Aldi kriegt von seinen Kunden was aufs Dach (geparkt)

Aldi kriegt von seinen Kunden was aufs Dach (geparkt)

Partner:

Handzettel-Werbung für neuen Aldi-Markt

„Sehr gute Parkmöglichkeiten“, verspricht Aldi auf dem Handzettel, der die Eröffnung einer neugebauten Filiale in der Hauptstadt bewirbt, und das ist deshalb besonders originell, weil als Eröffnungsangebot auf der Rückseite ein E-Bike zum Schnäppchenpreis angeboten wird.

Dabei kommt die Zielgruppe, die Aldi bisher hauptsächlich anspricht, so gut wie immer mit dem Auto. Kunden, die kartonweise Saft, Nudeln und Tiefkühlfritten in die riesigen Einkaufswagen packen, wissen nun mal, dass sich die Wochenvorräte nicht von alleine nachhause schleppen. Es gab deshalb eine Zeit, in der für Aldi der Parkplatz wichtiger war als der Laden. Stellplätze mussten so groß sein, dass sie nie ausgelastet sein konnten, um vorbeifahrenden Kunden zu signalisieren: Hier ist immer Platz! Der Discounter baute deshalb immer dieselben Flachbauten mit aufgesetzten Satteldächern an Bundesstraßen und in Industriegebiete, weil es dort genügend Platz gab und die Kundschaft bereit war, für günstige Preise auch eine etwas längere Anfahrt (und hässliche Läden) in Kauf zu nehmen.

Das hat sich geändert. In den vergangenen Monaten sah Aldi sich gezwungen, die düsteren Einkaufshöhlen, die bisher vor allem im Norden der Republik Standard waren, sanft zu modernisieren.

Vor allem aber erweitert der frühere Harddiscounter sein Sortiment um Markenprodukte von Coca Cola, Ferrero und Nivea und verkauft verstärkt Luxus-Eigenmarken und Bio-Produkte, um wieder mehr Kunden zu gefallen.

Die neue Softie-Strategie passt nur nicht mehr in die alten Läden. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Nicht mehr genug Platz: Alter Aldi-Markt in Berlin-Friedenau

Bereits vor einem Jahr meldete die „Lebensmittelzeitung“, Aldi Nord trenne sich systematisch von kleinen Filialen, die unter der bisherigen Standardgröße lägen. Alles, was kleiner ist als 600 Quadratmeter, sollte mittelfristig ersetzt werden. Neue Läden müssten nicht mehr mindestens 800, sondern 1000 bis 1200 Quadratmeter groß sein. Am Stadtrand ist das machbar, weil sich dort neue Grundstücke auftreiben lassen oder alte Märkte an- und umgebaut werden können. (Wie Aldi Süd das zum Teil recht konsequent macht.)

Umbau-Hinweis an einer Aldi-Süd-Filiale

In den Innenstädten allerdings kriegt Aldi ein Riesenproblem: Weil dort viel weniger Platz für größere Läden ist und Umbauten zu Lasten der vorhandenen Parkplätze gingen. Das will Aldi aber keinesfalls riskieren.

Auch die Mitbewerber planen an ihren Standorten in der Regel mit möglichst umfangreichen Parkplätzen (Edeka rechnet mit einem Stellplatz pro 10 bis 15 Quadratmeter Verkaufsfläche). Edeka und Rewe können notfalls aber auch komplett darauf verzichten, indem sie sich zum Beispiel mit ihren viel kleineren City-Konzepten an nicht-motorisierte Kunden wenden, die in der Nähe wohnen oder auf dem Nachhauseweg von der S-Bahn noch Besorgungen für Abendessen und Frühstück machen.

Für Discounter ist das nicht so einfach. Trotz der höheren Margen, die sich zum Beispiel mit Premium-Eigenmarken erzielen lassen, funktioniert das Aldi-Prinzip immer noch über Masse. Für Leute, die bloß ein Gürkchen, ein Brötchen und eine Packung Käse mitnehmen, ist das Geschäftsmodell nicht gemacht. Aldi braucht Kunden, die möglichst viel auf einmal kaufen. (Nur dann rentieren sich die Niedrigpreise.)

Und Kunden, die möglichst viel auf einmal kaufen, brauchen – Parkplätze.

Wenn Aldi nicht zum reinen Industriegebiet-Discounter werden will, muss das Unternehmen zur Umsetzung seines neuen Konzepts gleichzeitig mehr Verkaufsfläche schaffen, ohne drastisch weniger Parkplätze anzubieten. Aldi ist an vielen Standorten gezwungen, kreativ zu sein.

