holyEATS #18: Lieferando bringt Aufbackpizza, Deliveroo Tiefkühlmenüs, Asda und Just Eat ärgern die Konkurrenz

holyEATS #18: Lieferando bringt Aufbackpizza, Deliveroo Tiefkühlmenüs, Asda und Just Eat ärgern die Konkurrenz

Foto: Kristina Bratko/Unsplash
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Wer braucht schon Küchen? Aufbackanschluss oder Tiefkühltruhe reichen, um Lieferessen-Anbieter zu werden!

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Im Ernst: Lieferando lässt Wagner-Tiefkühlpizza aufbacken

Wer sagt eigentlich, dass das per App bestellte Lieferessen zwangsläufig frisch in einer Restaurantküche zubereitet werden muss? Europaweit testen Lieferdienste derzeit die Zusammenarbeit mit Partnern, die nicht aus der klassischen Gastronomie kommen. In Deutschland kooperiert Lieferando gerade mit dem Tiefkühlpizzen-Hersteller Nestlé Wagner und bringt dessen Pizza-Neuerung „Ernst Wagners Original“ in drei großen deutschen Städten an die Haustür – fertig aufgebacken.

Mit vier Pizzen (Prosciutto, Margherita, Verdure, Diavola) fällt die „Menükarte“ zwar eher übersichtlich aus – aber der Absender „Ernst Wagners Original“ taucht in der Lieferando-Übersicht gleichberechtigt direkt neben klassischen Pizza-Bäckern auf und verspricht noch dazu kostenlose Lieferung. Eine Ernst kostet 6 Euro (statt 3,99 Euro im Supermarkt); damit der Lieferando-Fahrer losradelt, müssen mindestens zwei Ernsts bestellt werden. Geliefert wird ausschließlich abends zwischen 18 und 20.45 Uhr.

„Wir haben uns für die Teststandorte Frankfurt, München und Hamburg entschieden, da in diesen urbanen Regionen Partnerschaften zu lokalen Gastronomiepartnern bestanden. Diese Partner übernehmen das Aufbacken der Ernst Wagners ‚Original’ Pizzen und dienen als Pick-Up-Station für die Lieferando-Boten“, heißt es auf Anfrage bei Nestlé Wagner, wo man aber nicht verraten möchte, um welche „lokalen Gastronomiepartner“ es sich handelt. Im Impressum des Aufbackmenüs steht die Agentur SBI Support by Improvement mit Sitz in Eschborn (bei Frankfurt) und Waldkirch (bei Freiburg).

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In jedem Fall sind Nestlé Wagner und Lieferando mächtig stolz auf ihre „Markenpartnerschaft“, die noch bis zum 9. Dezember laufen soll. Ob die Aktion danach fortgeführt werde, sei „aktuell noch offen“. Bei der Nestlé-Tochter verweist man jedoch auf die „äußerst positiven“ Bewertungen der Besteller, deren Urteile bislang allerdings überschaubar sind. Und die – z.B. in Frankfurt – bei maximal überschwänglicher Sternevergabe derart ähnlich ausfallen bzw. an die offiziellen Pizzakartontexte angelegt sind („lecker knusprig“, „super knusprig & gut belegt“, „knuspriger Boden und leckerer Belag“), dass zumindest der Verdacht nahe liegt, der Agenturpraktikant könnte dem Überschwang ein kleines bisschen nachgeholfen haben.


Just Eat macht die britische Supermarktkette Asda zum Pizza-Lieferanten

Etwas weniger großstädtisch, aber nicht minder interessant ist die Kooperation, für die sich der britische Liefervermittler Just Eat einen neuen Partner geangelt hat: die Handelskette Asda. Diese lässt Kunden im Großraum der Stadt Leeds (bei Sheffield) und Livingston in Schottland (bei Edinburgh) extragroße Pizzen zum Lieferkampfpreis von 6 Pfund (knapp 7 Euro) per Kurier bringen. Bestellt wird über die Just-Eat-App (z.B. Margherita, Pepperoni, „American Sizzler“ oder „Vegetable Supreme“), der Lieferkurier holt die italie… – äh: britische Spezialität anschließend an der „Asda Kitchen“-Theke im örtlichen Supercenter ab.

Geliefert wird im Umkreis von drei Kilometern um den Supermarkt; auf Wunsch gibt’s einen „Meal Deal“ mit Pizza, Beilage (Fritten, Zwiebelringe, Hähnchen-Nuggets), Getränk, Dessert und Dip für 15 Pfund. Damit gleich klar ist, wen man damit ärgern möchte, listet Asda in der dazugehörigen Mitteilung direkt die (deutlich höheren) Preise der Konkurrenten Domino’s und Pizza Hut für vergleichbare Pizzen auf. Einzig die mittägliche Lieferzeit von „40-55 mins“ könnte da noch abschreckend wirken.

