Ansichten eines Visionärs: Lidl-Lenker Klaus Gehrig zum 70. Geburtstag

Ansichten eines Visionärs: Lidl-Lenker Klaus Gehrig zum 70. Geburtstag

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Klaus Gehrig, Konzernchef der Schwarz-Gruppe, wird 70 Jahre alt. Wer ist dieser Mann, der von sich sagt: „Mit mir konnte man schon immer einfach zusammenarbeiten!“ Ein Porträt – in Zitaten.

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Es gibt was zu feiern: An diesem Mittwoch wird Klaus Gehrig, Lidl-Lenker und Konzernchef der Schwarz-Gruppe (die unter seiner Führung zum größten Händler Europas wurde), 70 Jahre alt. Damit verfügt der Aufsichtsrat-Chef von Lidl und Kaufland über 25 Jahre mehr Lebenserfahrung als Alexandre Bompard, CEO von Europas Nummer-2-Handelskonzern Carrefour; 17 Jahre mehr als Dave Lewis, CEO des bislang größten britischen Handelskonzerns Tesco; und 24 Jahre mehr als der Vorstandsvorsitzende der Rewe Group, Lionel Souque.

Wenn einer weiß, wie Lebensmittelhandel in den zurückliegenden Jahrzehnten funktioniert hat, dann Gehrig. Gerade würdigte ihn die „Lebensmittel Zeitung“ (LZ) als „prägende Persönlichkeit“, als „Visionär“ und „Taktgeber“ –

„auch wenn er das selbst niemals von sich behaupten würde. Er redet nicht gerne über sich selbst.“

Was genau ist das Geheimnis dieses Mannes, der um sich selbst so ein Geheimnis macht? Seine Weitsicht, sein unternehmerisches Gespür, seine Sensibilität gegenüber Mitarbeitern und Führungskräften? Am besten nähert man sich Gehrig vielleicht, indem man jemanden zu Wort kommen lässt, der ihn schon viele Jahrzehnte kennt, versteht und deshalb einschätzen kann wie kein anderer.

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Klaus Gehrig über Klaus Gehrig

„[Ich bin] eher ein selbstbewusster Manager mit Bodenhaftung. Ich suche ganz gezielt auch Führungskräfte aus, die mir widersprechen“, vertraute Klaus Gehrig dem „manager magazin“ 2015 an (im gemeinsamen Interview mit dem damaligen Lidl-Chef Sven Seidel, ausgeschieden im Februar 2018, und dem damaligen Kaufland-Chef Frank Lehmann, ausgeschieden im Oktober 2015). Voriges Jahr wurde er im Gespräch mit dem „Spiegel“ noch etwas konkreter: „Ich komme eigentlich mit jedem zurecht. Und ich bin mit mir und mit dem, was ich tue, zufrieden, das ist ganz wichtig.“

Als harter Hund sehe er sich nicht, „ich trage meine Vorstellungen nur engagiert vor. Und ich bin konsequent“. Das können die zahlreichen ehemaligen Lidl- und Kaufland-Geschäftsführer, die Gehrig in den vergangenen Jahren hat kommen und vor allem gehen sehen, bestätigen. An ihm können diese Abgänge kaum gelegen haben, denn: „Mit mir konnte man schon immer einfach zusammenarbeiten!“

Falls es doch mal zum Zwist kommt, punktet der Mann, der nicht gerne über sich selbst redet, mit einer anderen positiven Eigenschaft: „Ich habe viel Mitgefühl. Besonders wenn ich mich von Mitarbeitern trennen muss.“

Am Ende zählt vor allem eins: kein schlechtes Gewissen zu haben. „Wenn ich ein schlechtes Gewissen hätte, könnte ich diesen Job nicht machen. Wir können nur bedingt zu mehr Gerechtigkeit auf der Welt beitragen.“

Klaus Gehrig übers Geschäft

„Für das Modell Discount gibt es keine Grenzen und keine besetzten Märkte.“ Davon ist Klaus Gehrig seit jeher überzeugt, und genau so hat es sich bislang ja auch immer bewahrheitet.

