Während im ganzen Land der Wettstreit der Sofortlieferdienste ausgebrochen ist, die Lebensmittel innerhalb weniger Minuten nachhause bringen, lässt es der einstige Hoffnungsträger Getnow nach wie vor eher gemächlich angehen.
Im Januar war der Online-Supermarkt, der für die Kommissionierung der bestellten Einkäufe mit Metro als Partner zusammenarbeitet, vom Logistikdienstleister LIS übernommen worden. Unter neuer Führung wurde der Zustellservice mit frei wählbaren Zeitfenstern nach längerer Pause zunächst in Düsseldorf wieder hochgefahren (siehe Supermarktblog). Ende Januar kam schließlich Essen dazu.
In vielen anderen Städten, die Getnow bis zur Insolvenzanmeldung im Herbst des vergangenen Jahres beliefert hatte, steht Kund:innen aber auch fünf Monate nach dem Neustart lediglich der Paketlieferservice mit eingeschränktem Sortiment zur Verfügung.
Auf Supermarktblog-Anfrage erklärt eine Getnow-Sprecherin, Lieferungen mit auswählbaren Zeitfenstern und frischen Lebensmitteln seien bisher außer in Düsseldorf und Essen auch in Dortmund, Gelsenkirchen, Wuppertal, Leverkusen, Bochum und Köln möglich:
„[J]edoch steht die Expansion des Unternehmens im Fokus und wir sind guter Dinge, dass dies auch bald in anderen Städten realisiert werden kann. Als nächstes soll in Berlin der Lieferservice an den Start gehen.“
Viele Ankündigungen, wenig Konkretes
Wann genau das der Fall sein wird, verrät Getnow nicht. Außerdem hatte das Unternehmen zuletzt seine Kommissionierstationen vor Metro-Märkten (z.B. am Berliner Ostbahnhof) abgebaut, was eher auf einen Rückzug schließen ließ. Dazu heißt es nun:
„Mit der Übernahme der getnow haben wir unseren Fokus zunächst auf zwei der Standorte gelegt, um dort an operativen Prozessen – wie zum Beispiel den Ausbau der eigenen Flotte – zu arbeiten und grundsätzlich die Kundenzufriedenheit weiter zu steigern. Sukzessive sind wir aber dabei, weitere Standorte aufzubauen.“
Die eigene Flotte ersetzt die Kooperation mit Logistik-Partnern, die lange Kern des Getnow-Modells war. Wieviele Fahrzeuge derzeit im Einsatz sind, sagt das Unternehmen nicht; ebensowenig, wieviele Fahrer:innen beschäftigt werden.
Bereits Anfang April war man in einer Mitteilung „guter Dinge, über die aktuellen Standorte hinaus Frischelieferungen bald auch in anderen Städten anbieten zu können“. Dafür stehe man „in engem Kontakt mit der Metro, die ebenfalls engagiert für die Eröffnung weiterer Standorte kämpfe“. Seitdem scheint aber nichts mehr passiert zu sein. Die für April angekündigte Click-&-Collect-Option für Düsseldorf lässt ebenfalls auf sich warten. Getnow erklärt:
„Wir arbeiten an unserem Angebot und wollen den Roll-out an allen bestehenden Hubs binnen zwei Monaten umsetzen.“
Die Lieferung am gleichen Tag verspricht der Händler Kund:innen in de genannten Städten, deren Bestellungen vor 10 Uhr eingegangen sind; Bestellungen bis 16 Uhr könnten am darauffolgenden Vormittag zugestellt werden. Die Lieferung ab 120 Euro ist kostenfrei, darunter werden 2,90 bis 3,90 Euro berechnet. Im Raum Düsseldorf lassen sich in dieser Woche noch sämtliche Zwei-Stunden-Lieferzeitfenster zwischen 8 Uhr morgens und 22 Uhr buchen.