Dass auch die Supermärkte was vom Lieferessen-Boom abhaben wollen, ist zumindest in Großbritannien keine ganz neue Entwicklung. Bereits vor einem Jahr ließ Sainsbury’s (das mit Asda fusionieren will) frisch gebackene Pizza aus einer Londoner Filiale von Deliveroo ausliefern. Dafür hatte sich die Handelskette noch mit der britischen Pizzakette Zizzi zusammengetan. Aber natürlich liegt es nahe, auszuprobieren, ob man Kunden auch alleine satt und zufrieden machen kann, wenn sie nicht mehr in den Laden kommen wollen.


Tiefkühlmenüs für Workaholics und Kleinkinder bei Deliveroo

Im Zweifel muss die Liefermahlzeit nicht mal heiß ankommen – tiefgekühlt ist doch auch praktisch. Dann entscheidet der Besteller selbst, wann er Hunger kriegt. Ebenfalls in London hat Deliveroo deshalb testweise „Delicious Frozen Meals“ des Tiefkühlmenü-Herstellers byRuby auf die Seite genommen: Rinder-Ragout mit Pappardelle, Coconut Chicken Curry, vegetarische Lasagne. Deliveroo-Kunden können aus zehn Gerichten auswählen, Einzelportionen kosten 6 bis 7 Pfund; wer für zwei bestellt, bezahlt 12 Pfund (plus 3 für den Beilagen-Reis oder „wonder greens“). Für die Lieferung kommen nochmal 3 Pfund obendrauf, Mindestbestellwert gibt’s dafür keinen. Und der zeitsensitive Mittagspäusler muss sich während der Lunch-Rush-Hour nicht in die SB-Kassen-Warteschlange im Laden einreihen.

Deliveroo verspricht nicht nur Büroangestellten, das Leben per Tiefkühldirektlieferung zu erleichtern, sondern auch gestressten Müttern. Die können auf der Plattform nämlich „Frozen Healthy Toddler Meals“ vom Babykost-Hersteller Annabel Karmel ordern, für je 3 Pfund pro Portion (mit originellen Gerichten wie „Hidden Veggie Bolognese“ bzw. „Mummy’s Fish Pie“). Konsequenter lässt sich die Kundschaft von morgen vermutlich nicht an den versprochenen Segen der stetig expandierenden Lieferessenindustrie heranführen.

Hierzulande lässt der Dr.-Oetker-Ableger Juit seine überteuerten Tiefkühlmenüs derzeit noch im Sechserpack von DHL bringen – bestenfalls im Zwei-Stunden-Zeitfenster. Kann aber eigentlich nicht mehr lange dauern, bis man auch dort der Eingebung folgt, stattdessen einen Kurier in Türkis, Orange oder Magenta losradeln zu lassen.

In jedem Fall sind Kooperationen dieser Art ein untrügliches Zeichen dafür, dass sich Anbieter wie Lieferando, Deliveroo und Just Eat künftig kaum mit klassischen Restaurants als Partner begnügen werden – sondern ihre Logistik allen Unternehmen zur Verfügung stellen, die einen Aufbackanschluss oder eine Tiefkühltruhe organisiert kriegen. In den USA haben UberEats und Postmates bereits ihre Ambition formuliert, auch frische Lebensmittel zustellen zu wollen. Die Grenzen verschwimmen zunehmend: Supermärkte konkurrieren mit Systemgastronomen, Markenhersteller und Start-ups mit Supermärkten, und alle zusammen mit klassischen Restaurants, inzwischen sogar in denselben Kanälen. Es wird ziemlich interessant zu beobachten sein, wer das am schlauesten für sich zu nutzen weiß – also: außer den Lieferlogistik-Anbietern, die sich immer stärker im Alltag hungriger Großstädter breitmachen.


Nachschlag

  • Was lange brät, wird endlich gut: Die erbitterten Burger-Rivalen Peter Pane und Hans im Glück haben sich außergerichtlich geeinigt – wie genau, wollen sie aber öffentlich nicht verraten. (dpa via Handelsblatt)
  • Der Preis für die dümmste Werbekampagne des Jahres geht kurz vor Schluss noch an – tataaa! – Burger King, das mit echten Autounfällen für seinen Lieferservice wirbt. (Horizont)
  • Die schnell wachsende Nudelkette Vapiano holt sich für ihre internationale Expansion Unterstützung von Jamie’s Italian, das sich zuletzt fast erfolgreich in den Ruin expandierte. (Pressemeldung)
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