Im Berliner Bezirk Neukölln hat der Discount-Marktführer eine alte Filiale abgerissen, mit der sich als Ausstellungsstück jederzeit ein Deutsches Discount-Museums hätte gründen lassen. Für einen Neubau in zeitgemäßer Größe war auf dem Grundstück zwar Platz – aber nur bei gleichzeitigem Verzicht auf sämtliche Parkflächen. Das wollte Aldi auf keinen Fall riskieren, zumal sich Hauptkonkurrent Lidl in unmittelbarer Nachbarschaft ein riesiges Grundstück mit üppiger Parkfläche geschnappt hatte (siehe Google Street View).

Die Lösung des Problems ist ungewöhnlich und sieht so aus:

Aldi-Markt mit Parkdeckauffahrt in Berlin-Neukölln

Weil ein Tiefgaragenbau wegen des nahe gelegenen Landwehrkanals und möglichen Grundwasserproblemen nicht möglich war, hat Aldi sich seinen Parkplatz einfach aufs Dach gebaut: 31 Pkw-Stellplätze, die über eine Rampe neben dem Eingang erreicht werden können. (Das Bild oben zeigt die Rückseite mit der Abfahrt.) Kunden werden per Aufzug zurück ins Erdgeschoss vor den Markt gebracht.

Aldi-Parkdeck in Berlin-Neukölln

Die Konstruktion muss deutlich teurer gewesen sein als die üblichen Flachbauten, weil der Markt durch das aufgesetzte Parkdeck eine komplett andere Statik brauchte – und schon deshalb nicht aussehen konnte wie die üblichen Einkaufsbunker.

Ob der terracottafarbene Kastenbau tatsächlich als architektonische Verbesserung zu werten ist, entscheidet am besten jeder für sich. Eins aber steht fest: Wenn man die Kausalitätskette auf die wesentlichen Punkte eindampft, sind Nutella-kaufende Discount-Kunden daran schuld, dass die Aldi unsere Innenstädte nicht mit noch mehr hässlichen Satteldächern verschandelt.

Jedenfalls so lange demnächst nicht doch alle mit dem E-Bike zum Discounteinkauf radeln.

Fotos: Supermarktblog

Kommentieren

Datenschutzhinweis: Mit der Nutzung dieses Formulars erklären Sie sich mit der Speicherung und Verarbeitung Ihrer Daten durch diese Website einverstanden. Eine Freischaltung erfolgt nur unter Angabe einer validen E-Mail-Adresse (die nicht veröffentlicht wird). Mehr Informationen.

20 Kommentare
  • In Winsen/Luhe gibt es auch einen Lidl mit Dachparkplatz und, wenn ich mich recht entsinne, in Tornesch einen Edeka.
    Unser Penny in Kiel-Wik musste sich für eine Tiefgarage entscheiden.
    Vielleicht wird das ja wirklich ein grundsätzlicher neuer Trend…

    Btw.: Was gibt’s eigentlich nettes über Sky/Coop zu berichten? Der kam hier bisher noch nicht vor, oder?

  • Mich würde mal interessieren, was bei den klassischen Aldi-Satteldachbauten eigentlich unterm Dach ist. Nur leere Nagelbinder oder wird der Raum auch genutzt?

  • Auf diese glorreiche Idee hätte Aldi vor ein paar Jahren kommen sollen. Dann sähe die Versorgung am Schloss Bellevue nicht so katastrophal aus. Fußläufig ist für die Paulstraße lediglich ein völlig abgegammelter Penny gegenüber dem Moabiter Knast zu erreichen. Der Aldi an der Lüneburger Straße (steht jetzt ein Motel One) hat nicht einmal für die großen Fleischtruhen ausgereicht

  • In München an der Landsberger Straße kann man im Luftbild auch schön vergleichen:

    Lidl ganz klassisch: Landsberger Straße 380
    Aldi mit zweigeschossiger Parkgarage auf dem Laden: Landsberger Straße 388
    (und Rücken an Rücken zum Aldi: Tengelmann: Landsberger Straße 390)

  • Unser Aldi hat übrigens vor ca. 3 Wochen eine Rolle rückwärts gemacht und die Obst- und Gemüseabteilung wieder von den Kassen weg direkt als erste Abteilung an die Eingangstür geräumt. Ist/Wird das jetzt wieder überall der Standart?

    • Das ist eher ungewöhnlich. Meines Wissens hatten alte Aldi Nords Obst & Gemüse im hinteren Teil des Markts, Aldi Süd schon lange an der Kasse, Nord ist nachgezogen. Direkt am Eingang hab ich noch keine O&G-Abteilung bei Aldi gesehen. Wo ist denn Ihr Markt?