„Wir scheuen uns daher nicht, auch in vermeintlich gesättigte Märkte einzudringen und uns dort durchzuboxen“, charakterisierte der Konzernchef 2015 die Expansionsstrategie der Schwarz-Gruppe. So wie in den USA, wo Lidl im vergangenen Sommer eher unbescheiden mit seinen ersten Filialen startete (siehe Supermarktblog). Kurze Zeit darauf bilanzierte Gehrig gegenüber der „Wirtschaftswoche“: „Wir haben unseren Eintritt in die USA sehr gut vorbereitet und so können wir von einem gelungenen Start in den USA sprechen – wir sind bei den Kunden angekommen. (…) Hier bewährt sich unsere reichhaltige Erfahrung, die wir bei unseren Markteintritten in Europa sammeln konnten.“

Dafür, dass es dann doch geringfügig anders gekommen ist, hat Gehrig auch eine Erklärung. Der „Lebensmittel Zeitung“ sagte er gerade: „Die Situation in den USA ist in der Nachbetrachtung auch mein Fehler – ich hätte mich viel früher darum kümmern müssen.“

Denn wenn Gehrig sich nicht selbst kümmert, sieht es oft düster aus für Lidl und Kaufland.

Einer muss schließlich einen klaren Kurs vorgeben, um etwa gegen den ewigen Rivalen Aldi zu reüssieren. „Aldi ist grundsätzlich kostenorientierter als wir“, vertraute Gehrig im Juni 2015 der „LZ“ an. „Wir machen auch schon mal Dinge, bei denen wir nicht so genau auf die Kosten schauen, sondern bei denen eher die Sicht der Kunden im Mittelpunkt steht.“ So wie in den fantastischen neuen Lidl-Filialen mit reichlich Tageslicht, in denen es ein Vergnügen ist, als Kunde einzukau… – nein, Pardon, mein Irrtum: „Schauen Sie sich die Lidl-Filialen an, die wir im letzten Jahr gebaut haben, zum Beispiel in Osteuropa. Das sind teilweise riesige Glaspaläste. Aber diese überzogene Bauweise befremdet die Menschen dort. Außerdem passt sie nicht zu uns, und die Umsätze stehen in keiner Relation zum Aufwand“, ergänzte Gehrig seinen Position zwei Jahre später im „Spiegel“. „Hier brauchen wir wieder mehr Kostenbewusstsein.“

Was Gehrig über das Geschäft sagt, das meint er auch so. „Es ist Teil unserer Strategie, dass wir den stationären Handel und unser digitales Angebot vernetzen. Dabei gehen wir innerhalb der Schwarz Gruppe koordiniert vor“, hat er der „Wiwo“ im vergangenen Oktober anvertraut. Ein halbes Jahr nachdem Lidl sein Click-&-Collect-Konzept kurz vor dem geplanten Start beerdigte; wenige Wochen bevor Lidl den Verkauf von Lebensmitteln im Online-Shop einstellte; und Kaufland sich von seinem erfolgreichen Lieferservice in Berlin mit sämtlichen bereits vorbereiteten Expansionsplänen verabschiedete (siehe Supermarktblog).

Dass man als Händler auf neuen Feldern mitspielen muss, „ist gar keine Frage“, versicherte der Konzernchef im Sommer 2016 der „LZ“. „Meine Aufgabe besteht darin, diese Entwicklung nicht zu blockieren, auch wenn das nicht mehr meine Welt ist.“

Klaus Gehrig über Personal

Aber natürlich ist es schwer, sich nicht ständig einzubringen – bei dem Personal, das man heutzutage kriegt. Denn: „der Anteil der Menschen, die von ihrer Persönlichkeitsstruktur her zu uns passen, ist kleiner geworden.“ Das hat mehrere Gründe. Klaus Gehrig kennt sie alle:

  1. „Die Jobs bei uns erfordern mitunter auch eine gewisse Konsequenz und Härte.“
  2. „Man braucht Stallgeruch, um zu verstehen, wie Kaufland und Lidl ticken und wie die Unternehmensgruppe als Ganzes funktioniert.“
  3. „Wir brauchen Menschen mit einem Blick aufs Ganze.“

