holyEATS sagt Haferkater-Co-Gründer Leandro Burguete: „In diesem Jahr kommen außerdem Hannover Hauptbahnhof und Bremen Hauptbahnhof hinzu.“ (Ebenfalls mit SSP.) „Und für die Eröffnung in München-Pasing arbeiten wir mit einem weiteren Franchise-Nehmer zusammen.“
2017 hatte sich Katjesgreenfood mit 10 Prozent an Haferkater beteiligt und im Jahr darauf seinen Anteil um weitere 10 Prozent aufgestockt; mehrheitlich gehört das Unternehmen aber weiterhin seinen drei Gründer:innen. „Wir haben fünf eigene Stores, die wir brauchen, um das System weiterzuentwickeln, Neues auszuprobieren und dazu zu lernen. Gleichzeitig bekommen wir mehr Standorte in guten Lagen angeboten, als wir selbst finanzieren könnten“, erklärt Burguete die Entscheidung, mit Franchise-Partnern zu expandieren. Ein ausführliches Porträt der Berliner Porridge-Enthusiasten (und ihrer für die Systemgastronomie ungewöhnlichen Herangehensweise) steht demnächst hier bei holyEATS.
Nachschlag
- Jetzt ist’s raus: Vapiano hat im vergangenen Geschäftsjahr 100 Millionen Verlust gemacht und erklärt 2019 wegen „deutlich rückläufige[r] Gästezahlen“ im 1. Quartal zum „strategischen Übergangsjahr“. (ir.vapiano.com)
- In Berlin testet McDonald’s nachhaltigere Verpackungen für Burger und Fritten; Starbucks verleiht am Flughafen London-Gatwick Mehrwegbecher zum Mitnehmen und Zurückgeben. (Süddeutsche, Guardian)
- Und Ed Sheeran hat ’ne Idee für Ketchup-Werbung. (YouTube)
Produkt der Woche: KFC hat seinen Fake-Chicken-Burger in Großbritannien „Der Betrüger“ getauft. (inews.co.uk)
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