Was passiert, wenn Kunden morgen nicht mehr so einkaufen, wie Unternehmen das gestern noch gewohnt waren?
Darum geht’s nicht nur regelmäßig in diesem Blog, sondern derzeit auch auf der K5-Konferenz in Berlin, wo sich Besucher aus Handel, Technologie und Marketing gegenseitig verraten, wie sie Kunden davon überzeugen wollen, nicht immer alles nur bei Amazon zu bestellen.
Drei interessante Fragen (und mögliche Antworten) vom ersten Konferenz-Tag:
1. Kann ein Online-Händler für Tierfutter und Kratzbäume auch ein guter Supermarkt sein?
Muss man auf jeden Fall mal versuchen, sagt Cornelius Patt (sinngemäß), Gründer und Geschäftsführer von Zooplus. Der Online-Versender von Tierbedarf wurde 1999 gegründet, hat nicht nur die Dotcom-Blase, sondern auch sein amerikanisches Vorbild Pets.com überlebt und verschickt Trockenfutter, Kratzbäume und Katzenstreu inzwischen in zahlreiche europäische Länder.
„Wir waren schon unterwegs als die Kunden noch gar nicht daran dachten, Tierfutter im Internet zu bestellen“,
sagt Patt. Das hat sich längst geändert. Derzeit beliefert Zooplus europaweit rund 5 Millionen Herrchen und Frauchen, von denen viele Patt zufolge ziemlich treue Besteller sind und deswegen nicht mehr in den klassischen Fachhandel müssen, um für ihr Haustier einzukaufen. Und auch seltener in den Supermarkt.
Deshalb probiert Zooplus, seinen Kunden die Produkte, die sie noch für sich selbst brauchen, einfach gleich mitzuschicken. Der Zooplus-Discount-Ableger Bitiba verkauft deshalb auch „Basics für den Haushalt“ – von Kaffee über Windeln bis zu Bio-Artikeln.
„Natürlich kommen auch andere Produkte aus dem Supermarkt für uns in Frage“,
sagt Patt. Und die klassischen Supermarktketten müssen sich daran gewöhnen, dass die Konkurrenz nicht nur von Anbietern wie Amazon Fresh kommt. Sondern im Zweifel auch von Versandspezialisten, die schon seit Jahren Übung damit haben, schwere Artikel zu Kunden nachhause zu schicken, ohne dafür eigene Lieferwägen zu brauchen.
2. Wie erfolgreich wird Rewe als Mini-Amazon?
Rewe macht’s andersherum: „Wir haben gemerkt, dass die Kunden mehr Artikel haben wollen“, sagt Johannes Stegmann von Rewe Digital – und zwar: auch solche, die sich nicht aufessen lassen. Deshalb sollen alle, die bei Rewe online schon ihre Lebensmittel ordern, künftig nicht weggeschickt werden, wenn sie auch noch was für den Haushalt oder den Garten brauchen. In den kommenden Wochen will Rewe seinen Shop deshalb zum „Marktplatz“ umbauen, auf dem auch befreundete Unternehmen ihre Produkte anbieten: Spielzeug von myToys, Kleinmöbel und Schnickschnack von Butlers usw.
Taufrisch ist die Idee nicht – ziemlich viele Unternehmen versuchen gerade, zum „Marktplatz“ zu werden. (Auch der Wettbewerber Real mit seinem frisch relaunchten Angebot, das mit dem übernommenen Hitmeister.de fusioniert ist.)
Aber Rewes Ansatz ist interessant: ja!-Orangensaft, Beste-Wahl-Pizzateig und der neue Sonnenschirm werden im selben Shop bestellt, aber – und da wird’s holprig: auf unterschiedlichen Wegen verschickt. Lebensmittel kommen – wie gewohnt – mit dem eigenen Lieferservice, der Rest aber separat als Paket. Das mag praktisch bei der Bestellung sein. Aber auch nur da. Zumal Amazon gerade daran arbeitet, bei seinem Lebensmittel-Lieferdienst Fresh in Berlin auch einen großen Teil des restlichen Angebots in eine Tüte zu packen und im vereinbarten Zeitfenster zu liefern (siehe Supermarktblog).
Clever wär’s, noch mehr Partner zu integrieren, mit denen Rewe exklusiv kooperieren könnte, weil der Konzern ohnehin an ihnen beteiligt ist: so wie ZooRoyal – aber auch Home24, das ja nicht nur Möbel liefert, sondern auch Accessoires: Patchworkteppich zum Schnittkäse gefällig? (Bislang stehen die Berliner noch nicht auf der Partnerliste.)
Rewe-Digital-Chef Stegmann hat in Berlin gesagt:
„Wir wollen im Herzen immer Lebensmitteldienstleister sein.“
Okay, das ist ein nachvollziehbares Bekenntnis. Aber wozu dann eigentlich der ganze Aufwand?