Kurz gesagt: Menschen wie …

Klaus Gehrig über die Zukunft

Einen guten Konzernchef erkennt man auch daran, dass er frühzeitig die eigene Nachfolge regelt und geeignete Kandidaten dafür in Position bringt. „Als operativer Chef der Schwarz-Gruppe habe ich derzeit noch weitreichende Entscheidungsbefugnisse. Diese Freiheiten, die ich momentan genieße, wird es in dem Ausmaß künftig nicht mehr geben“, prognostizierte Gehrig vor drei Jahren im „manager magazin“. „In meiner heutigen Macht- und Kompetenzfülle bin ich ein Auslaufmodell. Und das ist auch gut so.“

Gehrig war sich sicher: „Im Jahr 2018 werde ich 70, bis dahin will ich all meine Aufgaben auf stabile Vorstandsstrukturen übertragen haben.“ Und wenn man ihm eines vorhalten wollte, dann: dass er damals unterschätzt hat, wie unverzichtbar er für das Unternehmen wirklich ist.

Im vorigen Jahr erdreistete sich der „Spiegel“, Gehrig zu fragen, wann er denn gehen wolle. Und der antwortete: „Wenn der Inhaber [Dieter Schwarz, Anm. d. Red.] sagt: Jetzt ist es an der Zeit! Ich entscheide das ja nicht. Wenn er morgen sagt: Lieber Klaus, das ist es jetzt gewesen. Dann sage ich: Vielen Dank, wir haben gerne, vertrauensvoll und erfolgreich zusammengearbeitet. Und dann bin ich morgen eben nicht mehr da.“

Gut, gleich morgen wäre vielleicht doch ein bisschen früh, denn: „Ich habe dem Unternehmen noch viel zu geben. Und ich habe von meinem Inhaber die Aufgabe bekommen, dass ich die nächsten zwei, drei Jahre meinen Nachfolger einarbeiten soll.“

Wobei: Wer soll das denn sein? Die „mit Stallgeruch“ bei Lidl und Kaufland sind ja alle viel zu jung, die älteren getürmt oder gekündigt. Manch einer fühlte sich als Führungskraft womöglich dazu berufen, Gehrig zu widersprechen, wie der sich das wünscht – aber das heißt ja nicht, dass man sowas durchgehen lassen darf. Gehrig weigert sich einfach, sich mit der Unperfektheit der anderen zufrieden zu geben. „Das Wort Zufriedenheit hat immer etwas mit Zurücklehnen zu tun. Das ist absolut tödlich. Wir müssen aufpassen, dass wir trotz unseres Erfolgs die Sinne scharf halten“, sagte er 2015 der „Lebensmittel Zeitung“.

Jetzt wird Klaus Gehrig 70. Und dringend weiter gebraucht, um Lidl und Kaufland vor den Versuchungen der Moderne zu bewahren. Der „Heilbronner Stimme“ gegenüber deutete er an, auf sein 50. Dienstjubiläum im Unternehmen hinarbeiten zu wollen. In acht Jahren.

Was sollte man dazu anderes sagen als: Herzlichen Glückwunsch!

Quellen: „Für uns gibt es keine Grenzen“, „manager magazin“ 6/2015, S. 30ff; „Wir müssen unsere Sinne scharf halten“, „Lebensmittel Zeitung“ vom 19.6.2015, S. 25ff; „Extrem viel Reserven“, „Lebensmittel Zeitung“ vom 3.6.2016, S. 30f; „Der Killerwal ist ein hochsoziales Wesen“, „Der Spiegel“ vom 15.4.2017, S. 65ff; „Der Kunde will sehen, was er einkauft“, wiwo.de vom 9.10.2017; „Der Unberechenbare“, „Lebensmittel Zeitung“ vom 11.5.2018, S. 25f.


Ein lesenswertes Porträt von Klaus Gehrig, das auch andere Einschätzungen außer denen Klaus Gehrigs berücksichtigt, hat Manfred Stockburger für die „Heilbronner Stimme“ geschrieben.

Foto: Supermarktblog"

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1 Kommentar
  • Ich bin Lidl Mitarbeiterin und würde den Herren gerne mal treffen…..
    Ich denke wir hätten viel zu bereden….
    Ich bin jetzt 26 Jahre im Unternehmen und erlaube mir daher einige Veränderungen beurteilen…..
    Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag an der Stelle.

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