Paketversand für Geduldige
Anders sieht das in den Regionen aus, die weiter mit dem Paketservice Vorlieb nehmen müssen. Dort stehen weder Frische noch Kühlartikel zur Verfügung, gepackt werden ausschließlich Waren aus dem Trockensortiment. Dafür müssen Kund:innen zudem Geduld mit bringen. Online informiert Getnow:
„Die Fertigstellung deines Einkaufes und die Übergabe an DHL findet 2-4 Werktage nach Bestelleingang statt.“
Auf die Frage, ob man dies für eine langfristig akzeptable Zeit im zunehmend schneller werdenden Markt für online bestellte Lebensmittel halte, sagt eine Sprecherin:
„ Natürlich ist uns immer daran gelegen, dass die Bestellungen so schnell wie möglich zugestellt werden können. Werktags verlassen daher pünktlich zum gewünschten Bestelltag 100 Prozent unserer Bestellungen unser Lager und werden von unserem Partner DHL schnellstmöglich ausgeliefert. Wir sind außerdem zuversichtlich, dass wir noch mehr Tempo aufnehmen können, sobald sich die Zustellengpässe aufgrund von Corona wieder gelegt haben.“
(Was angesichts der standardmäßigen Überlastung von DHL unwahrscheinlich sein dürfte.)
Die per Paket georderten Metro-Artikel kommen Kund:innen aber im Zweifel teuer zu stehen. Ab einem Einkaufswert von 40 Euro fallen 4,90 Euro Versandkosten an; diese erhöhen sich jedoch mit jedem weiteren Paket, das pro 20 Artikeln hinzugerechnet wird, jeweils um 4,90 Euro. Für einen mittelgroßen Vorratseinkauf mit unter 50 Artikeln würden also satte 14,70 Euro Versandkosten fällig. Es ist mehr als unwahrscheinlich, dass Getnow dauerhaft Kund:innen gewinnen kann, die das zu zahlen bereit sind.
Zumal die Kosten bei vergleichbaren Versanddiensten deutlich niedriger ausfallen: Mytime.de, das ebenfalls Lebensmittel per Paket versendet, verlangt zwischen 4,99 Euro und 6,99 Euro, auch für umfassendere Einkäufe.
Ohne „Preiskracher“ geht es nicht
Zu Beginn des Jahres hatte Getnow außerdem erklärt, weniger auf Preisnachlässe und Rabatte setzen zu wollen. Auf der Website und im Newsletter sieht das aber völlig anders aus. Für die „Preiskracher der Woche“ werden Produkte beworben, die aktuell „bis zu 54% billiger“ sind. Kürzlich hieß es:
„Große Rabatte passen am besten in ein Paket.“
Getnow betont, man habe, die Angebotsstruktur „um 50 % reduziert“ und Gutscheinaktionen entfernt.
„Nichts desto trotz informieren wir unsere Kunden selbstverständlich über unsere Angebotspreise und Preiskracher der Woche.“
Derzeit gingen wöchentlich „Bestellungen im mittleren vierstelligen Bereich ein“. Dass sich Getnow mit seinem aktuellen Service gegen die zahlreicher werdende Konkurrenz, die vor allem in größeren Städten in hohem Tempo expandiert, mittelfristig behaupten kann, lässt sich aber durchaus anzweifeln. Im Moment scheint man eher als regionaler Anbieter für Nordhein-Westfalen zu agieren – und kann sich überall sonst eventuell in Getlater umbenennen.
Gorillas, Flink & Co. kann Getnow dank Metro zwar ein deutlich größeres Sortiment entgegenhalten – aber wahrscheinlich ist es keine allzu kühne Behauptung, dass sich der Bedarf, künftig Hühnernudeltopf in der 800-Gramm-Portion, Haribo-Schlümpfe in der 1,5-Kilo-Packung und 85 Stück Weizen-Wraps von Metro Chef nachhause zu ordern, bei der Mehrzahl der Kund:innen eher in Grenzen halten wird.
Danke an Sven E.!