3. Lässt sich mit Essens-Lieferdiensten auf Dauer Geld verdienen?
Ja, geht schon. Aber schwieriger als der Berliner Lieferdienstplattformen-Sammler Delivery Hero das potenziellen Investoren vor seinem angekündigten Börsengang in einer Woche derzeit glauben machen möchte. Meint jedenfalls Venture-Capital-Experte Sven Schmidt im Konferenz-Podcast der Online Marketing Rockstars – und zerpflückte auf der K5 Berlin das Geschäftsmodell des Rocket-Internet-Hoffnungsträgers (ab Freitagmorgen zum Nachhören im Netz).
Das besteht einerseits daraus, Essen aus Restaurants zu liefern, zu denen die Kunden sonst hingehen müssten, und dafür eine komplexe Struktur mit Lieferkurieren aufzubauen – wie das Foodora derzeit in einigen deutschen Städten versucht. Das wird sich auf Dauer kaum lohnen, glaubt Schmidt.
Anders als das Geschäft mit Provisionen, die Delivery Hero Gastronomen in Rechnung stellen kann, wenn es ihnen Kunden über seine Websites Pizza.de und Lieferheld vermittelt (und das Restaurant sein Essen selbst ausfährt). In den USA ist GrubHub damit erfolgreich, in Großbritannien Just Eat, in den Niederlanden (und anderswo) Takeaway.com. Kleines Problem nur:
„Das Modell ist megaattraktiv – wenn man einmal Monopolist ist.“
Und zwar: nur dann, glaubt Schmidt. So wie Takeaway.com, das seinen niederländischen Heimatmarkt inzwischen weitgehend für sich hat und die Provision für die Gastronomen Schmidt zufolge auf 23 Prozent anheben konnte.
In seinem eigenen Heimatmarkt (Deutschland) werde Delivery Hero das so schnell nicht hinkriegen, weil die Plattformen hierzulande mit starken Konkurrenten zu kämpfen habe. Zum Beispiel Lieferando, das vor drei Jahren von Takeaway.com übernommen wurde. Und Schmidt zufolge derzeit dabei ist, den Wettbewerber zu überrunden, der zuletzt hauptsächlich durch Übernahmen immer neuer Plattformen gewachsen ist.
In Märkten wie der Türkei, wo sich Delivery Hero erfolgreich eingekauft hat, sieht das anders aus.
Also, vorausgesetzt natürlich, es stellt sich als langfristig tragfähiges Geschäftsmodell heraus, Gastronomen so viel Kohle abzunehmen, dass die entweder riskieren müssen, durch Preiserhöhungen Kunden an die Konkurrenz zu verlieren – oder irgendwann das Küchentuch werfen, weil sich ihr Laden nicht mehr lohnt, wenn sie ein Viertel des Umsatzes an Plattformen abdrücken müssen, die ihnen die Kunden ranschaffen.
Bonus-Erkenntnis:
Kann Start-up-Prediger und „Höhle der Löwen“-Investor Frank Thelen auch auch ein bisschen langsamer reden?
Nein. Aber: Gründet mehr Start-ups!
Offenlegung: Die K5-Liga unterstützt das Supermarktblog als Sponsor.
Foto: Supermarktblog
Seit einigen Wochen teste ich mehr oder weniger freiwillig unterschiedliche Essens-Lieferdienste in München (Lieferando, Deliveroo, foodora, …) und habe größtenteils frustrierende Erlebnisse gehabt: Das ganze System scheitert, wenn die Qualität nicht stimmt, und die teilnehmenden Restaurants scheinen fast ausnahmslos den Preisdruck zu kompensieren, indem sie fast vergammelte Lebensmittel in kleinsten Portionen ausliefern. Logisch, Bestell-Kunden beschweren sich praktisch weniger als die, die direkt im Lokal sitzen. Mal abgesehen davon, daß die überwiegende Mehrzahl der Angebote doch wieder aus Pizza, Asien-Imbissen und Burgerläden besteht (gähn!).
Und was sagen die Lierferdienste zu den Mängeln? (Bzw. warum mehr oder weniger freiwillig? Herd explodiert?)
Den Lieferdiensten scheint das reichlich egal zu sein und zeigen nach einigen warmen Worten des Bedauerns mit den Fingern auf die Restaurants. Dort zu meckern schient völlig zwecklos, zumal ich ja auch was besseres zu tun habe als Kettentelefon/Mails… tatsächlich ist’s besser, beim Restaurant des Vertrauens anzurufen (das eher selten bei Lieferdiensten mitmacht) und selbst abholen fahren, auch wenn das aufwändiger ist. Und nein, der Herd steht noch, aber leider ca. 650 km entfernt, und für eine reine Salat-Diät bei Projekt-Arbeit bin ich einfach nicht gemacht 😉
Ah, verstehe!