Von Mumbai bis New York: Wo in Städten Gemüsegärten wachsen

Von Mumbai bis New York: Wo in Städten Gemüsegärten wachsen

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Weltweit werden brachliegende Flächen in Großstädten begärtnert und bepflanzt. „Urban Farming“ heißt der Trend zur Lebensmittelprdouktion in der Metropole. (Und was in Berlin passiert, steht hier im Blog.) Manche Stadtfarmen sind aus Zufall entstanden, andere aus gestalterischer Ambition, und einige, um daraus ein funktionierendes Geschäftsmodell zu machen. Das Supermarktblog stellt vier ganz unterschiedliche Projekte vor.

Mumbai: Kantinenfutter mal ganz anders

Das Wichtigste für Preeti Patil war eigentlich, den enormen Berg an Küchenabfällen loszuwerden, der täglich in der Kantine für die 2000 Arbeiter im Hafen von Mumbai anfiel. Denn die Entsorgung war teuer. Mit ein wenig philosophischer Inspiration machte die Kantinen-Chefin aus dem Problem einen Vorteil – und aus dem Abfall: Dünger.

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So entstand auf dem Dach der Hafenkantine ein Gemüsekarten. Das dort wachsende Obst und Gemüse wird verwendet, um Mahlzeiten für die Arbeiter herzustellen. Und das Kantinenteam zeigt auf denaktuellen Fotos im Internet stolz, was in den vergangenen Jahren alles in ihrem Dachgarten gedeihen konnte – über 150 verschiedene Pflanzen und Früchte. Preeti Patil engagiert sich inzwischen in der Organisation „Urban Leaves“, die Leuten hilft, ihre eigenen Stadtfarmen zu gründen. Vielleicht schickt sie mal einen ihrer Kollegen nach Deutschland, damit der sich hier eine zeitlang als Mensa-Berater engagiert.

New York, St. Paul, Minneapolis: Geschmack statt Transport

„The most important ingredient in a food is love“ – die wichtigste Zutat eines Lebensmittels ist Liebe. Man muss Paul Lightfood den leichten Pathosüberschuss bei seinem Vortrag auf der Zukunftskonferenz TEDxManhatten Anfang des Jahres vermutlich verzeihen – er ist Amerikaner; schlimmer noch: amerikanischer Unternehmer mit frisch gewonnenem Umweltbewusstsein. Jahrelang hat er für die Industrie gearbeitet, jetzt denkt er um – und bringt ziemlich gut auf den Punkt, was das Problem an unserer Lebensmittelproduktion ist: „We grow products for travel, not eating.“ Unser Obst, das Gemüse und der Salat werden so gezüchtet, dass sie die langen Transportwege zu den Konsumenten möglichst gut überstehen. Das geht fast immer auf Kosten des Geschmacks.

Muss es aber nicht, findet Lightfoot, der mit seiner 2011 entstandenen Firma Brightfarms Gewächshäuser auf Dächer in Städten bauen will, um dort mit Hdyroponik (Pflanzenzucht ohne Erde) wieder Tomaten zu züchten, die schmecken. Das Spannende daran ist, dass eine Gesellschaft namens Emil Capital Partners zu den Investoren gehört, einer US-Tochter von Tengelmann.

Im Gegensatz zu ECF in Berlin verzichtet Brightfarms auf die Fische im System und konzentriert sich ganz auf Gemüse, Salat und Kräuter. Außerdem verspricht Lightfoot Supermarkt-Partnern, die Gewächshäuser auf eigene Kosten zu bauen, wenn sie einen langfristigen Abnahmevertrag unterschreiben, und dass sie ihr Gemüse zum selben Preis einkaufen können wie bisher. Fünf der wichtigsten US-Ketten hätten schon Interesse gezeigt, erklärt Brightfarms – aber die Umsetzung lief bisher eher schleppend. Im April konnte der erste Erfolg vermeldet werden: Die 14 Läden des Familienunternehmens „Best Yet“ verkaufen künftig Stadtgemüse, das in einem Brightfarms-Gewächshaus in der Nähe von New York wächst (welches allerdings nicht direkt auf einem Markt steht). Anfang Juni ist der Händler McCaffrey’s (Pennsylvania) dazu gekommen – mit drei weiteren Filialen, die Salate und Tomaten aus einem nahe gelegenen Brightfarms-Gewächshaus beziehen. Die Lieferung startet diesen Herbst. Für St. Paul und Minneapolis (Minnesota) hat Lightfoot einen Vertrag mit einem Großhändler abgeschlossen.

