Ende einer Zweckehe: Was Edekas Abschied von Bringmeister bedeutet

Ende einer Zweckehe: Was Edekas Abschied von Bringmeister bedeutet

Foto: Supermarktblog
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Edeka ist raus: Ab Mai gehört der Lieferservice Bringmeister dem Investor Rockaway Capital. Der könnte damit bequem den Markteinstieg des tschechischen Liefersupermarkts Košík.cz einleiten – noch vor dem Start des Konkurrenten Rohlik.

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Was wird aus der Edeka-Tochter Bringmeister, die weiterhin in Berlin und München mit zunehmend schrottiger aussehenden Lieferfahrzeugen ihre Runden dreht?“, stand vor einigen Monaten hier im Blog in einer Analyse der Zukunftsstrategien der großen Handelsketten im Online-Lebensmittelhandel.

Die Frage lag nahe, nachdem bekannt geworden war, dass sich Edeka sehr viel enger als bisher an den niederländischen Partner Picnic und sein Modell der kostenlosen Lebensmittellieferung in festen Zeitfenstern gebunden hatte. Picnic-Mitgründer Joris Beckers hatte Edeka zuvor bereits die strategische Kommunikation abgenommen und im niederländischen Branchenportal Distrifood.nl geweissagt:

„Edeka has concluded that the Picnic model works best. Their online business is called Picnic.“

So ist es nun auch gekommen: An diesem Dienstag hat der Hamburger Handelsverbund bekannt gegeben, sich von Bringmeister zu trennen. Zum 1. Mai übernimmt der tschechische Investor Rockaway Capital die Geschäfte. Die Bedingungen der Ministererlaubnis, in deren Zuge Edeka Bringmeister vor vier Jahren hatte übernehmen können, sollen weiter eingehalten werden, die Jobs erhalten bleiben.

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Außerdem erklärt Edeka, Bringmeister als „Belieferungspartner“ zur Verfügung zu stehen.

Es ist ein ebenso konsequenter wie überfälliger Schritt. Denn auch wenn Edeka in seiner Meldung betont, dass Bringmeister seinen Umsatz in den vergangenen drei Jahren „mehr als verdreifacht, und allein im vergangenen Geschäftsjahr annähernd verdoppelt“ habe: Mit großer Leidenschaft wurde das Lieferservice-Anhängsel seitens der Hamburger nie geführt.

Lauter verpasste Chancen

Nach dem Start von Amazon Fresh in Berlin sah es kurzzeitig so aus, als sei der Ehrgeiz geweckt, mit Bringmeister in den Angriffsmodus zu wechseln: Innerhalb kurzer Zeit wurde die taggleiche Lieferung gestartet, das Sortiment mit zahlreichen Edeka-Eigenmarken und riesiger Alnatura-Produktauswahl ergänzt – und eine unglücklich formulierte Kampagne gestartet („Wir besorgen’s ganz Berlin“).

Berliner Bringmeister-Kampagne von 2017; Foto: Supermarktblog

Aber die Begeisterung ebbte schnell ab, die Lieferversprechen waren oft schwer einzuhalten und zuletzt fuhr Konkurrent Rewe mit seinen Lieferfahrzeugen dem Wettbewerber zumindest in Berlin sichtbar den Rang ab.

Schlaue Investitionen blieben aus: Nachdem der Allgäuer Lebensmitteleinzelhändler Feneberg 2018 seinen Münchner Lieferdienst Freshfoods einstellte, die Kund:innen zu Bringmeister lotste und sich zu Gunsten einer Edeka-Kooperation von Amazon Prime Now verabschiedete, wäre das die Chance gewesen, die eingespielten Prozesse des neuen Partners für schnelle Lebensmittellieferungen aus den Filialen unter Bringmeister-Flagge fortzuführen (siehe Supermarktblog).

Diese Chance ließ man verstreichen. Und ebnete damit den Weg für Schnelllieferdienste wie Gorillas und Flink, die nun mit einigen Jahren Verspätung genau in diese Lücke stoßen.

Höhere Preise als die Konkurrenz

Ohnehin schien der Zukauf Edeka eher eine lästige Pflicht zu sein als die Möglichkeit, in ein neues Geschäftsmodell vorzustoßen. Das mag auch daran gelegen haben, dass sich mit dem Liefergeschäft nicht die Margen erzielen ließen, die Edeka aus seinem Stammgeschäft gewöhnt war. Ausgleichen sollten das bitteschön – die Kund:innen.

Bei sporadischen Preisvergleichen unterschiedlicher Lieferdienste schnitt Bringmeister in der Regel als teuerster Anbieter ab; dass man der Kundschaft den Wocheneinkauf nachhause bringt, wollte man sich bei Bringemeister am liebsten in Gold aufwiegen lassen. Die üppigen Aufschläge auf viele Artikel laden nicht nur deutlich über den regulären Ladenpreisen, sondern auch über dem Niveau der (auch nicht Discount-günstigen) Konkurrenz.

Selbst zum von Edeka beschworenen „Wir lieben Lebensmittel“-Image wollte Bringmeister zuletzt kaum mehr passen: Zahlreiche Lieferfahrzeuge machen inzwischen den Eindruck als seien sie schon in diverse Unfälle und Zusammenstöße verwickelt gewesen: schmutzig, eingedellt, mit abgezogener Folie, eingedrückten Türen – so als hätte sich schon seit einer Ewigkeit niemand um die Instandhaltung gekümmert.

Und einem Händler, der glaubt, mit einer solchen Schrottflotte vertrauensvoll frische Lebensmittel transportieren zu können, sollten die Kund:innen vertrauen?

