Edeka verstehen – in nur 3 Minuten

Edeka verstehen – in nur 3 Minuten

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Edeka, ist das nicht der Laden mit der sympathischen Werbung?

Richtiges Tempus wäre das Präteritum. Nochmal im ganzen Satz: Edeka war der Laden mit der sympathischen Werbung. Die Aussage gründet sich auf die Kampagne „Wir lieben Lebensmittel“, mit der seit 2005 in verschiedenen Fernsehspots ungewöhnlich originell und liebenswert kommuniziert werden sollte, dass Edeka-Kaufleute wandelnde Lebensmittel-Wikis sind und echt was von ihrem Job verstehen. Unvergessen sind die Spots mit dem Überraschungsei-Kind und der vergesslichen Metzgerin.

Mit dem Start der Fernsehwerbung für seine Billigmarke „Gut & Günstig“ hat Edeka aber nicht nur seine Kernkompetenz in die Tonne getreten (warum liebt man Lebensmittel, wenn’s bloß um den Preis geht?), sondern – passend dazu – auch furchtbar schlechte Spots durchgewunken, die nur noch nerven. (Bitte überzeugen Sie sich selbst davon.) Das ist Edeka.

Also gut…

…und günstig! (Kleiner Scherz.)

Also gut: Dann erklär mal, warum Edeka-Läden nicht einfach „Edeka“ heißen, sondern tausend unterschiedliche Namen haben müssen.

Sehr gerne! Dafür müssen wir aber einen kleinen Umweg machen, nämlich ins Jahr 1898, als sich 21 Einkaufsvereine zur ersten regionalen Einkaufsgenossenschaft zusammenschlossen.

Gähn, Geschichte. Hoffentlich wird’s noch interessant.

Ja, sehr sogar. Von diesem Zusammenschluss, der dazu da war, gemeinsam Lebensmittel für die Läden einkaufen zu können, kommt nämlich der Name. Die Kaufleute nannten ihren Verbund: „Einkaufsgenossenschaft der Kolonialwarenhändler“, abgekürzt: E. d. K. – und das wurde später zu „Edeka“.

Wie – Genossenschaft? Ich dachte, Edeka sei ein Supermarkt.

Stimmt ja auch, aber das Konstrukt dahinter ist ein bisschen komplizierter. Es gibt heute nämlich sieben Regionalgesellschaften, die für unterschiedliche Landesteile zuständig sind. Sie kümmern sich um den Großhandel, also darum, dass es in den Läden überhaupt was zu verkaufen gibt. Die meisten dieser Märkte (ungefähr 6200) werden von selbstständigen Händlern betrieben, die immer noch genossenschaftlich zusammengeschlossen sind. Einige Läden steuern die Regionalgesellschaften auch selbst (ungefähr 1300), das sind so genannte „Regie-Märkte“. Aber nach und nach sollen die ebenfalls an selbstständige Händler weitergegeben werden.

Es gibt auch noch eine Zentrale in Hamburg, aber die vergessen wir mal. Da gehen die Leute sowieso nur ungern ans Telefon, zumindest wenn Journalisten ein paar kurze Fragen haben, die sich nicht mit den üblichen Floskeln beantworten lassen.

Und was hat das alles damit zu tun, dass die Märkte so unterschiedlich heißen?

Das liegt jetzt doch auf der Hand: Die vielen selbstständigen Betreiber geben ihren Märkten ihren Namen und setzen das blaue „E“-Logo davor.

Das klingt logisch – aber was bitte schön sind „E Neukauf“, „E Aktiv Markt“ und „E nah und gut“? Da werden sich ja wohl kaum Herr Neukauf, Frau Aktiv-Markt und Herr Nahundgut selbstständig gemacht haben.

Nein, nein. Diese Bezeichnungen gehören vielmehr zu einer groß angelegten Kundenverwirrungsstrategie, die für alle Nicht-Edekaner bis heute völlig unergründlich ist. (Edeka-Leute lassen sich unwidersprochen „Edekaner“ nennen, so wie: Marsianer.) Eigentlich sind die Bezeichnungen dazu da, die Größe der Märkte kenntlich zu machen und die Werbung für die unterschiedlich großen Sortimente besser regulieren zu können. Ist halt ein bisschen doof, wenn kein Mensch sich behalten kann, ob nun der „Neukauf“ oder der „Aktiv Markt“ mehr Produkte im Regal hat. (Richtig wäre: „Neukauf“ – bis zu 25.000 Artikel). Vor allem ist es aber herzlich egal.

„Nah und gut“ sind übrigens als „Nachbarschaftsmärkte“ angelegt, für den schnellen Einkauf nach der Arbeit, aber viel kleiner und ramschiger als der Rest. Zur Strafe dürfen sie auch kein „E“ vorm Namen tragen, achten Sie mal drauf! Die offizielle Begründung dafür ist, dass die kleinen Märkte nicht die Ansprüche erfüllen, mit denen Edeka bundesweit wirbt (Sortimente, Öffnungszeiten usw.).

Eine ziemlich beknackte Strategie, wenn man sie seinen Kunden erst so umständlich erklären muss, oder?

Oh ja. Und wir haben noch gar nicht über „E Center“, Marktkauf, Spar, Netto (ohne Hund) und den Rest geredet. Da ist jetzt gerade auch keine Zeit dafür.

Muss ich mir denn diese ganzen Namen merken?

Wenn Sie zwischen Hannover und Berlin, bei Minden oder in Osnabrück wohnen: nee. Die dort zuständige Regionalgesellschaft Minden-Hannover will die Namen „Neukauf“ und „Aktiv Markt“ nämlich bis zum Sommer verschwinden lassen. Die Läden heißen dann einfach überall wie ihre Betreiber, nur mit dem „E“ davor. „Edeka ist ja ein genossenschaftlich organisiertes Unternehmen mit eigenständigen Einzelhändlern, und das wollen wir künftig noch stärker in den Vordergrund stellen“, erklärt Edeka-Minden-Hannover-Sprecher Andreas Laubig. Außerdem habe die Marktforschung herausgefunden, dass die meisten Kunden sowieso sagen: Ich geh zu Edeka einkaufen (oder den Namen des lokalen Händlers).

Da wär man ja alleine nie drauf gekommen!

„Nah und gut“ gibt’s allerdings auch weiterhin, sogar ein paar mehr als momentan, weil kleinere Läden umbenannt werden. Und in Berlin heißen die Märkte weiter „Edeka Reichelt“, in und um Bremen weiter „Edeka Aktiv Discount“ (wobei die überhaupt nichts mit Discountern zu tun haben, das wäre sonst ja zu einfach). Laubig sagt: „Mit ein bisschen Wildwuchs können wir ganz gut umgehen. Edeka ist halt nicht so stromlinienförmig wie ein filialisiertes Unternehmen.“ Ein Punkt für Schlagfertigkeit.

Und was ist, wenn ich nicht in Hannover wohne?

Dann erstmal: Herzlichen Glückwunsch. Und bis zum nächsten Mal wird dieser Eintrag bitte auswendig gelernt.

Das hat jetzt aber viel länger gedauert als 3 Minuten.

Stimmt. Aber Sie haben ja trotzdem bis hierhin gelesen.

Fotos: Edeka

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1 Kommentar
  • Ein wirklich herrlicher Artikel. Diesen schreibstil schätze ich sehr an ihnen Herr Schader.
    Ich bin anscheinend gerade auf Nostalgie getrimmt und durchforste ihr Archiv.

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