Das ist ein Zeichen dafür, dass es langsam losgeht. Aber von den großen Handelsketten ist derzeit keine Rede mehr. (Es sei denn, man rechnet einen Kräutergarten in einer Whole-Foods-Filiale in Milburn, New Jersey, dazu, von dem sich im Netz aber kein Bild auftreiben lässt.)

Wie so ein fertiges Gewächshaus in der Stadt aussieht, lässt sich übrigens sehr schön in diesem Beitrag über die Produzenten von „Gotham Green“ sehen, die ähnliche Ziele wie Brightfarms verfolgen.

Rotterdam, Shanghai: Ein paar Nummern zu groß

Ein riesiger Agrarpark, der zu jeder Jahreszeit Obst, Gemüse, Fleisch, Fisch und Eier produziert, hätte es werden sollen. Die Herstellungsprozesse hätten einander ergänzt, alles ziemlich öko und schalu – und übderdimensioniert. Im Jahr 2010 sollte der „Delta Park“ in Rotterdam, unterstützt vom niederländischen Ministerium für Landwirtschaft, eröffnet werden. Er ist aber nie gebaut worden. Wahrscheinlich waren die niederländischen Techniker dann so sauer, dass sie zu den Chinesen gerannt sind, um ihre Ideen mit denen umzusetzen: im Shanghai-„Greenport“ (50.000 Schweine, 2 Millionen Hühner, dazwischen ein paar schöne Wohnungen).

In der „News“-Rubrik auf der Website des Agrarpark-Projekts ist zu lesen, dass es zu Verzögerungen gekommen sei und die Pläne vorerst auf Eis liegen. „When new developments occur they will be posted on this website.“ Der Eintrag ist vom September 2009. Und vielleicht ist das ganz gut so. (Das ebenso großspurige wie nichtssagende Video ist online noch ansehbar und unbedingt empfehlenswert.)

London: Pilze aus dem Regal

Geöffnet ist der Laden in der Dalston Lane im Londoner Stadtteil Hackney montags bis samstags von 11 bis 17 Uhr. Aber zur Sicherheit ruft man besser vorher an, falls doch mal keiner da sein sollte und einen reinlassen kann. „Bitte klingeln“, steht an der Tür des „Farm:Shop“, der im Osten der englischen Hauptstadt in ein viktorianisches Wohnhaus – nun ja: hineingerankt wurde. Im Erdgeschoss schwimmen die Fische in großen Aquarien; Pilze wachsen im Regal; die Kräuter hängen von der Wand; Obst und Gemüse wächst auf dem Dach in einem improvisierten Gewächshaustunnel; und die Hühner schauen vom Dach auf die vorbeifahrenden Busse (mehr Bilder und Informationen z.B. hier oder hier). Der „Farm:Shop“ ist allerdings kein Projekt von Öko-Aktivisten, die trotzdem Wert auf eine ordentliche ÖPNV-Anbindung legen, sondern ein Kunstprojekt, wenn auch ein ziemlich lebendiges. Auf die Idee sind ein Ingenieur, ein Grafikdesigner und ein Soziologe gekommen, die von der Verwaltung 6000 Pfund Zuschuss gekriegt haben, um das Haus in Stand zu setzen und einen Wohnhausbauernhof mit Café reinzubauen (Vorher-Nachher-Video ansehen). Auch wenn das eher nicht die Zukunft der Lebensmittelversorgung sein dürfte: einkaufen lässt sich dort trotzdem.

Als nächstes will das Trio übrigens ein Kaufhaus zugemüsen. Herr Berggruen, wäre das nicht auch eine schöne Alternativlösung für diese Kaufhauskette, die Sie günstig übernommen haben?

Fotos: brightfarms.com; Farm Shop/Something and Son

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