    • Kleine Aldi Süds haben O&G teilweise am Eingang. Z.B. der kleinste, den ich kenn (München, Lindwurmstr. http://goo.gl/maps/MGKug ), der hat wohl kaum über 200 m² und keine Parkplätze, läuft aber offenbar so gut, dass er selbst die Zeit überlebt hat, wo Aldi Süd sowas unbedingt loswerden wollte. Jetzt kommt das ja wieder: Der hier ist auch ziemlich klein und neu (in Streetview noch in Bau: http://goo.gl/maps/TTycs ) und nichtmal im Zentrum; vor O&G gibts da noch einen Teil der verstreuten Aktionsfläche (beides quer). Hat eine Tiefgarage, die aber gleub ich kaum wer nutzt; der lebt vorallem von der U-Bahn-Station daneben und der nahen Studentenstadt (hat auch ein völlig discounteruntypisches hochwertiges, großes und trotzdem überlastetes Fahrradstellplatzangebot und nebenbei bemerkt auch Einkaufskörbe (aber nicht genug)).

      Parkgarage über dem Laden gibts auch in Haar http://goo.gl/maps/nBXSO ; der ist auch relativ neu, riesengroß und nicht zentral. Der von @sven oben war in Streetview noch klassisch: http://goo.gl/maps/8jBWp . Tiefgaragen baut Aldi Süd schon lang, notfalls auch in Industriegebieten, aber bevorzugt mit ein paar oberirdischen Stellplätzen. Der ist z.B. alt und hat eine: http://goo.gl/maps/vAqTA . Nebenan haben inzwischen aber Lidl und neuerdings Netto hingeklotzt.

      Lidl setzt auch in dicht bebautes Gebiet relativ klassische Bauten ohne Tiefgaragen oder so rein: http://goo.gl/maps/Ah3BP (der Feneberg schräg gegenüber http://goo.gl/maps/f3rmR war übrigens mal einer der ersten Aldis in München, ist aber schon Anfang der 80er abgewandert). Dass sich dermaßene Verschwendung von teurem Baugrund rentiert, halt ich für zweifelhaft, aber es geht wohl auch um Schnelligkeit (obwohl er sich in der Gegend hauptsächlich selber Konkurrenz macht). Aldi Süd nutzt den Grund eher besser aus und baut dafür auch Tiefgaragen wie hier: http://goo.gl/maps/uaSo1 (war meines Wissens Eigentum von Aldi, aber nachdem es oben jetzt entstreetviewt ist, haben sie es wohl verkauft). Lidl nimmt aber schon lang auch mit parkplatzlosen Kleinfilialen vorlieb, wenn es nicht anders geht, während Aldi Süd in solchen Fällen bis vor Kurzem meistens lieber ganz das Feld geräumt hat.

      Und wenn ich schon dabei bin, hier noch ein alter kleiner Aldi: http://goo.gl/maps/8cXNb . Der war schlauchförmig und hat O&G mittig gehabt. Wie in Streetview sichtbar, ist er jetzt aber umgebaut und vergrößert (richtig groß ist er davon aber auch nicht geworden). Noch ein alter innerstädtischer mit Tiefgarage: http://goo.gl/maps/4at9H ; der ist hinten in den ehemaligen Industriehallen drin, war also (samt Tiefgarage) kein Neubau. Und ein recht neuer innerstädtischer ohne Parkplatz: http://goo.gl/maps/ksukN (Neubau mit mäßiger Größe; der gleichzeitig gebaute Edeka im selben Gebäude auf der Rückseite (und mit shared Lieferzone vorn rechts sichtbar) hat eine Tiefgarage).

  • Der Aldi ist in 59494 Soest, Riga-Ring 5-15.
    Es stimmt, vor dem Umbau war Obst und Gemüse noch im hinteren Teil des Marktes, dann direkt vor den Kassen und jetzt eben am Eingang.

  • Off-Topic aber trotzdem eine Themenanregung: Netto mit Hund ab demnächst ohne Edeka. Wie geht es weiter? Habe nämlich Angst bald ohne die leckeren Produkte aus Dänemark auskommen zu müssen.

  • So aufwendig kanns nicht gewesen sein. Dieses Parkdach sieht exakt so aus wie eines, das Aldi in Remscheid hatte (und den Markt vor zehn Jahren zumachte). Wahrscheinlich haben sie in einer Schublade den alten Plan gefunden.

  • Noch eine Frage zum Thema Aldi: Warum haben die Läden eigentlich unterschiedliche Produkte im Sortiment? Das ist mir zwischen Soest und Geseke aufgefallen. In Geseke gibt es originale Valess-Produkte und nachgemachte Kinderriegel dafür aber kein Sushi wie in Soest. Und eben ungekehrt. Ist das normal?

  • Mittlerweile werden viele ALDI-Märkte saniert oder gleich neu gebaut. Auch bei uns entsteht mittlerweile ein Neubau, der richtig groß wird. In 2 Wochen ist Eröffnung und ich bin schon sehr gespannt.

Blog-Unterstützer:innen können sich über Steady einloggen, um Support-Hinweise und Werbung im Text auszublenden:

Archiv