Ein Sprungbrett für Košík.cz?

Es wird interessant zu beobachten sein, ob der neue Eigentümer aus Tschechien gewillt ist, die Versäumnisse der Vergangenheit auszugleichen und das dafür notwendige Geld in die Hand zu nehmen – oder ob man glaubt, angesichts des Wachstums im Online-Lebensmittelhandel einen Selbstläufer übernommen zu haben, der einfach weitermachen kann wie bisher.

Ein bisschen Hoffnung besteht auf jeden Fall: Über seine Beteiligung an der Mall Group ist Rockaway Capital auch beim tschechischen Liefersupermarkt Košík.cz investiert. Der arbeitet in der Heimat u.a. mit Kaufland zusammen (siehe Supermarktbklog) und liefert sich einen harten Wettbewerb mit dem Kontrahenten Rohlik, der gerade auf dem Sprung nach Deutschland und im Nachbarland Österreich schon aktiv ist.

Im Heimatmarkt kooperiert Košík.cz u.a. mit Kaufland; Screenshot [M]: Smb

Gut möglich, dass die Tschechen Bringmeister als Sprungbrett nutzen, um – noch vor dem Wettbewerber – auf einen Schlag in zwei deutschen Metropolen mit einem etablierten Lieferservice vertreten zu sein, dessen Kund:innen dankbar für Verbesserungen sein dürften.

Für Edeka besteht der Vorteil des Deals darin, sich nicht ganz aus dem Markt zurückziehen zu müssen, ohne weiterhin die aufwändige Lieferlogistik am Hals zu haben. Ob das langfristig ein schlauer Schachzug war, nachdem man sich durch die Übernahme von Kaiser’s Tengelmann in Berlin und München eigentlich mehr Präsenz erhofft hatte (und Picnic nach wie vor vollkonzentriert auf Nordrhein-Westfalen bleibt), wird sich schon sehr bald zeigen.

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5 Kommentare
  • Bezüglich Lieferdienste: Bei getnow wird wohl leider zur weiteren Luftblase. Denn bei der METRO in Berlin Ostbahnhof sind die Stände und Kühlwagen auf dem Parkplatz von getnow verschwunden.

  • Ich war mit Bringmeister stets zufrieden.Frische Wurst waren etc.Immer freundliche Fahrer bekamen auch Trinkgeld.Frage mich was wird in Zukunft?

  • Der Grund ist wohl auch einfach dass damit kein Geld zu verdienen war… Edeka ist nunmal eine Genossenschaft.
    Und wenn ich jedes Jahr erzählen darf wir haben x-Millionen investiert
    um x-Millionen Umsatz zu machen. Gewinn ist nicht in Sicht und
    wie die Genossen davon profitieren sollen ist komplett unklar…
    DANN muss man sich irgendwann die Frage stellen was bringt das?
    Wie wir hier im Blog schon oft lesen durften lohnt einen Belieferung aus dem Ladengeschäft nicht wirklich… also wie soll der Genosse mit seinem Geschäft davon profitieren? Und wie verteilt man den Gewinn, welchen ein Lieferdienst irgendwann mal macht auf, wenn die Edeka-Märkte im Ort dann Umsatz verlieren?

    Ich denke Lieferdienste können nur funktionieren wenn es ein Unternehmen gibt. Nimmt man einen Stadt mit z.B. 5 Edekahändlern dann müsste man ja die Stadt unter sich aufteilen und jeder fährt separat seine Ecke der Stadt.. wären dann auch mindestens 5 Kühlfahrzeuge plus anteilige Kosten von jedem Händler am Onlineshop…
    Wie soll das funktionieren?? Da müsste ja jeder Händler jährlich einen mittleren 6-stelligen Onlineumsatz schaffen Mindestens!

    • „Wie soll der Genosse profitieren?“ scheint mir auf jeden Fall der deutlich realistischere Werbe-Claim als „Wir lieben Lebensmittel“.

      (Dass Filialkommissionierung ab bzw. bis zu einer gewissen Größenordnung *nicht* funktionieren kann, erinnere ich mich gerade spontan nicht, hier ins Blog geschrieben zu haben.)

    • Hallo Herr Schrader,

      Leider kann ich auf ihre Antwort nicht antworten.. auf jeden Fall wurde hier im Blog schon beschrieben dass Filialkommission deutlich aufwendiger und daher teuerer ist. Auch habe ich schon mal dargestellt dass bei einer online-Bestellung in der Filiale niemals die aktuellen Bestände berücksichtigt werden können. Weil a) noch andere Menschen in der Filiale sind und b) die Ware je nicht sofort geblockt bzw Kommissionäre werden kann.
      Sprich Bestellung um 14 Uhr bei Bestand 10 Stück. Kommissionierung um 14:30 Uhr Bestand dann leider doch schon weg… weil Frau Müller eben gerade einkaufen war. Übrigens viele Edekamärkte bieten telefonische Bestellung an, teilweise mit Lieferung am selben Tag… nur Geld verdient damit keiner. Weil ! Und das steht definitiv hier im Blog „ die letzte Meile ist die teuerste“
      Weiterer wichtiger Punkt für den Händler vor Ort kommen zu den vorhandenen IST-Kosten ja die ganze Lieferkosten hinzu! D.h. wenn bei einem Einkauf von 50€ vielleicht 2€ für den Händler übrig bleiben. Dann müsste bei einer Online Bestellung von den 2€ noch die Kommission, der Webshop, das Fahrzeug plus Personal abgezogen werden.. plus natürlich ganz kleine Liefergebühren. Den Gewinn findet da niemand, nichtmal Google…

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